Bin wieder daheim und habe meine kleine Datenreise beendet. Der Kongress im Leipzig ist leider wieder zu Ende und nun setzt leider wieder die kalte Lebensrealität ein. Es gibt ja immer wieder Leute, die völlig verwundert sind, dass jemand wie ich zu so einer Veranstaltung reist. Ich dachte Du bist jemand der sich mit Wirtschaft befasst und dann läufst Du irgendwo bei den Anarchisten rum?
Jaja, ich bin aber eben auch jemand, der sich für Technik interessiert, stets bemüht ist seine Hacking-Fähigkeiten zu erweitern, sich für eine egalitäre Gesellschaft ausspricht und glaubt, dass Wissen und Informationen frei zur Verfügung stehen sollten. Darüber für Ethik und Politik interessiert. Was für einen Ort gebe es da der besser geeignet wäre als der Familientreff des Chaos Computer Club?
Es lässt sich für Externe wirklich nur schwer beschreiben, was den Kongress eigentlich so einmalig macht. Die meisten Menschen, die hören, dass Hacker sich treffen, sehen vorwiegend einen dunklen Raum in denen Leute in Hoddies und mit Skimasken sitzen und während sie diabolisch Lachen alles was nicht Niet und Nagelfest ist abfackeln um das Leben der normalen Menschen so kompliziert wie möglich zu gestalten.
Nun auch dies ist wahr und eben irgendwie doch nicht. Es ist irgendwie eine Mischung aus Festival, Universität und einem Ort an denen Menschen sind, die auf eine ganze wunderbare Art und Weise verrückt sind. Überall leuchtet und blinkt es und man sieht die merkwürdigsten Dinge, die von den Hackern gebaut wurden. In den Assembly Halls kann man sich verirren und soviele merkwürdig tolle Dinge entdecken bei denen man immer wieder vor Freude schmunzeln muss.
Hin und wieder geht man auch mal in die Talks, in denen oft sehr kompetente Redner die aktuellen Hacks oder einfach nur Ihre Ideen zu einem Thema vortragen. Oft unterhalts, aber in jedem Fall immer lehrreich. Leider manchmal aber auch zu gruseln. Das der Bluetooth Stack wichtiger Geräte bereits gefallen ist, war keine Überraschung, nun aber noch WLAN und NFC lassen einen doch ein wenig daran zweifeln, dass Smartphones überhaupt noch zu retten sind.
Doch der Kongress ist eben auch mehr. Er ist ein Ort an dem die Menschen sich als gleichwertig ansehen und nicht ohne Grund überall propangiert wird „All Creatures Welcome“. Dies wird offen gelebt, da man sich wirklich nie alleine fühlen muss. Man sieht etwas, dass man nicht versteht, dann gehe einfach hin und spreche die Leute an. Die meisten werden gerne bereit sein einem mit funkelnden Augen etwas genauer zu erklären und mit einem Ideen auszutauschen.
Dabei spielt das Alter überhaupt keine Rolle. Man findet auch die Soldering Stations an denen Knirpse von gerade einmal vielleicht 6 Jahren den Lotkolben schwingen. Bedenkt man, dass man mir in der Politik bereits an den Kopf geworfen hat, dass ein Lötkolben in Schulen nichts verloren hätte, weil man damit ja die Gesundheit der Kinder gefährden würde...
Nun ich habe nirgendwo die selbstgestellten Rettungssanitäter (Cert) rumlaufen sehen, weil es noch verschmorten Kinderhänden roch. Ganz im Gegenteil! Sie löten an Chips rum und basteln an ihren kleinen Projekten. Nirgendwo ein gelangweiltes oder frustriertes Gesicht, sondern Begeisterung durch und durch. Dabei auf einem Skill-Level, dass ich als Software-Mensch nur ehrfürchtig über die Schulter klopfe und immer von der „Master Class“ spreche. Als Löt-Dilettant würde ich es nie wagen bei den Kindern als Einstieg anzufangen.
Das dies überhaupt möglich ist und man in der Hacker-Gesellschaft nicht verächtlich auf die jungen Menschen hinabblickt, sondern sie an ihren Fähigkeiten beurteilt und als gleichwertige Mitglieder ansieht, ist etwas von denen man viel lernen kann.
Dabei wird darüber diskutiert, wie schwer es ist der Gesellschaft da draußen diese Technikwelt zu erklären. Die alten Verstehen es nicht mehr und denken, dass Datenzwerge die Pakete versenden, während man den Jungen unterstellt, dass sie alles können müssen, weil sie ja damit groß geworden sind. Dabei gibt es kaum einen Boomer, der eben Autos reparieren kann... ist ja damit aufgewachsen worden.
Das Problem dabei ist aber eben nicht, dass man Dinge nicht weiß. Sondern das man nicht bereit ist sie zu hinterfragen und immer wieder etwas neues zu lernen. Denn dies ist die wahre Substanz aus der Hacker sind. Sie blicken nicht auf ein Gerät und geben sich damit zufrieden es nutzen zu können, sondern sie wollen wissen, was sich dahinter befindet. Wofür man eigentlich das Gerät noch nutzen soll.
Wieso sollte man den keinen Webserver auf dem Staubsauger laufen lassen, damit dieser während des Saugens noch ein paar Daten im Netz stellt. Wäre ja Verschwendung, wenn man die Resourcen nicht auch noch ein wenig mitnutzen würde oder? Und überhaupt warum soll man Dinge wegschmeißen, die nicht mehr funktionieren. Man kann Dinge auch reparieren oder ihnen ein neues Leben geben, denn die Teile darin sind immer noch nutzbar.
Dabei wird es natürlich auch immer wieder politisch. Dabei meine ich nicht, dass ich als Wirtschaftsmensch (Scheiß Kapitalist!) auch mal bei den Anarchisten über den Platz gehe und ein wenig in deren Ideen einlese und mit ihnen diskutiere. Keine Idee der Welt ist absolut, sondern als Gesellschaft müssen wir immer wieder alles in Frage stellen und versuchen es neu zusammen zu setzen. Aus jeweils den besten, was uns zur Verfügung steht.
Dabei wird Toleranz stets immer wieder betont. Unisex-Toiletten überwiegen. Es laufen Männer in Röcken durch die Gegend und man sieht auf den Feiern auch liebende aller Nouncen. Wieso ist das zur Hölle so schwer in unserer Gesellschaft. Spricht mich etwas überhaupt nicht an, dann mache ich es nicht, aber wieso sollte ich mich da einmischen? Geht es nicht darum, dass wir diese Welt zu einem möglichst lebenswerten Platz machen für möglichst alle Leute?
So werden spezielle freiwillige (!) Helfer für Autisten zur Verfügung gestellt, damit diese sich auch möglichst frei auf dem Kongress bewegen können und eine schöne Zeit haben. Wummert es Abends dann auf Grund einer Party doch mal etwas heftiger, dann stellt man ihnen auch mal in einer ruhigeren Ecke einen „Ruheraum“ zur Verfügung, wo sie sich ein wenig erholen können. Und muss doch mal nach einer Veranstaltung ein Menschenstrom dort durchgeleitet werden, stehen dort Leute mit Schildern „Ruhe bitte“ und es ist mucksmäuschen Still.
Überhaupt wird vieles dort mit freiwilligen Helfern erledigt. Diese werden von den Teilnehmern als „Engel“ bezeichnet und werden vom „Himmel“ geschickt. So mancher Neuling verdreht fragend die Augen, wenn er ein Problem hat und man ihn zum Himmel schickt, der da oben gleich um die Ecke ist. Hat man dann mal ein paar Stunden Freiraum und will nicht chillen, dann meldet man sich zu einer Schicht an und hilft halt etwas mit den Kongress zu einem Erfolg zu machen.
Dies erklärt auch, wieso man für rund 150€ ein Event schaffen kann, dass mit einem ähnlichen Programm oftmals wesentlich teurer ist. Alleine eine Sicherheitskonferenz kann locker mehrere tausend Euro kosten und dann noch Festival, Workshops und was weiß ich dazu? Auch dies macht den Familientreff der Hacker zu einem besonderen Event.
Meine Gruppe hat zudem eine kleine Hacking-Schnitzeljagd gewonnen, die von einigen Hackern aus Osteuropa organisiert wurden und uns einige sehr heitere Stunden bei der Jagd bereitet haben mit einigen echten Kopfnüssen.
Es gibt sovieles zu sehen und zu erleben, dass es schier unmöglich ist an allem teilzunehmen. Und so schaffen sich die Hacker hier für wenige Tage ein kleines Utopia in denen ihre Werte hochgehalten werden. Dabei kann man vor allem erleben, dass Wissen und Lernen eine Sache ist, die unglaublich viel Spaß machen kann.
Dies wird man vermutlich aber nicht verstehen, wenn man dies nicht selbst einmal miterlebt hat. Denn in der Medienlandschaft und oft auch der Politik sind Hacker ja die Bösen. Dabei setzen sie sich hier gerade eben dafür ein, dass man Schwachstellen von System aufdeckt und dabei hilft diese erst überhaupt zu schließen. Dies ist kein Haufen chaotischer digitaler Anarchisten, noch eine Armee von Cyberterroristen, sondern eine Gruppe von Menschen, die diese Welt und ihre Gesellschaft noch nicht aufgegeben haben.
Von daher mein Dank an alle Helfer, die diese wunderschönen Tage ermöglicht haben und die vielen netten Menschen, die ich auf der Datenreise wieder gesehen habe und auch kennenlernen durfte. Es ist selten, dass man sich mit sovielen Problemen befasst und trotzdem mit einem Gefühl der Hoffnung wieder nach Hause geht. Überhaupt ist all das Augenzwinkern das man überall vorfinden kann, eine echte Therapie für den Rest des Jahres.
Ich hoffe sehr, dass ich mit diesem Text ein wenig von dem 36C3 berichten konnte und vielleicht ein ganz anderes Bild gezeichnet habe als die zumeist sehr halbherzigen und schwer nachvollziehbaren Artikel, die einige Zeitungen als Alibi über diese Veranstaltung bei sich abdrucken. Wenn Du technikinteressiert bist und Dich bisher nie getraut hast, besuche doch einfach mal den Kongress oder den nächsten Hackerspace bei Dir um die Ecke. Ich bin mir sicher, dass Du dort einige nette Menschen finden kannst, die genauso nerdig sind wie Du selbst!
Bleibt mir in diesem Sinne nur übrig Euch allen hier auch weiterhin eine gute Datenreise und einen schönen Rutsch ins Jahr 1984! What can possibily going wrong? :)
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