| GEKLAUT | Libertär ist nicht gleich liberal |

in anarchismus •  6 years ago 

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Libertär ist nicht gleich liberal
von Shinzon

In den alternativen Medien gibt es allerhand Leute, die sich selbst als „libertär“ bezeichnen. Die Auslegungen reichen dabei von freiheitlich bis neoliberal. Dementsprechend definieren sich sowohl Anarchisten als auch Kapitalisten als Libertäre. Das ist sehr konträr und daher ist es an der Zeit, den Begriff einmal näher zu analysieren, für was er steht und mit was er nicht verwechselt werden sollte.

Grundsätzlich muss erst einmal zwischen libertär und liberal unterschieden werden. Der Liberalismus ist dabei ein allgemeiner Freiheitsbegriff, der politisch keinem Lager zugeordnet werden kann. Gemeint ist vor allem die Freiheit des Individuums. Es geht also um Selbstverwirklichung.

Doch wie viel Freiheit ist gesund? Darf sich z.B. ein Serienmörder oder Kinderschänder frei entfalten? Folgt man dem Leitspruch des Okkultisten Aleister Crowley, bedeutet Freiheit: „Tu was du willst!“ Dies bedeutet jedoch, dass jeder frei sei, einem anderen die Freiheit zu nehmen. Daraus ergibt sich folgerichtig ein Widerspruch.

Weit vernünftiger und sozial verträglicher ist da der Spruch, der Immanuel Kant zugeschrieben wird: „Die Freiheit des Einzelnen endet dort, wo die Freiheit des Anderen beginnt.“ Um dies zu regeln, gibt es Gesetze. Natürlich können Unrechtsregime auch Gesetze erlassen, die Freiheiten generell einschränken, darum soll es hier aber nicht gehen. Gemeint sind an dieser Stelle gesetzliche Standards, die z.B. dazu dienen, Verbraucher vor Abzocke, Arbeiter vor Ausbeutung oder die Umwelt vor ihrer Zerstörung zu bewahren.

Und genau da kommen die Libertären ins Spiel. Die sehen in solchen gesetzlichen Regelungen nämlich eine Einmischung des Staates in die freie Wirtschaft. Gerhard Schröder (SPD) kann in dieser Hinsicht als bisher libertärster Bundeskanzler gesehen werden, da er u.a. Hedge Fonds legalisiert und Europas größten Niedriglohnsektor möglich gemacht hat. Er könnte jedoch bald von Friedrich Merz (CDU) übertroffen werden, sollte dieser Mitarbeiter des Investmentkonzerns BlackRock tatsächlich nächster Bundeskanzler werden.

Die Freiheit des Marktes geht den Libertären über alles. Scheiß auf die Umwelt, wenn ein Lebensmittelkonzern gentechnisch veränderte Soja anbauen will, muss der Regenwald halt weg! Scheiß auf die Verbraucher, wenn sich mit geplanter Obsoleszenz und Weichmachern wie Quecksilber Gewinn erwirtschaften lässt, dann wachsen halt in Afrika die Müllberge und Kinder werden blöd im Kopf! Scheiß auf die Arbeiter, wenn die einen Betriebsrat gründen wollen, landen sie auf der Straße! Scheiß auf die ganzen Obdachlosen, Wohnungen sind zum Spekulieren da! Immerhin leben wir in einer „marktkonformen Demokratie“, wie Angela Merkel (CDU) unlängst feststellte.

So drastisch würden es die Libertären selbst natürlich nicht ausdrücken, denn das würde ihrem Ansehen schaden. Stattdessen verbreiten sie den Irrglauben, dass der Markt sich schon irgendwie selbst reguliert. Wenn die Verbraucher kein Mikroplastik in der Zahnpasta oder keinen Genmais im Popcorn haben wollen, müssen sie es ja schließlich nicht kaufen. Die Sache hat allerdings einen Haken, denn die Verbraucher sind oft nicht über solche Inhaltsstoffe informiert und eine Kennzeichnungspflicht lehnen die Libertären ab. Pflicht ist nämlich gleich Zwang und Zwang ist böse!

Gleiches gilt für den Zwang der Arbeitgeber, paritätisch in die Sozialversicherung und Rentenkasse einzahlen zu müssen. Alles was mit „Sozial“ beginnt, trägt schließlich den Wortstamm von „Sozialismus“ in sich und Sozialismus ist das erklärte Feindbild der Libertären. Die Kapitalisten scheißen auf das Allgemeinwohl und kontern mit dem Motto: „Wenn jeder an sich selbst denkt, ist an jeden gedacht.“ Wozu also sollen Unternehmer überhaupt irgendetwas an den Staat und seine Institutionen abdrücken?

In der Tat lehnen die Libertären jede Form von Steuern als Zwangsabgaben an den Staat ab und schreien sofort „Enteignung“, wenn irgendwo das Wort „Vermögenssteuer“ in den Mund genommen wird. Sie ignorieren dabei völlig, dass der Staat davon im Gegenzug eine Infrastruktur finanziert, die auch von der Wirtschaft genutzt wird. Die produzierten Waren werden über steuerfinanzierte Straßen transportiert und ohne staatliche Schulen könnten die Arbeiter weder lesen, noch schreiben oder rechnen, wären also geistig arbeitsunfähig.

Die Lösung der Libertären lautet, die komplette Infrastruktur, das Bildungssystem und die öffentliche Daseinsvorsorge zu privatisieren. Mit anderen Worten, die Enteignung der Bevölkerung ist für die Libertären okay. Doch was passiert, wenn Straßen, Schulen, Krankenhäuser und Sozialwohnungen nur noch dazu da sind, Profit abzuwerfen? Richtig, es wird alles kaputt gespart! Welche Konsequenzen das hat, zeigte erst im August 2018 der Einsturz einer privat betriebenen Autobahnbrücke in Genua, bei dem 42 Menschen starben.

Und das ist nur das krasseste Beispiel. Überall, wo Wohnungen privatisiert werden, steigen die Mieten, während die Wohnqualität abnimmt. Wo die Wasserversorgung privatisiert ist, schmeckt das Trinkwasser oft nach Chlor, weil dieser Giftstoff billiger ist als die Reparatur leckender Leitungen. Privaten Krankenhäusern geht es nicht um das Wohl der Patienten, sondern darum, die Betten möglichst schnell wieder frei zu bekommen. In privaten Pflegeheimen muss sich eine Pflegekraft für einen Hungerlohn um Dutzende Menschen kümmern, weil Einsparungen beim Personal die Rendite erhöhen.

Diese Liste ließe sich endlos fortsetzen, aber es dürfte bereits klar sein, dass der Markt nichts regelt, außer den Profit und die Dividenden der Aktionäre. Dabei ist der Gewinn keineswegs ehrlich erwirtschaftet. Er ist bis auf wenige Ausnahmen das Produkt von Ausbeutung und Umweltzerstörung. Die Vermögenssteuer wäre daher auch keine Enteignung, sondern vielmehr die Rückführung gestohlener Lebensleistung von Arbeitern!

Es ist eben nicht ehrlich und gerecht, wenn sich Firmenvorstände Millionengehälter in die eigene Tasche stecken oder Börsenspekulanten sich an der Leistung anderer dumm und dämlich verdienen. Die Gewinne werden von den Arbeitern erwirtschaftet und nicht von den Kapitalisten! Diese sind nichts anderes als Parasiten, die andere für sich roboten lassen. Die Freiheit der Milliardäre ist die Lohnsklaverei für Milliarden Menschen!

Die Libertären vertreten einen absolut pervertierten, rein materialistischen Freiheitsbegriff, der allein der maßlosen Bereicherung einer kleinen Elite dient. Diese Elite betreibt Steuervermeidung wo es nur geht (Stichwort Amazon und Co.), während ihre Lohnsklaven die Aufstockung ihres Niedriglohns mit Hartz IV selbst finanzieren müssen. Einige Milliardäre überlegen sogar, schwimmende Städte in internationalen Gewässern zu bauen, um zukünftig gar keine Steuern mehr zahlen müssen, während diejenigen, die ihren Reichtum erwirtschaften, in Slums verrotten sollen.

Quelle

Da fragt man sich, warum sich libertäres Gedankengut auch in der einfachen Bevölkerung breitzumachen beginnt? Neben dem missverstandenen Freiheitsbegriff liegt dies vor allem an der geschickten Manipulation der Massen durch die Eliten. Zum einen erzählen diese den Menschen, dass es jeder von ihnen vom Tellerwäscher zum Millionär schaffen kann und jeder seines Glückes Schmied sei. Wer einmal ein Jobcenter aufsuchen musste, weiß, was für ein Quatsch das ist!

Zum anderen wird permanent Angst vor einem angeblich bösen Sozialismus bzw. Kommunismus geschürt, der allen Menschen die Freiheit und Individualität rauben will. Für den Stalinismus, wie er in den ehemaligen Ostblockstaaten praktiziert wurde und heute immer noch in Nordkorea praktiziert wird, mag das sicherlich zutreffen. Doch von echtem Kommunismus waren und sind solche Diktaturen Lichtjahre weit entfernt. Um zu begreifen, was Kommunismus wirklich bedeutet, sollte man Karl Marx lesen. Für diesen war nämlich „die Freiheit des Einzelnen die Voraussetzung für die Freiheit aller“. Liberaler geht es kaum. Libertärer hingegen schon.

Für die Libertären ist nämlich alles mindestens Sozialismus, was auch nur annähernd nach Allgemeinwohl riecht. So z.B. die Gesundheitsreform von Barack Obama, der für einige schon als Inbegriff eines Kommunisten gilt. Das ist zwar an Lächerlichkeit kaum zu überbieten, aber von den Libertären absolut ernst gemeint. Geht es nach ihnen, hätten weiterhin alle Geringverdiener, die sich keine Gesundheitsversorgung leisten können, gefälligst verrecken sollen, da die gesetzliche Krankenversicherung Zwang und damit schlimmer als der Tod sei.

Wer das schon als geisteskrank empfindet, sollte sich jetzt gut festhalten. Manche Libertäre behaupten nämlich sogar, wir würden gar nicht im Kapitalismus leben, sondern im Sozialismus. Als Beweise dafür werden u.a. die Verstaatlichungen von Pleitebanken herangezogen. Was da während der letzten großen Finanzkrise stattfand, war allerdings nichts anderes als die Vergesellschaftung privater Schulden, während man die öffentlichen Gewinne ganz schnell wieder privatisiert hat. Es ist schon mehr als tollkühn, diese Korruption als Sozialismus zu bezeichnen! Im Prinzip haben die Staaten – allen voran Deutschland – kriminelle Kapitalisten auf Kosten der Allgemeinheit vor ihrem selbstverschuldeten Ruin gerettet.

Es sollte nicht verwundern, dass die Libertären im Gegenzug Donald Trump feiern, der den Reichen – allen voran sich selbst – die Steuerlast erheblich erleichtert hat. In Deutschland finden sich die Libertären entsprechend im Dunstkreis der AfD sowie der marktradikalen Hayek-Gesellschaft.

Bekanntester Vertreter der deutschen Libertären ist Oliver Janich, der vor allem für die von ihm gegründete Partei der Vernunft Bekanntheit erlangte. Die Wahlerfolge blieben jedoch aus, da noch eine Partei, die den Sozialstaat ablehnt, nicht nur unvernünftig, sondern überflüssig ist. Inzwischen unterstützt er die AfD, da diese die nötige Durchsetzungskraft für marktradikale Forderungen hat. Er würde sich eigentlich ganz gut als festes Mitglied machen, da gegen ihn bereits wegen Börsenkursmanipulation ermittelt wurde. So viel zum Thema rechtmäßig angeeigneter Reichtum.

Ein absoluter Janich-Fan war lange Zeit Tilman Knechtel, der die YouTube-Kanäle Bürgerberg und TrauKeinemPromi betreibt. Was auf letzterem Kanal zum Thema okkulte Symbolik zu finden ist, kann man dabei durchaus weiterempfehlen. Wie auch auf diesem Blog werden die Bedeutungen von Zeichen und Gesten sowie die Verbindungen der Promis zu Geheimgesellschaften aufgedeckt. So weit so gut.

Kaum geht es jedoch um Politik, wird der haarsträubendste Unsinn behauptet. Knechtel impliziert eine kommunistische Weltverschwörung, der u.a. Banker wie die Rockefellers und Rothschilds angehören sollen. Das riecht schon fast „jüdisch-bolschewistischer Weltverschwörung“. Während er allerdings richtig erkannt hat, dass die Rothschilds eigentlich Satanisten sind, will er nicht wahr haben, dass sie auch Kapitalisten sind. Das was ihr Laufbursche Macron gerade in Frankreich durchsetzt, könnte nämlich nicht weiter von Sozialismus oder gar Kommunismus entfernt sein. Es ist der pure Raubtierkapitalismus, die Enteignung der Massen zugunsten einer kleinen Elite aus Investmentbankern.

Allerdings nicht, wenn es nach Knechtel geht. Die Hochfinanz und multinationale Konzerne befinden sich laut seinem Glaubensmodell allesamt in der Hand von Kommunisten, die von den Ideen eines Karl Marx geleitet werden. Nun wollte Marx aber eine klassenlose Gesellschaft, während aktuell die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinander klafft. Welch kognitive Dissonanz führt zu solch offensichtlichen Widersprüchen? Oder wird hier gezielt Desinformation betrieben? So nach dem Motto: Kommunismus ist Profitmaximierung, Freiheit ist Sklaverei und Unwissenheit ist Stärke!

Das würde passen, denn weiterhin lehnt Tilman die Menschenrechte kategorisch ab, weil sie für ihn der Inbegriff einer Neuen Weltordnung sind. Es stimmt zwar, dass die Menschenrechte die Handschrift der Freimaurer tragen, doch sind es gerade die Mächtigen, die sie am häufigsten brechen. Knechtel würde ihnen gern dabei helfen, denn er spricht den Menschen sämtliche Grundrechte wie das auf Nahrung, Wasser, Obdach usw. ab. Als Libertärer möchte er all dies in privater Hand wissen und glaubt, die Menschen bräuchten ausschließlich das Recht am eigenen Körper, um wahrhaftig frei zu sein. Nur werden sie ihren Körper bzw. ihre Arbeitskraft verkaufen müssen, um sich das nackte Überleben leisten zu können, wodurch sie wiederum zu Sklaven werden.

Wer diese Widersprüche offenlegt, muss den Zorn des libertären Großinquisitors fürchten, denn mit politischen Gegnern verfährt Knechtel gnadenlos. So bezeichnete er u.a. Gregor Gysi als „minderwertig“ und die Rapper von K.I.Z als „Untermenschen“. Nun kann man ja Gysi durchaus zu recht kritisieren und was K.I.Z für gewöhnlich zusammentexten, ist unter aller Sau. Das rechtfertigt jedoch keinen Nazijargon! Laut Artikel 1 des Grundgesetzes ist die Würde des Menschen unantastbar, auch die von Politikern und Gangsterrappern. Aber vielleicht ist das Grundgesetz in den Augen von Libertären auch nur so ein kommunistisches Unterdrückungspamphlet?

Auf dem Bürgerberg-Kanal hat er indes Sahra Wagenknecht am Rande einer Parteiveranstaltung einen stalinistischen Artikel von 1992 vorgeworfen, von dem sie sich schon längst distanziert hatte. Mit ihren Antworten hat er sich nicht zufrieden gegeben, da sie nicht zur Untermauerung seines Weltbildes geeignet waren. Stattdessen hat er sich mit der immer gleichen Frage nach vorne gedrängelt. Guter Journalismus sieht anders aus und setzt einen fairen Umgang miteinander voraus. Doch was LINKE-Politiker angeht, ist Knechtel ganz auf Markus Lanz-Niveau oder eher noch darunter.

Irrwitzigerweise reagierte sein einstiges Vorbild Oliver Janich weitaus ablehnender auf eine Interviewanfrage und schlussendlich mag auch Tilman keine spontanen Interviews. Die Kritik muss er sich wohl oder übel gefallen lassen.

Im Prinzip sind Janich und Knechtel allerdings nur die auffälligsten Libertären. Selbst sind sie weit von denen entfernt, die wirklich von der Durchsetzung libertärer Politik profitieren. Die wahrhaft libertären heißen Donald Trump, Silvio Berlusconi und Andrej Babiš – allesamt Milliardäre, die als Staats- und Regierungschefs einzig ihre eigenen Interessen vertreten haben.

Alle anderen, die sich als libertär bezeichnen, sind entweder wirr oder verwechseln da was. So auch das Libertäre Kultur- und Aktionszentrum Schwarze Katze in Hamburg, welches ein Anlaufpunkt für Anarchisten ist. Wobei die Linksautonomen zumindest etwas mit den Marktradikalen gemeinsam haben, nämlich die Ablehnung des Staates. Da hören die Gemeinsamkeiten aber auch schon auf und ebenso sind die Intentionen von Grund auf verschieden.

Liberale können sich dagegen mit dem Staat arrangieren, sofern dieser die freiheitlichen Bürgerrechte nicht angreift. In diesem Punkt ist die FDP tatsächlich liberal, im Bereich Wirtschaft ist sie hingegen absolut neoliberal, was wieder etwas anderes bedeutet.

Insgesamt ist der Liberalismus indes eher links anzusiedeln, da der Bruch von gesellschaftlichen Konventionen die Voraussetzung für die Selbstverwirklichung aller Menschen ist. Seien es bunte Haare, Transgender oder die Ehe für alle – die Akzeptanz von Andersartigkeit findet man vor allem bei Linken. Die politische Rechte versucht dagegen mittels Zwang Konformität zu erreichen. Ein Beispiel ist die von der AfD geforderte deutsche Leitkultur, wie auch immer diese aussehen soll. Die Rechtspopulisten sind daher bestenfalls libertär, aber auf keinen Fall liberal!




Quelle :https://zombiewoodproductions.wordpress.com/

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