Das Säure-Basen-Briefing

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Alkalisierende Lebensmittel werden oft für gesünder gehalten, da sie die Säurebildung im Körper verhindern. Das ist allerdings ein Mythos.[1 – 3]

Diese auch basische oder basenbildende Lebensmittel genannten Nahrungsmittel wie Gemüse, Obst und Nüsse sind natürlich gesund, aber nicht, weil sie die Säurebildung unterdrücken, sondern weil sie überdurchschnittlich viele essenzielle Nähr- und Ballaststoffe enthalten und ein gesundes Gleichgewicht an Kohlenhydraten und Fetten aufweisen.[3]

Lebensmittel enthalten eine Vielzahl von Biochemikalien und essenziellen Nährstoffen. Einige Lebensmittel sind sauer, einige neutral und andere basisch. Während der Verdauung werden alle Lebensmittel durch die starke Magensäure angesäuert. Im Stoffwechselprozess erzeugen einige Nahrungsmittel wie Fleisch, Käse, Fisch und Eier Säure (niedriger pH-Wert). Gemüse, Obst und Nüsse hingegen wirken basenbildend (hoher pH-Wert).

Wie unser Körper seinen Säure-Basen-Haushalt reguliert

Der pH-Wert des Blutes und der Organe wird in sehr engen Grenzen gehalten (zwischen 7,35 und 7,45, durchschnittlich etwa bei 7,4). Dies wird durch verschiedene Mechanismen erreicht. Weitestgehend wird der pH-Wert von Blut und Organen durch den Kohlensäuregehalt reguliert (H2CO3), der sich im Gleichgewicht mit dem Anteil an Bicarbonat-Ionen (HCO3-) befindet. Mehr Kohlensäure im Blutplasma verursacht einen niedrigeren, weniger Kohlensäure einen höheren pH-Wert.[4]

CO2 (Gas) <=> CO2 + H2O (gelöst) <=> H2CO3 <=> H+ + HCO3-

Innerhalb von Sekunden oder Minuten wird der pH-Wert durch die Atemfrequenz reguliert. Durch schnelleres Atmen wird mehr Kohlendioxid aus der Lunge ausgestoßen. Da sich die Kohlensäure im Gleichgewicht mit dem Kohlendioxid in der Lunge befindet, wird der Säuregehalt im Körper durch die schnellere Atmung verringert und der pH-Wert steigt.

Über einen längeren Zeitraum, von Stunden bis zu mehreren Tagen, wird der pH-Wert von den Nieren reguliert, die mehr oder weniger Bicarbonat- und andere Ionen wie zum Beispiel Ammoniak ausscheiden, wodurch der Urin saurer oder alkalischer wird. Saurer Urin ist die natürliche Folge des Verzehrs von Lebensmitteln, die Säure enthalten oder während des Stoffwechselprozesses Säure bilden. Bergsteiger zum Beispiel müssen schneller atmen, um genügend Sauerstoff aufzunehmen, aber das führt dazu, dass ihr Blut Kohlensäure verliert und alkalischer wird. Sogar zu alkalisch. Daher müssen sie sich in großer Höhe oft mehrere Wochen lang ausruhen, damit ihre Nieren genügend Natriumbicarbonat absondern können, um den pH-Wert auf einen normalen Wert zu senken.[4,5]

Da eine Übersäuerung mit einem pH-Wert von etwa 7 ein Problem darstellt, wird der pH-Wert von einem gesunden Körper streng kontrolliert und in dem physiologischen Bereich zwischen 7,35 und 7,45 gehalten. Das schließt auch die Auswirkungen von sauren und säurebildenden Lebensmitteln mit ein. Der Körper reguliert den pH-Wert des Blutes, indem er schneller atmet (um den pH-Wert zu erhöhen), langsamer atmet (um den pH-Wert zu senken) und indem er saure oder basische Komponenten über den Urin ausscheidet und so den pH-Wert im gesunden Bereich hält. Wenn man zum Beispiel Ascorbinsäure (Vitamin C) konsumiert, wird der Urin sauer, das Blut aber nicht. Obwohl die Ascorbinsäure in den Körper und in die Blutbahn aufgenommen wurde, bleibt der pH-Wert des Blutes konstant zwischen 7,35 und 7,45.

Der Prozess der Aufrechterhaltung eines nahezu konstanten Säuregrades wird vom Körper automatisch durchgeführt. Vielleicht ist uns nicht immer bewusst, warum unsere Atmung schneller oder langsamer wird, aber ein Grund ist die Kontrolle über den Säuregehalt des Blutes. Es ist nicht nötig, sich bei der Wahl seiner Nahrungsmittel um Säuren und Basen im Körper oder im Urin zu sorgen. Säureblocker, die zur Senkung des Säuregehalts des Magens eingenommen werden, stören die normale Verdauung und Aufnahme von Nährstoffen, einschließlich Magnesium, das von vielen, insbesondere älteren Menschen mit einem „modernen Ernährungsstil“ nicht in ausreichendem Maße aufgenommen wird.[6]

Krebs und Säuregehalt

Durchaus verbreitet ist der Glaube, dass der Konsum von säurebildenden Nahrungsmitteln Krebs fördern kann, da dieser in einem sauren Milieu gedeiht. Anfang des 20. Jahrhunderts entdeckten Otto Warburg und andere Wissenschaftler einen Zusammenhang zwischen Krebs und einem niedrigen pH-Wert des Blutes. Heute ist bekannt, dass Krebs in einer sauerstoffarmen Umgebung wächst, da er nicht den Citratzyklus nutzt, sondern durch Fermentation Zucker verstoffwechselt und Milchsäure freisetzt. Warburg hat damals Ursache und Wirkung vertauscht. Das heißt: Viele Krebsarten (zum Beispiel Tumoren ohne große Blutversorgung) gedeihen in sauer­stoffarmer Umgebung, weil sie keinen Sauerstoff benötigen, um ihre Energie aus Zucker zu ziehen. Wenn der Krebs dann Milchsäure freisetzt (für deren Verstoffwechselung wiederum Sauerstoff benötigt wird), sinkt der pH-Wert des Körpers. Die Säure ist somit eine Folge und nicht die Ursache von Krebs.[7–9]

Zwischen einem sauerstoffarmen Milieu und Krebs kann es zu einer Wechselwirkung kommen, denn wenn sich Krebszellen aufgrund von Mutationen in der DNS entwickeln, wachsen die Tumorzellen, die ohne Sauerstoff gedeihen, am schnellsten.

Auch andere, normale Körperzellen können eine Weile ohne Sauerstoff überleben. So kommen beispielsweise die Fotorezeptoren der Netzhaut einiger Tiere nachts praktisch ohne Sauerstoff aus und ziehen alles, was sie brauchen, aus der Fermentation von Glukose.[10,11] Sie setzen Milchsäure frei, der der Körper effektiv entgegenwirkt, um zu verhindern, dass der pH-Wert des Blutes unter 7,35 fällt. Muskelzellen erzeugen bei intensiver Bewegung Milchsäure, weil ihr Bedarf an ATP (Adenosintriphosphat) durch den Citratsäurezyklus nicht gedeckt werden kann. Wenn sich Milchsäure im Blut ansammelt, werden wir „müde“ und müssen uns wieder erholen. Der Körper erreicht dieses Ziel, indem er die Milchsäure durch den Citratzyklus oxidiert.[4]

Die Sachlage ist aber noch etwas komplizierter. In gewisser Hinsicht ist Sauerstoff ein Gift. Reaktive Sauer­stoffspezies (kurz: ROS für reactive oxygen species), oxidierte Moleküle verschiedener Art, stellen ein großes Problem für alle Zellen dar und können genetische Mutationen in der DNS verursachen.[12–14] Zu Warburgs Zeit wussten die Wissenschaftler nichts darüber. Damals nahm man an, dass Krebs eine bestimmte Krankheit sei, aber heute wissen wir, dass es sich dabei um viele verschiedene Krankheiten handelt. Man geht von vielen verschiedenen auslösenden Faktoren aus, darunter ROS, andere Toxine und Strahlung. Einige andere Arten mutationsverursachender Mechanismen stammen sogar aus gewöhnlichen Zellen.

Tatsächlich hatte Warburg jedoch recht mit seiner Annahme, dass Giftstoffe eine der Hauptursachen für Krebs sind, der in späteren Phasen zu einer pathologischen Übersäuerung des Körpers führen kann. Und er lag richtig mit der Vermutung, dass Nährstoffe aus Gemüse einen wichtigen Beitrag zur Regeneration des Körpers leisten – und dass sie dazu beitragen können, Krebs und andere progressive Krankheiten zu verhindern. Im Nachhinein haben sich seine spätere Konzentration auf die Bekämpfung der Toxizität und sein Einsatz für eine gesunde Ernährung mit viel Gemüse als korrekt erwiesen. In diesem Sinn kann man sagen, dass eine gemüselastige Ernährung tatsächlich „basenbildend“ ist.

Eine ausgezeichnete Ernährung

Eine ausgezeichnete Ernährung kann eine Vielzahl von Lebensmitteln umfassen, dazu gehören: maßvolle Portionen eiweißreicher Lebensmittel wie Fleisch, Eier und Fisch; fettreiche Lebensmittel wie Käse, Butter, Nüsse, Avocados; kleine Portionen stärkehaltiger Kohlenhydrate, wie man sie in Brot, Nudeln, Süßkartoffeln und braunem Reis findet; zahlreiche roh verzehrbare, bunte Gemüse wie Tomaten, Karotten, Rettich, Paprika und Salaten; großzügige Portionen gekochten bunten Gemüses, darunter Winterkürbis, Brokkoli, Rosenkohl, grüne Bohnen und Kohl; Obst wie Orangen, Kirschen, Beeren, Kiwis, Pfirsiche und Äpfel. Der jeweilige Anteil der verschiedenen Lebensmittel kann von der individuellen Biochemie abhängen.

Begründete Nahrungsergänzung

Es ist ratsam, nur kleine Mengen verarbeiteter Getreideprodukte wie weißen Reis, Brot oder Nudeln zu sich zu nehmen, die nicht die ursprünglichen Vollkornkomponenten enthalten, und diese nach Möglichkeit durch eine Portion fetthaltiger Lebensmittel auszugleichen. Darüber hinaus können Sie über Nahrungsergänzungsmittel die bei der Verarbeitung verloren gegangenen Nährstoffe wie Magnesium, Vitamin B, C und E in angemessenen Dosierungen einnehmen. Konsumieren Sie, wann immer es Ihnen möglich ist, gesunde Gemüseportionen.

Endnoten

[1] „Alkaline Diet“ auf USNews.com; https://tinyurl.com/y3so29v4
[2] Collins, S.: „Alkaline Diets“ auf WebMD.com, 06.02.18; https://tinyurl.com/yb5mvgeo
[3] Blackburn, K. B.: „The alkaline diet: What you need to know“, The University of Texas, MD Anderson Cancer Center, September 2018; http://tinyurl.com/y2p89f8m
[4] Gropper, S. S. und Smith, J. L.: „Advanced Nutrition and Human Metabolism“ (Belmont, CA: Wadsworth 2013), Kapitel 9 und 12
[5] West, J. B.: „Human responses to extreme altitudes“ in Integrative and Comparative Biology, 01.02.06, 46(1):25–34
[6] Dean, C.: „Magnesium. Das Wundermineral als Schlüssel für Ihre Gesundheit“ (Kopp Verlag, 2016)
[7] VanLang, C.: „Why does Krebs cycle not occur in cancerous cells?“ auf Quora.com, 01.10.16; https://tinyurl.com/y334edyv
[8] Isaacs, T.: „What Otto Warburg Actually Discovered About Cancer“ auf TheTruthAboutCancer.com, 08.07.16; https://tinyurl.com/y4rhqkrc
[9] Piepenburg, D.: „Acid – Alkaline Balance and Cancer: The Truth Behind the Myth“ auf MnOncology.com, 01.04.14; https://tinyurl.com/y4jw83y2
[10] Yamamoto, F., Borgula, G. A. und Steinberg, R. H.: „Effects of light and darkness on pH outside rod photoreceptors in the cat retina“ in Experimental Eye Research, Mai 1992, 54(5):685–97
[11] Linsenmeier, R. A.: „Effects of light and darkness on oxygen distribution and consumption in the cat retina“ in Journal of General Physiology, Oktober 1986, 88(4):512–42
[12] Winslow, R. M.: „Oxygen: the poison is in the dose“ in Transfusion, Februar 2013, 53(2):424–37
[13] Gebicki, J. M.: „Oxidative stress, free radicals and protein peroxides“ in Archives of Biochemistry and Biophysics, 01.04.16, 595:33–9
[14] Dizdaroglu, M. und Jaruga, P.: „Mechanisms of free radical-induced damage to DNA“ in Free Radical Research, April 2012, 46(4):382–419

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