Körperkontakt bei autistischen Menschen
Ich glaube, etwas vom schwierigsten an einem autistischen Kind, ist der Körperkontakt.
Wenn Eltern ein Baby bekommen, ist es das Natürlichste der Welt, das man dieses Baby stillt, kuschelt und ganz viel der Beziehung auf Körperkontakt aufbaut.
Niemand denkt vorher, er könnte ein Baby bekommen, das jedes Mal schreit, wenn man ihm zu nahe kommt.
Doch genau damit fallen Autisten schon als Mini-Menschen auf.
Viele von uns lassen sich schon nach der Geburt nicht richtig stillen, weil ihnen der dabei nötige Körperkontakt zuviel ist. Wenn der autistische Säugling weint, kann man ihn nicht mit Streicheln und Wiegen beruhigen, versucht man es, wird das Weinen immer schlimmer.
Manche der betroffenen Kinder sind toleranter und ertragen mehr Nähe, was aber nicht bedeutet, dass sie die Berührungen automatisch angenehm finden.
Allerdings bedeutet das Vermeiden von Körperkontakt nicht automatisch das man autistisch ist, genau so wenig ist das mögen von Berührungen ein Ausschlusskriterium für Autismus.
Wie fühlt sich eine Berührung für Autisten an?
Wie immer ist die Wahrnehmung sehr subjektiv.
Dennoch kann man gewisse Pauschalisierungen wagen, auch wenn sie niemals für alle gelten können.
Körperkontakt wird fast immer unangenehmer, je feiner er ist.
Während eine kräftige Umarmung mit großflächigem Druck auf die Haut oft einfacher zu fühlen ist, kann das berühren mit dem Finger auf der Haut schmerzhaft sein und zu heftigen Reaktionen führen.
Ein streicheln über den Kopf, Haare aus dem Gesicht nehmen, ein Kuss auf die Wange, oft sind es genau solche kleinen Gesten, die schwer auszuhalten sind.
Für mich kann ein einfaches Streicheln so schmerzhaft sein, als würde ich mich an heissem Wasser verbrennen. Das ist aber längst nicht immer der Fall.
Manchmal ist der Kontakt von Haut auf Haut zu warm, zu kalt, zu grob, zu fein, zu kitzelig zu schmerzhaft oder einfach gerade generell zuviel.
Manchmal habe ich Tage, an denen Nähe gut funktioniert und sich beinahe schön anfühlt und dann hab ich Tage, an denen nicht einmal mein Mann mich berühren darf.
Sogut wie immer, löst Nähe aber eine gewisse Spannung in mir aus.
Manche Menschen dürfen mich umarmen und anderen will ich nicht einmal die Hand geben. Ich denke, das hat jeder Mensch in einem gewissen Ausmaß, dazu muss man kein Autist sein.
(Bildquelle CC0 Lizenz von Pixabay)
Was auf dem Foto oben für die meisten ein völlig normaler Kontakt zwischen zwei Liebenden ist, fühlt sich für mich sehr schwer aushaltbar an. Ich kann das schwer beschreiben, vielleicht ist es ähnlich, als würde man dir eine Zwangsajacke anlegen. Ich kann das nicht gut erklären weil ich nicht weiss, wie es sich anfühlen sollte.
Heute bin ich erwachsen und das Risiko, dass jemand mir zu Nahe tritt, ist kleiner geworden. Außerdem kann ich sehr wohl kommunizieren, wie viel Körperkontakt für mich in Ordnung ist.
Schwierigkeiten habe ich vor allem dann, wenn es zu schnell geht. Oder wenn jemand mich ständig berühren will und nicht nur einmal zur Begrüßung und einmal zur Verabschiedung.
Da weiß ich, ok, jetzt kommt gleich ein ritualisierter Körperkontakt, damit kann ich umgehen.
Aber es gibt Menschen, die dauernd Nähe suchen, hier eine Berührung an der Schulter, da eine an der Hand ... so etwas macht mich wahnsinnig und ich warte immer angespannt, wann das nächste Mal kommt. Meist können diese Menschen ihr Handeln auch nicht wirklich kontrollieren, da diese Berührungen instinktiv passieren und gar nicht bewusst wahrgenommen werden.
Ich brauche mehr Zeit, um zu spüren, wie viel ich zulassen möchte und dann kommt es sehr stark auf den Charakter des Menschen an. Je mehr Distanz jemand zulässt, umso näher kann ich ran.
Früher hatte ich bei jeder Begegnung Angst davor, dass mich wieder jemand einfach ungefragt anfasst, weil es normal war. Es war einfach selbstverständlich das man mir in an die Haare und ins Gesicht fassen darf, oder noch schlimmer, mir einen Kuss auf die Haut gibt oder mich einfach umarmt. Ob ich das gut fand, interessierte gar niemanden, weil jeder davon ausging, es muss so sein.
Und wenn ich deutlich meine Ablehnung zeigte, reagierten die Menschen meist, als hätte ich sie zutiefst beleidigt, und würde sie quasi hassen. Also fing ich an, stumm zu leiden.
Man sollte auch bedenken, dass eine Umgebung mit anderen Menschen, generell schon eine Reizüberflutung darstellt und dadurch körperliche Nähe zusätzlich erschwert wird, weil man eh schon überreizt ist.
Ich kann auch niemals einschlafen wenn jemand meine Haut berührt oder eng umschlungen einen Film anzusehen ist für mich nicht angenehm, sondern bedrängend.
Die Wärme der anderen Person, der Druck auf meine Nerven das erzeugt in mir eine Spannung, die sich nicht gut anfühlt.
Übrigens, hat das nichts mit Liebe zu tun. Ich kann einen Menschen sehr gerne haben und dennoch nicht wollen, dass er mich berührt. Während ich jemand anderen ganz ok finden kann und die Person darf mich umarmen.
Sind alle Autisten so?
Die meisten, ja. Mehr oder weniger meiden fast alle den Körperkontakt und geben sich große Mühe, da gesellschaftskonform zu funktionieren.
Auch Sexualität in einer Partnerschaft ist ein wichtiges und oft ein sehr angst-beladenes Thema.
Es gibt aber durchaus auch autistische Menschen, die das Gegenteil darstellen. Sie suchen auf eine absolut grenzüberschreitende Art Körperkontakt. Sie fassen jeden an, machen absolut unangemessene sexuelle Gesten, küssen wildfremde Menschen einfach auf den Mund etc. Es ist eher die Ausnahme, aber auch diese Richtung gibt es.
Ich selber empfinde bei jedem Körperkontakt mit anderen Menschen einen gewissen Druck in mir. Dennoch gibt es durchaus Momente, wo ich den Kontakt möchte und das dann auch äußere.
Für mich ist es ein besonders hoher Beweis an Vertrauen, wenn ich jemanden körperlich an mich heranlasse und ein Zeichen dafür, das ich mich sehr angenommen und respektiert fühle.
Ich denke, generell sollte wir einfach Achtung vor dem Bedürfnis nach Nähe und Distanz unseres Gegenübers haben, ganz egal, wer vor uns steht.
(Bildquellen = CC0 Lizenz von Pixabay)
Sehr interessant :-) Hätte nicht gedacht dass sogar Babys davon betroffen sind und dann schreien wenn man ihnen zu Nahe kommt. Das erklärt so manches. Danke dass du deine Erfahrung mit uns teilst Liebe Grüße Salima & Timo
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Gerade kleine Kids sind davon am meisten betroffen.
Je älter man wird umso besser kann man den Autismus kompensieren und damit umgehn.
Wenn du geboren wirst, hast du keinen Schutz und keine Strategien. Die musst du ja alle erst lernen :)
Drum gibts viele erwachsene Autisten denen man es kaum noch anmerkt, vor allem wenn sie es bewusst verstecken.
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Hallo Rachel,
mal wieder ein sehr interessanter Text. Vielen Dank fuer deine Offenheit zu dem Thema. Wie fuer viele anderen hier wahrscheinlich auch, ist Asperger fuer mich ein Thema in dem ich mich absolut nicht auskenne. Toll daher das du uns mitnimmst in diese Welt :)
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Danke Liebes.
Ich freu mich, wenn jemand etwas mitnehmen kann.
Liebe Grüsse nach Bali :)
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Deine Texte sind wirklich eine Bereicherung und sie bieten einen sehr guten Einblick in die ansonsten für Aussenstehende verschlossene Welt. Ich hatte in der Vergangenheit des Öfteren mit autistischen Kindern zu tun und es wäre sehr oft hilfreich gewesen, im Besitz des Wissens, welches du hier teilst gewesen zu sein.
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Wow danke dir, freut mich sehr, dass du etwas mitnehmen kannst.
Hast du mit Kindern gearbeitet ?
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Nichts zu danken:)
Ich habe als Heilpraktiker gearbeitet und hatte einige total ratlose und von der Schulmedizin alleine gelassene Eltern, die bei mir nach Hilfe gesucht haben.
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Ja leider ist das die Regel. Deswegen ist es mir so wichtig da zu helfen :)
Ich arbeite ja auch an einem Ebook und meiner Webseite.
Das ist toll das du so einen wichtigen Beruf hattest.
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Deine Hilfe ist wirklich sehr wertvoll und ich hoffe und wünsche mir, dass viele Eltern und Verwandte autistischer Kinder deine Texte und deine Webseite lesen und mit deiner Hilfe lernen ihre Kinder besser zu verstehen.
Ich habe mich schon auf deiner Seite umgeschaut und bin sehr gespannt auf dein Ebook.
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Danke, ist alles noch im entstehen :)
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Ich denke auch, dass es alle in der Familie belastet aber für die Angehörigen am schwierigsten ist. Sie kommen sich hilflos und verzweifelt vor, wenn sie keine Kenntnisse darüber haben. Meiner Meinung nach kann die Kenntnis allein nicht ausreichen. Die Angehörigen müssen zusätzlich eine ordentliche Portion Empathie mitbringen, um sich in Lage des Autisten hineinversetzen zu können. Mal wieder ein super Artikel Rachel! Danke fürs teilen :)
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Vielen dank :)
Ja genau da liegt das Problem. Es gibt für diese Familien oft keine adäquate Hilfe.
Manche haben Glück und werden von einem Psychiater diagnostiziert der wirklich Ahnung hat und ihnen direkt eine Hilfe für den Alltag an gibt, meist passiert aber genau das nicht und die Menschen stehen weiter alleine da, mit ihrem Kind das spezielle Bedürfnisse hat.
Da möchte ich eben viel Zeit investieren um Abhilfe zu schaffen.
Und steemit ist definitiv eine finanzielle Hilfe, zumal ich so mein Wissen auch hier weitergeben und vielleicht etwas mehr Verständnis schaffen kann.
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Das muss mit das belastendste sein für Autisten :/
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Hm ich glaub, ab schwersten ist es für die Angehörigen die den Autisten lieben. Aber für viele ist es definitiv ein Problem im aufbau von Beziehungen.
Und als Kind ist es halt sehr belastend weil du dich dauernd irgendwie bedrängt fühlst, was natürlich gar nicht schön ist.
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Sehr interessierte Post ... @asperger-kids
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Ich danke dir :)
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Gern geschehen... @asperger-kids
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