Der Turm zu Basel
BIZ – Die Bank der Banken und ihre dunkle Geschichte
Rezension
Adam LeBor hat mit diesem Buch eine Lücke geschlossen, denn Informationen zur Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) waren bisher eine Rarität. In lebendigem Erzählstil beschreibt er Geschichte und Funktion der BIZ. Dabei schildert er, wie die Führungsriege der BIZ dank starker Vernetzung bis heute das Überleben der Basler Institution gegen alle Widrigkeiten sichern konnte. Trotz Gründung des IWF und der Weltbank konnte die BIZ auch nach 1945 ihre Stellung im Weltfinanzsystem behaupten. LeBor zeigt, welche Macht die BIZ hat und welche Privilegien die Angestellten genießen. Er folgert: Die mächtige BIZ, obwohl eine supranationale und technokratische Institution, muss demokratisch legitimiert und transparent sein – oder aber abgeschafft werden. LeBors Buch befördert eine dringend nötige Debatte – getAbstract empfiehlt es Politikern und anderen Entscheidungsträgern, die sich mit der Rolle von supranationalen Institutionen beschäftigen.
Take-aways
- Die Frage der deutschen Reparationszahlungen aus dem Ersten Weltkrieg führte zur Gründung der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ).
- Die BIZ war als rein technokratische Institution gedacht, unbeeinflusst von der Politik.
- Trotz internationalistischer Ausrichtung standen oft Interessen einzelner Mitgliedsstaaten im Vordergrund.
- Die Mitarbeiter der BIZ haben ihren Informationsvorsprung schon mehrfach für Insider-Geschäfte missbraucht.
- Über die BIZ konnten die Nazis ihr „Raubgold“ liquidieren und so an Devisen gelangen.
- Mit der Gründung des IWF 1944 war die BIZ eigentlich überflüssig geworden. Dennoch konnte sie sich als Akteur im Weltfinanzsystem behaupten.
- Die BIZ stellte maßgeblich Ressourcen für die deutsche Einigung zur Verfügung.
- Mit der Gründung der EZB verlor die BIZ auch ihre europäische Aufgabe.
- Die BIZ dient nun als Zentrum für die Koordination internationaler Geldpolitik.
- Die BIZ muss transparenter werden, demokratisch legitimiert sein und ihrer sozialen Verantwortung nachkommen. Ansonsten sollte sie aufgelöst werden.
Zusammenfassung
Deutsche Reparationszahlungen führen zur Gründung der BIZ
Im Versailler Vertrag wurde Deutschland die alleinige Schuld am Ersten Weltkrieg zugeschrieben. Die Siegermächte forderten umfangreiche Reparationszahlungen. Der „Young Plan“ von 1930 sah die Zahlung von knapp 30 Milliarden Dollar bis 1988 vor. Doch Deutschland lag wirtschaftlich und politisch am Boden und hatte keinen Zugang zu Kapital. Es entstand ein Dreiecksverhältnis. Die USA liehen Deutschland Geld, das Deutschland an die Siegermächte weiterleitete und das so letztendlich wieder beim Kreditgeber, den USA, landete.
„Die Statuten der Bank, die noch heute gültig sind, verankern deren absolute Unabhängigkeit von störenden Politikern und Staaten.“
Montagu Norman, Gouverneur der Bank von England, und Hjalmar Schacht, Präsident der Reichsbank, vereinbarten daher die Gründung einer supranationalen Institution – der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, um den Kapitalströmen einen institutionellen Rahmen zu geben. Zentrales Anliegen war es, die politische Beeinflussung durch nationale Regierungen gering zu halten und eine rein technokratische Institution zu schaffen. Darin liegt der Keim des immer noch bestehenden Kernproblems der BIZ, nämlich die Frage nach ihrer Legitimation. Die BIZ entzieht sich faktisch bis heute weitgehend demokratischer Kontrolle.
Der Zweck der BIZ
Am 30. Januar 1930 wurde die BIZ nach schweizerischem Recht in Basel gegründet, mit der Hauptaufgabe, die deutschen Reparationszahlungen abzuwickeln. Auch sollte sie die Zusammenarbeit der Zentralbanken erleichtern und als Bank der Zentralbanken dienen. Nationale Notenbanken und amerikanische Geschäftsbanken wurden Eigentümer, zeichneten das Stammkapital und sicherten sich so beträchtlichen Einfluss.
„Irgendwie hatte eine Clique von Financiers, die keiner Regierung Rechenschaft schuldeten und sich meist gut kannten, eine beispiellose ökonomische und politische Macht angehäuft.“
Das Gründungsdokument garantierte, dass die BIZ abseits der nationalen und internationalen Gesetzgebung stand. Ihre Aufgaben sind:
- Ankauf von Gold im Auftrag der Zentralbanken,
- Kauf und Verkauf von Wertpapieren,
- Akzeptieren von Einlagen seitens der Zentralbanken,
- Eröffnung laufender Einlagekonten bei den Zentralbanken,
- Interessenvertretung der Zentralbanken,
- Abwicklungen internationaler Zahlungen.
„Ethische Fragen – was ist richtig, was ist falsch? – gab es in ihrem Universum schlichtweg nicht.“
Die BIZ sollte dem Nutzen aller Gründungsmitglieder dienen, wurde jedoch in der Realität oft zum Vehikel nationaler Eigeninteressen. Vor allem Deutschland arbeitete innerhalb der BIZ an der Aufweichung der Reparationsforderungen. Nach Hitlers Machtergreifung 1933 verstärkte sich dieser Trend. Außerdem verfolgten Mitarbeiter der BIZ in den 1930er-Jahren Eigeninteressen, indem sie ihren Informationsvorsprung für Währungsspekulationen missbrauchten.
Die BIZ vor dem Zweiten Weltkrieg
Mit Hitlers Machtergreifung änderten sich die Rahmenbedingungen für die BIZ entscheidend. Deutschland kündigte die Reparationen auf und im Zuge der Weltwirtschaftskrise fiel der Goldstandard weg. Die Geschäftsgrundlage der BIZ wackelte. Doch das Basler Institut blieb bestehen. Die BIZ diente nun als Informationskanal. Die Männerfreunde Montagu Norman und Hjalmar Schacht tauschten munter Informationen über ihre Regierungen aus.
„Mit der Zustimmung von London, Paris und Basel hatte Nazi-Deutschland 23,1 Tonnen Gold geplündert.“
Das außenpolitische Klima trübte sich derweil schnell. Nach dem Anschluss Österreichs an Deutschland wurde die österreichische Nationalbank der deutschen Reichsbank einverleibt. Die Nazis verfolgten die Juden immer aggressiver. Jüdischer Besitz wurde „arisiert“ – ein massiver Rechtsbruch, den die BIZ ließ unkommentiert ließ.
„Alle Seiten hatten sich bereits darauf geeinigt, dass die Geldkanäle während des Konflikts offen bleiben mussten.“
Das ursprüngliche Ziel, dass die Bank dem Weltfrieden dienen sollte, war längst außer Sicht geraten. Die BIZ gab sich rein technokratisch, Moral hatte keinen Platz. Auch beim Einmarsch der Nazis in die Tschechoslowakei spielte die BIZ eine unrühmliche Rolle: Tschechoslowakische Notenbanker hatten in letzter Sekunde Gold außer Landes geschafft und es auf Konten bei der BIZ deponiert. Nun forderte Deutschland das Gold. Die BIZ willigte ein und autorisierte die Zahlungen an die Reichsbank.
Handlanger der Nazis im Zweiten Weltkrieg
Zu Kriegsbeginn leitete der Amerikaner Thomas McKittrick die Basler Institution. Unter seiner Ägide erklärte sich die BIZ zunächst für neutral, wurde jedoch bald zum Handlanger deutscher Interessen. Deutschland benutzte die BIZ in der neutralen Schweiz als Devisenkanal, um notwendige Importgüter zu finanzieren. Dabei wurde als Sicherheit auch Zahngold von KZ-Häftlingen hinterlegt. Auch die deutschen Annexionen wurden in Basel abgenickt.
„Brauchte es die Bank überhaupt noch, jetzt, da der IWF im Zentrum des neuen Finanzsystems stand?“
Doch nicht nur Deutschland, auch den Alliierten war am Erhalt der BIZ gelegen – insbesondere daran, dass die internationalen Kanäle der Bank auch in Kriegszeiten offen blieben. So erlangten sie wichtige Informationen aus Deutschland. Ähnliches galt auch für private Unternehmen und Banken. Die I. G. Farben beispielsweise, deren Vorstandsvorsitzender Hermann Schmitz im Verwaltungsrat der BIZ saß, konnte über Tochterfirmen im Ausland wichtige Transaktionen tätigen. Amerikanische Firmen wie Standard Oil arbeiteten gegen die Interessen ihrer Regierung mit deutschen Firmen zusammen.
„Plötzlich schien die BIZ ein Anachronismus zu sein.“
Im Sommer 1944, als sich der Sieg über Hitler abzuzeichnen begann, kamen die Alliierten in Bretton Woods zusammen, um ein neues Weltfinanzsystem zu entwerfen. Künftig sollte die Weltbank für Kredite an Entwicklungsländer sorgen und der Internationale Währungsfonds (IWF) sich um ein stabiles Währungssystem kümmern. Gab es in diesem Gefüge für die BIZ, die schließlich primär wegen der deutschen Reparationszahlungen des Ersten Weltkrieges gegründet worden war, überhaupt noch einen Platz? Norwegen, mit Billigung des amerikanischen Finanzministers Henry Morgentau, schlug vor, die BIZ aufzulösen. Dazu kam es jedoch nicht, denn McKittrick und seine Kollegen von der BIZ waren international derart gut vernetzt, dass sie den Erhalt der Institution durchsetzen konnten.
Neue Zeiten, neue Aufgaben
Die geopolitische Lage nach dem Zweiten Weltkrieg hatte sich geändert. Der kalte Krieg begann. Die USA wollten Europa einigen, um so ein Bollwerk gegen die Sowjetunion zu schaffen. In diesem Sinne beschlossen die Vereinigten Staaten den Marshall-Plan und eine Stärkung des Freihandels. Institutionen wie die Weltbank und der IWF waren demokratisch legitimiert, die BIZ jedoch nicht.
„Die Bank wurde schnell zur bestinformierten Finanzinstitution der Welt.“
Allerdings waren der Sachverstand der Basler in technischen Fragen sowie die umfangreichen Jahresberichte der BIZ international sehr geschätzt. Die BIZ koordinierte finanzielle Transaktionen und war ein vertraulicher Ort für Zentralbanker.
Außerdem verwaltete sie die Europäische Zahlungsunion, aus der später das Europäische Währungsabkommen hervorging, wieder unter der Verantwortung der BIZ. 1951 wurde der Vorläufer der EU, die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS), gegründet. Deutschland sollte unwiderruflich in Europa verankert werden, damit es nie wieder einen Krieg gäbe. Auch die EGKS war eng mit der BIZ verflochten.
„Alle sagen, niemand habe die Finanzkrise von 2007/08 vorhergesehen; das stimmt nicht. Eine Organisation, die das sehr wohl tat, war die BIZ.“
Die Entnazifizierungspolitik der Alliierten fand ein rasches Ende, unter anderem weil die deutschen Technokraten aufgrund ihrer Expertise benötigt wurden. So stieg etwa mit Karl Blessing ein Kriegsverbrecher zum Präsidenten der Deutschen Bundesbank auf und war somit in der BIZ vertreten. Dort beeinflusste er deren Geschäfte maßgeblich. Auch Hjalmar Schacht, der die Nazis mit an die Macht gebracht hatte, konnte seinen Geschäften unbehelligt nachgehen.
„Doch der Kern der Sache ist, dass die BIZ eine undurchsichtige, elitäre, antidemokratische und unzeitgemäße Institution ist.“
Die BIZ fand in der europäischen Einigung ein neues, profitables Aufgabengebiet. Im Prozess der europäischen Integration spielte sie eine prägende Rolle. Europäische Zentralbanken koordinierten in Basel ihre Geldpolitik. Hier war man unbeobachtet und konnte sich frei austauschen. Die BIZ zeigte sich wandlungsfähig und nahm auch bei der Absicherung amerikanischer Banken in der lateinamerikanischen Schuldenkrise Anfang der 80er-Jahre eine zentrale Rolle ein.
Der Niedergang
Von Anfang an stellte die BIZ Ressourcen für das Projekt der europäischen Einigung zur Verfügung. 1994 beherbergte sie sogar das Europäische Währungsinstitut (EWI), den Vorläufer der Europäischen Zentralbank. Doch dann wurde das EWI zu groß und zog nach Frankfurt. Die BIZ verlor ihre europäische Aufgabe. 1998 wurde in Frankfurt die EZB gegründet. Die Koordinierung der europäischen Geldpolitik fand nun hier statt und nicht mehr in Basel. Die Zukunft der BIZ stand wieder einmal in den Sternen.
„Die im Luxus und in der Diskretion der BIZ abgekapselten Zentralbanker vergessen schnell einmal, dass sie öffentliche Angestellte sind.“
In der Krise entschied man sich, globaler zu werden und sich neue Aufgaben zu suchen. Aufgrund der immer größeren Integration der Weltfinanzmärkte entstand ein Bedarf an weltweiter Koordination der Geldpolitik. Schließlich hatten Entscheidungen einzelner Länder große Auswirkungen auf andere Länder. Aufstrebende Staaten wie China, Brasilien und Russland wurden Mitglieder der BIZ. Auch die USA wurden 1994 Mitglied. Sie hatten sich lange gesträubt, da sie ihre Autonomie gefährdet sahen.
„Die BIZ schreitet mit immer größerem Selbstvertrauen durch das 21. Jahrhundert, obwohl es gar keinen Grund für ihr Dasein gibt.“
Die BIZ fokussierte sich immer mehr darauf, Daten über transnationale Geldströme zu sammeln. Wurde beispielsweise Kapital aus einem Land abgezogen, wusste die BIZ sofort Bescheid. Solche Informationen waren für die Zentralbanker von großem Wert. Die BIZ warnte auch schon früh vor der südostasiatischen Schuldenkrise 1997 und auch vor dem Zusammenbruch des US-amerikanischen Immobilienmarkts 2007/08.
„Die Bank muss in drei Bereichen Reformen vornehmen, um ihr Überleben zu sichern: Transparenz, Rechenschaftspflicht und soziale Verantwortung.“
Die Globalisierung zeigte, wie uneinheitlich die Standards waren, nach denen in verschiedenen Ländern die Banken agierten. Die BIZ setzte ohne eigentliche Entscheidungsgewalt weitgehend einheitliche Standards durch, indem sie ihren informellen Einfluss geltend machte. Die Basel I, Basel II und Basel III genannten Abkommen regelten vor allem Struktur und Höhe von Kapitalanforderungen an Banken, mit dem Ziel, die globale Stabilität des Bankensystems zu garantieren. Allerdings erwiesen sich die Kapitalanforderungen mit dem Crash von 2007 als zu niedrig. Zudem nimmt sich die BIZ selbst von ihren Forderungen nach Fairness und Transparenz nach Möglichkeit aus.
Die BIZ-Banker genießen weiterhin ihre Privilegien. Die hochprofitable Bank führt ein Eigenleben und ist niemandem wirklich Rechenschaft schuldig. Die Banker mit ihren steuerfreien Gehältern ignorieren immer mehr, dass sie eigentlich öffentliche Angestellte sind. In der BIZ herrscht elitäres Denken.
Reformen nötig
Noch scheint die Existenz der BIZ aufgrund der politischen Vernetzung ihrer Führungsetage gesichert, doch die Rufe nach Transparenz werden immer lauter. Entsprechend muss sich das Institut in drei Bereichen grundlegend reformieren:
Die BIZ muss wesentlich transparenter werden. Es sollte regelmäßige Pressekonferenzen geben. Außerdem sollte mehr Informationen im Internet zugänglich sein.
Die rechtliche Immunität der BIZ und ihrer Angestellten muss aufgehoben werden. Da diese in großem Umfang mit öffentlichen Geldern hantieren, bedarf es einer wesentlich strengeren Rechenschaftspflicht.
Die Bank muss ihren Fokus auf Profitabilität überdenken und mehr ihrer sozialen Verantwortung gerecht werden.
Sollte sich die BIZ nicht grundlegend wandeln, gibt es keinen guten Grund, warum sie das 21. Jahrhundert überleben sollte.
Über den Autor
Adam LeBor ist ein britischer Buchautor und Journalist. Er schreibt unter anderem für die Times und die New York Times. Er hat zahlreiche Sachbücher sowie einen Roman veröffentlicht. LeBor lebt in Budapest.