Wie einige von euch sicherlich mitbekommen haben, bin ich von Beruf Medizinische Fachangestellte (kurz: Arzthelferin) oder aber Mädchen für alles.
Ich begann meine Lehre im Jahr 2009 und bin seitdem in diesem Beruf tätig. Was meinen Job ausmacht?
Die Begegnungen mit den vielen verschiedenen Menschen, egal welchen Alters oder sozialem Status.
Doch besonders eine Begegnung hat mich nachhaltig beeindruckt.
Ein Patient, der sonst gerne von allen gemieden wird, fand sich zu einer Blutentnahme in der Praxis ein. Wenn ich konnte, gab ich diesen Patienten gerne an andere Kollegen ab. Er war einfach unangenehm um sich zu haben. Er war ungepflegt und sprach eine relativ einfache Sprache.
Doch an diesem Tag änderte sich mein Bild zu diesem Patienten!
Noch während der Blutentnahme spürte ich seinen durchdringenden Blick auf mir. Nein, nicht auf meinen Brüsten oder meinem Hintern, sondern tatsächlich einmal in meinem Gesicht (viele Patienten haben nicht diesen Anstand).
Ich wunderte mich, was ihn so zum Starren anregte, doch diese Frage sollte sich bald klären.
,,Sag mal, bist du die Enkelin von Kurt?"
Was? Wieso wusste er, wie mein Opa heißt?
,,Ja das bin ich. Aber Opa...der ist vor vier Jahren verstorben."
,,Ja das weiß ich doch. Man sieht dir in die Augen und sieht deinen Opa. Du hast das Lächeln und die Augen deines Opas."
Mir schossen sofort Tränen in die Augen und ich konnte meine Gefühlswelt nicht mehr kontrollieren. Ich drehte mich weg, wischte die Tränen weg, atmete durch und versuchte die Fassung zu wahren.
Er hörte gar nicht mehr auf zu reden.
,,Ich muss dir eine Geschichte erzählen. Ich bin zusammen mit deinem Opa zum Konfirmationsunterricht gegangen. Nach dem Unterricht stand ich vor dem dortigen Kiosk und wollte mir einen Lolli kaufen. Doch leider hatte ich nicht genug Geld dabei. Der Lolli kostete 30 Pfennig. Ich hingegen hatte nur noch 10 dabei. Dein Opa kam vorbei...
,,Theo was brauchst du?"
Er gab mir die fehlenden 20 Pfennig. Und weißt du was? Das bleibt mir bis heute im Gedächtnis und zeigt mir was für ein feiner Kerl dein Opa war."
Die Geschichte rührte mich wieder zu Tränen. Der Patient bemerkte das. Ich teilte ihm mit, wie sehr der Verlust auch noch heute schmerzt. Er wollte wissen, wo mein Opa begraben ist und ich teilte ihm den Ort mit.
,,Du kannst es nicht verfehlen. Ist ein Grabstein in Form eines roten Herzens."
Wir waren fertig. Er ging zur Tür und verließ das Labor. Ich brach sofort in Tränen aus und schluchzte vor mich hin. Diese Geschichte und diese Begegnung hatte mich gerührt.
Doch dann kam der Patient zurück.
,,Darf ich dir noch was sagen?"
Ich drehte mich um und er sah mein mascara verschmiertes Gesicht.
,,Och Gott Deern."
Er nahm mich in den Arm und ich ließ es einfach passieren.
,,DU bist genauso ein wunderbarer Mensch wie dein Opa, das spüre ich. Du bist ein Abbild deines Opas. Mach so weiter und du wirst merken, dass du gut bist! Und ich? Ich gehe jetzt ans Grab und gebe deinem Opa die 20 Pfennig wieder, das bin ich ihm schuldig"
Das war wohl die krasseste Begegnung mit einem Patienten in meiner Laufbahn als Arzthelferin.
Leider habe ich mittlerweile die Praxis verlassen und werde Theo wohl so schnell nicht mehr wiedersehen.
Einen Tag später besuchte ich das Grab meines Opas und siehe da.
Es lagen 20 Cent und eine Rose auf seinem Grab!
Mein Fazit war nach dieser Begenung:
Sehe die Menschen niemals nur an und urteile dann über sie.
Sondern höre ihnen zu und lausche ihren Geschichten, denn nur dann bist du bereit, den Menschen in seiner Gesamtheit beurteilen zu können.
Habt ihr auch schon einmal Begegnungen erlebt, die euch besonders positiv oder negativ in Erinnerung geblieben sind?
Hinterlasst mir gerne ein Kommentar :)
Ich wünsche euch morgen einen schönen freien Tag !
Hallo! Super Artikel und wieder eine Geschichte, direkt aus dem Leben, mitten ins Herz! Danke!
So ähnliche Geschichten ziehen sich durch mein Leben, wie ein roter Faden!
Aufgewachsen als Pfegekind bei Zeugen Jehovas, hieß es immer "halte dich fern von den Menschen dieser Welt, die wollen dich nur Sünde verführen" und so weiter.
Meine leibliche Mutter besuchte mich oft und hatte immer diverse Freunde mit, welche sie fuhren, wenn sie mich besuchen wollte. Diese waren meist Rocker oder Biker, "Wilde", mit Tattoos, langen Haaren und allem, was so in dieser Szene dazu gehört, auch nahmen die meisten davon Drogen oder tranken Alkohol.
Man warnte mich immer, nie so zu werden wie "diese Typen" ... das schlug jedoch fehl!
Was ich als kleiner Markus miterlebte war komplett anders, als das was man mich glauben lassen hatte! Bei diesen Menschen fühlte ich mich geborgen und so angenommen, wie ich war! Die machten Scherze, lachten, waren fröhlich und ehrlich zu mir!
Ich fühlte bei den Zeugen Jehovas in den Zusammenkünften immer eine gewisse Distanz zueinander, denn man darf ja keine Schuld haben und muss perfekt nach dem Wort der Bibel leben, obwohl keiner das schaffte und jeder von ihnen ein "Sünder" war aber das wurde alles hinter der Fassade behalten.
Als kleiner Empath erkannte ich diese Fassaden bei jedem und wusste, dass sie mich alle anlogen!
Als ich dann ins Jugendalter kam war ich ein typischer Szeneswitcher, wollte erfahren welche Welten es "da draussen" so gibt und kam von rechts, über skate nach links, alles sehr radikale Gruppen, in denen ich unterwegs war.
Dort war dasselbe wie in meiner Kindheit: ich bekam Aufmerksamkeit, man schenkte mir ein Ohr, wenn ich was sagen wollte und bekam Anerkennung für meine Meinung. Meine Taten waren plötzlich nicht mehr "weltlich" oder "sündhaft" sondern "cool" oder auch "individuell".
Meine Vergangenheit ist sehr geprägt von solchen Erinnerungen, wenn auch nicht von einer so stark emotionalen, wie du sie erlebt hast, aber ich kann mich sehr gut in diese Situiation hinein fühlen und bin dir sehr dankbar, dass du diese geteilt hast!
Herzliche Grüße, Markus
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Mein Lieber, danke für dein Feeback und deine Geschichte dazu! :)
Die Zeugen Jehovas, ja.. Richtige Berührungspunkte hatte ich in diese Szene bisher nicht, vielleicht auch gut so.
Gerade nachdem ich deinen eigenen Beitrag dazu gesehen habe, bin ich froh darüber.
Meine Cousine (7 Jahre) hat eine Freundin, die bei den Zeugen Jehovas ist. Aus Überzeugung? Nein aus Zwang, die Eltern sind es ja. Da hast du nicht viel Spielraum.
Was da abgeht, ist wirklich furchtbar.
Man merkt, dass du ein sehr ruheloser Mensch gewesen zu sein scheinst (berichtige mich, wenn ich nicht richtig liege).
Die Erfahrungen deiner Kindheit haben dich rastlos gemacht und du musstest deinen Platz scheinbar erst finden.
Es ist schade, wenn einem das Elternhaus das nicht vermitteln kann und ich kann mir vorstellen wie schwer die Zeiten für dich waren.
Eine dicke Umarmung für dich und bin dir ebenfalls dankbar, dass du deine Geschichte immer wieder teilst!
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Hallo und danke für deine Antwort!
Du liegst vollkommen richtig, mit deiner Annahme, nur dass ich nach vie vor ziemlich Ruhelos bin, aber es ist schon sehr viel besser, als früher!
Die Zeugen Jehova sind meiner Meinung nach wahre Seelenfänger! Trotzdem liebe ich meine Pflegeeltern sehr, da sie mir ein gutes Zuhause boten, mich fürsorglich erzogen und aus mir den machten, der ich bin!
Ich teile meine Geschichte gerne, auch wenn es mir zum Teil noch schwer fällt, aber auch das wird immer besser. Ich merke, ich kann andere dadurch berühren, ihnen helfen und vor allem nutze ich solche Gelegenheiteitn für mich selber als Therapiemittel.
Danke nochmal und fühle dich gedrückt!
Ich werde die nächsten Tage nicht so viel online sein, da ich Papa geworden bin. Ein Vogelbaby vom Dachgebälk ist aus dem Nest gefallen. Da die Amseleltern sehr überfordert sind mit ihrem Nachwuchs, insgesamt waren 5 Vogelbabys im Nest (normal sind im Durchschnitt 3), habe ich es adoptiert. Leider ist es beim Sturz verletzt worden, ein Bein kannnicht mehr benutzt werden.
Dies ist nicht mein erstes Mal als Vogeldaddy, ich hatte schon so einige andere Wildvögel aufgezogen und ausgewildert (Amseln, Krähe, Meise).
Ich mache, wenn ich dazu komme, einen Artikel mit Fotos von "Fiepsy".
Herzlich Grüße, Markus
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Lieber Markus,
Höre niemals auf, anderen Leuten deine Geschichten zu erzählen, denn nur davon profitieren deine Mitmenschen wirklich. So geht es mir zumindest. Die Zeugen Jehovas sind Seelenfänger, ja da hast du Recht. Bei uns klingelten die zu Beginn jeden Sonntag (09.00 Uhr).
Bis wir denen klar machen konnten, dass wir uns das in Zukunft verbieten.
Auf Fiepsy bin ich mehr als nur gespannt und auch darauf, wie du ihn aufziehst. Tolle Sache und danke, dass du das machst!
Liebe Grüße
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Sehr rührende Geschichte und ein sehr schönes Fazit! Es ist sehr schade das wir Menschen dazu neigen, jemanden direkt nach dem ersten Eindruck nur nach dem Aussehen zu bewerten. Solche Geschichten zeigen das das nicht richtig ist. Schönen Tag noch!
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Es ist wirklich schade, dass manche Menschen ,,untergehen" in der breiten Masse! Gerade die, die man eigentlich meiden möchte, sind meist die wundervollsten Menschen. Seit diesem Erlebnis schere ich niemanden mehr über einen Kamm und warte immer erst auf die persönlichen Geschichten, bevor ich urteile.
Danke für dein Feedback und einen wunderschönen Tag heute :)
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