Post diem vafer cum Swagger

in deutsch •  7 years ago  (edited)

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Latein musste Swagger nicht lernen, aber im bischöflichen Knabenkonvikt wurde es selbstverständlich gepflegt. Im Hause nicht nur der schwierigen Kinder. Alle waren Schüler des Domgymnasiums die klar gewusst hätten, was hier in der Überschrift zu stehen versucht. Versucht, weil mindestens ein grammatischer Fehler darin ist. Nachvatertag – Post diem vafer mit Swagger.

Sexta, Quinta, Quarta

Am Konvikt gab es Latein schon für die Sextaner. Nachmittags im Studiersaal gegeben, hörte es sich wunderschön an. Beruhigend, von gelangweiltem Sprecher hoch und runter aufgesagt, vom schläfrigen Präfekten abgehört. Dem hat man es nur im richtigen Singsang bringen müssen und dann war er weg. Einer nach dem anderen, immer das Gleiche. Herrliche Meditation. Swagger fand, die Sitzgelegenheit vor Ort hätte bequemer sein können und brachte seinen Stuhl in eine schwebende Position. Wenn dann noch die Sonne in Staubstreifen hinein schien und die große Glocke der Stadtpfarrkirche von nebenan dröhnte, herrlich. Er musste nie aufsagen. Dass zuerst die Fensterscheiben zu hören sind, wenn anschließend das metallene Ungetüm ausklingt bis zum letzten, minutenlangen Summen, ist ein wundersamer Genuss. Dann ist die Stunde vollkommen. Swagger lehnte sich angenehm berührt zurück und schloss die Augen. Substantiv in der a-Deklination. Staubkörner tanzten im Sonnenstrahl.

Sanatorium

Die Hausmesse wurde lateinisch gelesen, des Sonntags und Mittwochs. Sie war ein Fest der reinen Frömmigkeit. Bis auf die Knie. Da hat sich bei ihm mit der Zeit Hornhaut gebildet. Woran erkennst du in der Sauna einen Katholiken aus Fulda? Seine Knie sind gescheuert und später beim Aprés, siehst du die gute Hose mit Beulen. „Rose ohne Dornen, oh ho Maha Riaha aha hilf!“ Holde Knaben, hohe Stimmen unter jungen Männern mit tiefem Bass, bereits rasierte Dornen um Kinn und Mund herum. Dominus vobiscum. Selbst der Direx hatte Stoppeln dort, wo sie hin gehören. Wer sich da nicht wohl fühlt, muss was am Hirn haben. Internierte Geborgenheit im Glauben. Sanatorium nach einer Kindheit mit Prügel. Oder Söhne von Priestern, die in der Blutlinie nicht geführt wurden, geheime Prinzen und alles, was der Kirche nahe stand. Die Herkunft der Knaben war so wundersam, wie geheimnisvoll.

Körper

Das Haus war 1A geführt, ein Hort der Sicherheit. Die typischen Übergriffe gab es dort nicht. Ein gesunder Körper. Geballte Pubertät zwar, die sich jedoch im Regularium aus Sport, Pauken, Hygiene, neben dem Schlaf- und wildem Fressen im Speisesaal, weitgehend erschöpfte. Samstags und Sonntags ging es per pedes in die nahe Rhön und König war nicht etwa, wer Gründe hatte das nicht mitzumachen. Denn der verblieb alleine im Schlafsaal. Mit übertriebenen Symptomen wäre man auf die Krankenstation gekommen, wie in Hogward's mit den Schwestern und Visite vom Direx. Aber mindestens wäre es eine langweilige Zeit zwischen Studiersaal und Arbeitszimmern geworden. Wohl dem, der in so einer Lage Musikunterricht hatte. Dem stand wenigstens das Klavierzimmer offen. Et cum spiritu tuo. Es war besser mitzulaufen, als sich selbst zu bestrafen.

Direktor, Assistent und Präfekt

Beschützt wurde das Konvikt vom Direktor Burkhard, dem Höchsten nach dem Bischof und seinem Allerhöchsten, da oben im Himmel. Letzerer kam gleich hinter ihm, erhob er im Messgewandt vor seinem Altar doch die Arme und hielt sie gesteckt wie Christus, der genau so am Kreuze hinter ihm hing. Gebändigt wurde all die Jugendschaar, mit Hilfe des sportlich harten Assistenten (Assi). Heute würde man ihn sicher Opus Dei zuschlagen, der römisch–katholischen Kampfelite. Bestraft wurde der Jungknabenkörper des Konvikts von einem verschrobenen, untersetzten Präfekten, der eine Nase wie ein Geier hatte. Gott hat ihn auch noch mit einer quäkenden Stimme versehen und wäre er hinter seiner Brille Schließer in einem napoleon'schen Gefängnis gewesen, niemand hätte sich darüber gewundert.

Kapellenweg

Gleichwohl, er blieb immer fair und korrekt. Ging etwas über die Strenge, kam der Assi zum Einsatz und wehe dem, der ihn in seiner Mittagsruhe gestört hat, die sicher auch etwas mit Gebet und Versenkung zu tun hatte. Wurde ein Delinquent dann auch noch zum Direx abgeführt – gute Nacht. Da war der Blick auf das blubbernde Aquarium im hohen Raum der Pforte das letzte, was einer von der Welt gesehen hat. Vorbei an der Sitzgruppe im Charme der Fünfziger, Swagger kannte diesen langen Gang zum Direx hinein. Hinter dem Aquarium ging es herum, durch eine Türe, die man nie wahrgenommen hat. Ein langer, langer Gang, unter der Kapelle hindurch, schließt daran an. Mit ein paar Fenstern zum leeren Fußballhof hinaus, aber auch von dort drang nichts hinein, was Trost gespendet hätte. Swagger war sich im Nachhinein auch nie mehr sicher, ob er diese Fenster jemals vom Fußballhof aus gesehen hat. Da war man auch schon drinnen beim Direx und alles war in Ordnung. Die Güte in Person. Ein Direx aus dem Himmel.

Wege

Drei männliche Helden standen gegenüber zweihundertfünfzig Pubertierender. Ihnen zur Seite wirkte unauffällig das Schwadron der barmherzigen Schwestern aus dem Kloster von Gegenüber. Sie mussten einen Geheimgang in den Küchentrakt gehabt haben, sah man sie doch niemals über die Schulstraße huschen. Über das schwarze Kopfsteinpflaster vor dem hohen Tore kamen sie nicht.Pforten gab es genug, links und rechts der Schulstraße. Es waren allesamt Pforten, durch die nie jemand ging. Swagger hat es beobachtet. Sie kamen nie hinein, wo auch Konviktler verkehrten. Sie hätten über die Schulstraße kommen müssen. Kamen sie aber nie!

Augen

Fräulein Käthe von der Pforte hatte ihr flinkes Vogelauge überall. Wahrscheinlich ist sie mal Nonne gewesen. Ihr zu entkommen war eines der Meisterstücke von Swagger. Er hat mir einmal erzählt, wie er es angestellt hat, zu verschwinden, wenn sich das Haus geleert hat. Mitten im Strom hat er das getan. Auge in Auge mit Käthe. Er hat sie hypnotisiert. Als der wilde Körper des Konvikts, zweihundertfünfzig Knaben, stampfend das Haus verlassen hat. An ihr vorbei. Bis auf Swagger. Der war unsichtbar im Hause verschwunden. Vor aller Augen.

Gespenst

Wie von einem Gespenst geführt, klapperte ein Metalleimer über alle Gänge. Alle Gänge, sogar ganz oben, bei den Primanern unter dem Dach. Buden, eingerichtet wie Krösus persönlich. Wo es auf steiler Treppe hinan ging, zu den jungen Herren Priesteranwärtern. Die Hoffnung der Diözese. Es huschte das spillerdürre, farblose Fräulein Olga mit lustig runder Brille summend umher. Zierlich, so zierlich. Es wunderte Swagger nicht, wenn sie einst eine Ballerina gewesen wäre. Sie wedelte mit einem Exemplar bestielter Geräte, von denen sie immer eine gewisse Auswahl mit sich führte. Ihre Positionswechsel mit dem Gerät waren legendär. Beobachtet hat das nur einer der Helden, Swagger. Gewischel, Geklapper der zusammengerafften Stiele, das Schleifen und immer wieder schepperte der Eimer.

Swagger konnte sie im leeren Hause, trotz seiner unermesslichen Größe, bereits unten an der Pforte hören und wissen, wo sie sich gerade befand. Er verbrachte mal einen ganzen Vormittag damit, auf ihrer Spur zu bleiben und hatte dabei eine Menge sonderbarer Gedanken und Erlebnisse. Carpe diem, et sancto spiritu tuo. Die Predigt gab der Direx gerne im Klartext. Du kannst sicher sein, dass sich ihr Inhalt eng an den praktischen Ablauf des Tages von ca. 250 Knaben in lateinischer Zählart angelehnt hat.

Klassengesellschaft

In Gruppen eingeteilt hießen sie Sexta, Quinta, Quarta, bis hinauf zu den Primanern. Unter– und Oberprima waren für Sextaner so etwas, wie Whales und Ocras für Newbies auf dem Steem. Alle Konviktler gingen auf öffentliche Schulen, wobei die Primaner ein wesentlich freieres Leben genossen haben, als bspw. die aus der Sekunda. Swagger ging von Anfang an antizyklische Wege. Er musste nicht im Pulk der lateinisch gezählten Pimpfe zum Domgymnasium wandeln. Sein Weg war erstens kürzer und zweitens einsam, denn er war der einzige Volksschüler im Konvikt.

Schlafen

Den Weg zum Domgymnasium hätte man auch bequem im Schlafen zurücklegen können, in der Masse der Sextaner schwimmend. Schlafen im Stehen hat Swagger erst richtig auf dem Bau gelernt. Es bedarf eines Schaufelstiels, einer Ecke und schon kannst du im Stehen pennen. Versuche nicht, dir das vorzustellen. Davon bekommt man Kopfschmerzen. Das kannst du auch nicht. Man muss es getan haben. Nein, du fällst nicht um. Sprichwörtlich in einem anderen Leben schaffte es Swagger dann, zu Beginn seines zweiten Jahres im Konvikt, also als Quintaner, auf die städtische Mittelschule zu kommen. Er blieb sogar für sich selbst ein Sonderfall, der noch nicht einmal zu den Klassen gehörte, die er besuchen musste. Dort war er schließlich kein Städtischer, sondern einer aus dem Konvikt, aus einer ganz anderen Welt, einer Stadt in Weitweitweg. Swagger war ein Alien und im Fernsehen sprach Konrad Adenauer.

Mögen

Wenn ihr das mögt, verehrte Kritiker, kann ich es euch noch eine Weile zur Unterhaltung geben. Ich nenne es gerne in den Kopf hinein schreiben. Die Wahrheit zeigt sich beim Voten. Aber nur, wenn ihr es mögt.

Hat den lieben Newbies eigentlich schon mal jemand erzählt, dass Kuratoren ganz schön zickig werden können? Aber das bringe ich ein anderes Mal. Ich glaube schon einmal erwähnt zu haben, dass sie ihre Vorlieben und Abneigungen haben. Swagg on lieber Leser, steeme schön. Du bist mir eh das Liebste.


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Just a Frog with the words from the past to the future, in a STEEM of whales.



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Rede keinen Quatsch,@german-trail. Warte mal bis die Humanisten und Altgriechen hier vorbei gezogen sind. Falls die mich überhaupt noch lesen. Die werden mir mein Latein sicher um die Ohren watschen.

lol, da bin ich gespannt, dem @jaki01 traue ich sowas zu :-)

  ·  7 years ago (edited)

Na komm, @german-trail, der @jaki01 ist doch ein ganz Lieber ohne jeden Verbesserungs Drang. Der bobbelt sein Baby und freut sich über sein schönes Leben mit @kobold-djawa, die ihm indonesische Weisen singt.

es ist tatsächlich immer eine Wonne deine "Werke" zu lesen, auch wenn ich das immer 2 oder sogar 3 mal machen muss um völlig dahinter zusteigen......

Ehrlich Mann? Du liest mich zwei– drei Mal? Ich verbeuge mich vor dir, edles Lesergeschlecht. Ihr seid der STEEM, der mich schreiben lässt.

naja ist doch aber logisch ...will ja verstehen was so wunderbares immer von dir kommt mein Freund......

immer wieder gern....

Schade, dass ich nicht katholisch bin. Obwohl: ein wenig mental-katholisch war ich schon immer ... Darf man auch noch nachträglich, vielleicht in der Phantasie zurück?

Du könntest dich in einer Rolle beim Schreiben zum Katholiken machen. Das ist so ziemlich die einfachste Nummer. Was du dabei aber sicher nie lernen wirst, ist die Sünde so zu genießen, wie der Katholik. Die Evangolen sind dafür zu prüde, die Moslems verhängen jeden Anlass zur Sünde mit Tüchern und die Juden versuchen es erst gar nicht, weil der Zorn Gottes hinter jeder Staßenecke lauert. Und was an Gottesanbetern sonst noch alles kreucht und fleucht, schaut auch nur voller Neid auf die Katholiken.