Kritik am Steem gab es bereits, bevor ich im Dezember 2016 meinen ersten Artikel auf die Blockchain gedübelt habe. Die Entdeckung eines kritischen Artikels war für mich damals fast so etwas wie eine kleine Sensation, inmitten allgegenwärtiger Lobpreisung der Blockchain–Qualitäten. Die Kritik hat im Laufe der Zeit zugenommen, dreht sich aber gerne im Kreise, weshalb ich alle steemkritischen Postings jetzt mal boshaft als beliebtesten Cirkle–Jerk¹ bezeichnen möchte.

Nur ein Kommentar

Steemkritik ist genau das, was die Initiatoren der Blockchain eher nicht mit „unique content“ meinten. Systemkritik, ganz besonders auf dem Steem, ist auch eine gänzlich nutzlose Angelegenheit. Was du gerade liest, war übrigens ursprünglich ein Kommentar für @oliverschmid, der mich mit seiner aktuellen Steemkritik zu dieser ausführlichen Antwort animierte. Die von @oliverschmid aufgeführten acht Gründe, warum jemand gerade nicht in STEEM investiert, ist nicht etwa ein sensationell neuer Stoff. Im Kontext der vom Autoren hypothetisch vorgeschobenen Investitionsentscheidung, sind die Punkte natürlich bemerkenswert, so dass ich dem Artikel von Oliver Schmid seine Legitimität gar nicht absprechen will. Der Artikel ist nur sinnlos, weil er von den falschen Voraussetzungen ausgeht. Investorenfreundlicher als der Steem, kann eine Blockchain nämlich kaum gestaltet werden.

Wiederholung

Es wurde schon 1000-fach über den Themenkreis geschrieben. Seine ständige Wiederholung dient natürlich der Selbstversicherung, wie auch Meinungsbildung, besonders bei neuen Nutzern. Die plagen aber, meiner Meinung nach, dringendere Probleme. Auch bekommt man kaum Artikel zu lesen, die dem Thema neue Perspektiven abgewinnen würden. Dieser spezielle Stoff ist daher „für die Füße“. Er ist einzig gut zur Belohnung des gerade wieder einmal repetierenden Autoren. Aber es existiert noch ein viel gewichtigerer Grund, warum Kritik am Steem überhaupt keinen Sinn ergibt.

Mantra

Alles, was der Steem zulässt, ist erlaubt, lautet die erste Regel und jedem steht es frei, eine andere Plattform zu wählen. Das dürften die wichtigsten Prämissen sein, die nach HF 18/19 und der damit einher gehenden Marginalisierung der Kuratoren, tatsächlich noch zu beachten sind. Jede Erkenntnis über „Fehler“ in Steem–Algorithmen, mutwillig eingebaut oder nicht, ist rein akademischer Natur und in der Praxis, wie auch perspektivisch für alle Teilnehmer, vollkommen irrelevant. Die Regeln des Steem werden alleine von Ned Scott in New York geschrieben. Das empfinde ich, trotz all der hübschen Hohelieder auf die Dezentralität, ausgesprochen zentralistisch, was aber auch kein Grund ist, besondere Klage zu führen. Geht man weiter von der Tatsache aus, dass kaum ein Witness vor der Einführung einer neuen Softwareversion überhaupt voll begreift, was damit auf die Nutzer zukommt, kann Ned Scott schalten und walten, wie es ihm beliebt. Die Witnesses werden ihm nie eine Hardfork verwehren, denn die Algorithmen des Witnesskomplexes zementieren den Zentralismus aus New York eher. Daher ist jede Art von Steemkritik überflüssig. Sie führt zu nichts.

Hardforks

Was die Algorithmen des Steem betrifft, sind wir uns darüber im Klaren, kaum je einen Einfluss darauf auszuüben. Es sei denn, jemand nimmt die Software und eröffnet damit seine eigene Blockchain. Die Russen haben es mit Golos, der ersten, wirklichen Hardfork des Steem vollzogen. Am ernüchternden Kurs des Golos ( heute $0,104775 USD ), er stand noch nie über einem US–Dollar, können wir ermessen, wie das Potential für Abspaltungen vom Steem tatsächlich zu bewerten ist. Die Menge der im Umlauf befindlichen GOLOS liegt bei 124.5 Mio. Stück, was grob geschätzt etwa die Hälfte von dem ist, was sich an STEEM im Umlauf befindet. Das deckt sich mit der Tatsache, dass die Währung GOLOS nur etwa halb so lange existiert. Der niedrige Preis ist auf die Abwesenheit von Investoren zurückzuführen und das sollte allen Steemians Warnung genug sein die meinen, Ned's Algorithmen seien zu investorenfreundlich.

Privatvergnügen

Versteht mich nicht falsch. Die Neuerungen der letzten Hardforks haben mir keineswegs gefallen und ich wollte lange Zeit einen Brandartikel darüber schreiben. Aber ich habe auch lange genug darüber nachdenken können und bin zur Ansicht gekommen, dass die Steemit Inc. mit ihrer Blockchain tun und lassen kann, was ihr auch immer einfällt. Wenn Ned meint, der Steem soll Pommes anstatt Coins ausspucken, setzt er es um. Wenn er entscheidet, dass nur noch für's Blöken von Schafen gezahlt wird, ist das einzig Ned's Privatvergnügen und jederzeit durchführbar. Wir sollten uns bezüglich der tatsächlichen Verhältnisse auf dem Steem keinen Illusionen hingeben. Hier regiert Ned Scott.

Paradox

Vor der letzten Hardfork gab es übrigens ganz andere Probleme als Votewucher und Eigenvotes, die allgemein als Fehler empfunden wurden. Da waren es z.B. die Votingbots der Whales, über die geklagt wurde. Zu jener Zeit war es normal, dass maximal 5-10 Prozent der Votes eines Artikels überhaupt von leibhaftigen Lesern stammten. Der Rest kam von Bots. Besonders erstaunlich ist es doch, dass es seit HF 18/19 deutlich mehr Leser gibt, als Voter. Das Verhältnis hat sich paradoxerweise umgekehrt, seit der Kurator aus Ned's Konzept verschwunden ist. Hervorragende Postings zu voten, war für Ned's Investoren schon immer viel zu viel Aufwand. Das Kuratieren als zentraler Bestandteil des Steem–Konzepts musste zwangsläufig einfacher werden.

Votepflicht

Tatsächlich konnte die Blockchain anschließend einen deutlichen Zustrom an neuen Mitgliedern verzeichnen. Doch der Preis dafür ist hoch. Inhaltlich ersaufen wir nun in der Irrelevanz. Es wird zunehmend schwieriger, qualitativ anspruchsvolle Artikel auszumachen. Doch darum geht es seit dem letzten Softwareupdate auch gar nicht mehr. Das Konzept „unique content“ wurde als hinderlich im Sinne der Massenadaption erkannt und kurzerhand beseitigt. Nun muss Ned nur noch das Problem lösen, wie diese Masse nichtssagender Postings zu Votes kommen soll. Beobachtet man, wie zäh z.B. auf Facebook abgestimmt wird, wird sofort klar, dass Voten ansich, im Verhältnis zur wachsenden Teilnehmerzahl, nicht zwangsläufig zunimmt. Es müsste vielleicht doch noch die Votepflicht eingeführt werden.

Curator ex

Auf SteemWiki werden, erfreulicherweise, noch beide Fassungen des Whitepaper zur Verfügung gestellt, sonst könntest du gar nicht erfahren, dass es früher Kuratoren gab. Recherchiere einfach mal den Unterschied zwischen dem alten (März 2016) und dem neuen Whitepaper (Sept. 2017). Du musst die Werke nicht lesen! Guck nur quer, wo der curator im alten Whitepaper vorkommt und wie oft. Dann suche das Wort mal in der Neufassung von 2017! Ich habe keinen mehr gefunden. Das ist investorenfreundlich, stand aber in offiziellen Ankündigungen gar nicht zu lesen. Um von der Abschaffung des Kuratorenstatus zu erfahren, musst du schon Whitepaper lesen und zwar den Text, der heute nicht mehr drin steht.

Investorenglück

Jetzt wissen wir, es gibt tatsächlich nur wenig Grund, sich über die Bedingungen auf dem Steem zu beschweren. Das wäre etwa so fruchtbar, wie ein Gespräch über das Wetter von vorgestern. Im Whitepaper steht übrigens nur ungefähr, wie der Steem definiert ist. Da steht das Technische im Vordergrund und von Sock Puppets, Eigenvotes und Votewucher steht da gar nichts drin. Bei der Lektüre wird aber schon klar, wer hier auf dem Steem nichts zu melden hat, aber auch nur deshalb, weil darüber nichts geschrieben steht. Es gibt übrigens keinen Grund, Bedingungen infrage zu stellen, die man auch ablehnen kann. Das Wichtigste für den Erfolg des Steem ist die Anwesenheit von Investoren und nicht einmal die haben haben mehr Rechte als das Recht, ihr Invest abzuziehen. Investoren sind, gerade durch die Massenadaption, ein verhältnismäßig seltenes Gut geworden. Insofern ist die Konzentration der Algorithmen auf die Bedürfnisse von Investoren, auch gar keine so schlechte Idee.

Fußnote

[1] cirkle-jerk (engl.) – Synonym für gemeinschaftliche, gegenseitige Befriedigung. Abgeleitet von circle – der Kreis und to jerk– wichsen.

Titelbild

Quelle: De Georges Goursat (Sem) - Bibliothèque nationale de France, Dominio público,

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Crash Test Dummies on Steem

Seit über vier Wochen habe ich jetzt nichts mehr geschrieben. Mein innerer Souffleur schweigt, der Esprit ist in Urlaub. Nachdem ich ununterbrochen ab Dezember 2016 Artikel veröffentlichte, ist das sicher auch nicht verwunderlich. Irgendwann muss man mal Abstand nehmen und innehalten. Jetzt ist es auch nicht etwa so, dass ich meine Publikationsroutine einfach wieder aufgenommen habe. Es ist einzig dem Artikel von @oliverschmid geschuldet, dass ich überhaupt was geschrieben habe. Sein Thema beschäftigt mich seit HF 18/19. Darüber wollte ich schon lange etwas schreiben.

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