Über Veganer, die sich selbst zerfleischen

in deutsch •  7 years ago  (edited)

Aus gegebenem Anlass habe ich heute einen Text herausgekramt, der mir schon länger unter den Nägeln brannte.

Ich beobachte in vielen Videos auf Youtube, wie verschiedene vegane Kanalbetreiber sich gegenseitig mit Vorwürfen bombardieren. Mir ist aufgefallen, dass sie immer als Richter auftreten, die über andere richten und es scheinbar auch schaffen, ihre Follower dazu zubringen, selbst als Richter aufzutreten. Letzten Endes sind sie dann Richter und Gerichtete in einem. Sie richten ständig über sich selbst, um sicherzustellen, dass sie auf der moralisch richtigen Seite sind und richten über andere.

Dieses Verhalten hilft niemandem. Ich habe für mich entschieden, bei diesem destruktiven Spiel nicht mehr mitzumachen und habe daher heute auch ein Mission Statement zu diesem Thema auf meinem Blog www.food4lunch.de gepostet: www.food4lunch.de/new-york-marathon-siegerin-ist-keine-hclf-veganerin-mission-statement/. Und nun viel Spaß beim Lesen des eigentlichen Beitrags. :)

Über den moralisierenden Aspekt der Ernährung

Warum ist Ernährung zu einer Religion geworden?
Warum gibt es plötzlich so viele Moralisten?
Warum kriegen Menschen sich wegen etwas so scheinbar Banalem wie Ernährung in die Haare?

Weil sie in einem Dilemma stecken: Der moderne Mensch kann nicht so handeln wie er möchte und bewegt sich daher ständig zwischen zwei Extremen: der Haustierhaltung und der Nutztierhaltung.

Ernährung ist nicht moralisch. Menschen sind es.

Deswegen geht es in diesem Text auch nicht um Ernährung, sondern um Menschen, die in Dilemmas gefangen sind und aus ihnen ausbrechen möchten.

Aber wie? Natürlich ist es ihnen möglich, sich zu ändern, zu verzichten und z. B. Veganer, Minimalist oder etwas Ähnliches zu werden. Nichtsdestotrotz waren sie bis dahin Teil eines Systems, das den Menschen buchstäblich in einen Käfig gesperrt hat, ihn gegen seinen Willen an einem langfristig betrachtet schädlichen Kreislauf angeschlossen hat, von dem sie aber auch gleichzeitig profitiert haben. Möglicherweise war ihnen das gar nicht bewusst.

Jetzt, wo wir nicht mehr wegsehen können, setzt ein zum Teil radikalisiertes Bewusstsein, eine Gegenströmung, ein, die durch Verzicht ein Exempel statuieren möchte. Es kann sich aber leider niemand, so sehr er auch verzichtet, von seiner Systemzugehörigkeit (und damit auch der Tatsache, dass er bis jetzt von ihm profitiert hat,) absprechen.

Wir wissen heute genau, wie sehr Arbeiter in Fernost für unseren hohen Lebensstandard leiden und dabei auch ihr Leben auf's Spiel setzen. Wir wissen genau, was Monokulturen in Südamerika mit der Landschaft anrichten. Wir wissen genau, dass wir afrikanische Bauern und Viehzüchter mit der Überschwemmung ihres Marktes in die Knie zwingen. Man muss schon blind sein, um das nicht zu sehen.

Und unser Umgang mit Tieren ist direkter Ausdruck dafür, wie wir dabei mit uns selbst umgehen. Wir würden gerne moralisch handeln. Der Ausdruck dieses Wunsches ist unser Umgang mit Haustieren. Die Deutschen gelten als sehr tierfreundlich. Hunde sind in nahezu jedem Lokal willkommen und es gibt sogar Lokale, in denen Katzen Dauergäste sind. Aber unser Umgang mit Nutztieren zeigt die andere, blutige und unterdrückte Seite unserer ach so feinen Moral. In Wahrheit sind wir gar nicht so moralisch.

Hermann Hesse schrieb 1932, dass es

ein Verwirklichen der Tugend, ein völliges Gehorchen, ein sattsames (sic!) Dienen nicht gibt, daß Gerechtigkeit unerreichbar, daß Gutsein unerfüllbar ist.

Er plädiert für eine Akzeptanz der eigenen Unvollkommenheit und derjenigen der Welt.

Aber das möchte sich niemand eingestehen. Viele Umdenker sind daher starke Moralisten und greifen Andersdenkende an. Das ist der Rückzug in eine Art „Privatreligion“ (manch‘ einer nennt es auch: „Echokammer“), in der es uns und die Anderen gibt. Die Ausbeutung der Tiere ist darin zu einer Ausbeutung des Menschen geworden.

Habt den Mut, der Wahrheit ins Gesicht zu sehen!

Es gibt keine Weltanschauung, Religion oder Philosophie, die in der Lage ist, den Einzelnen ultimativ aus seiner Weltzugehörigkeit hinauszukatapultieren. Das ist auch der Grund dafür, dass es in weltanschaulichen, religiösen und philosophischen Systemen so viele Dilemmas, ungelöste Fragestellungen, gibt. Es gibt eben keine eindeutige Antwort auf die Frage nach dem Sinn des Lebens. Höchstens den, den wir ihm als Individuum geben.

Von diesem Sündenfall muss sich der Mensch erst wieder mühsam hinauswinden. Das ist der Sinn und der Zweck der Arbeit. Doch die Tätigkeit als solche braucht im Hintergrund immer das Bewusstsein dafür, was uns alle vereint. Schließlich kommen wir alle aus derselben Wahrheit und demselben Licht.

Welchen Weg man auch immer geht, um diesen Zustand zu beenden, er bedeutet immer Arbeit, Kampf und Mühe. Das Unterbewusstsein begrüßt all‘ jene, die ihn (scheinbar erfolgreich) gegangen sind. Daher bewundern wir Helden, wo immer sie auftauchen. Im Kino, in Büchern oder anderswo.

Wir sollten jedoch vorsichtig sein und genau darauf achten, wem wir zujubeln. Denn derjenige, mit dem wir uns identifizieren und der daraufhin den Weg, der uns noch bevorsteht, erfolgreich gegangen ist, könnte bald schon derjenige sein, der uns zurückholt in den Zustand einer übertriebenen Moral, der uns von uns selbst entfremdet, ein weiterer Sündenfall.

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Wow - sehr gut in Worte gefasst. Genau, das was du beschreibst kann ich in meinem Umfeld ebenfalls beobachten. Vielen DANK für diesen Beitrag, den ich gleich mal resteeme.

Wow, herzlichen Dank! Vielen Dank fürs resteemen!

Sehr guter Text, dem kann ich nur voll zustimmen :)

Vielen Dank fürs Feedback!

So ein guter Text....wo is n das Bild ...;-) wo sie sich zerfleischen...ein solcher Text braucht ein passendes Bild um noch mehr Menschen zu erreichen! Resteem liebes!

Herzlichen Dank. Ja, ich arbeite am Bild ^^

  ·  7 years ago (edited)

Perfektes Bild! Genial! Ne veganerin freut sich tierisch:-P
Nun habe ich nur soviel dazu zu sagen, Dass unser verdauungssystem vegetarisch ausgelegt ist! Fleisch war nur in Notzeiten relevant und zwischen Pflanzennahrung und Fleischnahrung sollte 24-48 Std Fastenzeit liegen, da das Fleisch erstmals durch den Darm darf!
Ernaehrung ist Chemie! Alchemie! Nahrung ist Licht! Falls es am Sonnenlicht wachsen durfte....! Statt im der Dunkelheit Wachstumshormone zu bekommen ;-)
Schön geschrieben is dein Artikel und das pic is sooooo nice :-))
Vom psychologischen haste recht! Seit 1000 Jahren das selbe schema! Laaaangweilig!
Den letzten Satz stimme ich net zu: ein wahrer Held lässt andere wie sie sind! Punkt! Soll jeder selbst durch ...ich finde dazu Morpheus von Matrix immer klasse! Zeige nen weg doch lass die Entscheidung einen jeden in SelbstVerantwortung treffen!

Oh das ist toll in Worte gefasst! Dieses Phänomen ist ja auch bei vielen anderen Thematiken verbreitet. Ich denk mir dann immer: kann es denn gar keinen Mittelweg geben? Ich schätze, wenn alle weniger tierische Produkte essen würden, wär schon ein Schritt in die richtige Richtung getan.