Teil 1 des Artikel findest Du hier:
Warum, was, wann, einen Unterschied macht
Zunächst mal müssen wir uns einem grundlegenden Denkproblem der meisten Menschen widmen, nämlich jenem, dass man richtiger- oder fälschlicherweise zu der Ansicht gelangen könnte, dass eine einzelne Handlung für die Welt keinen Unterschied macht.
Um sich dem Problem zu nähern, müssen wir leider zunächst die Mathematik bemühen. Aber keine Sorge! Wir werden nichts durchrechnen! Ein einfaches Verständnis von Wahrscheinlichkeitsrechnung oder Häufigkeiten genügt.
Beispiel
Der Klassiker: stelle Dir vor Du erfährst von einer Demo, die genau die Forderungen vertritt, die Du gut findest. Es ist natürlich für Dich mit Aufwand verbunden hier mitzudemonstrieren und Du denkst Dir:
a) das sind so wenige, die Demo wird ohnehin nicht zustande kommen. Keiner wird davon Notiz nehmen. Wir machen uns nur lächerlich.
b) das sind schon so viele, die Demo wird sehr groß. Ob ich da jetzt auch noch mit dabei bin, macht keinen Unterschied
c) Demos sind generell Quatsch. Dadurch ändert sich nichts.
Hierzu folgende Gegenüberlegungen:
a) vielleicht stimmt das insgesamt gesehen, am Ende, eventuell, aber gehen wir mal mathematisch an die Sache heran:
wenn jeder so denkt, dann gibt es gar keine Demo und wenn keiner so denkt, dann kann es vielleicht eine Demo werden, die so groß wird, wie Du es nie erwartet hättest. Das Problem ist, dass Du es vorher nicht weisst. Es ist eine x-Unbekannte in der Rechnung. Sie beschreibt die Anzahl der Personen, die ähnliche Überlegungen anstellen, wie Du und sich, schlimmstenfalls, deshalb, ebenfalls dazu entscheiden dort nicht hinzugehen.
Hinzu kommt, dass es Multiplikatoreffekte gibt, die dazu führen, dass andere sich davon ermutigen und anstecken lassen, wenn sie erfahren, dass Du dort auf jeden Fall mitdemonstrieren wirst! Dies Multiplikatoreffekte gibt es natürlich auch nach unten. Es sind Effekte, die man auch aus der Gruppendynamik kennt. Menschen neigen einfach dazu zu folgen und sich anzupassen.
Vielleicht kannst Du jemand sein, der nicht folgt oder sich anpasst, sondern der Akzente setzt und an den sich andere anpassen. Das geht einfacher, als Du denkst. Freilich wirst Du es nicht immer erfahren, da Dir diese Leute dies nicht immer mitteilen, vor allem, weil sie es, eventuell, selbst gar nicht bemerken.
b) stimmt! Ob Du als 100.001te Person auf eine Demo gehst, macht eigentlich keinen Unterschied. Die Medien werden nicht darüber berichten, dass es 100.001 Personen waren, sondern sie werden berichten, dass 100.000 Menschen da waren oder sogar den Ausdruck 10.000ende benutzen. Warum solltest Du Dir also die Mühe machen?
Zunächst mal gilt das gleiche, wie oben bei a). Es gibt x-Unbekannte und Multipliktoreffekte. Aber selbst diese spielen ja bei einer so großen Menge von Personen keine entscheidende Rolle. Dabei lassen wir aber eine weitere mathematische Größe ausser Acht, die ebenfalls zu den x-Unbekannten zählt: den sogenannten Tipping Point
Dieser Tipping Point beschreibt den (Zeit-)Punkt eines System an dem es durch eine einzelne Handlung oder Person oder zufälligen Einfluss von Außen zu kippen beginnt oder sich schlagartig verändert. Also der berühmte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Man weiß zwar, dass das Wasser im Fass der Oberflächenspannung unterliegt, kann aber nicht genau sagen, welcher der stetig ins Fass tropfenden Tröpfchen den entscheidenden Unterschied zum Bruch der Spannung und zum endgültigen Überlaufen des Fasses nun machen wird.
Die Anzahl der Menschen bei Demonstrationen sind verantwortlich für eine ganze Reihe an Tipping-Points. Die wichtigsten sind natürlich die der Berichterstattung. Nicht jede Zeitung, nicht jeder TV-Sender berichtet über jede Demonstration. Dafür gibt es verschiedene Kriterien, die nicht für alle Medien gleich sind. Ab wann aber dieser Punkt genau erreicht ist und eine sehr große Tageszeitung auf einmal beschließt, dass sie darüber berichten muss, wissen wir nicht genau. Es ist also möglich, dass genau eine Person mehr oder weniger den Unterschied macht. Es ist aber nicht nur möglich. Es ist sogar zu 100% sicher, dass das so ist.
Welche Person dies sein wird und bei welche Anzahl genau ist aber eine x-Unbekannte. Mit der zusätzlichen Teilnahme erhöhst Du also die Wahrscheinlichkeit, dass genau dieser Tipping-Point erreicht wird. Und vielleicht bist Du es sogar ganz allein, der später genau diesen entscheidenen Unterschied machen wird.
c) Was die Berichterstattung einer großen Tageszeitung oder der Abendnachrichten in der Gesellschaft und der Politik für einen Unterschied macht, ist immens. Es sind teils brachiale Tipping-Points, die erreicht werden und die die Fähigkeit besitzen eine ganze Regierung zu Fall zu bringen oder eine ganze Gesellschaft nachhaltig zu verändern.
Ein gutes Beispiel hierfür sind die Pegida-Demonstratioen oder Montagsmärsche. Hierbei spielt es jetzt keine Rolle, ob Du persönlich die vorgetragenen Forderungen oder Inhalte dieser Beispiele gut findest. Fakt ist, dass sie, beim Beispiel von Pegida, zu politischen und gesellschaftlichen Umwälzungen geführt haben, die unser Land nachhaltig und stark verändert haben. Sie mündeten nicht nur in einer Partei, die viele dieser Forderungen umsetzen möchte und die ziemlich sicher in den Bundestag einziehen wird, sondern die Inhalte haben es sogar so weit geschafft, dass sie sogar schon von großen Volksparteien teilweise übernommen wurden.
Es ist schon bemerkenswert, was wenige Menschen, die regelmäßig demonstrieren gegangen sind, bewirkt haben. Ob es gut oder schlecht sein wird, wage ich nicht zu bewerten. Aber, dass es eine gewaltige Auswirkung hatte, das ist unstrittig, wenn man sich das retrospektivisch betrachtet.
Was erwartet Dich in Teil 3?
In Teil 2 wurde ja nur der sehr naheliegende Teil von zusätzlichen "persönlichen Wahlen" betrachtet, die Du machst und ich habe versucht diese aus mathematischer Sicht zu beleuchten. Aber naheliegende Einsichten zur Macht von Demonstrationen auf der Strasse sind tatsächlich nur ein Bruchteil der Dinge, die Du täglich entscheidest und wählst und mit denen Du die Welt veränderst oder Tipping-Points auslösen kannst.
In Teil 3 werde ich mich mit den am wenigsten offensichtlichen und komplexeren Entscheidungen Deines Alltags beschäftigen, die nichts anderes sind, als Deine tägliche Bundestagswahl.
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Danke, freue mich auf Teil 3!
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