Der falsche Weg der Nato

in deutsch •  7 years ago  (edited)

Lange Zeit war Deutschland ein recht friedliebendes Land in dieser Welt. Die Zeiten der unrühmlichen Kriege von deutschem Boden aus haben wir hinter uns gelassen. Durch jahrzehntelange Arbeit von vielen bedeutenden Politikern sind wir durch diese Politik mit der Einheit 1990 regelrecht beschenkt worden. In der Präambel zum deutschen Grundgesetz heißt es:

Im Bewußtsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen, von dem Willen beseelt, als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen, hat sich das Deutsche Volk kraft seiner verfassungsgebenden Gewalt dieses Grundgesetz gegeben.

Wir sind seit dem 18. September 1973 zudem ein Mitglied der Vereinten Nationen. Dem wohl positivsten, was der Zweite Weltkrieg nach sich zog. In der Charta heißt es zum Beispiel in Artikel 1:

Die Vereinten Nationen setzen sich folgende Ziele:

  1. den Weltfrieden und die internationale Sicherheit zu wahren und zu diesem Zweck wirksame Kollektivmaßnahmen zu treffen, um Bedrohungen des Friedens zu verhüten und zu beseitigen, Angriffshandlungen und andere Friedensbrüche zu unterdrücken und internationale Streitigkeiten oder Situationen, die zu einem Friedensbruch führen könnten, durch friedliche Mittel nach den Grundsätzen der Gerechtigkeit und des Völkerrechts zu bereinigen oder beizulegen.

Deutschland hat sich also verpflichtet, den Frieden in der Welt zu sichern. Das ist gesellschaftlich verankert und zeigt sich auch in unserem Grundgesetz. Der Auftrag der Streitkräfte wird darin explizit im Artikel 87a genannt:

(1) Der Bund stellt Streitkräfte zur Verteidigung auf. Ihre zahlenmäßige Stärke und die Grundzüge ihrer Organisation müssen sich aus dem Haushaltsplan ergeben.
(2) Außer zur Verteidigung dürfen die Streitkräfte nur eingesetzt werden, soweit dieses Grundgesetz es ausdrücklich zuläßt.

Die Bundeswehr ist also rein rechtlich gesehen eine defensive Verteidigungsarmee. Sie ist in unserer Gesellschaft in dieser Rolle akzeptiert. Es ist leider in der heutigen Welt noch immer nötig, eine Armee zur Landesverteidigung zu unterhalten.

Diese Grundsätze hat unsere Regierung aber schon längst hinter sich gelassen. In dem Weißbuch aus dem Jahre 2016 ist dies klar erkennbar:

Auftrag der Bundeswehr ist es, im Rahmen eines gesamtstaatlichen Ansatzes gemeinsam mit Partnern und Verbündeten zur Abwehr sicherheitspolitischer Bedrohungen für unsere offene Gesellschaft und unsere freien und sicheren Welthandels- und Versorgungswege beizutragen.

Diese grundlegende Änderung des Auftrages der Bundeswehr hängt zusammen mit unserer Mitgliedschaft in der ehemals zur Verteidigung erdachten NATO. Ein Überbleibsel aus dem kalten Krieg, der für die Sicherheit des Westens gegenüber dem Warschauer Pakt, dem längst aufgelösten und nicht mehr existierenden Bündnisses der Staaten der östlichen Welt, diente.

Die Aufgabe der Nato ist in den Neunziger Jahren somit überflüssig geworden. Die Grundlage für deren Existenz war nicht mehr vorhanden. Um zu verstehen, warum das Bündnis noch eine wesentliche Rolle in der Weltpolitik spielt, muss man die Hintergründe der Nato verstehen.

Die Nato ist der größte Abnehmer von Rüstungsgütern.
Die Nato untersteht vollends dem Befehl von Amerika.

Somit dient die Nato im wesentlichen dem Machterhalt der Vereinigten Staaten von Amerika in der Welt. Dem militärisch-industriellen Komplex, der auch in Deutschland maßgeblich am Wohlstand des Landes beteiligt ist, bietet das Bündnis enorme Umsätze. Die Verteidigungsausgaben der Mitgliedsstaaten (momentan 29 Länder) beliefen sich im Jahr 2014 zum Beispiel auf insgesamt 942 Milliarden US-Dollar. Davon entfielen alleine auf die USA eine Summe von 654 Milliarden. Diese Summen verdeutlichen, welchen Stellenwert die ehemals auf Verteidigung ausgerichtete Organisation hat.

Seit dem Jahr 1999 hat sich die Nato auf die geänderte geopolitische Lage eingestellt. Das Ende des auf Verteidigung beschränkten Bündnisses wurde beschlossen. Es ist der Nato seitdem möglich, auch bei einer drohenden Gefahr ein Nichtmitglied militärisch anzugreifen. Ein Mandat der UNO, welches bisher eine Art Legitimation für Einsätze dieser Art bildete, wird seither nicht mehr benötigt. Diese Änderung hat auch zur bereits erwähnten Aufgabe der Bundeswehr im Weißbuch geführt. Das ist ein gewaltiger Widerspruch zur Basis der deutschen Außenpolitik, die seit Jahrzehnten dafür steht, das von deutschem Boden kein Angriffskrieg mehr geführt wird oder geplant werden darf.

Die Mitgliedschaft in dem Bündnis sollte in Deutschland viel mehr diskutiert werden. Die Nato muss schleunigst wieder auf die Basis der UNO zurück geführt werden. Das derzeit vorhandene geopolitische Chaos hat seine Ursprünge in genau dieser Wandlung vom Verteidigungs- zum Angriffsbündnis. Auch wenn es gerne von den deutschen Medien im Bezug auf Spannungen nicht erläutert wird, aber die Abkehr der Grundsätze der internationalen Politik begann mit dem völkerrechtswidrigen Eingriff in den Kosovo.

Die Abläufe nach dem Anschlag vom 11. September 2001, als der Bündnisfall ausgerufen wurde, zählen auch nicht zur vertrauensbildenden Maßnahme der Organisation. Es war ein Terroranschlag und kein Angriff eines Staates außerhalb des Bündnisses auf ein Nato-Mitglied.

Der Krieg gegen den Irak muss auch genannt werden. Das war der erste Fall, wo die Beweisführung der Amerikaner vor der UNO für ein Mandat nicht ausreichte. Daraufhin bildete sich die sogenannte “Koalition der Willigen”, eine Gruppe von Ländern, die einen Angriff auch ohne Legitimation durch die Vereinten Nationen durchführte. Der einzige Lichtblick in der deutschen Geschichte in der Nato, weil sich Frankreich, Deutschland und Russland dieser Gruppe widersetzten und nicht aktiv an dem völkerrechtswidrigen Einsatz teilnahmen. Es folgten weitere Interventionen der westlichen Welt, die das System der Vereinten Nationen unterliefen.

Wenn grundsätzliche Regeln in der Weltpolitik aber nicht mehr beachtet werden, kann man die Einhaltung schlecht durchsetzen. Das Dilemma zeigte sich in der Ukraine. Der geopolitische Vorstoß der EU, die Ukraine die Möglichkeit der Annäherung an die EU zu ermöglichen, sollte das System endgültig sprengen. In dem Vorschlag der EU war auch eine militärische Zusammenarbeit zwischen der EU und der Ukraine fixiert. Im Endeffekt kann man sagen, die Nato hätte Truppen bis an die Grenze zu Russland stationieren können und der Zugang der Russen zum Mittelmeer wäre gekappt worden. Dies wurde von Russland durch eine geschickte Strategie mit der Besetzung der Krim vermieden. Auch wenn ich nicht von einer Annexion der Krim sprechen möchte, ein Eingriff in einen souveränen Staat war es und somit war auch dies völkerrechtswidrig.

Somit bewegt sich nicht nur die Nato, sondern auch Russland immer weiter von den Vereinten Nationen weg. Der Sicherheitsrat der UNO hat quasi keine Macht mehr. Die sich wieder neu formierten geopolitischen Blöcke stehen sich durch die ständigen Mitglieder gegenseitig im Weg. Die Machtlosigkeit der Vereinten Nationen ist aktuell in dem bereits mehrere Jahre anhaltenden Krieg in Syrien erkennbar. Eine Vielzahl von Beteiligten Ländern haben in diesen Krieg ohne Legitimation eingegriffen. Auch Deutschland beteiligt sich mit Waffenlieferungen und der Aufklärung aus der Luft auf potentielle Angriffsziele. Es ist die Perversion dieses Krieges, das mittlerweile deutsche Panzer auf türkischer Seite Kurden in Syrien angreifen, die auch aus Deutschland mit Waffen versorgt wurden.

Die Rüstungsindustrie in Deutschland liefert mittlerweile auch Waffen an Länder, die mitten im Krieg sind. Die Lage im Jemen ist auch auf deutsche Exporte von Waffen an das Regime in Saudi-Arabien zurück zu führen. Was früher nicht denkbar war, das Waffen an Nicht-Nato-Länder exportiert werden, die völkerrechtswidrige Kriege führen, ist zur Normalität geworden.

All dies lässt doch deutlich zweifeln, ob die Regierungen der letzten Jahre in Deutschland die Präambel des Grundgesetzes überhaupt kennen. Ich kann für mich jedenfalls nicht erkennen, wo der Wille dem Frieden zu dienen noch berücksichtigt wird.

Wir brauchen dringend eine Erneuerung der Strukturen der Vereinten Nationen. Deutschland sollte seine Position in Europa dazu nutzen, für eine neue Basis der internationalen Beziehungen zu sorgen. Die Welt muss zurück an einen Tisch und gemeinsam Lösungen finden. Unsere traditionell guten Verbindungen zu den ehemaligen Feinden und Besetzern unseres Landes sollten wir dazu nutzen. Es wäre doch eine Ehre, wenn Deutschland den Tisch bereitstellt, an dem die großen geopolitischen Akteure wie China, Russland, Amerika und der EU eine neue gemeinsame Basis finden, um dem Gedanken des Grundgesetzes gerecht zu werden…

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Das würde jedoch voraussetzen, dass einige Teilnehmer in diesem Spiel, ihre Machtposition aufgeben müssten. Und da endet der wundervolle Gedanke eine Neustrukturierung der Weltpolitik. Leider.

Ja, diese Machtpositionen wird keiner freiwillig abgeben. Meine Hoffnung bleibt aber, das wir es mal schaffen, diese neue Struktur zu bilden ohne die alten durch zerstörerische Kriege zu beseitigen. Was in dieser Nacht aber überhaupt nicht danach aussieht...