Ein Kommentar in Form einer Kurzgeschichte, wenn man es so nennen will. Ansonsten einfach eine persönliche Meinung zu einem Thema, über das ich einmal gestolpert bin und mir Gedanken gemacht habe. Ist mein Gedankengang nachvollziehbar? Kommt ihr zu ähnlichen Schlüssen oder habe ich es nicht so ganz verstanden?
Kunst um sich selber Willen
Kunst kann viele Gesichter und Ziele haben. Ein Bild, eine Skulptur, ein Musikstück, Statuen, im Grunde genommen kann alles Kunst sein. Sie kann ästhetisch erfreuen wollen, provozieren, zum Fragen oder Nachdenken anregen wollen, oder auch einfach nur existieren. Um sich selber Willen.
Und was bringt das dann? Ich verstehe Kunst, die etwas bietet. Es muss mir ja nicht gefallen aber immerhin erfüllt es eine Funktion, in der ein oder anderen Form. In den meisten Fällen ist leider der Fall, dass es eher durch das Gegenteil von Ästhetik provozieren will. Da braucht es wenig Geschick oder Kreativität und jeder kann es umsetzen. Es braucht nur einen Dummen, der es dann am Ende kauft, denn Kunst ist ja schließlich eine tolle Wertanlage und die großen Künstler der Vergangenheit wurden ja zu Lebzeiten sowieso verachtet.
Aber was für eine Funktion erfüllt zum Beispiel der „Vertikale Erdkilometer“ in Kassel? Eine Platte auf dem Boden in der Nähe des Theaters mit einem Messingpunkt in der Mitte. Keine Erklärung, keine Tafel mit Erläuterung, keine Beschriftung. Wer es nicht kennt, der läuft einfach darüber hinweg, als wäre es nicht da. Für die Meisten ist es auch genau das: Nicht da! Weil was soll denn da sein? Was ist damit?
Irgendwo findet sich vielleicht in einem Reiseführer der Verweis, dass es sich hierbei um ein Kunstwerk handeln soll. Angeblich handelt es sich bei dem kleinen Messingpunkt um das obere Ende einer Stange. Und diese Stange reicht einen vollen Kilometer tief in die Erde hinein. Senkrecht wurde sie hineingerammt, unter viel Lärm hinter einem hochgeschlossenen und rund herum dichten Sichtschutz.
Der intellektuelle Kunstliebhaber steht nun also auf dieser Platte, guckt verstehend nickend und ganz begeistert über dieser Platte. Längst vergessen hat er, dass er nach der langen Anreise sein Auto in der Tiefgarage direkt unter diesem Platz geparkt hat. Noch besser: Was er überhaupt nicht weiß, er hat genau den Parkplatz unter diesem Kunstwerk erwischt und es ist ihm überhaupt nicht aufgefallen, dass die Messingstange direkt durch den Motorblock ragt, oder vielleicht auch nicht, aber was tut denn das auch zur Sache?
Es war offenbar bereits zu viel der Planung, das Kunstwerk an eine Stelle zu setzen, wo wenigstens eine Säule des Parkhauses stehen würde. Nicht einmal die Illusion darf dem Kunstliebhaber erhalten bleiben, solange er über das stumpfe und isolierte Betrachten des Werkes hinaus gehen will. Effektiv bleibt am Ende nur eine Platte im Boden mit einem Messingpunkt, mehr nicht.
Eine solche Form von Kunst erschließt sich mir nicht. Es hat keine ästhetische Funktion, es provoziert nicht, weil es im Grunde kaum existiert, es wirft dementsprechend auch keine Fragen auf und regt entsprechend auch nicht zum Nachdenken an. Es ist ein Kunstwerk, was einfach nur existiert, um da zu sein. Vielleicht taugt es auch als Witz, für jene, die den Reiseführer gelesen haben oder einer Führung beigewohnt haben. So gesehen hat es vielleicht doch eine Funktion, abgesehen von seiner reinen Existenz. Reicht das aus?
Ist es eben nicht genau das, was Kunst ausmacht, dass ihr oft eine gewisse definitorische Ebene zu fehlen scheint? Ich mag deine kritische Betrachtung und stimme dir ein Stück weit zu, trotzdem würde ich deine letzte Frage mit "Ja" beantworten. Weil Kunst nicht das Ergebnis von etwas ist, sondern der Schaffensprozess selbst, die Geschichte, die Einbettung, die Metaebene, die Antithese, alles mögliche, was man sich nur vorstellen kann.
Und dein Text ist unter dem Gesichtspunkt wahnsinnig spannend denn: Alles, was du dem Werk in deinem Text absprichst, bestätigst du eigentlich damit, dass du diesen Text überhaupt schreibst :) Es hat dich zum Nachdenken gebracht, zum Hinterfragen, vielleicht zum Lachen. Ob man das nun Kunst oder irgendwie anders nennen will, ist doch eigentlich egal; ich glaube sowieso, dass alles, jedes einzelne Element, aus dem das Universum besteht, Kunst ist...
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Das ist tatsächlich die unbeabsichtigte Metaebene des Textes. Immerhin hat das "Kunstwerk" ja insofern provoziert, dass ich diesen Text geschrieben habe und mir Gedanken darum gemacht habe, was das soll. Selbst die Tatsache, dass es lediglich wie ein etwas deplatzierter Messpunkt wirkt, kann ja als Teil des Kunstwerks ausgelegt werden, auch wenn ich den Verdacht habe, es ist einfach nur schlampig geplant gewesen und lediglich die Umsetzung mit Bohrgestänge und co waren als Aspekt berücksichtigt. Performance Kunst. Und es provoziert in sofern, als dass es keinen Zweifel daran lässt, nicht echt zu sein. Es hätte ja wenigstens die Illusion schaffen können, den Mantel des Mystischen.
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