Die Ernte des Krieges
Er saß im Schützengraben, ängstlich und ohne Orientierung. Granaten schlugen über ihn ein, es bebte. Eine abgetrennte Hand landete neben ihm. Klaus hatte keine Zeit nachzudenken, er bangte um sein Leben. Schutt und Asche verdichteten die Luft und an alles was er dachte, war die Heimat, denn dort wartete seine Familie auf ihn: Er hatte eine Frau und eine junge Tochter. Er musste kämpfen, kämpfen für die Spinner, die diesen Krieg anzettelten, kämpfen, damit seiner Familie nicht das Gleiche widerfahren würde.
Er war noch recht jung, 24 um genau zu sein. Gestern saß er im Graben und unterhielt sich mit einem Rekruten. Roland hieß er, und er war erst 16. Ein halber Junge. Tja jetzt saß Roland neben ihm, reglos, eine Kugel im Kopf. Er wusste es, das ist Krieg. Er hasste es, wenn die Artillerie zum Schießen begann, es war schrecklich. Ein blankes Feuerwerk, nur tödlicher.
Wenn er es jetzt nicht schafft wegzulaufen, dann würde er in diesem elendigen Graben krepieren. Seine Familie wartete sicher auf ihn. Der Moment war gerade günstig, das Trommelfeuer hielt ein, es war totenstill. Er sprang aus seinem Graben, rannte Richtung Hinterland. 100 Meter, 200 Meter…in Gedanken sah er seine Frau, schön wie sie war, mit langem braunen Haar, wunderschönen blauen Augen und einem Lächeln im Gesicht, daneben seine dreijährige Tochter, die er seit zwei Jahren nicht sah. Er stellte sie sich vor, wie sie ihn ansehen würde, ob er sie in den Arm nehmen konnte? Klaus rannte weiter, weiter Richtung Heimat. Tränen liefen ihm über das Gesicht, er lachte. Er sprang über die Schützengräben, einen nach dem anderen. Plötzlich spürte er einen Schmerz in der Brust. Blut quoll aus seiner linken Körperhälfte: ein glatter Durchschuss durch die Lunge. Er drehte sich um, sah aus weiter Entfernung einen englischen Scharfschützen. Danach drehte er sich wieder nach vorne und begann weiterzulaufen. Wieder ein stechender Schmerz, diesmal war es sein Bein. Er brach zusammen, die Kugel steckte tief im Oberschenkel. Er kroch, er sah seine Frau vor sich. Sie winkte ihm zu. Er hob die Hand, griff nach der seiner Geliebten. Doch er konnte sie nicht berühren, er robbte sich näher. Doch je mehr er sich näherte, desto mehr entfernte sich seine Ingrid. Sie hatte die Tochter im Arm, Susanne war ihr Name. Klaus weinte immer stärker vor Freude, die Schmerzen ignorierend, nur um plötzlich zu realisieren, dass er dem Tode nahe war. Es wurde ihm schwarz vor Augen, er war glücklich, seine Familie nochmals gesehen zu haben. Dann verschluckte ihn die Dunkelheit. Ein tödlicher Kopfschuss gab ihm den Rest.
© Triton, 04.2019
[*] Bildquelle: Pixabay
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