Clara Zetkin - Lehrerin, Liebende und Mutter

in deutsch •  25 days ago 

Clara Zetkin - Lehrerin, Liebende und Mutter

Die herbstlich, mit viel Sonne angereicherte Luft begleitet mich durch den Zetkinpark am Rande der pulsierenden Großstadt. Die Blätter der noch jungen Platanen fallen nur widerwillig zu Boden.
Ich schlendere den Hauptweg des erst vor kurzem neugestalteten Parks hinauf. Alles ist so offen und frei angelegt. Der Blick kann ungehindert durch die wenigen Büsche hindurchdringen. Befreit von der Enge der schmutzigen dunklen Ecken atmet dieser Ort auf.
Licht bricht sich an den neu angebrachten Infotafeln an den Betonstelen. Überbleibsel aus Zeiten, als dieses Viertel als letztes Bauprojekt in der Hauptstadt der DDR realisiert wurde. Meine Neugier treibt mich zu den Infos dieser Tafeln. Viel Text, auch in Englisch verfasst. Begleitet von einigen historischen Fotos. Sie kommen mir bekannt vor.
Clara Zetkin.
Vorkämpferin der Arbeiterinnenrechte, Lehrerin, Liebende und Mutter. So die Überschriften der einzelnen Tafeln. Noch heute erinnere ich mich an ihr Konterfei auf dem 10-Mark Schein. Ihr Gesicht, gezeichnet von der unermüdlichen politischen Arbeit für die Durchsetzung der Frauenrechte in dieser männlich geprägten Zeit am Anfang des 20. Jahrhunderts. Ich lasse die gewonnen Infos auf mich wirken.
In der Ferne erblicke ich sie. Überlebensgroß. Geschaffen von Gerhard Thieme. Mir den Rücken zukehrend steht sie starr da, ohne von mir oder von ihrer Umwelt Notiz zu nehmen. Ich nähere mich ihr nur zögert und mit jedem Schritt auf die ich sie zugehe steigt meine Ehrfurcht die Treppen hinauf. Erst, als ich kurz vor ihr stehe, scheint sie mir aus den Augenwinkeln einen prüfenden Blick zuzuwerfen. Ihr Gesicht, zerfurcht von ihren Lebenserfahrungen. Ihre linke Hand zu einer Faust geballt. "Komm mir nicht in die Quere!" höre ich sie leise murmeln. Die andere Hand auf dem Rücken, bereit jedes unterdrückte Wesen einzufangen und unter ihren Rock zuziehen, wie eine fürsorgliche Henne. Ich wende mich ihr zu. Aber sie schaut mich nicht an. Ihr Blick ist vorwärts gewandt. Keine Geste ist von Schwäche geprägt. Eine Workeholicerin. So steht sie da. Ob Regen oder Schnee. Ihr Blick immer nach vorne gerichtet. Bereit sich für ihre Sache auf ewig kämpferisch einzusetzen. Sie ist der Treibstoff, der in meinen Adern fließt und meinen Lebensmotor am Laufen hält. Ich werfe ihr noch einen letzten Blick zu. Dann lasse ich ihre nackte Erscheinung in den Himmel der Erkenntnis hinaufsteigen. Und wenn die Ignoranz der Welt sie nicht vergessen hat, dann steht sie noch heute da.

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