Es hat ein wenig gedauert bis es nun endlich weitergeht. Urlaub, Arbeit und Co haben mir leider nicht die Zeit gelassen, früher mit dem nächsten Kapitel raus zu kommen.
Mit dem Schlüssel aus Rüdigers Hosentasche konnte Nadja die Tür ins erste Stockwerk öffnen. Hier befanden sich die Schlafräume der beiden Brüder und ein großes Badezimmer. Und es gab noch einen weiteren Raum. Als sie ihn betrat, sah sie die Pritsche, die das einzige Mobiliar darstellte, und erkannte hier das Zimmer, in dem sie sich zuerst befunden hatte. Sie hatten sie zu Beginn genau zwischen Ihren Schlafzimmern gehalten, aber wahrscheinlich war die Versuchung so einfach zu groß, und so brachten sie Nadja in den Keller. Oder sie wollten sie einfach, in den ersten Stunden ihres Aufenthalts so nah bei sich wissen. Sie blieb nicht lange in dem Raum, da es ihr die Erinnerungen an die Schrecken wieder ins Gedächtnis rief, was ein starkes Unwohlsein in ihr auslöste. Also ging sie weiter in Rüdigers Zimmer. Kleine selbstgebastelte Namensschilder an den Türen, machten es ihr einfach, zu erkennen welches Zimmer zum jeweiligen Bruder passte. Hier gab es viele Dinge, die für sie keinen Sinn ergaben. Alte Seemannswerkzeuge, Bastelzubehör und verschieden Arten von Klingenwerkzeuge, von denen sie die meistens niemals zuvor gesehen hatte. Ihr Blick fiel auf eine alte Truhe aus dunklem Holz. Sie öffnete sie behutsam und konnte kaum fassen, was sie dort fand. Hier lagen Kleider, Schmuckstücke, Haarreifen und sonstige Accessoires, alle für weibliche Träger bestimmt. Aber das wirklich erschreckende, war eine Inventarliste mit dem Namen all ihrer Opfer. Ihr Name war der letzte, und oben in der Kiste lagen die High-Heels, Ohrringe und die Kette, die sie auf Georgs Party getragen hatte. Und ihre Handtasche, in der sie ihre Geldbörse und ihre Hausschlüssel aufbewahrte. Beides fand sie im inneren. Diese beiden Monster hatten ihr Spiel schon eine ganze Weile gespielt. Mit vielen verschiedenen „Spielzeugen“, wie es die Brüder nannten. Auch in Bernds Zimmer fand sie eine Truhe mit ähnlichen Trophäen. An den Wänden hingen Zeichnungen von neuen Maschinen und viele halbfertige Teile lagen im Zimmer verteilt. Neben dem Fenster lag eine verschließbare Schachtel auf einem Regalbrett. Sie untersuchte den Verschluss und fand ihn unverschlossen. Nadja öffnete die Schachtel und blickte fassungslos auf den Inhalt. Ihr Inhalt bestand aus kleinen, mit Namen beschrifteten Tütchen. Und in den Tüten lagen die abgeschnittenen Klitorides ihrer Opfer. Jede ihrer Besitzerin vom Körper entfernt und hier für die Ewigkeit verstaut. Nadja wurde schlecht und sie verlor die Lust, weiter in den Habseligkeiten der beiden Brüder nach neuen abscheulichen Dingen zu suchen. Sie wollte einfach keine weiteren verstörenden Relikte mehr finden. Was sie bisher gefunden hatte, bewies ihr was die beiden für Monster waren und das der Tod keine gerechte Strafe für sie war. Sie betrat das Badezimmer, schlüpfte aus den blutverschmierten Klamotten. Sie nahm eine Haarschneidemaschine, die auf dem Spiegelschrank lag und brachte damit ihre wild aussehenden Haare auf eine Länge. Anschließend trat sie unter die Dusche. Sie schloss die Augen als das Wasser der Duschbrause über ihren Kopf lief. Das alte Blut vermischte sich in der Duschwanne zu einer hellroten Suppe, bevor es im Abfluss verschwand. Sie stand minutenlang, unbeweglich unter dem warmen Wasserstrahl und ließ die Wärme des Wassers ihren Körper beleben. Auch ihr Geist kam langsam wieder zur Ruhe. Vielleicht war ihre, bis dato ungekannte Mordlust mit dem Tod ihrer beiden Peiniger erloschen. Vielleicht war das nur eine Reaktion auf die Misshandlungen, die sie ihr angetan haben.
Nach dem duschen stand sie vor dem Spiegel und betrachtete ihren nackten Körper. Ihr Rücken war verziert mit mehreren Narben und noch frischen Wunden. Ihre Arme übersät mit blauen Flecken. Das Gesicht war in den letzten Tagen nicht mehr in Mitleidenschaft gezogen worden, und so waren bis auf eine kleine Schramme an der Lippe, keine Male der vergangenen Gewalttaten mehr zu sehen. Sie zog sich ein passendes, hochgeschlossenes Kleid aus Rüdigers Truhe an und fühlte sich zum ersten Mal seit langem sauber. Sie ging runter in die Küche und suchte sich ein paar Utensilien, die sei zum Kochen nutzen konnte zusammen. Sie bereitete sich ein kleines Mahl aus dem, was die Reste in Schränken und Kühlschrank hergaben. Nach den Strapazen und dem was sie von Rüdiger und Bernd bekommen hatte, war dies für sie ein königliches Mahl. Zum Essen saß sie auf dem Sofa und schaltete den Fernseher an. Mittlerweile war es mitten in der Nacht, doch die Ereignisse des Tages ließen sie nicht zur Ruhe kommen. Sie schaute sich die Wiederholung eines alten Schwarz-Weiß Films an und öffnete eine Flasche Rotwein, die sie in einem der Unterschränke in der Küche fand. Im leichten Rausch des Alkohols fiel sie schließlich, zum ersten Mal seit langem, in einen erholsamen, traumlosen Schlaf.
Mit den ersten Sonnenstrahlen des Tages erwachte Nadja. Das Wohnzimmer war hell erleuchtet und das leere Weinglas spiegelte sich an der Decke. Sie öffnete die Augen zu schlitzen, da ihr die Sonne direkt ins Gesicht strahlte. Sie drehte den Kopf und blickte zum Fernseher. Dieser lief immer noch und zeigte eine dieser morgendlichen Talkshows. Die Uhr auf dem Receiver zeigte 09:17 Uhr. Sie stand auf und ging zu der großen Glasfront, die in den Garten hinaus blicken ließ. Nadja öffnete die Verandatür und sog die kühle frische des Morgens ein. Sie hörte die Vögel zwitschern und in weiter Ferne bellte ein Hund. Wenn sie die Brüder, den Keller und die Trophäen oben in den Kisten ausblendete, war dies ein wirklich schönes kleines Häuschen mit toller Lage. Sie blickte einem Eichhörnchen hinterher, das durch die Büsche gelaufen kam. Es verweilte kurz auf der Wiese, blickte zu Nadja, wackelte mit seiner kleinen Nase und lief aus ihrem Blickfeld um die Ecke des Hauses. Ein Wagen fuhr vorne an der Straße vorbei. Sie horchte wie er in der Ferne verschwand. Mit einem letzten tiefen Atemzug ging sie zurück ins Haus und nahm ihre Handtasche, die sie zusammen mit ihren anderen Besitztümern aus Rüdigers Kiste genommen hatte. Sie zog ihre Pumps an, legte sich die Kette um den Hals und stach sich mit Hilfe des Spiegels an der Garderobe die Ohrringe durch die Ohrläppchen. Noch ein kurzer Blick in den Spiegel. Sie fand, dass sie auch ohne Make-Up gut aussah. Lidschatten und Lippenstift unterstützen hier nur ihre weiblichen Züge. Nur ihre fehlenden Haare störten sie. In den letzten Jahren trug sie die Haare immer bis mindestens zu den Schultern. Ihrem Spiegelbild versicherte sie, dass es aber halb so schlimm sei.
„Naja, die werden auch schon wieder nachwachsen.“
Nadja nahm ihr Handy vom Sideboard und die Autoschlüssel von der Garderobe, öffnete die Haustür und trat hinaus in den Vorgarten. Mit einem Blick in beide Richtungen, vergewisserte sie sich, dass sie von niemandem gesehen wurde. Sie öffnete das Auto, stieg ein und fuhr erst einmal drauflos. Sie war bereits eine Weile unterwegs, bis sie wusste, wo sie sich befand. Bis zu nach Hause war es ein gutes Stück, sicher bis an die fünfzehn Kilometer. Sie fuhr nicht direkt dorthin, da sie mit Rüdigers Auto nicht gesehen werden wollte. Sie stellte es an einen Haltestreifen am Straßenrand in der Nähe ihrer Bank ab. Anschließend ging sie an den Geldautomaten und hob etwas Geld ab und rief sich ein Taxi. Als sie dort stand und auf den Wagen wartete, kam ihr der Abend von Georgs Party in den Kopf. Die feinen Härchen auf ihren Armen richteten sich auf und sie bekam für einen kurzen Moment eine Gänsehaut. Um sich abzulenken checkte sie die Nachrichten auf ihrem Handy.
„OK. Aber melde dich bitte in den nächsten Tagen bei mir. Ich mach mir echt Sorgen. Auch Georg hat bereits nach dir gefragt und wollte wissen wo du bist. :-* „
Beas Nachricht war gerade ein paar Stunden alt. Sie fragte sich was Georg wohl von ihr wollte? Er wollte sicherlich nochmal über ihr Verhalten auf der Party reden. Doch dazu hatte sie überhaupt keine Lust. Vorwürfe konnte sie jetzt überhaupt nicht gebrauchen. Auch keine guten Ratschläge von ihrer besten Freundin Bea. Sie musste sich erst einmal im Klaren darüber werden, was wirklich mit ihr geschehen war und wie sie mit dem ganzen umgehen sollte. Sie wollte jetzt erst einmal nach Hause und ein paar Tage abschalten. Ganz alleine. Dann würde sie sich schon mit Bea verabreden. Nadja nahm sich vor, auch Bea nichts von dem erlebten zu erzählen. Sie würde das alles vergessen und versuchen, normal weiter zu machen. Wie sollte sie das auch alles erklären, wenn das Geschehene ans Licht gebracht wurde. Man würde sie doch sicherlich ins Gefängnis bringen. Schließlich war das mit Rüdiger kaltblütiger Mord. Sie hätte ja einfach weglaufen können. Und Knast war das Letzte, was sie wollte. Nach ein paar Minuten kam das Taxi und Nadja setzte sich auf die Rückbank. Sie nannte dem Fahrer die Adresse ihres Hauses und ließ sich auf dem schnellsten Weg dorthin bringen. Dort angekommen, fiel sie aufs Sofa und schaltete ihren Fernseher ein. Später bestellte sie sich eine Pizza. Thunfisch mit Zwiebeln und Paprika. Ihre Lieblingssorte. So oder ähnlich, verschanzte sie sich die nächsten Tage in ihrer Wohnung und versuchte, das alles aus ihrem Kopf heraus zu bekommen. In den Nächten erwachte sie allerdings immer wieder aus Albträumen. Die Erlebnisse ließen sie nicht los.
Nach ein paar Tagen musste Nadja sich eingestehen, dass „vergessen“ nicht so einfach war, wie sie es sich vorgestellt hatte. Vielleicht musste sie doch wieder unter Leute. Sonst war sie doch auch immer unterwegs gewesen. Frühstücken in der Stadt, Kino am Abend, Shoppen mit Bea… ja, shoppen mit Bea schien ihr eine gute Möglichkeit auf andere Gedanken zu kommen. Sie nahm ihr Handy und wählte Beas Nummer. Nach wenigen Augenblicken hörte sie Beas Stimme auf der anderen Seite.
„Hey! Ist ja schön, dass Du dich endlich meldest. Man, was machst Du denn einfach für Sachen?“
„Ach Bea! Ich musste einfach mal raus. Ich hab mich da auf der Party zum Affen gemacht. Ich hatte…“
„Nein!“, unterbrach sie Bea, „du hast dich nicht zum Affen gemacht. Georg hat schon ein paar Mal nach dir gefragt. Es tut ihm Leid wie er dich angegangen ist. Ich glaube der steht auf Dich.“
Bea hörte ein paar Augenblicke nur das Atmen ihrer besten Freundin.
Endlich brachte Nadja wieder ein etwas heraus.
„Meinst du wirklich?“
„Aber sicher.“
Die beiden verabredeten sich für zehn Uhr in einem kleinen Frühstückslokal. Nachdem Nadja aufgelegt hatte, fühlte sie sich direkt besser. Ihr Herzschlag war erhöht und sie war total aufgeregt. Bea musste ihr alles genauer erzählen. Ihr Kopf war für den Moment frei von allen düsteren Gedanken. Und das Beste, vielleicht würde es mit Georg ja doch noch etwas werden. Das würde ihr über das erlebte hinweg helfen. Da war sie sich sicher.
Als Nadja das Lokal um kurz nach zehn betrat, saß ihre Freundin schon an einem kleinen Tisch für zwei. Bea winkte ihr von weitem zu und freute sich, Nadja endlich wieder zusehen. So lange waren sie selten getrennt. Die beiden begrüßten sich mit einer innigen Umarmung und bestellten sich jeweils ein süßes Frühstück. Nadja mochte es, dass Bea die redseligere der beiden war. So konnte sie sich ihre kleine Lügengeschichte zu Recht legen und musste nicht befürchten, sich durch nachfragen zu verstricken. Das Gespräch nahm dann auch schnell andere Themen an. Es ging um die kurzgeschorenen Haare, einen neuen Laden im Stadtkern und schließlich auch um Georg. Er hatte immer wieder nach ihr gefragt und sich Sorgen um Nadja gemacht. Alles was Bea erzählte lief darauf hinaus, dass sich Nadja auf jeden Fall mit ihm treffen musste. Darauf hatte Nadja so lange gehofft. Und Bea ließ nicht locker bis sie ihr Telefon nahm und Georg eine Nachricht schrieb.
Am Nachmittag, wieder zuhause, merkte sie im Bad, dass sie ihre Tage bekommen hatte. Bisher hatte sie darüber gar nicht nachgedacht. In den Wochen der Gefangenschaft konnte sie ihre Pille natürlich nicht nehmen. Es wäre nicht auszudenken, wenn sie von einem der beiden Schwanger geworden wäre. Sie nahm sich vor, in einigen Tagen, wenn die letzten Reste ihrer Wunden verheilt waren, einen Termin bei ihrem Frauenarzt zu machen um eine Schwangerschaft oder Infektionen auszuschließen. Sie wollte sich nicht vorstellen, wie Leben in ihr wuchs, dass von einem der beiden gezeugt wurde.
Die Rechte dieser Geschichte liegen natürlich allesamt bei mir. Kopieren oder anderweitiges Nutzen ist ohne meine Zustimmung nicht erlaubt.
Unter jedem Kapitel werde ich die vorherigen mit Link verknüpfen, so dass jeder der Lust hat, alle Kapitel findet und lesen kann.
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In welchen Abständen ich hier weitere Kapitel veröffentliche, kann ich noch nicht genau sagen. Ich schaue aber, dass die Abstände nicht zu groß sind.
Wer Interesse an einer Komplettausgabe als PDF hat, kann mir gerne seine EMail als Memo plus 1 SBD zukommen lassen.
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