Der Reset Button meines Lebens - Genesungstagebuch 2017 – Teil 9

in deutsch •  8 years ago  (edited)


Im Yachthafen von Portorož. Bootsübernahme am Samstag, den 13. August 2016.

Großsegel auf halben Wind - auf der Überfahrt von Venedig nach Portorož. 24. August 2016.

Meiner Erinnerung an den letzten Segelurlaub kann ich heute nur wenig Zeit einräumen. Vergessen werde ich ihn nicht :-)

Heute ist Dienstag, der 17. Januar 2017 - Tag t-8

Der heutige Tag ist sehr emotionsgeladen. Nach dem gemeinsamen Frühstück verabschiede ich mich von Khira, dann fährt meine Frau mich in die Uniklinik Dresden. Ich werde dort die nächsten ca. 6 Wochen auf der Isolierstation verbringen. Für den 25. Januar 2017 ist bei mir die allogene Stammzellentransplantation geplant. Dieser Eingriff und die Vorbereitungen hierzu, werden für mich und meinen Körper eine schwere Belastung darstellen. Außerdem ist es eine Art russisch Roulette: ca. 10 bis 15 Prozent der Patienten versterben unter dieser Behandlung. An Infekten, Abstoßungsreaktionen oder anderen Komplikationen. Da ich noch relativ jung und ansonsten organisch gesund bin (Herz, Nieren, Leber), ist das letale Risiko in meinem Fall geringer, versichern mir die Ärzte wiederholt.

Ankunft in der Uni-Klinik Dresden


Mein Zuhause für die nächsten Wochen. Einzelzimmer mit Schreibtisch, Fahrradergometer und Fernseher.

10:30 Uhr treffen wir an der Anmeldung/Aufnahme ein. Nachdem die notwendigen Formalitäten erledigt sind, darf ich auf mein Zimmer. Nicht nur die Station ist durch eine Besucherschleuse abgesichert, auch vor meinem Krankenzimmer befindet sich eine Luftschleuse. Im Zimmer sorgt eine spezielle Klimaanlage für keimfreie Luft und einen leichten Überdruck, so dass keine Krankheitserreger von außen eindringen können. Die Fenster sind versiegelt. Vom Zimmer selbst bin ich positiv überrascht. Fast wie Hotel. Wenn man nicht die gegenüberliegende Wand betrachtet.


Die gegenüberliegende Wand, am Kopfende von meinem Bett

Die Untersuchungen beginnen sofort

Diverse Abstriche, Blutentnahme, EKG.


und immer wieder Blutentnahme...


14 Röhrchen sind es geworden


EKG - mein Herz ist top fit :-)

Dann bekomme ich endlich etwas zu essen: Fisch mit Spinat uns Kartoffelbrei. Nach dem Essen verabschiede ich mich von Sabine, sie war bis jetzt bei mir, nun fährt sie zurück nach Hause. Zum Glück gibt es Handys, so können wir ständig Kontakt halten.


Mittagessen

Nach dem Essen werde ich müde. Ich brauche meinen Nachmittagsschlaf.

Aufklärungsgespräch

Als ich wieder wach bin, kommt Dr. med. Thomas Krüger auf mein Zimmer. Ausführliches Aufklärungsgespräch. Ich habe im Prinzip zwei Möglichkeiten:

  1. Möglichkeit: ich lehne die Stammzellentransplantation ab. Dann wird die Behandlung mit Vidaza weitergeführt, ich muss weiterhin dauerhaft Antibiotika und Antipilzmittel schlucken, bekomme weiterhin bei Bedarf Blutbestandteile übertragen. Ich weiß aus den letzten Wochen, das die Lebensqualität unter diesen Umständen ziemlich leidet. Aber das ist noch nicht alles. Die dauernden Medikamentengaben werden meine Organe (Nieren, Leber) zunehmend belasten und irgendwann zu ernsten Problemen führen. Und durch die vielen Erythrozyten Transfusionen droht über kurz oder lang die Eisenspeicherkrankheit, die letztlich zu Leberversagen führen kann.

  2. Möglichkeit: ich stimme der Stammzellentransplantation zu. Dann beginnt übermorgen eine harte, mehrtägige Chemotherapie. Ziel: meine mutierten Stammzellen möglichst komplett abtöten. Dabei gehen aber auch die gesunden Stammzellen kaputt, die Haarwurzelzellen und die Schleimhaut bildenden Zellen. Überhaupt alle Zellen, die sich regelmäßig teilen. Am 25. Januar ist der Tag NULL. An diesem Tag bekomme ich gesunde Stammzellen eines passenden Spenders per Infusion verabreicht. Die Stammzellen wandern danach selbstständig ins Knochenmark. So schlau sind die :-) 14 Tage bis 3 Wochen wird es dann dauern, bis diese Stammzellen angewachsen sind und mit der Bildung von neuem Blut- und Immunabwehrzellen begonnen haben.

Man kann daran sterben oder gesund werden. Ich entscheide mich für letzteres.


meine Pinnwand


tägliches Training zum Muskelaufbau

Ich habe Krebs. Einen ganz speziellen. Die blutbildenden Stammzellen im Knochenmark sind betroffen. Konkret: am 29. Juli 2016 wurde bei mir Hochrisiko-MDS RAEB-II diagnostiziert. Ohne die Hilfe der modernen Medizin eine absolut tödliche Krankheit.
So weit ich dazu in der Lage bin, werde ich regelmäßig an meinem Genesungstagebuch schreiben. Sollte sich mein Zustand mal vorübergehend verschlechtern, müsst ihr auf die Fortsetzung eventuell ein paar Tage warten :-)
Mit diesem Genesungstagebuch will ich nicht nur über meine Fortschritte (und eventuelle Rückschläge) berichten. Vor allem möchte Menschen in ähnlichen Situationen Mut machen. Egal ob sie selbst oder Angehörige bzw. Freunde betroffen sind.

Fortsetzung, 10. Teil: Land in Sicht - das große Update

Die vorhergehenden Artikel findest du hier:

  1. Teil: Auf der Isolierstation der Hämatologie - Was passiert da eigentlich in meinem Körper?
  2. Teil: Auf "Am Wind Kurs" - Geburtstag feiern im Krankenhaus
  3. Teil: Die 72 Stunden Regel - Endlich nach Hause
  4. Teil: Prüfungen, Vorfreude und das Tal der dunklen Schatten
  5. Teil: Das Meer ruft - Ab in den Süden
  6. Teil: Club Nautique - Die Maus auf dem OP-Tisch
  7. Teil: Was bitteschön ist Steemit!? - 33. Hochzeizstag
  8. Teil: Leben mit MDS - Ich wünsche mir Zeit

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Gute Entscheidung, Thomas!
Ich drück dir die Daumen!
Alles Liebe,
Michaela

Vielen Dank liebe Michaela.
Ich folge dir.