Der leise Tod

in deutsch •  6 years ago  (edited)

Ich liebe es bei der Hitze schwimmen zu gehen, wer eigentlich nicht?
Am liebsten verbringe ich meine Zeit in freien Gewässern - Seen, Teiche, Flüsse. So auch letzten Sonntag als ich auf die Donauinsel fuhr. Ich mag es, dass sich die Menschenmassen weitläufig verteilen und die Donau ist auch breit genug, so dass man sie in der Breite ein paar mal hin und her abschwimmen kann, ohne dass einem langweilig wird. Dabei denkt man nicht daran, dass ein paar Meter neben einem gerade ein Kind untergeht.

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Es ging alles sehr schnell. Im Nachhinein würde ich sagen es dauerte nicht mal eine Minute. Ich sah zwei Mädchen mit Schwimmreifen panisch zum Ufer schwimmen, während ein dritter Schwimmreifen im Wasser trieb. Mein Blick blieb bei einem Strudel im Wasser hängen und dann tauchte dort kurz ein Kopf auf. Keine Ahnung woher meine Schnelligkeit kam, doch in der nächsten Sekunde war das Mädchen über dem Wasser und ich zog sie zurück ans Ufer. Sie war kreidebleich, aber sonst ging es ihr gut.
Die Kleine zitterte, ich zitterte, sie weinte, ich war auch den Tränen nahe.
Und dann standen auch schon ihre Eltern da, die nichts besseres zu tun hatten als auf sie einzuschimpfen (der Schock?) und ihr zu drohen, dass sie ihren Badeanzug zuhause zerschneiden würden. Sie dampften ab, ohne ein Wort an mich zu richten und ich war perplex.
Wäre ich nicht da gewesen, wäre ihre Tochter vielleicht nicht mehr da. Und das, weil sie ihrer Aufsichtspflicht nicht mal ansatzweise nachkamen. Sie saßen auf einem Hang unter Bäumen mit Freunden, von wo man das Wasser nicht mal richtig einsehen konnte.

Ich saß da noch ziemlich lang ziemlich verstört rum. In meiner Familie ist vor vielen Jahren ein von mir geliebter Mensch ertrunken. Mein Cousin Jürgen, er war 17.
Damals war ich zehn Jahre alt und konnte mir irgendwie nicht vorstellen, dass das überhaupt möglich war. Für mich war er erwachsen und Erwachsene ertrinken doch nicht?

Ertrinken kann jeder

In Österreich ertrinken jährlich ca. 100 Personen [3] Gefährdet sind natürlich in erster Linie Kinder (Ertrinken ist der zweithäufigste Unfalltod nach Verkehrsunfällen) und ältere Menschen. Doch auch junge Menschen unterschätzen oft die Gefahr der Hitze oder überschätzen ihre eigenen körperlichen Fähigkeiten. Denn unter diesen extremen Bedingungen ist der Körper bereits schwer damit beschäftigt sich runterzukühlen. Vorallem nach dem Essen, wenn das Blut in die Magengegend gepumpt wird, kann Schwimmen gehen zur Überforderung werden.
Bei Kleinkindern im Alter bis zu 3 Jahren kommt noch der sogenannte "Totstellreflex" dazu. Sie können dabei ihren Kopf nicht mehr aus dem Wasser heben und auch in ein paar Zentimeter tiefen Gewässern ertrinken.
Deshalb gelten die Regeln: Kinder nie unbeaufsichtigt schwimmen lassen! und Nach dem Essen eine Pause einlegen!

Ertrinken ist leise

Menschen ertrinken oft vor den Augen anderer Leute, da die Situation falsch eingeschätzt wird. Man erwartet Schreie und panisches Gestrampel, dabei sehen Ertrinkende oft nicht danach aus, als würden sie gerade untergehen. Sie schreien nicht, weil das Sprechen die zweite Funktion des Atmungssystems ist - die erste ist natürlich das Atmen und das muss sichergestellt werden. Sobald die Kraft ausgeht und der Kopf unter Wasser gelangt wird Wasser verschluckt. Auch die Arme können nicht zum Herbeiwinken von Hilfe eingesetzt werden. Sie werden instinktiv seitlich ausgestreckt und gegen die Wasseroberfläche gedrückt um sich solange wie möglich oben zu halten. Man hört nichts, dreht sich um und die Person ist weg.

Kinder, die im Wasser spielen machen Lärm - falls es still wird kann es schon zu spät sein.

Ertrinkende können sich meist nur 20-60 Sekunden über der Wasseroberfläche halten, weshalb es wichtig ist die Anzeichen zu erkennen und einzugreifen.

Was sind Anzeichen für Ertrinken?

Nicht alle Anzeichen müssen zutreffen! Wenn man das Gefühl hat etwas stimmt nicht, sollte man eingreifen und helfen!

  • Der Kopf ist nach hinten geneigt und befindet sich knapp über der Wasseroberfläche
  • Der Mund ist geöffnet und auf Höhe der Wasseroberfläche
  • Der Körper steht aufrecht im Wasser und die Beine werden nicht benutzt
  • Die Augen können geschlossen sein, aber auch offen (hier ist oft auffällig ein leerer, glasiger Blick ins Nichts)
  • Schnappatmung
  • Versucht sich auf den Rücken zu drehen oder in eine Richtung zu schwimmen, bleibt aber auf der Stelle
[1]

Es ist mir auch schonmal passiert, dass ich jemanden helfen wollte, der gar nicht am Ertrinken war. Natürlich ist die Situation etwas unangenehm, aber lieber einmal mehr geholfen, als jemand kommt zu Schaden. Manchmal reicht es schon zu fragen, ob es demjenigen gut geht - falls die Person nicht antwortet, hat man oft nur wenige Sekunden um zu helfen.

Generell gilt an heißen Tagen:
Achtet auf euer Umfeld und schaut einfach einmal mehr hin :)

Ich hoffe ihr genießt den Sommer trotzdem und passt auf euch und andere auf.

Quellen:
1
2
3

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Alles richtig gemacht, so Du denn den Eigenschutz im Auge hattest.

Die Reaktion der Eltern ist die typische Kompensation des eigenen Versagens durch Aggressivität nach außen. Das erlebst Du bei jedem Verkehrsraudi, der mit seinem Fehlverhalten konfrontiert wird.

Ich hab vor vielen Jahren mit einem 100m Sprint zu einem Bootssteg die Tochter einer Freundin gerettet, die ausgebüchst war und niemandem außer (zufällig) mir durchs Sichtfeld hüpfte, bevor es platsch machte.
Schwein gehabt.

Und nicht vergessen: auch das Retten aus dem Wasser will gelernt UND geübt sein, denn sonst erhöht sich die Anzahl der Ertrinkenden mit jedem Rettungsversuch!

Ganz ehrlich - in dem Moment nicht wirklich oder zumindest nicht bewusst. Ich bin eine gute Schwimmerin - mach oft so meine 1 1/2 Stunden Runden - von daher war ich mir wahrscheinlich unbewusst darüber im Klaren, dass das geht.

Aber du hast absolut Recht und daran hab ich gar nicht gedacht! @maxpower0000 hat das auch schon angemerkt. Das Retten ist eine anstrengende Sache, ich war danach ziemlich fertig. Die Aufregung und so einen panischen Kindskörper durch das Wasser ziehen ist schon gar nicht so einfach.

Puh. Gut, dass du da warst. Aber wie du sagst. Zufall. Bei mir auch, ich hätte auch in eine ganz andere Richtung schauen können und damit gerechnet hab ich auch nicht.

Ich bin eine gute Schwimmerin

Glaub' ich gerne.

Auch ein junger, trainierter Mensch kann einen Kreislaufkollaps kriegen, wenn er aus der prallen Sonne ins Wasser rennt und das Adrenalin alle Früherkennungsmechanismen für den eigenen Zusammenbruch übersteuert.

Aber genug des Unkens, es ist ja in zweierlei Hinsicht alles gut gegangen:
Kind gerettet, Retter überlebt. Well done!

Da widersprech ich dir gar nicht, das kann ziemlich böse für den Helfer a ausgehen.

Sehr gut gemacht, Sonntag ist bei uns am See auch ein 24 Jährigem ertrunken. Geht schneller als man denkt und ich nehm ab 10 Knoten immer die Schwimmweste auf dem Boot.

So oder so. Viel zu jung :/

Nee, hier: http://www.lvz.de/Leipzig/Polizeiticker/Polizeiticker-Leipzig/24-Jaehriger-stirbt-nach-Badeunfall-am-Kulkwitzer-See-bei-Leipzig

Da wenig Wind, war ich erst Abends zum baden am Hafen und sah nur den Heli auf der anderen Seeseite.

Wenn ich erschöpft bin beim schwimmen (was schnell passiert ;) dann leg ich mich immer auf den Rücken und zappel bisschen rum, so bleib ich eigentlich immer über Wasser. Aber hab auch schon vom trockenen Ertrinken gehört und kann mir vorstellen wie schnell man Wasser in die Lunge kriegt bei Panik oder gesundheitlichen Problemen.

Leider passiert es ja auch, dass junge Menschen Herzprobleme/Kreislaufprobleme haben, von denen sie nichts wissen. Das spielt ja da oft auch rein.

Ja das mach ich auch immer, auch wenn ich einen Krampf habe. Aber auch das beherrschen nicht alle.

Ich hab kurz überlegt ob ich das auch reinnehme, da es aber nicht allzu häufig passiert hab ich es mal rausgelassen. Aber ja, das Thema ist auch heftig!

P.S.: interessante Wortwahl: "Die vier Burschen.."

Wenn dies schon die Eltern nicht hinbekommen haben, dann möchte ich dir hiermit für deine Aufmerksamkeit danken.
Mein bester Freund ist damals an seinem 5. Geburtstag ertrunken.
Man sollte immer aufmerksam sein, auch auf andere achten.

Greets und noch eine schöne Zeit am Gewässer :)

Es war vermutlich mehr Zufall, als Aufmerksamkeit. Ein glücklicher zumindest.

Das tut mir sehr leid. Sowas hör ich nicht gern, aber leider passierts noch immer viel zu oft.

Wünsch ich dir ebenso!

Ein sehr wichtiges Thema. Danke das du hilfst.
Eins muss ich aber auch noch dazu sagen helfen also rausziehn von Leuten die ertrinken ist nicht einfach es kann durchhaus sein das man mit runter gezogen wird.
Es bedarf zumindest im Gewässern wo man selbst nicht mehr stehen kann Übung.
Kinder sollten niemals allein im Wasser gelassen werden, auch zuhause im Pool.
Wenn man einen Pool hat sollte man besonders auf Kleinkinder achten.
Wie du schon erwähnt hast man hört es nicht wenn jemand ertrinkt.
Gab ja erst vor kurzen erst einen Fall der durch die Medien ging.
LG Max

Absolut! Man muss sich das zutrauen können. Wobei ich glaube, dass viele einfach aus dem Bauch heraus reagieren. Ich hab nicht wirklich nachgedacht (vermute ich zumindest). Oder mein Unterbewusstsein hat die Situation für mich abgeschätzt.

Ich glaub sogar, dass die meisten Kinder zuhause beim Pool verunfallen. Dort ist die "sichere" Umgebung noch mehr Selbstverständlichkeit.

Mensch, was ein eindrücklicher Artikel! Dazu noch hilfreiche Tipps.

Werde wohl ebenfalls resteemen, passt auch einfach zu gut zu dem, was ich gestern geschrieben habe.

Vielen lieben Dank :)
Hab dir eh schon einen Kommentar hinterlassen - du hast mich an die Auffrischung des Kurses erinnert. Danke dafür!

Wichtiges Thema, v.a. zu heißen Zeiten wie diesen, wo quasi jeder im Wasser ist!



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Danke :)

Guter Beitrag und gerade jetzt aktuelles Thema.
Danke und weiter so!

Kinder und Wasser sind eine teuflische Kombination, da reicht oft ein tieferes Planschbecken. Man muss echt höllisch aufpassen. Leider ist oft genug kein Erwachsener zugegen, der - so wie du - schnell genug reagiert. Streng genommen gehören die Eltern im konkreten Fall wegen Verletzung der Aufsichtspflicht angezeigt.

Sowas von teuflisch...
Eigentlich ja, ich hoffe dass sie daraus zumindest gelernt haben - der Schreck war bei ihnen auch da, aber sie haben ganz seltsam reagiert. Ist aber auch normal denk ich.

Hi @grauerseehund!

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Sowas kann innerhalb von wenigen Sekunden passieren, und bis man erst begreift, was da abgeht, könnte es schon zu spät sein. Umso mehr respektiere ich dich dafür, dass du so schnell reagiert hast. Du kannst echt stolz sein auf dich :)

Als ich 10 Jahre alt war, wäre auch mal fast ertrunken in einem strömenden Fluss. Zum Glück hat die Mutter einer ehemaligen Freundin schnell reagiert und ist mit Klamotten reingesprungen um mich zu retten. Ich habe zwar keinen Kontakt mehr zu ihnen, aber wenn ich sie sehe, bedanke ich mich 1000 mal. Mich hat dieses Erlebnis schon ein bisschen traumatisiert und obwohl ich jetzt viel und sicher schwimme, fühle ich mich trotzdem immer wohler wenn zumindest eine weitere Person mit mir ins Meer oder in den See geht :)

Sehr schön geschrieben, danke dir!

Und mein tiefstes Beileid und Mitgefühl für deinen/euren Verlust.

Liebe Grüße

Danke dir @lianaakobian für deinen Kommentar. Schnelle Reaktion ist wirklich das um und auf - wahrscheinlich auch in deinem Fall. Ich kann mir gut vorstellen, dass dich das traumatisiert hat und sie hat vermutlich auch einfach gehandelt ohne viel darüber nachzudenken. Für mich war auch die Tatsache, dass es sich um ein Kind gehandelt hat einfach ausschlaggebend für meine Reaktion.

Danke dir nochmal!

Ich danke Dir aus tiefstem Herzen, dass Du dem Mädchen das Leben gerettet hast und Dir dabei nichts passiert. Du bekommst dieses Geschenk zurück. Wie Du beschreibst, nicht sofort und nicht von Menschen, von denen Du es erwartest. Glaub mir, das Kind wird sich erinnern und nach Dir fragen. Man sieht sich immer 2x im Leben...

Ich danke dir für das liebe Kommentar @corneliastrunz :)
Was für ein schöner Gedanke.

Sehr eindrücklicher Artikel von dir!
Dieses Thema ist sehr wichtig anzusprechen und ich finde es toll, dass du diese Erfahrung mit uns geteilt hast! Zu Glück ist es das Mal noch gut ausgegangen und du warst zum Richtigen Zeitpunkt am Richtigen Ort!

Danke für die hilfreichen Tipps und dass du diese Thematik angesprochen hast!

Es ist so wichtig, dass wir nicht mit verschlossenen Augen durch die Welt laufen, sondern gemeinsam auf uns Acht geben und die Natur ebenfalls miteinbeziehen.

Beste Grüße
Sarah

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