Oft wird mit der Dunkelheit etwas Mystisches assoziiert. Dank der Medien fühlen wir, wenn wir an Dunkelheit denken, eine unbestimmte Angst. Horror-Filme, Kriminalgeschichten, aber auch uralte Märchen haben uns geprägt - doch die Dunkelheit ist für sich selbst gesehen, absolut wertneutral, genau wie das Licht. Wir selbst geben den Dingen erst einen Wert. Für mich ist die Dunkelheit eine Art Melancholie, eine tiefere Ebene, auf welcher wir Ahnen treffen und uns selbst. Dort erwartet uns, was immer schon war, noch bevor wir in diesem Theater aufschlugen, wo Scheinwerfer unsere Schatten erzwingen.
In der Dunkelheit liegt eine verborgene Quelle, die nur jene entdecken, die es wagen, die Augen zu schließen und in das Unbekannte zu treten. Sie flüstert in den Ecken der Nacht, wo kein Lichtstrahl sich verirrt und kein Geräusch die Stille durchdringt. Es ist eine Stille, die nicht einfach nur die Abwesenheit von Klang ist, sondern die Fülle des Unausgesprochenen, das Echo der Welten jenseits des Sichtbaren. Die Dunkelheit eine Zuflucht, ohne Schatten, aber auch der Odem der Schöpfung.
Die Dunkelheit umarmt die Welt mit einem Mantel der Unsichtbarkeit, und in dieser Umarmung liegt die unendliche Weite der Möglichkeit. Sie ist der Ursprung aller Dinge, bevor sie Gestalt annehmen, die Leere, aus der alles geboren wird und in die alles zurückkehrt. Wie der tiefe Ozean, der seine Geheimnisse in seinen unergründlichen Tiefen birgt, so hütet die Dunkelheit die Geheimnisse der Seelen. Es ist die Dunkelheit, die den Samen in der Erde schützt, bevor er den Mut findet, ins Licht zu brechen. Es ist die Dunkelheit, die den Sternenhimmel umschließt, die unendlichen Galaxien, die nur in ihrer Umarmung ihre wahre Pracht entfalten können.
In dieser Dunkelheit findet die Seele ihre wahre Stimme, jenseits des Lärms der Welt. Es ist die Stille, die nur in der völligen Abwesenheit von Licht und Klang geboren wird, die Stille, die nicht gefüllt werden muss, sondern die in ihrer eigenen Existenz vollkommen ist. Diese Stille ist das Lied der Dunkelheit, ein Lied ohne Melodie, das dennoch alle Harmonien des Universums in sich trägt.
Die Dunkelheit ist nicht die Abwesenheit des Lichts, sondern die Quelle, aus der das Licht entspringt. In ihr ruhen die Kräfte, die die Welt bewegen, verborgen, still, doch allgegenwärtig. Es ist die Dunkelheit, die uns lehrt, das Nichts zu umarmen, die Leere zu akzeptieren, aus der alles geboren wird. Denn nur in der Dunkelheit kann die Stille ihre wahre Gestalt annehmen, ein Gedicht ohne Worte, ein Tanz ohne Bewegung, ein Bild ohne Spiegel.
Und so ist die Dunkelheit die Quelle der Stille, nicht als Feind des Lichts, sondern als sein tiefstes Geheimnis. In der Dunkelheit finden wir den Raum, in dem wir uns selbst begegnen, den Raum, in dem das Unausgesprochene eine Stimme findet und die Stille zur Sprache wird. In der Dunkelheit entdecken wir die Wahrheit, die nicht im Licht verborgen ist, sondern in den Schatten, die es wirft. Sie ist der Anfang und das Ende, das Alpha und das Omega, die Quelle und die Stille, aus der alles entsteht und in die alles zurückkehrt.
So trete ein, wenn der Tag verflogen ist und die Hektik weicht, in deinen eigenen Schatten der Stille. Dort offenbart sich dir das Geheimnis deines Selbst.