Isabella Klais / Aufbruch - Wir für Deutschland!
So richtig findet das Sommerloch heute ja nicht mehr statt. Seit Kasners Messertruppe durch die Lande zieht, ist stets für Aufregung gesorgt, nur daß dies schon zur Alltagsroutine zählt und kaum noch länger als für einen Tag elektrisiert.
Früher trat zu dieser Zeit Nessie auf den Plan und sorgte für Schlagzeilen. Seit Deutschland jedoch über sein Rautenungeheuer verfügt, hat Nessie sich zurückgezogen. Mehr Grusel geht einfach nicht. Das mußte auch Nessie einsehen.
Da scheint ein Spionagethriller in Berlin für Abwechslung zu sorgen. Die Medien stürzen sich darauf.
Berlin jedoch gleich das Attribut „ewige Hauptstadt der Spione“ zu verpassen, schießt etwas über das Ziel hinaus. Zu Zeiten des kalten Krieges, der gerade wieder eine Neuauflage erfährt, traf diese Charakterisierung noch zu, bedingt durch die Lage der Stadt direkt an der Nahtlinie zwischen Ost und West. Gerade Berlin noch immer als Spionagezentrum auszumachen wegen der dort vorhandenen zahlreichen Botschaften sowie wegen des Sitzes von Parlament und Regierung erscheint banal, trifft dies doch auf jede Hauptstadt dieser Welt zu.
Die Zeiten haben sich gewandelt. Das Handwerk der traditionellen Schlapphüte wurde abgelöst von Hackern und moderner Nachrichtentechnik. Das mag weniger romantisch erscheinen, effizienter ist es allemal. Man braucht den Zuständen nicht nachzutrauern, als Agenten - noch mit der Auswertung von öffentlich zugänglichen Telephonbüchern überfordert - ihre Künste bei der Ausspähung und der Austestung von Diplomaten des eigenen Landes an der Botschaft erprobten und nach promilleseligen Runden in Bars des Gastlandes zur Erheiterung aller Umstehenden tönten, sie seien Deutschlands 007.
Berlin heute dürfte nichts weniger als die Stadt der Spione im herkömmlichen Sinne sein. Das ist schon allein dadurch bedingt, daß die westliche Besatzungsmacht USA noch immer präsent ist und ihrem in Deutschland stationierten Polit-Personal Instruktionen erteilt. Was könnte sie schon erspähen, das sie nicht schon wüßte, weil sie es selbst eingespeist hat? Was dann auf oberflächlichen Blick hin als Spionage erscheint, ist schlicht Leistungs~ und Vollzugskontrolle. Dabei mag der abgehalfterte Kriechspurzieher der USA von über dem Kanal bisweilen behilflich sein.
David aus seiner Botschaft - mit Glatze und pyknischer Gestalt eher nicht die Vorstellungen vom Erscheinungsbild von 007 bedienend - scheint als subalterne kleine Nummer eher ein Spielchen zur Anreicherung seines tristen Daseins in der Bedeutungslosigkeit gewagt zu haben.
Wladimir Putin dürfte sich wieder einmal darüber amüsieren, wie grotesk er unterschätzt wird.
https://www.dw.com/de/berlin-die-ewige-hauptstadt-der-spione/a-58852035