Brisant! (Teil 4)

in deutsch •  5 years ago 

Isabella Klais / Aufbruch - Wir für Deutschland!

Fortsetzung von Teil 3

  1. Auswertungen früherer Übungen
    Wie funktionieren Krisen-Übungen?
    Die Auswertung von Übungen offenbaren regelmäßig schwerwiegende Defizite in den Vorgaben und auch Fehler von an der Übung Beteiligten. Diese Defizite und Fehler werden analysiert und aus ihnen werden Hinweise und neue Vorgaben (Verfahren) für den Ernstfall destilliert. Es liegt gewissermaßen in der Natur und in dem Zweck einer Übung, dass sie in einem Desaster endet. Wenn das nicht geschieht, war die Übung zu einfach, dann lernt man nichts daraus. Lernen aus Fehlern ist der kritische Erfolgsfaktor für das Krisenmanagement.

3.1 Lükex 2007
In der großen Krisen-Übung von Bund und Ländern 2007 (LÜKEX) wurde eine Pandemie geübt. Im Ergebnis wurde genau das beschrieben, was heute eines der großen Probleme der Krisenbewältigung ist. Die ressortübergreifende Risikobetrachtung war mangelhaft. Die

gleichen Defizite bestehen noch heute, es wurde aus der Übung nichts gelernt. Das führt heute dazu, dass immer noch das gesundheitliche Risiko Gegenstand des einen Krisenstabs ist, der mit seinen Maßnahmen zusätzliche Gefahren schafft, die so groß werden, dass weitere Krisenstäben gebildet werden müssen, die nunmehr parallel agieren. Weder die Risikoanalyse noch die Maßnahmenplanung werden zusammengeführt.

Zitat: „Eine ganzheitliche und ressortübergreifende Risikobetrachtung ist nur ansatzweise festzustellen. Vor diesem Hintergrund ergeben sich Defizite in der genauen Identifizierung, der korrekten Bewertung, der entsprechenden Behandlung und der Beobachtung der Risiken, die eine angemessene Ressourcenplanung erschweren.“
Quelle: 2007 Auswertungsbericht über die LÜKEX 2007 (Pandemie-Szenario), Seite 22 unten

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Außerdem werden die Risiken der Gesundheitskrise als die schwerwiegenderen angesehen und zu den entscheidungsleitenden gemacht, obwohl gar kein Vergleich stattgefunden hat.

Ein extrem schwerwiegendes Defizit und zugleich massiver handwerklicher Mangel eines Krisenmanagements besteht in der unzureichenden Risikoermittlung durch das Krisenmanagement. Wenn für die Ermittlung der gesundheitlichen Gefahren für unsere Gesellschaft (nicht die einzelnen individuellen Gefahren) punktuelle aktuelle Daten verwendet werden, deren Bedeutung für die Gefahrenqualität sich erst aus einem Abgleich mit anderen, umfassend verfügbaren Daten erschließen (insbesondere die Zahlen zu an einem Virus verstorbenen), so muss dieser Abgleich eingeplant und durchgeführt werden.
Zum Vergleich: Wenn ich die Gefährlichkeit eines starken Regens einschätzen will, muss ich wissen, wie viel Regen ungefährlich ist, bzw. regelmäßig keine Schutzmaßnahmen erfordert, und ich werde ermitteln, um wie viel dieses Level voraussichtlich überstiegen werden wird.
Auch durch normalen Regen entstehen regelmäßig Schäden. Ob vor einem stärkeren Regen zu warnen ist, weil deutlich mehr Schaden entstehen wird, oder ob zur Abwehr der zusätzlichen Schäden sogar massive Schutzmaßnahmen nötig sind, hängt davon ab, um wie viel Wasser der erwartete Starkregen über der durchschnittlichen Regenmenge liegt und in welchen (gesellschaftlichen) Bereichen sich dieses mehr an Regenwasser in welcher Weise auswirkt.
Das bedeutet: Erst wenn ich weiß, ob und wie viele über der durchschnittlichen Menge an Todesfällen liegende Todesfälle durch einen Virus ausgelöst werden, und wenn ich weiß, welche funktionalen Bereiche der Gesellschaft voraussichtlich betroffen sein werden/können, kann ich angemessene und verhältnismäßige Maßnahmen konzipieren, um der Pflicht des Katastrophenschutzes nachzukommen, große nationale Gefahren von unserer Gesellschaft abzuwenden.

Ob einem Krisenmanagement, das dies versäumt hat, zur Last gelegt werden kann, dass es falsche (unangemessene, unwirksame, unnötigen Schaden auslösende) Entscheidungen getroffen hat, lässt sich schwer mit hundertprozentiger Sicherheit sagen – aber leider mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit. Mit Sicherheit kann jedoch gesagt werden, dass Schutzmaßnahmen beschlossen wurden, ohne die Gefahr auch nur so gut zu kennen und so einschätzen zu können, wie es möglich gewesen wäre, wenn es eine sachgerechte Risikoanalyse gegeben hätte. Die Wahrscheinlichkeit, durch den Verzicht auf umfassende Vergleiche und vollständige Risikoanalyse zu falschen Maßnahmen zu gelangen, geht gegen 100 Prozent. Es wäre reiner Zufall, wenn die ergriffenen Maßnahmen weder zu stark noch zu schwach wären, sondern ganz genau die richtigen. Krisenmanagement droht in einer derartigen Krise zu etwas zu werden, was es nicht sein sollte: ein überwiegend spekulatives Geschäft mit dem Schicksal unseres Gemeinwesens und unserer Bevölkerung.

3.2 Auswertung der Risikoanalyse aus 2012 und Bezüge zur aktuellen Krise

Der Bund hat den gesetzlichen Auftrag zur Durchführung von Risikoanalysen im Bereich des Bevölkerungsschutzes – nach § 18 Absatz 1 Satz 1 des Zivilschutz- und Katastrophenhilfegesetzes des Bundes (ZSKG). In diesem Rahmen wurde 2012, fachlich federführend durch das BBK, aber unter Einbeziehung aller einschlägigen Bundesressorts und ihrer Geschäftsbereichsbehörden, eine Risikoanalyse erarbeitet, die seither allen Bundes- und Landesbehörden zur Verfügung steht. Der simulierte Pandemieverlauf wurde vom RKI beigesteuert.
Der Kontrast zwischen der gegenwärtigen Krise und dem Schreckens-Szenario der Risikoanalyse könnte kaum größer sein (BT-Drucksache 17/12051 vom 03. 01. 2013, Unterrichtung durch die Bundesregierung, Bericht zur Risikoanalyse im Bevölkerungsschutz 2012).
Die Gefahren und Auswirkungen, die generell von Schutzmaßnahmen ausgehen, wurden zwar auch in der Risikoanalyse benannt. Es wurde davon ausgegangen, dass irgendjemand die richtigen Zahlen liefert. So wie heute.
Nachdem wir 2020 erfahren, dass Schutzmaßnahmen gegen eine sehr viel harmlosere Pandemie bereits härtere Kollateralschäden erzeugen können, erscheint das damals zu Übungszwecken konstruierte Szenario in manchen Punkten unrealistisch. Bei einer derartig schweren Pandemie, wie in dem Übungsszenario des BBK, würde man nach dem heutigen Erfahrungsstand sehr viel negativere und desaströsere Auswirkungen auf unserer Gesellschaft und für die Bevölkerung veranschlagen. An manchen Punkten wird das besonders deutlich und wirft ein Licht auf das aktuelle Krisengeschehen:

• Bei einer wirklich schweren Pandemie mit Millionen Toten (wie in der Risikoanalyse 2012) wäre es nicht mehr nötig, eine Ausgehsperre zu verhängen. Die Menschen würden von sich aus nicht mehr aus ihrem Haus gehen, wenn um sie herum gestorben wird und jeder falsche Kontakt den Tod innerhalb weniger Tage bedeuten kann.
• Andererseits würde sich bei einer gefährlichen und gesundheitlich unmittelbar folgenschweren Pandemie auch keiner mehr an solche Vorgaben halten, der anderes vorhat. Und der Staat wäre gar nicht mehr in der Lage, Ausgangssperren flächendeckend durchzusetzen, so wie es 2020 noch fast problemlos möglich ist – u.a. durch höfliche Politessen, die mit erhobenem Zeigefinger Knöllchen verteilen und versuchen, dabei einen ernsthaften Eindruck zu machen. Der Staat hätte in einer gefährlichen Virus-Pandemie mit den verbliebenen Kräften wichtigeres zu tun.
• Auch von der Arbeit müsste man niemanden abhalten, es würde keiner mehr hingehen, wenn dort möglicherweise der sichere Tod auf ihn wartete. Wer gebraucht wird, etwa weil er für den Betrieb einer Kritischen Infrastruktur benötigt wird, müsste von der Polizei abgeholt werden, weil er sich von seinen Lieben nicht entfernen will.
• Die Polizei und Militär wären ebenso ausgedünnt, die Sicherheit und Ordnung könnte nicht mehr gewährleistet werden, Kriminalität würde überhandnehmen und, und, und. Eine Pandemie mit 7,5 Mio. Toten würde unsere Gesellschaftsformation und staatliche Ordnung kaum überstehen und unsere Zivilisation möglicherweise auch nicht, wenn die Kritischen Infrastrukturen zusammenbrächen.
• In dem 2012er Szenario wurde zur Vereinfachung eine gleichmäßige Betroffenheit aller Altersgruppen konstruiert, obwohl die Altersgruppe über 65 Jahren bei bisherigen Coronaviren deutlich überproportional erkranken und sterben. („Für das Modellieren der Zahlen an Erkrankten und Betroffenen im Szenario gehen wir davon aus, dass alle Altersgruppen gleich betroffen sind.“) – Die wahrscheinlichere Variante ist auch bei der sars-Variante Covid-19 zum Zuge gekommen. Mit der wesentlichen Konsequenz, dass 2020 die berufstätige Bevölkerung, die für die gesamte gesellschaftliche Arbeit und alle Wertschöpfungsprozesse benötigt wird, so gut wie nicht betroffen ist – jedenfalls nicht vordergründig gesundheitlich. In dem Szenario der Risikoanalyse hätte die breitere Altersverteilung von Todesopfern zu noch schwereren Auswirkungen auf alle gesellschaftlichen Bereiche führen müssen, mit dem Zusammenbrechen zumindest von Teilen der Kritischen Infrastrukturen und der Unmöglichkeit, nach überstandener Pandemie eine schnelle Regenerationsphase realisieren zu können. Für letzteres ist unübersehbar das reaktionsschnelle Fallenlassen aller Restriktionen und Schutzmaßnahmen der kritische Erfolgsfaktor.
• In einer echten Krise käme wohl auch niemand auf die Idee, beim Bundesverfassungsgericht einklagen zu wollen, dass er in dieser Lage eine politische Demonstration durchführen darf. Eine Meldung in der Zeitung wäre das jedenfalls nicht wert.

Eine wichtige Erkenntnis aus der Risikoanalyse 2012, dürfte sein, dass bei jeglichen Maßnahmen stets mitgedacht werden muss, dass sich die ersten Warnmeldungen als Fehlalarm herausstellen könnten. Denn wirksamen und umfassenden Schutzmaßnahmen wohnt ein gewaltiges eigenes Schadpotential inne (als Kollateralschaden). Dieses Schadpotential entfaltet vor allem bei einem Fehlalarm und Überschätzung der gesundheitlichen Gefahren seine fatale ironische Wirkung.

Rolle der Politik
Die Rolle der Politik kommt nur am Rande vor, nicht als impulsgebende Steuereinheit, wie es sich heute darstellt.
Auf Seite 68 der 2012er Risikoanalyse heißt es im Szenario:
„2.6 Behördliche Maßnahmen
Neben der Information der Bevölkerung treffen die Behörden, aufbauend auf bestehenden Plänen und den Erfahrungen aus der Vergangenheit, Maßnahmen zur Eindämmung und Bewältigung des Ereignisses. Krisenstäbe werden zeitnah einberufen und übernehmen die Leitung und Koordination der Maßnahmen. Die vorausschauende Beurteilung der Lage und die entsprechende Planung der Abwehrmaßnahmen werden unter allen beteiligten Ebenen abgestimmt.“
Die Risikoanalyse thematisiert mögliche Protest aus der Bevölkerung.
„Die Suche nach „Schuldigen“ und die Frage, ob die Vorbereitungen auf das Ereignis ausreichend waren, dürften noch während der ersten Infektionswelle aufkommen. Ob es zu Rücktrittsforderungen oder sonstigen schweren politischen Auswirkungen kommt, hängt auch vom Krisenmanagement und der Krisenkommunikation der Verantwortlichen ab.“ (Seite 80)
Auch in der Coronakrise wird es vermutlich zu Schuldzuweisungen kommen. Die werden sich selbst mit geschickter Öffentlichkeitsarbeit der Regierungen kaum verhindern lassen, selbst wenn versucht wird, die Massenmedien einzubinden. Bisher ist es nicht Ziel staatlicher Öffentlichkeitsarbeit, generell Kritik zu unterdrücken.

Weitere Hinweise auf Gefahren durch Kollateralschäden
Kollateralschäden sind regelmäßig zu erwarten, das muss im Ergebnis der Risikoanalyse das Krisenmanagement von vorne herein beachten. Die Kollateralschäden dieses Szenarios (7,5 Mio. Tote) würden sehr wahrscheinlich zu einem Zusammenbruch im Bereich der Kritischen Infrastrukturen führen.

„Die volkswirtschaftlichen Auswirkungen sind hier nicht konkret abschätzbar, könnten allerdings immens sein. Da im gesamten Ereignisverlauf mindestens 7,5 Millionen Menschen sterben, ist trotz der Altersverteilung der Letalitätsrate mit dem Tod einer Vielzahl von Erwerbstätigen zu rechnen. Sollten z.B. vier Millionen Erwerbstätige versterben, wären dies ca. zehn Prozent aller Erwerbstätigen, dieser Verlust wäre volkswirtschaftlich deutlich spürbar und mit einem hohen Einbruch des Bruttoinlandprodukts verbunden.“ (Seite 78)
Die Kostenbelastungen einer solchen Krise haben Auswirkungen auf die Sozialen Sicherungsysteme. Je länger die Aufhebung von Schutzmaßnahmen verschleppt wird, desto größer wird der Nachteil für den Sozialstaat und den sozialen Frieden ausfallen. Das gilt natürlich für die Coronakrise.
„Mit massiven Kosten für die öffentliche Hand ist zu rechnen, u.a. durch den Verbrauch von medizinischem Material und Arzneimitteln sowie durch die Entwicklung und Beschaffung eines Impfstoffes. Durch den Ausfall von Wirtschaftsleistung sind geringere Steuereinnahmen zu erwarten. Dies führt in Verbindung mit dem Anstieg der Gesundheitskosten voraussichtlich zu einer erheblichen Belastung der Sozialversicherungssysteme, vor allem der gesetzlichen Krankenversicherung.“ (Seite 78)
Die Probleme durch Unterbrechungen von Lieferketten wurden in der Risikoanalyse beschrieben. Und auch, dass die Unterbrechung von Lieferketten zu Kaskadeneffekten führen kann.
„Generell ist zu berücksichtigen, dass Unternehmen die Auswirkungen der Pandemie selbst bei guter Planung und Vorbereitung ggf. nicht mehr kompensieren können (generelle Rationalisierungstendenzen: dünne Personaldecke, Abhängigkeit von Zulieferern, Just-in-Time-Produktionusw.). Dies kann sogar dazu führen, dass weltweit Produktionsketten zum Erliegen kommen.
Mit Blick auf vielfältige internationale Verflechtungen sind auch Versorgungsleistungen aus anderen Ländern für Deutschland von großer Bedeutung. Zahlreiche Güter und Dienste werden weltweit von nur wenigen Schlüsselproduzenten bereitgestellt. Somit könnten Ausfälle im Bereich importierter Güter und Rohstoffe auch in Deutschland zu spürbaren Engpässen und Kaskadeneffekten führen.“ (Seite 79)

Die aufgezeigten Auswirkungen beobachten wir in der Coronakrise schon jetzt, obwohl die Fallzahlen bei weitem niedriger sind. Der Effekt wurde also unterschätzt. Gäbe es zusätzlich Tote in Millionenhöhe, wäre der gesellschaftliche Zusammenbruch kaum mehr abzuwenden.
Davon sind Kritische Infrastrukturen betroffen, wie aktuell die Entwicklung in der Trinkwasserversorgung zeigt (s.u.).

Die Reaktionen der Bevölkerung sind schwer vorauszusehen. Sie können sehr unterschiedlich sein, und können sich bei zeitlicher Dehnung der Auswirkungen auch verändern. Diese Risiken sind umso größer, je länger in der Coronakrise die Schutzmaßnahmen von der Politik erzwungen werden.
„Im vorliegenden Szenario wird davon ausgegangen, dass die Mehrheit der Bevölkerung sich solidarisch verhält und versucht, die Auswirkungen des Ereignisses durch gegenseitige Unterstützung und Rücksichtnahme zu verringern. Ähnlich solidarische Verhaltensweisen wurden vielfach bei anderen Extremsituationen beobachtet. Gleichwohl ist es nicht auszuschließen, dass eine zunehmende Verunsicherung und das Gefühl, durch die Behörden und das Gesundheitswesen im Stich gelassen zu werden, aggressives und antisoziales Verhalten fördert.“ (Seite 79)

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