Der Fall Julian Reichelt

in deutsch •  3 years ago  (edited)

Isabella Klais / Aufbruch - Wir für Deutschland!

An dem Fall des ehemaligen „Bild“-Chefredakteurs Julian Reichelt erscheinen zwei Dinge bemerkenswert.

Erstens:
Es überrascht immer wieder, daß intelligente, talentierte und erfolgreiche Menschen ihre Karriere durch einen angreifbaren privaten Lebensstil vorhersehbar aufs Spiel setzen.
Der Neid ist ein stets omnipräsenter Faktor. Doch in Zeiten wie diesen müssen speziell kritische Geister noch zusätzlich mit Anfeindungen mächtiger Gegner rechnen, die nur auf ihre Chance lauern, sich eines unbequemen Widersachers zu entledigen. Julian Reichelt ist nicht der erste, der an sich selbst gescheitert wäre.
Er lieferte der Gegenseite geradezu die Munition, um ihn abzuschießen. Dabei hätten ihm vorausgegangene Vorwürfe und seine damit verbundene zeitweilige Suspendierung zur Warnung gereichen müssen. In Mathias Döpfner, dem Vorstandsvorsitzenden des Springer-Verlages und Präsidenten des Bundesverbandes deutscher Zeitungsverleger, besaß er einen Gönner, der so lange wie möglich seine Hand über ihn gehalten hatte. Erst als dessen geschäftliche Ambitionen mit Julian Reichelts Eskapaden kollidierten, mußte er ihn notgedrungen fallen lassen.
Mathias Döpfners private Äußerung, wonach Reichelt „wirklich der letzte und einzige Journalist in Deutschland, der noch mutig gegen den neuen DDR-Obrigkeits-Staat aufbegehrt“ sei, während die meisten anderen Journalisten „zu Propaganda-Assistenten der Corona-Politik“ geworden seien, läßt seine Gesinnungsverwandtschaft mit seinem Chef-Redakteur erkennen, auch wenn er sich später reichlich hilflos bemüht, seine Worte zu relativieren. „Zumindest mir geht es so, daß ich manches Übertriebene und Unsinnige in einer privaten Unterhaltung sage oder schreibe.“ ist eine Aussage, die, träfe sie zu, ihn als Gesprächspartner seiner privaten Umgebung entwertete und diese gleich mit. In der Regel verhält es sich umgekehrt. Privat riskiert man schon einmal tendenziell mehr Offenheit und Ehrlichkeit, als man sich das öffentlich aus Opportunitätsgründen leisten kann.
Diese Wertschätzung und Förderung mutwillig zu verspielen, war schon eine nicht nachvollziehbare exorbitante Torheit. Julian Reichelt war hoffentlich nicht so vermessen, anzunehmen, daß sein Chef seine wirtschaftlichen Ambitionen für ihn zurückstellen würde.

Zweitens:
Die Rede ist stets nur von Julian Reichelt und seinen Auswüchsen. Denen konnte er - der Natur der Sache nach - aber nicht allein frönen. Wenn eine frauenfeindliche Atmosphäre bei „Bild“ herrschte, haben dies zumindest ebenso die Betthäschen zu vertreten, die sich auf diese Weise berufliches Fortkommen erschleichen wollten. Ohne ihre Beteiligung hätte Julian Reichelt seine Spielchen nicht treiben können. Just diese kleinen Nutten versperrten seriösen Frauen den Weg zum Aufstieg durch Qualifikation und Leistung, weil sie einen anderen Bewertungsfaktor einführten. Das soll Julian Reichelts Verfehlungen nicht relativieren, aber ein schiefes Bild zurechtrücken, in dem Täterinnen sich zu Opfern stilisieren, wenn ihre Rechnung nicht aufgeht und ihr Einsatz sich letztlich doch nicht für sie auszahlt.

https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/medien/axel-springer-nach-berichten-unter-druck-in-den-usa-ein-absolutes-no-go/27715714.h
https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/medien/madsack-kritisiert-doepfner-aeusserung-unangemessene-und-verfehlte-herabsetzung-fuer-journalisten/27725442.html

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