Eigenverantwortung und Recht

Isabella Klais / Aufbruch - Wir für Deutschland!

Den Fahrstil auf türkischen Straßen würde man hierzulande umschreiben mit “fahren wie die Henker“. Dennoch geschehen dort weniger Unfälle als in Deutschland. Die Erklärung liegt darin, daß in der Türkei mehr auf das Verhalten der anderen geachtet und sich darauf eingestellt, als sich auf die Regeln verlassen wird. Das gereicht faktisch oft dem Stärkeren zum Vorteil, vermeidet aber Schäden.
In Deutschland passierte eine Fußgängerin bei grüner Ampel den Zebrastreifen und wurde dabei überfahren. Sie befand sich im Recht, ist nun aber lebenslänglich - auch noch nach zahlreichen operativen Eingriffen - behindert. An den Schmerzen und den Einschränkungen ändert auch die materielle Entschädigung nichts, die in Deutschland ohnehin von unangemessener Höhe ist. Ein Blick nach den Seiten hätte ihr dieses Schicksal erspart.
Selbstverständlich ist man nicht verpflichtet, sein Haus abzuschließen. Ein Eindringling und Dieb macht sich auf jeden Fall strafbar. Dennoch trifft man üblicherweise diese Vorkehrung, um Verlust und Ärger vorzubeugen.
Wer provokante Kleidung trägt, muß Reaktionen darauf einkalkulieren. Wer es an Selbstachtung fehlen läßt, kann von anderen keinen Respekt erwarten. Das sind faktische, keine rechtlichen Kategorien.

Das Thema ist heikel. In jedem Falle bleiben Recht Recht, Opfer Opfer und Täter Täter. Dennoch empfehlen sich zum Selbstschutz gewisse Verhaltensweisen, deren Mißachtung zwar rechtens ist, sich aber als unklug erweist.
Schnell wird dem entgegengehalten, daß das Recht dem Unrecht nicht zu weichen brauche, was absolut korrekt ist. Schnell wird dagegen die Kritik erhoben, das Opfer werde zum Mittäter gemacht, was verfehlt ist. Es geht allein darum, nicht sehenden Auges in die Opferrolle zu geraten, denn der drohende Schaden bleibt zumindest psychisch haften. Oft aber geht er weit darüber hinaus.

Viele verhalten sich intuitiv richtig. Angst übernimmt dabei eine Warnfunktion vor der Eingehung vermeidbarer Risiken, die man vermutet oder aus Eigen~ oder Fremderfahrung kennt. Dennoch ist in Deutschland die Tendenz ausgeprägt, auf das Recht zu pochen und auf diesem zu bestehen, während Schaden vermeidende Umsicht oder Vorkehrungen als Schwäche ausgelegt werden.

Den Ordnungskräften obliegt dessen ungeachtet die Pflicht, dafür Sorge zu tragen, daß derartige Konfliktsituationen überhaupt nicht erst entstehen. „No-go-areas“ sind nicht tolerabel. Allerdings kann die Sicherheit nie lückenlos garantiert werden. Hier kommen dann Eigenverantwortung und Selbstschutz ins Spiel.

Sogar in Selbstverteidigungskursen wird gelehrt, daß die Vermeidung der Konfrontation oft die beste Verteidigung darstellt und präventiver Angriff oder Gegenangriff nur die zweitbeste Lösung sind.

https://www.tagesspiegel.de/politik/mit-davidstern-in-der-palaestinenser-demo-nicht-alles-was-erlaubt-ist-ist-auch-klug/27242422.html