Isabella Klais / Aufbruch - Wir für Deutschland!
Sigmar Gabriel überrascht immer mal wieder mit Aussagen, mit denen er sich in Gegensatz zu seiner Partei und den übrigen Altparteien bringt.
Als nicht mehr im Amte stehender Alt-Politiker fällt das naturgemäß leichter. Die distanzierte Sicht auf die Dinge und die entfallene Notwendigkeit, Mehrheiten beschaffen und auf die öffentliche Wirkung achten zu müssen, verhelfen zu klareren Erkenntnissen und verleihen ein größeres Maß an Freiheit. Hinzu kommt, daß erteilte Ratschläge nicht selbst umgesetzt werden müssen.
Redlicherweise aber muß man konzedieren, daß Gabriel auch in seiner aktiven Zeit bisweilen den Mut aufbrachte, Dinge anders zu sehen und dies offen kundzutun.
Sehr positiv bleibt in Erinnerung, daß er sich nicht an der quer durch alle politischen Lager im Westen gängigen Dämonisierung Wladimir Putins beteiligte, sondern sich für eine Verständigung mit Rußland einsetzte. Unvergessen ist ebenfalls, daß er es sich als einziger Politiker von Rang herausnahm, Saudi-Arabien wegen seiner Interventionen in anderen Staaten offen zu kritisieren.
Nun legte er nach und empfahl dem Juso-Vorsitzenden Kevin Kühnert, zuerst einmal eine Ausbildung erfolgreich zu absolvieren und sich in einem Beruf zu bewähren, ehe er höhere Weihen in der Politik anstrebe.
Dem läßt sich nur hinzufügen, Kühnert möge sich nicht allein auf den „Gang nach Canossa“ begeben, sondern noch eine ganze Schar von Politikern aus dem gesamten Parteienspektrum mitnehmen. Kühnert ist schließlich kein Einzelfall, sondern liegt voll im Trend.
Allerdings sollte man nicht die Frösche ansprechen, wenn der Teich ausgetrocknet werden soll.
Es sind die Parteien, die über ihre Jugendorganisationen gezielt junge Leute rekrutieren, um sie zu gefügigen Parteisoldaten heranzuziehen. Eine solide Ausbildung oder gar Berufserfahrung wären dabei nur hinderlich; verhülfen sie den Betreffenden doch zu größerer Unabhängigkeit, die nicht erwünscht ist. Schließlich sollen sie bei der Stange gehalten werden und Befehle ausführen.
Hier gilt es anzusetzen. Gegenwärtig bieten die Parteien leistungsschwachen und unmotivierten Jugendlichen ein alternatives Auffangbecken, wo sich attraktive Karrierechancen eröffnen - ganz ohne Kompetenz und Leistungsbereitschaft, nur mit Servilität und Loyalität zur Partei.
Gabriel weiß das natürlich; war er doch lange genug selbst Teil dieses Systems, ohne daß er auch nur den Versuch unternommen hätte, daran etwas zu ändern. Das entwertet seine Aussage aber nicht und nimmt ihr nichts von ihrem Wahrheitsgehalt. Es relativiert nur etwas das Verdienst Gabriels, der sich in seiner aktiven Zeit nicht dazu entschließen konnte, diese ergiebige heilige Kuh zu schlachten. Nun sollen es die anderen tun. Getan werden aber muß es, weil in der deutschen Politik endlich Qualität Einzug halten muß.