Isabella Klais / Aufbruch - Wir für Deutschland!
Tendenziöser Auftragsjournalismus ist nicht auf Deutschland beschränkt. Der „große Bruder über dem Teich“ verfügt auch in anderen Staaten über seine Federführer, oder besser: Tastenhauer. Ein Beispiel liefert ein Artikel in der NZZ, den unser Freund Erasmus Konsul zum Gegenstand einer sehr treffenden Replik nimmt.
Die Übernahme größerer Verantwortung kann im Einzelfalle auch Abstinenz gebieten, wenn nur so der Einklang mit den richtig definierten eigenen Interessen herzustellen und inhaltlicher Widerspruch zu der offiziell verkündeten politischen Linie zu vermeiden ist. Die souveräne Entscheidung über richtig und falsch entspricht gerade korrekt definierter Verantwortung.
GB kehrt der EU gerade den Rücken. Sein neuer Premierminister findet Antrittsbesuche bei seinen europäischen Kollegen derzeit entbehrlich, solange diese in der BREXIT-Frage nicht auf seine Linie einschwenken. Hierauf mit Solidarität zu reagieren, setzte ein völlig falsches Zeichen. Reisende soll man nicht aufhalten. Schon erst recht nicht sollten sie in ihrer Neigung zum Rosinenpicken bestärkt werden.
Piraten bekämpfen Piraten oder der Schutz der Handelsschifffahrt im Persischen Golf
von Erasmus Konsul
Die Neue Zürcher Zeitung schreibt in einem Aufmacherartikel vom 30.08.2019 über die “Schwierigkeiten” des Umgangs der deutschen Regierung und der sie tragenden Parteien mit der Forderung Großbritanniens nach einem “europäischen” Marineeinsatz zum Schutz der Handelsschifffahrt im Persischen Golf. Voila! So sieht “Qualitätsjournalismus” à la NZZ aus: Deutschland soll also an einer Mission zum “Schutz der Handelsschifffahrt” teilnehmen, zusammen mit den Briten und Franzosen. So wird es zwischen den Zeilen insinuiert mit dem Hinweis auf die in der deutschen Politik öfter einmal zu hörende Phrase der “Übernahme größerer Verantwortung” durch Deutschland in internationalen Angelegenheiten.
“Die Handelsschifffahrt” ist aber justament wegen der Politik in dieser Region gefährdet, die Deutschland - wie vormals auch Franzosen und Briten - abgelehnt hat: Das öffentlichkeitswirksame Zerreissen des Atomabkommens mit dem Iran durch die USA und “Den Donald” gehört hier genauso dazu wie das Festsetzen eines iranischen Schiffes in Gibraltar wegen angeblicher Sanktionsverstöße. Beides hat zur derzeitigen verschärften Spannung beigetragen. Dies wird im Artikel zwar angesprochen, aber nicht hinterfragt. Der Autor arbeitet sozusagen mit der Prämisse, dass beides “in Ordnung” war. Die Europäische Union unterstützt aber immer noch das Atomabkommen mit dem Iran und hat sogar einen eigenen Zahlungsmechanismus eingerichtet, mit dem EU-Firmen in die Lage versetzt werden sollen, in bestimmten Bereichen trotz US-Sanktionen weiterhin Handel mit dem Iran zu betreiben. Das wird im NZZ-Artikel nicht wirklich so erwähnt.
Jetzt wollen ausgerechnet die Briten “die Handelsschifffahrt” verteidigen, angeblich unabhängig von den USA, aber deutlich deren Politik unterstützend. Perfider geht es doch gar nicht! Und eine Zeitung wie die NZZ hinterfragt das gar nicht mehr, sondern stellt zwischen den Zeilen Deutschland unter Anklage, das sich nicht entscheiden könne, nämlich gegen seine eigene Politik vorzugehen! Sollte man die Frage stellen, “die Handelsschifffahrt” auch vor britischen Aktionen, die ja das iranische Schiff aufgebracht haben, zu schützen. Nein, gemeint ist natürlich nur Schifffahrt im “westlichen Interesse”, also der USA und ihrer Epigonen! Die Frage ist also nicht, ob Deutschland “Zuschauer der Weltpolitik” bleiben will, wie der Artikel formuliert, sondern ob die angestrebte Mission deutschen Interessen dient. Diese sind aber immer noch in der Zielsetzung formuliert, das Atomabkommen mit Iran zu retten.
Dass eine “Schutzmission” in der Straße von Hormuz einer solchen Zielsetzung dient, darf getrost bezweifelt werden: Es ist wenig glaubhaft, dass die Briten das iranische Schiff in Gibraltar ohne Wissen und Zustimmung der Amerikaner aufgebracht haben. Nicht nur wegen des ohnehin bestehenden Naheverhältnisses der beiden angelsächsischen Staaten, sondern auch aufgrund der überall kolportierten guten Beziehungen von Boris und Donald. Die von der NZZ vertretene Argumentation der Briten, man wolle dort einen eigenen “europäischen Akzent” setzen, wird von dem Autor gleich selber entwertet. Eine europäische Mission würde aufgrund der schwierigen Abstimmungsprozesse in absehbarer Zeit nicht zustandekommen und sei auch wegen des Brexit nicht so richtig opportun. Wie wahr!
Man muss ja nicht gleich annehmen, dass die Briten bei der Beschlagnahme des iranischen Schiffes an eine Gegenreaktion schon dachten, sondern der Eifer, Sanktionsverstöße zu verhindern, ihrem seit Jahrhunderten weltpolitisch entwickelten Gerechtigkeitssinn entsprungen ist, aber jedenfalls sieht alles danach aus, als ob sie die nunmehr entstandene Lage nutzen wollen, um die europäische Iranpolitik zu torpedieren. Vieles spricht dafür, dass eine solche Flotille “williger” europäischer “Großmächte” wirklichem Feindfeuer ohne Unterstützung der USA nicht lange standhalten wird. Jedenfalls würde im Falle einer militärischen Konfrontation der drei Staaten mit Iran die bisherige Politik der EU endgültig Makulatur sein. Denn die wichtigsten europäischen Mächte wären Partei der USA. Dass auch Frankreich eine solche Politik unterstützt, spricht Bände. Es wirft ein Schlaglicht auf den Wert einer gemeinsamen europäischen Außenpolitik, eine Floskel, mit der jeder zweitklassige deutsche Abgeordnete in Kneipen hausieren geht. Und es zeigt, wie isoliert Deutschland eigentlich dasteht.
Dann sollte man alles so nehmen wie es ist: Die NZZ als Vertreterin amerikanischer Interessen verwendet den Begriff “größerer deutscher Verantwortung” wie alle Atlantiker als Synonym für möglichst weitgehende Unterstützung von US-Interessen. Sie sagt dies aber nicht. Die deutsche Politik versteckt sich gewohnheitsmäßig hinter der Schwerfälligkeit eines politischen Systems und der Stimmung einer Bevölkerung, die durchaus im Sinne der erwähnten “Siegermächte” das Verständnis für außenpolitisches Handeln in Kombination mit militärischem Vorgehen völlig verloren hat. Und schießt gegen “den Donald”, der seinerseits die Argumentationsgrundlage des herrschenden liberalen Systems verlassen hat. Und. sagt dabei nicht, dass sie eigentlich andere Interessen hat, nämlich den Iran als Markt will und nicht als militärischen Gegner.
Aber vielleicht wird ja hier auch ein “case” in einem ganz anderen Feld vorbereitet: Der “irre Boris” wird ja demnächst ein paar Milliarden für den Austritt brauchen, ausstehende Beitragsrechnungen an die EU usw....es wäre ja nicht das erste Mal, dass es in Zusammenhang mit dem Golf zu Zahlungen kommt, um nicht an dem teilzunehmen, woran man kein Interesse hat. Ob das allerdings auf die Dauer zukunftsweisende Außenpolitik ist, bleibt die unbeantwortete Frage.
Es folgt der Bezugsartikel der NZZ:
Berlin steht bei Iran-Politik abseits
Wenig Interesse an europäischer Schutzmission
Grossbritannien und Frankreich werben für eine Militärmission, um Schiffe in der Strasse von Hormuz zu schützen. Auf eine Beteiligung Deutschlands
können sie dabei nicht zählen: Berlin plant vorerst, Zuschauer der Weltpolitik zu bleiben.
Benedict Neff, Berlin
Dass Deutschland in der Welt mehr Verantwortung übernehmen müsse, hört man in der deutschen Politik schon lange. Wenn eine geeignete Situation dafür gegeben wäre, stimmen für die Regierung in Berlin aber die Bedingungen oft doch wieder nicht ganz, so dass man es vorzieht, die Verantwortung gegebenenfalls zu einem späteren Zeitpunkt wahrzunehmen.
Gerade stellt sich für Deutschland die Frage, ob es sich an einer europäischen Schutzmission für Handelsschiffe am Persischen Golf beteiligen will. Die Initiative dazu kommt aus Grossbritannien. Am 4. Juli haben die Briten in Gibraltar den iranischen Tanker «Grace 1» gestoppt, mit der Begründung, er transportiere Erdöl für Syrien. Am 19. Juli revanchierte sich Iran und kaperte den britischen Tanker «Stena Impero» in der Strasse von Hormuz. Die Meerenge zwischen den Küsten Omans und Irans ist das wichtigste Nadelöhr für den Erdölexport nach Japan, Europa und Amerika. Die iranische Regierung versucht zunehmend, die Strasse von Hormuz als politisches Druckmittel einzusetzen. Um die freie Fahrt für zivile Schiffe weiter zu gewährleisten und Iran ihrerseits unter Druck zu setzen, planen die USA mit der Operation «Sentinel» eine Militärmission am Golf.
Widerstand der SPD
Grossbritannien schlägt in bewusster Abgrenzung zu Amerika eine eigene, europäische Mission vor, die allerdings keine EU-Mission sein soll – zum einen würde dies in Zeiten der allmählichen Verabschiedung der Briten aus der Europäischen Union ein merkwürdiges Signal aussenden. Zum anderen wäre der Prozess, um eine solche Mission auf EU-Basis zu realisieren, langwieriger und komplizierter. Wie das Mandat genau aussehen soll und ob es mehr auf Beobachtung oder auf die Eskortierung von Schiffen angelegt ist, ist noch nicht bestimmt.
Frankreich hat auf die britische Initiative positiv reagiert. Im Grunde wären auch einige Voraussetzungen gegeben, die sich mit den deutschen Interessen decken: Eine europäische Militärmission diente der Gewährleistung freier Handelswege. Gleichzeitig würden Grossbritannien, Frankreich und Deutschland für einmal eine von den USA unabhängige und aktive Politik verfolgen. Denn auch um diese Demonstration geht es Grossbritannien: Man will sich der amerikanischen Kampagne des «maximalen Drucks» auf Iran nicht anschliessen und eigene Akzente setzen. Während die Amerikaner im Mai aus dem Atomabkommen mit Iran ausgetreten sind, halten die Europäer am Vertrag weiterhin fest.
Die deutsche Reaktion auf den britischen Vorschlag ist aber zögerlich. Die neue Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer will eine europäische Mission zwar nicht grundsätzlich ausschliessen, aber es zeichnen sich bei ihr auch keine Bemühungen ab, sie voranzutreiben. Kramp-Karrenbauer verfolgt zurzeit ganz andere Ziele. Sie will die Bundeswehr in Deutschland «sichtbarer» machen. Deutsche Soldaten sollen demnach gratis Zug fahren, wenn sie Uniform tragen. Derweil deutet nichts darauf hin, dass sie sich an einem Auslandeinsatz der deutschen Marine die Finger verbrennen und an der Strasse von Hormuz möglicherweise ihre Kanzlerambitionen begraben will.
Abwartend verhält sich auch der deutsche Aussenminister Heiko Maas. Er betont, dass sich Deutschland der amerikanischen Strategie des maximalen Drucks auf Iran nicht anschliessen wolle. «Aber wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass es Vorfälle gibt, mit denen man umgehen muss», so Maas. Konkreter wird der Aussenminister nicht. Seine Partei, die deutschen Sozialdemokraten, steht einer Marinemission ohnehin kritisch gegenüber.
Rolf Mützenich, der kommissarische Chef der SPD-Bundestagsfraktion, zweifelt daran, ob es richtig sei, «einen militärischen Fussabdruck in einer Region zu hinterlassen, in der neue Kriege drohen». Mützenich befürchtet offenbar, dass Deutschland auch innerhalb der europäischen Mission letztlich nur als Juniorpartner der USA betrachtet würde. Dass man mit amerikanischer Aussenpolitik aber nichts zu tun haben will, machte Mützenich deutlich, indem er Trump als «Rassisten im Weissen Haus» bezeichnete. Der aussenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag, Nils Schmid, fasst die Position seiner Partei so zusammen: «Ein Mandat für deutsche Militäreinheiten an der Strasse von Hormuz steht nicht zur Debatte.»
Auf der Reservebank
Der ehemalige deutsche Diplomat und Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, spricht sich hingegen für eine Beteiligung Deutschlands an einer Mission aus. «Kaum ein Land hängt von der Freiheit der internationalen Schifffahrt so stark ab wie der Exportweltmeister Deutschland», sagt Ischinger in der «Welt am Sonntag». Berlin dürfe nicht von der Reservebank aus zuschauen, wenn über eine maritime europäische Schutzmission am Golf diskutiert werde.
Die CDU zögert und wartet ab, die SPD stellt sich einer europäischen Militärmission am Golf entgegen. Damit dürfte schon ziemlich klar sein, dass die Briten und die Franzosen mit mehr als moralischem und diplomatischem Beistand aus Deutschland nicht rechnen dürfen.
Aus dem NZZ-E-Paper vom 30.07.2019