Isabella Klais / Aufbruch - Wir für Deutschland!
„Haben Sie ein Vorbild und ggf. welches?“ wurde ich bei meiner Vorstellung im Auswärtigen Amt seinerzeit gefragt. Ich verneinte. Daraufhin hakte man nach: „Ein Meisterschüler muß doch einen Meister haben.“ Ich blieb dabei, kein Vorbild zu haben und entgegnete, daß ich mich als Original und nicht als Imitat verstünde.
Wer sich an Vorbildern orientiert, begibt sich auf einen gefährlichen Pfad. Keine Person gleicht der anderen. Wer anderen nacheifert, strebt möglicherweise nach Unerreichbarem, da ihr oder ihm die Voraussetzungen dafür fehlen. Wenn darüber eigene Stärken nicht erkannt werden und ungenutzt bleiben, ist der Mißerfolg vorprogrammiert.
Es bringt ja nichts, einen berühmten Naturwissenschaftler zum Vorbild zu küren, wenn einem für diese Materie jegliches Talent fehlt. Ebenso frustrierend ist es, einem Heiligen nachzueifern, wenn einem die charakterlichen Voraussetzungen dafür fehlen, und man sich in dieser Rolle einfach nicht wiederfinden kann.
Als problematisch erweist sich oft die Wahl eines Vorbildes aus einer anderen Zeit, da dieses Vorbild unter anderen Gegebenheiten lebte. Dies birgt die Gefahr, Möglichkeiten nicht auszuschöpfen, über die man verfügt, die dem Vorbild aber fehlten. Andererseits bestanden für das Vorbild seinerzeit Hürden nicht, die sich heute aufbauen.
Vorbild und Nacheiferer müssen zueinander passen. Es genügt nicht, daß das Vorbild etwas perfekt vollbracht hat. Das falsche Vorbild entmutigt eher, als es unterstützt.
Da jeder Mensch verschieden ist - mit unterschiedlichen charakterlichen Anlagen, Talenten und Wünschen - kann es schon kein Gesamtvorbild geben, sondern allenfalls eines in jeweils bestimmten begrenzten Aspekten. Dafür spricht auch, daß niemanden zu finden sein wird, der allumfassend vorbildlich, d. h., perfekt ist. Das Ziel kann nicht sein, ein Imitat von jemandem zu werden. Im Idealfall sollen die Vorbilder Orientierung vermitteln und dabei helfen, die eigene Persönlichkeit zu optimieren.
Daher gilt es, zunächst die eigenen Potentiale und Defizite zu eruieren. Auf dieser Basis definiert man seine Ziele und nimmt dann Kurs darauf. Wer sich an anderen orientiert, läuft Gefahr, eine schlechte Imitation abzugeben. Wer Vorbilder sucht, endet schnell als schlechte Kopie. Gesucht sind Originale!
„Bescheidenheit ist eine Zier....“ gilt hier gerade nicht. Wer sich anspruchsvolle Ziele steckt, mag diese vielleicht nicht zur Gänze verwirklichen können, erreicht aber immer mehr, als wenn die Ziele schon so dürftig gewählt sind, daß man damit hinter seinen individuellen Möglichkeiten zurückbleibt. Man muß schon seine Grenzen ausschöpfen, will man erfolgreich sein.
Vorbilder sind durchaus entbehrlich. Man kann auch ohne das Leitbild einer anderen Person den individuell optimalen Weg finden. Dem ist im Hinblick auf die oben genannten Einschränkungen sogar der Vorzug zu geben.
Bezogen auf die Politik, stellt sich die Frage aus der umgekehrten Sicht. Müssen Politiker vorbildlich handeln? Daß sie es selten tun, steht außer Frage.
Da sie im Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit stehen, sollten sie davon ausgehen, daß ihr Beispiel vielen als Orientierung dient. Sie sollten sich daher im Bewußtsein dieser Verantwortung verhalten.
Soviel zur Theorie: In der Praxis taugen Politikerlinge schon deswegen nicht zum Vorbild, weil es ihnen ausschließlich um ihre eigene Person und ihre persönlichen Pfründe geht. Man nenne einen einzigen, bei dem es anders wäre. Da in der Politik eine unübersehbare Negativauslese ihr Unwesen treibt, ist vor der Wahl von Vorbildern aus dieser Berufsgruppe nachdrücklich zu warnen!
Tauge ich selbst zum Vorbild? Sicher nicht! Ich lehne diese Rolle auch entschieden ab, weil ich dadurch die Freiheit verlöre, mich außerhalb mir übertragener und freiwillig von mit übernommener Verantwortung so zu verhalten, wie es mir beliebt. Ich möchte mich nicht als Vorbild vereinnahmen und verpflichten lassen.
Daher: Finger weg von Vorbildern - und erst recht von schlechten. Immerhin kann man von letzteren noch lernen, wie man es nicht machen darf.
Nicht zu verwechseln sind Vorbilder mit Idolen, die bewundert werden, aber an Reiz verlören, würden ihre Anbeter tatsächlich zu ihnen aufschließen.