Nicht nur deshalb, weil heute auf Twitter philosophiert wurde, wo der eine oder andere biografisch gelandet wäre, wäre die Teilung des Nachkriegsdeutschlands 1989/1990 nicht wieder aufgehoben worden, möchte auch ich meinen Senf zum heutigen Feiertag loswerden.
Als es 1990 hieß, der 3. Oktober sei jetzt ein Feiertag, haben wir (ich war ja gerade erst 12) erstmal ziemlich überfordert reagiert. Natürlich hatten sich auch die Jobs meiner Eltern in Luft aufgelöst (mein Vater allerdings das Glück, recht bald einen neuen "im Westen" zu finden). Die größere Überraschung war relativ schnell auftauchende West-Verwandtschaft. (Die bekannen West-Pakete kannte ich aus Erzählungen von Mitschülern, nicht aus eigenem Erleben. Scout-Schulranzen waren in den Achtzigern jedenfalls auch in Ostdeutschland in.) Alles war von Anfang an mehr von "wir müssen" gekennzeichnet als vor dem Fall der Mauer ... ich will gar nicht zu sehr ins Detail gehen hier bzgl. der Entscheidungen, die getroffen wurden.
Denke ich an die DDR-Zeit zurück, bleibt mir die Erinnerung an psychologische Heimat. Entbehrungen empfanden wir Kinder nicht, aber viel Geborgenheit.
Nichtsdestotrotz muß ich zugeben, daß mir durch die Wiedervereinigung viel Freiheit und viele Freiheiten geschenkt wurden (vor allem Bildung, Bildung und nochmal Bildung). Wie schon gesagt: Geborgenheit ging verloren, aber mit der beginnenden paramilitärischen Ausbildung in der Schule, die ab dem 14. oder 15. Lebensjahr anfing, hätte ich sicher meine Probleme gehabt, auch wäre mein beruflicher Horizont sicher deutlich begrenzter gewesen als er es jetzt ist. Möglicherweise hätte ich mit 20 den Versuch gewagt, aus der DDR zu flüchten. Hätte meine Famiie zurückgelassen. Vielleicht wäre mir auch etwas passiert und ich würde nicht mehr leben.
Nein, es ist schon allein gut, nicht über diese Dinge nachdenken zu müssen.
Das mit dem Ankommen im Westen ist mir, das hatte ich ja anderweitig schon angedeutet, vielleicht nicht so gut gelungen wie anderen. Irgendwie bin ich auch ab dem Ende der Pubertät wieder in politisch links verorteten Kreisen gelandet.
In den letzten Tagen gab es in verschiedenen Online-Publikationen Grafiken und Statistiken zur Wirtschaftsleistung und anderen Daten der - man verzeihe mir die Wortwahl - alten und neuen Bundesländer*. Nach 28 Jahren ein vielleicht negativeres Bild der hinzugekommenen Bundesländer als jemals zuvor. Ganz unabhängig von der Verteilung der politischen Einstellungen in den jeweiligen Bundesländern übrigens. Und das macht mich ziemlich traurig. Es ist einfach zu schwer von der Hand zu weisen, daß es doch noch Spätnachwirkungen der Wende gibt. Gegenden, die in der DDR einigermaßen wirtschaftlich tätig waren und es jetzt gar nicht mehr sind. Steigende Mieten und fehlender Wohnraum und nahezu Vollbeschäftigung, ja sogar Fachkräftemangel im früheren Westdeutschland, Landflucht, wirtschaftlicher Niedergang, Resignation im früheren Osten Deutschlands. Obwohl vielleicht um die 2000er Jahre alles mal etwas besser aussah ...
Ich erinnere mich, daß ich noch Ende der Neunziger/Anfang der 2000er Jahre in Zeitschriften für junge Leute von Mentalitätsunterschieden zwischen "hüben" und "drüben" gelesen habe.
Guckt man sich einige Trends - den Verzicht auf Fleisch oder sogar auf alle Tierprodukte, Konsumverzicht, Retten und Teilen von Lebensmitteln und anderen Gütern, Repair-Cafés, Unverpackt-Läden - an, könnte man meinen, das eine oder andere, das in der DDR (erzwungenermaßen) gesellschaftlicher Standard war, kommt durch die Hintertür wieder hinein. Initiiert durch eine Generation, die die Zeit vor der Wende nicht selbst erlebt hat.
Denke ich heute an Freiheit, denke ich nicht so sehr an Mobilität wie an persönliche Weiterentwicklung und Freiheit im Denken. Komplette Meinungsfreiheit meine ich damit nicht, vielleicht, weil sie mir zuwenig gefehlt hat. Vielleicht, weil ich zu anderen Zeitpunkten auf dieser Meinungsfreiheit bestehe als andere.
Ich denke, man kann aus der Entwicklung beider früheren Teile Deutschlands viel über die Entwicklungsmöglichkeiten heutiger Konfliktherde lernen.
Ebenfalls auf Twitter habe ich heute gelesen, daß Deutschland nie so gespalten gewesen sei wie dieser Tage. Dem kann ich mich leider nur anschließen.
- Osten und Westen klingt auch nicht besser, oder?
Wenn die Kinder von heute erst mal die Lenker von allem sind, gibt es kein Ost oder West mehr. Dieses Zonendenken erledigt sich hier wohl biologisch ;-)
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So ähnlich wurde vor 25 Jahren auch schon mal gedacht ...
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Jep nur mit dem Unterschied das der Osten damals kalt in die Marktwitschaft geschmissen wurde. Heute weiß jeder worauf es ankommt. Neue Techniken in der Wirtschaft ( Robotik usw werden auch dort für neue Jobs sorgen. Das Schlüsselwort ist hier Schulbildung.
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