Tag 2 der Hearings zu Libra
und von Chef David Marcus in Washington. Am 2. Tag musste er vor dem Finanzausschuss des Kongresses antreten.
Den leitet Maxine Waters und die Dame ist auf einer Mission. Die Mission ist:
Nichts and niemand darf mit dem US Dollar konkurrieren
Wer das Theater in Washington um Libra verstehen will, – und ich füge hinzu, wäre Bitcoin grösser und hätte das Potential von Libra, dann würden wir genau die gleichen Hearings zu Bitcoin sehen – muss zuallererst verstehen, was der US Dollar für die USA bedeutet: Der US Dollar ist DIE Quelle der Macht der USA (weit mehr als sein Militär)
Wenn auch nur der Hauch einer Gefahr besteht, beim Alleinstellungsmerkmal des US Dollar angegriffen zu werden, wird man auf sehr direkte Art Bekanntschaft mit der amerikanischen Variante des „Furor Teutonicus“ machen.
Die USA haben einigen Staatslenkern im Mittleren Osten z.B. auf ziemlich unmissverständliche Weise klargemacht, dass Rohöl nur in US Dollar bezahlt werden darf und mit keiner anderen Währung.
Man sollte nicht unterschätzen, wie sehr die US Regierung weiss, welche Macht sie durch den US Dollar hat. Sie wird den Dollar (Status) mit Zähnen und Klauen verteidigen (und zwar auch gegen Bitcoin, falls nötig).
Der Dollar ist Weltreservewährung, dh. die USA können sich praktisch unlimitiert verschulden, weil alle anderen den Dollar im Reserveportfolio haben müssen.
Der Dollar ist die primäre Handelswährung für praktisch alle Rohstoffe, wodurch für die USA kein Währungsrisiko besteht beim Einkauf von Rohstoffen, während alle anderen Länder dieses Risiko (er)tragen (müssen). Das gilt vor allem für den wichtigsten Rohstoff: Rohöl.
Noch wichtiger: 45% des gesamten Welthandels wird in US Dollar abgewickelt. Selbst wenn ein Brasilianer in China einkauft, benutzen beide den Dollar als Tauschobjekt. Weil kein Chinese etwas mit Brasilianischem Real anfangen kann (außer in Brasilien kann nirgendwo damit einkaufen) und was soll ein Brasilianer mit Yuan, wenn er als nächstes Mais in Mexiko einkaufen will. Die Mexikaner wollen auch keine Real.
Bürger der USA kennen kein Währungsrisiko (das kam in dem Hearing heute auch als neues Problem durch Libra zur Sprache). Ein Dollar ist ein Dollar. Punkt.
- Der US Dollar ist der einzige „Sichere Hafen“ bzw. die einzige Fluchtwährung in der Welt, die riesige Geldströme verkraftet. Menschen, die an Gold als Krisen oder Fluchtwährung glauben, verkennen, was es bedeutet, wenn ein Finanzmanager einer Firma (z.B. ein Rentenversicherer, z.B. der Allianz) Hunderte Milliarden in Sicherheit bringen muss, statt den paar Kröten, die wir typischerweise auf unseren Konten haben. Firmen, wie Apple haben Abermilliarden an Cash auf Konten liegen, bei Apple liegt ein sehr grosser Teil davon ausserhalb der USA (aus Steuergründen). Sollte z.B. eine Euro-Finanz-Krise ausbrechen (demnächst in diesem Theater), dann hat der keine andere Chance als seine Millarden in den US Dollar zu retten. Denn würde er Gold kaufen, würde der Preis sofort in astronomische Höhen steigen und würde die Idee ad absurdum führen.
Ausserdem weiss er genau, was ich vorhabe, haben die Finanzvorstände aller anderen Firmen dann auch vor.
Nur der US Dollar kann in einer Krise (z.B. Euro o. Schwellenländer) die Summen aufnehmen, die dann einen Sicheren Hafen suchen.
Hier ein Ausschnitt aus dem Hearing gestern, mit dem Brad Sherman klipp und klar zusammenfasst, worum es geht (ca. 1 min. und zusätzlich zu meinen Punkten oben).
Nebenbei, Brad Sherman ist auch der Abgeordnete im US Kongress, der am aggressivsten ein Bitcoin Verbot fordert.
Nur mit diesem Grundverständnis wird man die Heftigkeit verstehen, mit der urplötzlich im Senat und im Kongress auf Facebook’s Libra reagiert wird. Die US Politiker, und nicht nur die, wie man an den Reaktionen der Bundesbank, des Bundesfinanzministeriums, der CDU/CSU Fraktion, der französischen Regierung, der EZB usw., sieht, ALLE haben begriffen, worum es geht hier wirklich geht.
Es geht um Macht…
…genauer, um die Macht des Geldes.
…noch genauer, um die Macht, Geld zu kontrollieren (und ggf. zu drucken).
Libra ist ein Frontalangriff auf die Macht der Regierungen (vgl. Olaf Scholz zu Libra vorgestern). Und Facebook’s Libra – anders als Bitcoin, deshalb haben sie den (bisher) geduldet – hat das Potential dieses zentrale Machtinstrument von den Regierungen auf Facebook zu transferrieren. Und das – da sollte sich niemand Illusionen hingeben – werden die sich nicht gefallen lassen.
Auch das bringt Sherman auf den Punkt
Examining Facebook’s Proposed Cryptocurrency and Its Impact. 3min
Das gestrige Hearing war deutlich länger und ich hatte auch keine Zeit die gesamte Show zu erleben. Aber der Eindruck vom ersten Tag hat sich erneut bestätigt und zwar nicht nur bei mir. Facebook und Calibra haben sich unglaublich schlecht auf die offensichtlichen Gegenargumente vorbereitet. David Marcus konnte an vielen Stellen nur wie ein Last-Minute-Tourist antworten: „Wohin fliegen sie?“ „Keine Ahnung! Das entscheiden wir am Flughafen!“
Hier eine Zusammenfassung, die bei CNBC zu finden war (Worst Launch Ever):
CNBC: Facebook’s Libra probably world’s worst product launch ever: Expert
Und bevor ich die wesentlichen Erkenntnisse von Tag 2 zusammenfasse, hier die Meinung vom Co-Chair des Finanzausschusses im US Kongress (Co-Chair zu Maxine Waters), die erklärt, warum Bitcoin (dem Dollar) nicht gefährlich ist.
Er bestätigt auch meine Aussage seit mehr als einem Jahr: wenn Bitcoin jemals dem Finanzsystem gefährlich würde, dann werden sie seine Annahme verbieten. Man kann dann zwar Bitcoins besitzen, aber praktisch nichts mehr damit anfangen (ausser im DarkNet). Denn jeder seriöse Händler wird sich hüten gegen Gesetze zu verstossen, die die Akzeptanz von Bitcoin als Zahlungsmittel verbieten.
(They can’t kill Bitcoin, but .. startet bei 2:40)
(Bitcoin is not an investable item .. startet bei 6:40)
CNBC: Rep. Patrick McHenry: There’s no capacity to kill Bitcoin
Die Highlights des Hearings im US Kongress:
- David Marcus wurde dreimal gefragt bzw. gebeten, sich zu verpflichten, die laufende Entwicklung des Projektes komplett zu stoppen, bis die US Regierung ihr grünes Licht gegeben hat. David Marcus sagte dreimal dasselbe: „wir werden erst starten (launch), wenn alle Bedenken der Gesetzgeber ausgeräumt sind“. Das ist etwas komplett anderes. Libra wird nicht gestartet, aber die Entwicklung geht weiter. Er war nicht bereit das Moratorium (Stop der Entwicklung) zu akzeptieren. Er ist damit meiner Meinung nach auf Konfrontationskurs zum Kongress gegangen. Der Kongress könnte diesen Affront durchaus mit einem Gesetz beantworten, das das Moratorium erzwingt.
- Sowohl der Kongress also auch Facebook/Calibra selbst tun sich schwer mit einer sehr zentralen Frage:
Was IST Libra eigentlich?
Lt. David Marcus (bzw. Facebook) ist Libra nur ein Zahlungsvehikel. Vergleichbar mit PayPal (immerhin war Marcus früher CEO bei PayPal). Als Zahlungsmittel sorgt Libra nur dafür, dass Geld von Person A zu Person B kommt. Weltweit. Libra behält das Geld nicht und nimmt es auch nicht ein. Das ist der Hauptgrund, warum Facebook nur mit minimalen, regulatorischen Anforderungen rechnet bzw. gerechnet hat (und m.M.n. auch der Grund, warum David Marcus so schlecht vorbereitet ist. Die dachten wirklich, Libra ist nur eine App, die Geld von A nach B schickt. Wie ein Chat bei WhatsApp (dessen Chef David Marcus ja auch mal war)).
Libra ist aber eine Art Stable Coin. Wer Libra erwirbt, transferiert Geld an Calibra. Wird der Transfer als ein Verkauf gewertet, dann ist Calibra ein Unternehmen und müsste sich den Spielregeln aller Wirtschaftsunternehmen unterwerfen, mit Bilanzierungsregeln usw. Und somit eben kein Zahlungswerkzeug (App).
Die Gelder, die zum Umtausch von FIAT in Libra transferiert werden, wandern in die Währungsreserve, mit der Libra gedeckt ist. Es kann lediglich eine andere Währung dafür in den Korb wandern, um z.B. eine Streuung beizubehalten. Wenn ich mit Euro in Libra umtausche, könnte Calibra den Euro dann in Dollar umtauschen, um die Gewichtung von Euro und Dollar im Währungskorb beizubehalten.
Da das Geld in der „Währungsreserve 1:1 zur Deckung von Libra" dient, gehört es den Einzahlern und ist somit eine Verbindlichkeit von Calibra. Calibra hält also Geld, das anderen Leuten gehört (OPM = Other People’s Money). Damit wäre (Ca)Libra eine Bank. Ein Abgeordneter sagte fast wörtlich: „wenn wir feststellen, dass Calibra eine Bank ist, werden wir sie mit Regulierung überziehen“ („regulate the hack out of you“).
Die Währungsreserve brachte dann gleich noch zwei weitere Fragen hoch. Der Kongressabgeordnete Himes (ein ehemaliger Banker) wies darauf hin, dass Libra keine kleine App ist, die meinen Herzrhythmus überwacht, sondern eine, die nicht weniger als das gesamte weltweite Finanzsystem umkrempelt. Und weil Libra durch einen Währungskorb gedeckt ist, bei dem einzelne Währungen heftig schwanken können (er nennt z.B. das Brit. Pfund (warum? Weiss er was über BREXIT 😃)), werden US Nutzer eine tiefgreifend ungewohnte Erfahrung machen. Nämlich die eines Währungsrisikos. Sobald irgendwas in den USA ein (unbekanntes) Währungsrisiko für US-Amerikaner enthält, gelten bestimmte Aufklärungs- und Beratungspflichten.
Darüber störte sich Himes an der Aussage von David Marcus (auf eine frühere Frage, was Libra eigentlich sei):
„Sie sagten vorhin, Libra sei kein ETF (Exchange Traded Fund). Ich war früher Banker und Libra sieht für mich exakt wie ein ETF aus. Gedeckt durch einen Korb von Währungen und Anleihen, [… dessen Wert durch die jeweiligen Anteile am Korb und deren Werte definiert ist], erklären Sie mir bitte, warum das kein ETF ist?“
„Aus drei Gründen .. [bla bla bla] , zuerst, weil Libra ein Zahlungwerkzeug ist …“
„Moment, ich muss Sie hier unterbrechen .. die SEC [Börsenaufsicht] sagt nicht, weil etwas ein Zahlungswerkzeug ist, ist es kein ETF. Die SEC sagt dagegen, wenn Sie (im Prinzip) ein Werpapier haben, dass durch andere Wertpapiere gedeckt ist, dann sind Sie ein ETF. Sie können ja mit mir rumdeuteln, Sie seien kein Wertpapier, aber Sie sind definitiv durch andere Wertpapiere gedeckt.“Eins der besten Argumente brachte Bill Huizenga. Er amüsierte sich über die Aussage von David Marcus, um Libra zu erwerben, müsste man von FIAT Währungen in Libra umtauschen. Er fand das kurious. Er schaute bei Wikipedia nach der Definition von FIAT Geld und hielt dann David Marcus folgendes vor:
„Sie haben mehrfach den Begriff FIAT Währung benutzt. Ich glaubte bisher zu wissen, was das ist, aber dann ich fand es schräg wie Sie es verwendet haben, da hab ich bei Wikipedia nachgesehen.“
„Eine FIAT Währung ist eine Währung ohne inneren Wert, die als Geld eingerichtet wurde. FIAT Geld hat keinen Nutzwert und bezieht seinen Wert nur aus der Tatsache, dass Regierungen dessen Wert festschreiben oder garantieren“
„Fiat money is a currency without intrinsic value that has been established as money, often by government regulation. Fiat money does not have use value, and has value only because a government maintains its value, or because parties engaging in exchange agree on its value”
“Wikipedia muss seine Definition jetzt aktualisieren, denn die Menschen benutzen ja auch Kryptowährungen, die keinerlei Deckung haben“
(Anm.: und keinerlei inneren Wert, womit Kryptowährungen ebenfalls FIAT Geld sind. Sein Gedankengang)
„Ich möchte von Ihnen wissen, warum, glauben Sie, brauchen Sie eine Reserve (bzw. eine Deckung für Libra)?“
„Es scheint mir, sie benutzen FIAT Währungen um eine neue FIAT Währung zu erschaffen, die FIAT als Deckung hat“
Examining Facebook’s Proposed Cryptocurrency and Its Impact.
Auf die Antwort von David Marcus, Libra sei ja nur ein Zahlungsvehikel, meinte Huizenga dann „Libra ist also das Äquivalent zum guten alten Travelers Cheque?“
Zum Abschluss sei noch ein hübscher Austausch zwischen Kongressabgeordnetem Duffy und David Marcus gezeigt. Es geht Duffy um die Macht, die Facebook hat, Menschen von Zahlungen per Libra auszuschliessen. Also zu diskriminieren. Genau das tut Facebook heute schon mit seinen Nutzern und unliebsamen politischen Gegnern (die Konten einiger Konservativer hat Facebook ob deren Ansichten gesperrt). Duffy findet, Geld müsse diskriminierungsfrei sein, so lange sich der Benutzer an Recht und Gesetz hält.
Duffy zückt einen $20 Schein. Und fragt: "Wer kann den benutzen?" (Den Dialog muss man sich anschauen. Grossartig. Und David Marcus schwimmt gewaltig ..)
Examining Facebook’s Proposed Cryptocurrency and Its Impact.
Für die, die mit englischen Dialogen Probleme haben: Duffy spricht Facebook das Recht ab, zu entscheiden, wer Libra benutzen darf oder wer nicht. (Mit der Einschränkung, so lange die Gesetze befolgt werden). Wenn seine Forderung erfüllt würde, müsste Facebook jedem ermöglichen mit Libra zu bezahlen. David Marcus wusste nicht wie er antworten sollte, weil „die Policy“ noch nicht definiert ist. Duffy reagiert ungehalten, weil Marcus wortreich auszuweichen versucht. Duffy versucht es mit einem drastischeren Beispiel. Er weist darauf hin, Facebook habe eine „Policy“ (Richtlinie), nach der niemand über Facebook Waffen kaufen kann (obwohl das in den USA vollkommen legal wäre).
Mit der $20 Note (Bargeld), kann jeder legal in den USA Waffen kaufen. Er fragt erneut, ob jeder Amerikaner mit Libra Waffen kaufen kann. Und wenn nicht – wegen einer Facebook Richtlinie – dann wäre das eine Diskriminierung.
Duffy war extrem besorgt. Er begrüsst Libra zwar für die Innovation im Finanzwesen, kündigte aber starken Widerstand an, wenn Facebook auch nur den Hauch einer Entscheidung oder Richtlinien darüber bekommt, was man mit Libra kaufen und bezahlen darf.
Libra ist weit davon entfernt, nächstes Jahr starten zu dürfen. Weiter denn je ...
In diesem Sinne, Gedanken zum Querdenken, wie immer ..
PS: Das gesamte Hearing kann man anschauen, wenn man den Zeitstempel in der URL löscht. Es ist ca. 4 Stunden lang (mit einer Pause dazwischen, bei der die Aufzeichnung weiterlief).
Vielen Dank, Cassandra, für deinen zweiten Gastbeitrag zu Libra/Calibra. Auch bei dem zweiten Hearing drängt sich der Eindruck auf, dass Facebook sich hier ohne Not blamiert hat. Schließlich ist de Calibra CEOs David Marcus ein PayPal Profi und hätte die Fragen sicherlich antizipieren können. Da er sich trotzdem blamiert wirkt fast wie einstudiert.
Vielleicht geht es ja in Wahrheit gar nicht um Libra/Calibra, sondern um Bitcoin/Monero
Think about it
Jeanne
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