Aus der Reihe - „Lachende Literaten“ – Auszug aus dem „Handbüchlein für Wühler“ – von Peter Struwwel

in deutsch •  7 years ago 

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Werte Steemis,

aus der Reihe „Lachende Literaten“ und nach all der Schaffenskraft, die ich für euch leiste, muss ich mir eine kurze, erholsame Auszeit gönnen, damit ihr euch in dieser Zeit nicht langweilt, bekommt ihr selbstverständlich, ermunternden Lesestoff geboten.

Heute für euch einen Auszug aus dem - „Handbüchlein für Wühler“ – von Peter Struwwel.

Kritik: ruht – wenn ich ruhe


Heinrich Hoffmann

Handbüchlein für Wühler


Handbüchlein für Wühler oder kurzgefasste Anleitung in wenigen Tagen ein Volksmann zu werden

Auf Vollständigkeit macht diese Blumenlese durchaus keinen Anspruch. Nur ein Strauß ist es, wie er auf dem Wege durch die vier Kapitel gelegentlich zusammengesucht worden ist, wilde Feldblumen, unverkünstelt, aber wahr und frisch.
Nur zwei Bemerkungen glaubt der Verfasser voraussenden zu müssen.

1.) Ein Schlagwort ist ein solches, wo die vorhin erwähnte Clique losschlagen muss.

2.) Alle alten historischen Vorrechte müssen vernichtet werden. Es besteht aber ein solches noch von den Zeiten des Kekrops, des ABC-Erfinders, her, nämlich das Vorrecht des Buchstaben A, immer voranzustehen, und in Folge desselben das Unrecht, welches der Buchstabe Z schon so lange erdulden musste, immer der letzte zu sein. Verfasser hat nun diese Ordnung umgedreht; er hat dadurch gewiss die überzeugendste Probe radikaler Gesinnung gegeben, und zugleich hat er es auf diese Weise endlich dahin gebracht, dass der Zopf einmal vorn hin kommt, und dass der Adel dahin gewiesen wird, wohin er gehört, nämlich ganz nach hinten. Für die Dauer wäre natürlich durch diese Umwälzung auch nichts gebessert, und ein geeigneter Vorschlag zur Vernichtung aller lexikalischen Aristokratie, des ganzen Buchstaben-Adels dürfte es sein, wenn die hohe Reichsversammlung alle vier Wochen, etwa mit ihren Abteilungen, auch die Reihenfolge des Alphabets verlosen wollte. Hierdurch wäre im ABC das Prinzip der Volkssouveränität auf der breitesten demokratischen Basis gewahrt. Möge irgendein Mitglied der radikalen Partei sich diesen Gedanken aneignen!


Wühler.

Definition: Wer den Vorschriften dieses Werkes gemäß handelt, ist einer; daher eine weitere Erklärung eigentlich unnötig. – Die Wühler sind die Erdgengötter der Unterwelt im Gegensatz zu den hochgeborenen Obergöttern, das Unterhaus gegen das Oberhaus, die Volksmänner, die hinaufwollen, gegen die Volksherren, die herunter müssen. Das Ganze läuft also auf das bekannte Kinderspiel hinaus: Wo ist gut Bier feil? und: Verwechselt eure Plätze! Wühler ist ursprünglich ein Schimpfwort; es ist aber jetzt, wie seinerzeit das Brabantische Geusen, ein Ehrentitel geworden. So gut, als man den Staat früher von oben her, von Gottes Gnaden, beglückt hat, kann dies auch einmal von unten her versucht werden. Das Wort ist also mit Stolz auszusprechen.

Volk.

Ein schwer zu definierender Kollektivbegriff. Ich will es aber dennoch versuchen. Eigentlich wäre Volk eine durch Abstammung, Sitte, Geschichte und Sprache verbundene Zahl von menschlichen Erdenbewohnern. Die Unterschiede der Volksstämme sind seit der Zeit der Völkerwanderung nur noch Gegenstand der Spitzfindigkeit. Von den Sitten will ich schweigen. Mit der Geschichte haben wir gebrochen; namentlich die deutsche Rumpelkammer wollen wir gerne verschlossen halten. Es bleibt also nur noch die Sprache. Mit andern Worten, die, welche sich verstehen, sind das Volk. Seht ihr also, wie recht wir haben, wenn wir in einer noch so kleinen sog. Volksversammlung euch zurufen: Wir sind das Volk! Wir verstehen uns, ergo sind wir das Volk. Die andern sind nicht mit uns einverstanden, ergo sind sie nicht das Volk. Uns gehört die Volkssouveränität, uns die Volksrechte. Wir sind der Staat! Punktum!

Verdummung.

Volksredner sprechen viel von der Verdummung des Volkes zum Volke. Kein Mensch nimmt es übel, obgleich es doch eigentlich eine unsägliche Grobheit ist. Jeder denkt dabei vergnügt: Aha, Nachbar! Merkst du was?

Thron.

Definition: Ein sehr unbequemer Sitz heutzutage. – Man spreche nur vom zertrümmerten, oder wenigstens vom erschütterten und wankenden.

Soldaten.

Definition: Individuen, von der Regierung angestellt und besoldet, um vom Volke in seinem Zorn totgeschossen zu werden.

Die Soldaten müssen verschieden beurteilt werden, je nachdem sie stehen. Stehen sie z. B. auf Seiten der Regierung, gegen irgend Unordnungen, Hausdemolierungen, Barrikadenversuche oder gegen ähnliche Volksbelustigungen, so nennt man sie »Soldateska«, »rohe Soldateska« oder in der höchsten Potenz »vertierte Söldlinge«. Auch die Worte »übermütig« und »Brutalität« finden hier Anwendung. Helfen sie dagegen bei dergleichen mit, so heißen sie »Söhne des Vaterlandes, edle Krieger«; den Akt der Vereinigung selbst bezeichnet man mit dem Kunstausdruck »fraternisieren«. So haben bei dem Heckerschen Feldzuge »zwei Söhne des Vaterlandes aus den brutalen Reihen der vertierten Söldlinge mit den Freiheitskämpfern fraternisiert«.

Soziale Bewegung.

Mit diesem Ausdruck lässt sich alles bezeichnen. So z. B. wenn man nachts aus fröhlichen Gelagen aufgeregt durch die Straßen zieht und Laternen einwirft, so ist dies soziale Bewegung. Den meisten Wirtshausprügeleien, namentlich wenn ein Reaktionär hinausgeworfen wird, liegt mehr oder weniger soziale Bewegung zugrunde. Wenn die Leute in schlechten Zeiten bei gesteigerten Bedürfnissen weniger Verdienst haben, so ist die Unzufriedenheit darüber soziale Bewegung, usw.

Russen.

Definition: wilde Menschen mit Pudelmützen und Spießen. – Ein durchaus unentbehrliches Ingredienz einer jeden Rede, die irgend wirken soll. Der östliche Wuwutz darf nie fehlen. Gewöhnlich werden sie mit etwas »Zar« und etwas »Knute« versetzt verabreicht.

Revolution.

Ein auf dem Markte der Welthändel sehr gesuchter, aber auch sehr teurer und kostspieliger Artikel.

Republik.

Eine unverständliche Zauberformel. – Neuerdings versteht man darunter denjenigen Zustand der Dinge, wo jeder befiehlt und keiner gehorcht. Demokratisch-sozial ist die Republik noch überdem, wenn jeder etwas nimmt und keiner etwas behält. Man könnte sie mithin philosophisch als die positive Negation, als den gelösten Widerspruch darstellen; das ist aber am Ende ganz gleichgültig. Die verwirrende Unklarheit des Begriffs bedingt gerade den Hauptreiz. Es liegt etwas Mythisches darin, ähnlich der Unsterblichkeitsahnung, so etwas vom politischen Paradies, vom Schlaraffenland, vom Pfannenkuchenberg des holländischen Märchens. Da fragt auch kein Mensch: wo liegt der? Genug er liegt. Diese Ahnungen haben sich des Volkes bemächtigt, und der Wühler von Profession benutzt sie.

Recht.

Das historische, d. h. selbst das von gestern, gilt gar nichts. Rechtsgrundsätze und Spargeln dürfen keine Nacht überlebt haben. Das Recht muss im Bewusstsein des Volkes wurzeln, da nun aber jeder Mensch sein eigenes Bewusstsein hat, so hat auch jeder sein eigenes Recht, id est Faustrecht. Hier ist die romantische Seite der Gegenwart. Wer das Recht zu erwähnen genötigt ist, tut am besten, wenn er herkömmlicherweise nur von einem »durchlöcherten Rechtsboden« spricht.

Proletarier.

Eigentlich ein ganz unanständiger Ausdruck, und bedeutet jeden, der zwar Erben produziert, aber sonst nichts. Die deutschen Dorfschulmeister gehörten von je in diese Klasse, jetzt rechnet aber auch ein Universitätsprofessor darunter. Hoffentlich ist dies nicht der einzige Vorteil, den das Proletariat in der Revolution errungen hat. Das wäre denn doch verzweifelt wenig!

Polizeistaat.

Auf die Polizei losstürmten zunächst alle Revolutionen, und das erste, was sogleich nach eingetretener Ebbe aus den Wogen auftauchte, war eine neue. So ging es über die Gardes du corps, die Schweizerregimenter, die Gardes municipaux und über das weit verbreitete Geschlecht der Gensdarmen her, und siehe da, es erscheinen die Schutzmänner, als »blaue Eckensteher«, und die Garde urbaine. Mit Taschenspielergeschwindigkeit geht dies; eins, zwei, drei! und die schwarze Katze ist eine weiße geworden. Das Volk hat an der Polizei schon tagelang in einem fort gewürgt, sie fällt, die Empörung braust darüber hin, und sie steht lächelnd wieder auf. Sie ist im konstitutionellen Staate die Verantwortlichkeit der Verantwortlichkeit, nur ist dieselbe gewöhnlich fühlbarer Natur. Die Polizei hat etwas Dämonisches, wie das Galgenmännlein, welches auch nicht von seinem Besitzer wich. Eine kluge Regierung würde immer drei bis vier Anzüge bereithalten zur möglichst schnellen Polizei-Metamorphose. Die ganze Maschinerie wird auch mit dem deutscheren Namen »Bürokratie« bezeichnet; denn Beamtenherrschaft verstände kein Mensch. Wie schön klingt z. B. »die Ausmistung des Augiasstalles des Bürokratentums«!

Pflastersteine.

Definition: ein von Regierungswegen einzig und allein angeschafftes und eigens präpariertes Material, um Barrikaden davon bauen zu können. Omnibus, Fiakres, Kisten, Kasten: Material zu gleichem Zweck, von Privaten geliefert.

Pfaffen und Juden.

Sonderbare Zusammenstellung; noch sonderbarer ist ihr Zusammenhang in Bezug auf deutsche Revolutionsversuche. Mit den ersten hat man vor ein paar Jahren begonnen, mit einer Judenhetze enden (schon nach Börne) die deutschen Emeuten. Gegen jene ziehen die revolutionären Flankier, gegen diese die Marodeurs. Auf beider Geld ist es abgesehen, sie sollen die Zeche bezahlen. Das ist der Anfang und das Ende. Das Volk betrachtet sie als eine Art Sparkasse, deren Einsätze man beliebig einziehen kann. Oder sollen es die Honigkuchen sein, die dem Cerberus »Volk« vorgeworfen werden? Es ist eine Wirtschaft, umgekehrt, wie einst zur Zeit weiland Saturns, der seine eigenen Kinder fraß. Die Pfaffen sind Kinder des Judentums und seiner Hohenpriesterschaft; dafür ließen die Pfaffen früher die Juden auf offenem Markte verbrennen. Die Freiheit der Gegenwart erblühte aus dem Christentum; dafür will die Freiheit nun Juden und Pfaffen, ihre Väter und Großväter, verzehren. – Über den Gebrauch in der Rede des Wühlers nur folgendes. Wenn die Fürsten und Regierungen gehörig verarbeitet sind, und noch Zeit übrig ist, so nehme man die Pfaffen und Klöster vor, und das tüchtig. Die Juden direkt rate ich zu schonen, da viele von ihnen sich als recht gute Wühler bewährt haben. Unter dem Titel »Geldsäcke« werden diejenigen, auf welche es hauptsächlich abgesehen ist, ja ohnedem schon berücksichtigt werden.

Heuler.

Gegensatz zum Wühler. Jeder, der nicht mitwühlt. Synonyme: Bourgeois, Geldsack, Sauerteigpartei, Zentralmichel.

Deutsch.

In diesem Artikel will ich mir nur erlauben, darauf aufmerksam zu machen, welche großen Errungenschaften die deutsche Sprache durch die letzten Bewegungen erworben hat. Den fremden Volksstämmen auf deutschem Boden hat man ihre Nationalität, ihre Sprache verbürgt. Das war meiner Ansicht nach ganz überflüssig. Wir hätten besser getan, uns unsere eigene zu verbürgen. Niemand wird leichter deutscher Staatsbürger als ein fremdes Wort. Was wollen die Polen, Tschechen und Italiener eine vollere Sicherheit verlangen? Solche Errungenschaften sind: Demokrat, Aristokrat, Bürokrat, sozial, radikal, liberal, servil, souverän, Ultra, Barrikade, Bourgeoisie, Proletarier, politisches Renegatentum, Emeute, Reaktion, Zentralgewalt und Hunderte von ähnlichen Einwanderern.

Dachziegel und Flintenkugeln.

Definition: Überzeugungsmittel für Reaktionäre.

Civilliste.

Gehört unter die unnötigen Ausgaben und muss deshalb zuerst vor allem mit einer Luxussteuer belegt werden. Als deutsche Bezeichnung dieser deutschen Sache schlage ich vor: die Fürstenmast.

Bundestag.

Bedeutung: bedeutet gar nichts mehr. – Im Interesse der Wühlkunst muss es allerdings beklagt werden, dass er heimgegangen ist. Er war der Sack, auf den gehauen werden konnte, wenn man den Esel gemeint hatte. Zur Zeit des Vorparlaments starb er; nichtsdestoweniger hieb man auf »die Leiche«. In den ersten Wochen der Nationalversammlung war er »die in Fäulnis übergegangene Leiche«, und es wurde von neuem auf ihn gehauen. Jetzt aber dürfte es schwer, wenigstens unappetitlich sein, weiter auf ihn loszuprügeln; es müsste dies unter dem Titel »des verscharrten Bundestages« oder »der von Würmern zernagten Leiche« oder »des vermoderten Skelettes« oder gar »des Gespenstes des Bundestags« geschehen; Ausdrücke, die hiermit empfohlen werden. Aber doch lassen sich mit diesem unselig Verblichenen noch schöne volksrednerische Experimente anstellen, wie eines der gesinnungstüchtigsten Blätter erst am 22. Juli dieses Jahres beweist, wo wir lesen: »Wenn sonst ein Mann, dessen Stirn sich gefurcht hatte im Gram über die Leiden des Volkes, den ganzen Zorn seines Herzens in den unbehorchten Mauern seines Hauses ausgoss, so sprach er in wilder Verwünschung den Namen ›Bundestag‹. – Wenn ein heimatloser, gehetzter Flüchtling auf fremder Erde, mit dem Bettelstab in der Hand, all sein Unglück in einen grässlichen Fluch aus tiefstem Seelengrunde zusammenpressen wollte, so nannte er knirschend den Namen ›Bundestag‹. – Wenn im dumpfen Kerker ein bleicher gefolterter Demagog, den die Schauer des Wahnsinns schüttelten, an seinen Ketten zerrte und den irren Kopf durch die Gittereisen zwang, so kam von krampfhaft bebenden Lippen der Name: ›Bundestag,‹ – Wie wenn ein Würgengel dahinzieht, wie wenn die vermummten Diener einer geheimnisvollen Feme das Messer in die Türpfosten eines unglücklichen Opfers bei Nächten stoßen, so klingt der Name ›Bundestag‹!«
Ist das nicht allerliebst? Und wie kühn! Ein gutmütiger Teufel ist der Bundestag, er folgt und erscheint auf das »Berlike, Berloke!«, wie sein Bruder dem Kasperle im Puppentheater.

Arm.

Jeder, der mehr haben will, nennt sich heutzutage so. Gebräuchlich ist der Ausdruck: »Schweiß der Armut«; ohne Rücksicht auf das Thermometer auch im Winter anzuwenden.

Arbeiter.

Definition: Solche Leute, die nichts arbeiten wollen, dagegen selbst bearbeitet werden müssen. – Der Wühler braucht ihnen nur Versprechungen zu machen, sie glauben alles. So haben die Schuhmachergesellen für die Ausschließung von Posen unterzeichnet, in der Voraussicht, dass sie dadurch bessere Schlafstätten ohne Wanzen und regelmäßiges Bier zu Tisch erhalten würden. Die Schreiner traten einer Eingabe für Heckers Einberufung bei, weil sie meinten, dadurch würde ihnen bei sechsstündiger Arbeit doppelter Lohn und freies Theater. Von der Arbeiterfrage ist gut reden, nur muss man der Gegenpartei die Antwort zuschieben. Die Organisation der Arbeit beginnt am zweckmäßigsten mit ihrer vollständigsten Desorganisation. Ausgleichung zwischen Kapital und Arbeit heißt man den Zustand, wo nur im Verhältnis der Arbeit bezahlt wird, wo mithin der, welcher gar nichts tut, auch gar nichts zu bezahlen hat. Es ist wahrhaftig nicht so schwer, mit dem Ding ins reine zu kommen, wie viele es sich vorstellen, wenn man es nur richtig anpackt!

Adel.

Definition: Er ist etwas Unbegreifliches, aber Historisches. – Seine Rechte und Privilegien hat ihm die Nationalversammlung jüngst genommen; der Stand, die Kaste ist geblieben. Den leeren Kasten hat man behalten; der Inhalt ist herausgeschmissen. Zu was eine solche halbe Exekution? Soll da gelegentlich wieder etwas Sauberes hineingepackt werden? Soll in das leere Nest irgendein reaktionärer Oberkuckuck sein Ei hineinlegen? Selbst vom biblischen, mithin vom Standpunkt des christlich-germanischen Staates, konnte man dem Adel die Existenz nicht erhalten. Da steht wohl geschrieben, dass unser Herrgott aus Lehm einen bürgerlichen Michel Adam gemacht hat; aber dass noch außerdem ein absonderlicher Herr von Adam etwa aus Porzellanerde geknetet worden sei, davon steht kein Wort da. In diesem Sinne muss von dem Adel gesprochen werden. Gebräuchliche Bezeichnungen sind: Unkraut, Possenspiel, Feudalschlamm, Krebsschäden des Gemeinwohls, Speichellecker der Fürsten, Blutsauger des Volkes, mittelalterliche Schnapphähne. Auf einen verwandten Ausdruck muss ich noch aufmerksam machen, der in keiner gesinnungstüchtigen Rede fehlen darf, nämlich die Kamarilla, das heißt: »die Verschwörung, wo das Gift des Volkstodes gekocht wird«. Eine Rede ohne Kamarilla ist eine Suppe ohne Salz. Das deutsche Volk tut seinen Fürsten nichts; aber möglichst nahe auf den gottesgnädigen Leib möchte es denn doch denselben rücken, und zu dem Ende ist die Kamarilla besser als ein verantwortliches Ministerium. Sie sitzt näher. Beide verhalten sich wie Mantel und Leibrock.

Eilige Nachschrift

Verzeihung, edler Kunstpatriot, angehender Wühler! Beinahe hätte ich, dein Lehrer und Meister, mich einer großen, verräterischen Nachlässigkeit schuldig gemacht. Du hast dir nun alle weisen Lehren wohl gemerkt, alle Kunstgriffe und -kniffe wohl einstudiert und alle Kern- und Kraftwörter wohl memoriert. Du bist aus einem eifrigen Lehrling ein tüchtiger Geselle geworden. Du schnürst nun dein Bündel und willst auf die Wanderschaft, ins Leben hinaus. Ich darf dich aber so nicht hinziehen lassen, ohne irgendeine Warnung, ohne irgendeine Lehre für den Wühler auf Reisen.

Beherzige, was ich dir zurufe! Es ist einfach, aber sehr heilsam. Eins tut Not. Vorsicht! Große Vorsicht! Außerordentlich große Vorsicht! Kommst du an einen Ort, wo sich ausschließlich oder überwiegend doch Heuler befinden, dann hurtig mit dem grauen Hute und seiner krakeligen Hahnenfeder, mit der Bluse, mit den Kniffen, mit den Kraftsprüchen, kurz mit dem ganzen Handwerkszeuge in den Koffer hinein! Mit den Wölfen muss man heulen; hat doch Petrus seinen Herrn und Heiland verleugnet und ist doch der erste Papst geworden. – Und hiermit fahre wohl, du geliebter Sohn, und wühle!
Heinrich Hoffmann (1848)


ENDE


Quelle: https://archive.org/details/bub_gb_e-9LAAAAcAAJ
Quelle: http://gutenberg.spiegel.de/buch/handbuchlein-fur-wuhler-3069/6


Joe C. Whisper

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