51 Emails, 6 Telefonate, unzählige Messungen, eine Fahrt nach Lüneburg und 7 Monate später:
Ich liebe meinen Bus.
Er ist ein Auto, ein Transporter, ein Kiterbulli und seit dem letzten TÜV am 22.12.2016 auch ein Wohnmobil.
Er ist für mich ein Zuhause und ein kleines bisschen Heimat, Heimat zum Mitnehmen. Wenn ich nicht zu Hause bin, egal wo, ich schlafe am liebsten im Bus. Mein Rückzugsort, Schutz und unglaublich gemütlich.
Mein letztes größeres Busprojekt war der Einbau einer Standheizung, eine Planar 4kw Heizung mit Appsteuerung. Herrlich. Warm auf Knopfdruck, warm nach einer herbstlichen Kitesession und vor allem zu jeder Jahreszeit warm genug, dass mein Hund im Bus warten kann. Mein Hund kommt immer mit, mit ihr bin ich komplett.
Die Standheizung wurde 2017 eingebaut und für 2018 gab es den Plan, endlich energietechnisch autark zu werden - eine Solaranlage sollte aufs Dach. Endlich stehen und trotzdem den Kühlschrank betreiben, Handy, Laptop, Kameraladegeräte anschließen. Ich hatte zwar schon eine 80A Aufbaubatterie, die war aber von minderer Qualität und so rüstete ich meinen Bus auf zwei 80A agm Batterien auf. Die Rechnung war einfach: Die Batterien sollten möglichst nicht mehr als 30% entladen werden, mein Kühlschrank läuft nachts auf Strom, tags auf Gas und so passte es ungefähr. Ein T5 hat auch nicht unbegrenzt Platz für jegliche Batteriegröße. Das war die beste Lösung.
Der Beginn einer fast unendlichen Geschichte
Meinen ersten Kontakt zu Wattstunde.de hatte ich im Sommer 2017 beim Kitesurfworldcup auf Fehmarn. Ein anderer Bulli hatte ein ultraflaches Solarmodul auf dem Dach und der Bullibesitzer war sehr zufrieden. Trotz zweier angeschlossener Laptops lud das Modul immer noch die Batterie und die Gesamthöhe des Bullis veränderte sich nicht.
An dem Tag habe ich mich in genau dieses Solarmodul verliebt und wie das mit Verliebten so ist, wird nicht nach links und rechts geschaut. Keine weiteren Recherchen, sondern blindes Vertrauen sollte der Anfang für meine fast unendliche Geschichte werden.
Anfang April ging es los. Erster Kontakt zu Wattstunde.de/Solarkontor.de.
Ich fragte an, welche Modulgröße sie mir bei meinen Wünschen empfehlen könnten. Auf der Internetseite wird für das 150er FX Modul eine Leistung von durchschnittlich 900Wh/d angegeben, ebenso auf dem Produktdatenblatt und Herr B. antwortete mir auf die Frage, warum beim 150er Set und beim 300er (2x 150) jeweils 900Wh/d steht mit: "[...] sodass bei beiden Sets 900Wh/d angegeben wird."
Adam Riese zufolge müssten zwei 150er Module durchschnittlich also 1800Wh/d bringen.
Hier hatte ich 3 Bestätigungen, dass ein 150er FX Solarmodul durchschnittlich 900Wh/d an Leistung erbringt (im Sommer).
Let's do the Math:
Wie kommt man auf durchschnittlich 900? Entweder wenn jedes Ergebnis 900 ist, oder wenn es zwar geringere Werte, dafür aber auch höhere Werte gibt. Habe ich einen Tag 700, muss ich am nächsten Tag 1100 haben. Und so weiter.
Nun hatten wir 2018 einen Megasommer, dauerhaft Sonne, kein Wölkchen, kein Regen, also die perfekten Bedingungen für die versprochenen Durchschnittswerte.
Wer sich den Einbau des Solarsets anschauen möchte, ist herzlich zu meiner Facebookgruppe "Projekt T5" eingeladen.
Nach dem Einbau schaute ich immer mal auf den Solarcomputer und sah einen Ladestrom von 6A mittags, was eine Leistung von 72W bedeutet. Der WP (Wattpeak) wurde mit 150W angegeben, also müsste ich in Spitzenzeiten Werte von 12,5A sehen. Klar ist das die Ausnahme und sicherlich auch nicht erreichbar, aber über 10A müssten doch drin sein, ich will ja am Tag auf 900Wh/d kommen.
Mitte Juni haben wir hier in Schleswig-Holstein 17h Tageslicht, das sollte ja wohl zu schaffen sein. Da ich aber nicht unterwegs war, habe ich die Leistung nicht weiter verfolgt. Das habe ich dann in meinem Sommerurlaub in Kroatien gemacht.
Mitte Juli gibt es dort ungefähr 15h Tageslicht - das müsste ausreichen um auf die Durchschnittswerte zu kommen. Gut, es war heiß, aber das müsste in den Durchschnittswerten ja auch mit einkalkuliert sein. Also wenigstens annähernd an die 900Wh/d müsste ich ja kommen oder vielleicht auch nur 700Wh/d und das als Durchschnitt. Ich erwarte ja keine Wunder, aber ähnlich zum Werbeversprechen müsste die Realität ja aussehen, ansonsten kommt mir das Wort irreführende Werbung in den Kopf:
"[...] Sie darf weder unwahre Angaben noch sonstige zur Täuschung geeignete Angaben enthalten. Diese geschäftliche Handlung muss zudem geeignet sein, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Handlung (Vertragsschluss) zu veranlassen, die er sonst nicht vorgenommen hätte. Auch Irreführung durch Unterlassen von bestimmten Informationen ist unzulässig, § 5a UWG. [...]"
Ich habe ja GENAU DIESES Solarset bestellt, weil mir GENAU DIESE Durchschnittswerte versprochen wurden, dreifach!
Wie sah es bei mir aus? Ich brauche für 8h Kühlschrank 680Wh. Und was sagte meine Solarcomputer als Tagesertrag? - durchschnittlich 450Wh/d
Ich habe jeden Tag beobachtet. Mein Maximalertrag war 610Wh/d, ich hatte häufig Werte zwischen 280 und 400Wh/d und mit Wohlwollen kam ich auf 450Wh/d durchschnittlich. Die Hälfte des Versprochenen.
Und ab jetzt nahm das Drama seinen Lauf:
Erster Anruf aus dem Urlaub bei Wattstunde.de. Ich müsste messen, konnte ich im Urlaub aber nicht, also - improvise, adapt, overcome - immerhin hatte ich Werte und konnte daraufhin meinen Verbrauch regeln.
Nach dem Urlaub habe ich mir direkt ein Multimeter gekauft und angefangen zu messen. Das war Anfang August. Messen bedeutet: Am Solarmodul Kurzschlussstrom und Leerlaufspannung messen, dasselbe unten beim Laderegler und das bedeutet, den Fahrersitz ausbauen. Klar war, dass die Leitung intakt war.
Email von mir, Email zurück, Telefonat mit Herrn B. und da ging es los mit: die 900Wh/d seien Laborwerte, nicht in der Realität zu erreichen - wie bitte? warum schreiben Sie das dann auf die Homepage und in das Datenblatt und in die Email vom Anfang???
Das nächste war, dass durch das Messen weitere Unregelmäßigkeiten auftauchten: Oben erreicht das Modul 95W Power, aber unten kommen nur 55W an Ladeleistung an? War der Laderegler defekt?
Anfang September sollte ich dann noch mal messen und meine Werte dokumentieren. Man glaubte mir offenbar nicht. Weder die Leistung oben am Modul, noch die Ladeleistung. Man versuchte mir zu erklären, dass es dann an der Ladekennlinie läge und der Laderegler erst unter 70% vollen Boost startet und später runter regelt. Man wiegelte ab und unterstellte mir Denkfehler. Aber das alles machte keinen Sinn und so dokumentierte ich:
Zusammenfassung:
Bewölkt habe ich eine Leistungsdifferenz von 12Watt in der I-Phase, mit Sonne habe ich eine Leistungsdifferenz von 58Watt in der U1-Phase ohne Last, schließe ich den Kühlschrank an der 85W zieht, steigt die Solarladeleistung auf 55Watt, eine Leistungsdifferenz von 40Watt (von oben kommen 95Watt).
Und hier das Ganze noch mal als Video:
Inzwischen wurde mein "Fall" an Frau T. übergeben und man reagierte nun immerhin auf meine Messwerte:
"Leider ist nicht nachzuvollziehen, warum Ihr Modul nicht die volle Leistung erzielt."
Man bietet mir an, mir 80€ Rabatt auf dieses Modul zu geben (Leistungen ähnlich eines 110er Moduls), mir zu ermöglichen, ein weiteres Modul zum Selbstkostenpreis zu kaufen oder nach Lüneburg zu fahren und das Modul testen zu lassen.
Moment! Heißt "nicht die volle Leistung" nicht, dass es defekt ist? Müssten sie mir nicht anbieten, es zu tauschen?
Also weniger Geld für ein defektes Teil, was Neues dazu kaufen oder Spritgeld verballern um hin zu fahren? Das fand ich kurz gesagt, blöd. Die sollen mir einfach ein heiles Modul schicken und fertig. Habe ich zwar so nicht gesagt, aber freundlich meinen Unmut geäußert.
Frau T. hatte dann Rücksprache mit den Chefs gehalten und nun hieß es: "Ihr erworbenes Modul ist voll funktionsfähig. Die angegebenen Werte sind reine Laborwerte, welche üblicherweise angegeben werden. Wir geben Ihnen Recht, dass die Angabe des durchschnittlichen Tagesertrages missverständlich dargestellt wird. Wir arbeiten zur Zeit an einer Korrektur der Angabe."
Das Kulanzangebot gelte noch immer.
WTF? Erst kaputt, dann heile und dann rausreden?
Dreimal missverständliche Angaben? Das klingt doch eher nach Täuschung!!! UND: Heute, am 12. November stehen die Angaben immer noch auf der Homepage bei Solarkontor.de und im Produktdatenblatt bei Wattstunde.de. UND: Kein anderer Anbieter gibt solche oder ähnliche Werte an. Das habe ich inzwischen auch ergoogelt!
Die Sache mit der Ladeleistung des Ladereglers hatten sie immer noch nicht verstanden und behaupten nach wie vor, dass es an der Ladephase läge in der der Laderegler runter regelt. "Ein technischer Kollege teilte mir mit, dass es keinen Hinweis auf einen Defekt des Ladereglers gibt." Immerhin konnte ich meine Forderung nach 80€ Rabatt UND ein zweites Modul zum Selbstkostenpreis durchsetzen und bekam dann für 254€ statt 339€ ein zweites Modul plus Y-Stecker. Dass es dann noch Fehler in der Rechnungserstellung (die minus 80€ wurden zunächst vergessen) gab, ist auch nur noch ein Tropfen in das eh schon übergelaufene Fass.
Dann also Abbau des Sets von meinem Dach und nun konnte ich beide Module direkt nebeneinander messen und siehe da: Radikal unterschiedliche Messwerte! Und inzwischen war sogar der Kurzschlussstrom auf 0A runter gegangen. Also völlig defekt. Und da platzte mir die Hutschnur und ich fuhr nach Lüneburg um ihnen den Scheiß vor die Füße zu knallen.
Und über allem schwebte wie immer der Hauch des "Der Kunde ist zu dämlich - die Frau ist zu dämlich." Aber dort angekommen konnte ich klar machen, dass ich das ganze Set NICHT schlecht angebaut habe, dass dort nichts vibriert oder wackelt und BAAAM - selbst ohne Last zeigte sich mit Hilfe einer Wärmebildkamera, dass eine Zelle mittendrin defekt war.
Mein Solarmodul hatte eine defekte Zelle.
Ein neues Modul gab es dann frei Haus - genau das was sie von Anfang an hätten machen sollen!!! Was ist denn mit den Kunden, die nicht einfach mal nach Lüneburg fahren können???
In dem ganzen Wirrwar hatte ich vergessen, das Ladereglerproblem noch mal anzusprechen. Ich hoffte, dass sich das Problem mit dem neuen Solarmodul von alleine auflösen würde. Herr B. versprach mir vorher irgendwann mal, sich an den Hersteller zu wenden, aber ich habe diesbezüglich nie eine Antwort bekommen.
Am 11. August schrieb ich dann selbst eine Email an Votronic, dem Hersteller und dann, am 20.September bekam ich eine Antwort: "[...] aber die PDF-Datei [siehe oben] ist schon hinreichend aussagekräftig. Hier scheint eventuell ein Problem in der Regelung oder in der Kommunikation zwischen MPP und Solar-Computer vorzuliegen. Das von Ihnen beschriebene Blitzen der MPP-LED sollte definitiv nicht bei Solarertrag erfolgen. Ich schlage Ihnen vor, dass Sie uns den MPP-Solarregler und den Solar-Computer S zu einer umfangreichen kostenlosen Überprüfung an unsere Serviceabteilung einsenden."
Wenigstens einer, der sich nicht rausredet.
Alles ausgebaut und ab zu Votronic.
Am 7. November bekam ich meinen Laderegler zurück, mit der Email:
"Hallo Frau Sebastian,
wir konnten einen Defekt in der Laderegelung des MPP 350 Duo Digital aufgrund eines Bauteilfehlers feststellen und beheben. Dieser Fehler erklärt auch das von Ihnen beschriebene Verhalten des Gerätes. [...]"
Fazit:
Ich hatte Recht!
Sowohl mein Solarmodul, als auch mein Laderegler waren defekt.
Nach all den vielen Emails und grauen Haaren die ich eh schon hatte, habe ich nun zwei neue Solarmodule auf mein Dach geklebt und bin im Besitz eines reparierten Ladereglers. Jetzt sollten alle Teile funktionieren und die unendliche Geschichte nach 7 Monaten (ab Kauf) ein Ende gefunden haben. Getestet habe ich es jedoch noch nicht. Ich werde aber berichten.
Und ich werde ebenso darüber berichten, was Wattstunde.de mir antwortet, wenn ich sie über den defekten Laderegler informiere und mal sehen, wann und ob sie meinen Blogg lesen und drauf reagieren.
Wow das ist ja mal der schlechteste Kundenservice den ich je gesehen habe.
Da kann nicht mal die Deutsche Bahn mithalten :D
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So empfand ich das auch und deshalb musste ich drüber schreiben. Danke für den Kommentar!
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Na Prima das ist ja ein toller Beitrag, jetzt weißt du wahrscheinlich wesentlich mehr über Solarmodule, Laderegler und die Werte auf den Datenblättern als der Rest der Bevölkerung.
Schlimm an dem Thema ist das es jede Menge unwissende Händler dieser Bauteile einer Solaranlage gibt weil sie keine Fachleute sind und gar nicht wirklich wissen was sie da verkaufen.
Aber selbst ist der Mann und alles was man auf einem Weg wie du ihn hier beschreibst gelernt hat nimmt dir niemand mehr weg.
mit sonnigen Grüßen aus Andalusien
Don Thomas
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