Von einem Zahnlosen Löwen gefressen? (Das Wolfsbuch)

in deutsch •  6 years ago 

Peter schreibt:

Der harmlose Löwe

Im Frühjahr 1982, gerade mal achtzehn Jahre alt, hielt ich mich in Tunesien auf.
Auf einer siebenmonatigen Reise war ich dort gelandet nachdem ich Ägypten besucht hatte und mir die Einreise in den Sudan nach wochenlangem Warten in Kairo verweigert worden war.
Das Städtchen Tozeur ist ein malerischer Ort im Süden Tunesiens, die Straßen sind bunt von Tausenden von Teppichen die überall vor den Geschäften hängen, und eine seiner Attraktionen ist der Wüstenzoo.
Mit meinem Reisegefährten Thomas Morshäuser brach ich eines Morgens auf, ihn zu besuchen. Der Tourismus in Tunesien steckte damals noch in seinen Anfängen und wir liefen fast allein im Zoo herum. Zunächst schien uns alles etwas enttäuschend, klein und staubig war es, und die wenigen Tiere wurden auf engem Raum gehalten.
Doch spätestens als uns drei Löwenbabys auf dem Weg begegneten, mit uns spielten wie Kätzchen und dabei ihre spitzen Zähne verspielt, aber durchaus schmerzhaft in unsere Waden bohrten, ging uns auf dass dieser Zoo andere Qualitäten besaß. Das wäre einem in einem europäischen Zoo wohl kaum passiert und schon gar nicht was dann geschah. Als wir uns mühsam von den kleinen Wildfängen befreit hatten entdeckten wir das eigentliche Löwengehege. Es war von einem etwa ein Meter hohen Holzzaun umgeben, was mir nicht sehr vertrauenerweckend schien. Ich bin kein Zoologe aber das war klar, wenn der ausgewachsene Löwenmann den ich erblickte über diese Absperrung wollte, so könnte er das. Das war schon ein bisschen beängstigend.
Im hinteren Teil des kaum hundert Quadratmeter messenden Geheges war ein Wärter beschäftigt. Er kam nun, als er von seiner Arbeit aufschaute und mich bemerkte, heran. Er schien mir meine Furcht anzusehen, sicher ein Phänomen dem er an diesem Zaun schon oft begegnet war. Jedenfalls wollte er die scheinbare Sicherheitslücke erklären. Mit Händen und Füßen und Französisch versuchte er mir etwas zu sagen was wohl bedeuten sollte dass der Löwe alt und völlig harmlos sei.
Ich könne ruhig über die Absperrung ins Gehege kommen und ihn streicheln. Naja, ich wollte mich wohl nicht lumpen lassen und schließlich wer würde sich schon vor einem alten, womöglich zahnlosen Löwen fürchten. Also flankte ich beherzt und sportlich in jugendlicher Eleganz über die Absperrung. Damit hatte ich aber wohl den alten harmlosen Löwen erschreckt er ließ ein Brüllen hören, und kam auf mich zu. Erste Zweifel an der Harmlosigkeit des Löwen schienen mir eher bestätigt denn gemildert, als der Wärter beherzt zwischen uns trat und sich dem Löwen gegen die Stirn stemmte und versuchte ihn von mir fernzuhalten.
Ein Narr wer nur in eine Richtung gehen kann! Ich hatte die Lust den Löwen zu streicheln gänzlich verloren und flankte erneut über die Absperrung. Die richtige Entscheidung, der Wärter der Löwe und nicht zuletzt ich waren erleichtert!
Von einem zahnlosen Löwen gefressen zu werden ist sicher auch sehr unangenehm,
und ein bisschen entwürdigend obendrein.
Danach war ich sehr froh und dachte mir, dieses Erlebnis kann ich noch meinen Enkeln erzählen. Nachdem es aber da noch nicht ganz so weit ist, und ich nicht mehr länger warten will hab ich schon mal euch davon berichtet.

Dies ist eine Kurzgeschichte aus dem Wolfsbuch:

    Das Wolfsbuch
    geschrieben von vier Wolfsgenerationen und ihrem Rudel

Was kommt dabei heraus wenn Großeltern, Eltern, Kinder und Kindeskinder sich zusammentun und gemeinsam an einem kreativen Projekt arbeiten?
Eine Sammlung von Kurzgeschichten zu verschiedenen Themen, die abwechselnd von den Familienmitgliedern gestellt wurden. Eine schöner, witziger, trauriger, rührender, einfallsreicher als die andere. Es war toll zu erleben wie wir uns immer wieder selbst übertroffen haben und meist selbst darüber erstaunt waren was wir da Tolles geschrieben haben. Fiktion und wahre Erlebnisse verschmelzen, wenn man in eine andere Rolle schlüpft weiß niemand mehr was wahr ist und was erfunden. Beim Schreiben gibt man viel von sich preis und wir haben uns alle dadurch besser kennengelernt. Der Großvater Günter schreibt von Erlebnissen aus seiner Kindheit im Krieg über die er selten spricht. Auch die Großmutter Lilo packt Geschichten aus ihrem Leben aus, die wir noch nicht kennen. Irene wohnt in einem paradiesischem Ort auf dem Land, lässt dies immer wieder mit einfließen und bestellt ihre Parkplätze beim Universum. Rafael, ins Rudel hineingeheiratet spricht über seine verpasste Chance als Fußballprofi. Heute setzt er große Hoffnungen in seinen neugeborenen Sohn.
Lustig auch, jetzt ein paar Jahre später zu sehen, was sich damals in den Geschichten schon angekündigt hat, was wir selbst noch nicht ahnten. Peter hat nun einen Enkel, dem er seine Erlebnisse erzählen kann, was er sich in einer seiner Geschichten gewünscht hat. Wanja, der damals auf Berufssuche war entschloss sich zu einem Biologiestudium, nachdem er vorher von Löwenzahn, grünen Inseln und einem knorrigen Baum schrieb und in Andreas` Geschichte gleich Wichtiges über Dugongs wusste.
Birke versetzt sich in ihren Geschichten zweimal in die Elternrolle, es sollte gar nicht lange dauern bis ihr Sohn geboren wurde. Der im letzten Kapitel auch fleißig in die Tasten haut.
Andreas fliegt mit seinem Drachen im Wind, mittlerweile hat die Geschichte eine Fortsetzung verdient, den Drachen gibt es nicht mehr, weil er den Kampf mit einer Stromleitung verlor.
Aber viel mehr soll hier auch gar nicht verraten werden.

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Nette Geschichte mit dem Löwen - ich war mal ende der 80er in Tozeur, mein ex Schwager kam aus Zarzis

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