Wie du dir einen Parkplatz beim Universum bestellst

in deutsch •  6 years ago 

Irene schreibt:

Die Zeit, als das Wünschen noch geholfen hat, ist wieder da! Nicht ganz so wie früher, mit Fischen und Feen oder so, die dann Paläste herbei zaubern und wieder verschwinden lassen. Oder wie der Hl. Antonius, der Verlorenes wieder findet. Nein, nichts wiederholt sich eins zu eins; heute ist das Universum höchstpersönlich mit im Spiel und nimmt Bestellungen an. Eine genauere Kenntnis der Spezialgebiete des unsichtbaren übernatürlichen Personals ist damit auch nicht mehr von Nöten: einfach das Universum ist zuständig. Wünsch dir was und du bekommst es: Geld, eine Geliebte, die letzte Konzertkarte für Lang Lang, oder einen Parkplatz. Allein für dieses Versprechen hätte es sich gelohnt, die segensreiche Freigebigkeit des Universums zu entdecken. Alle Personen meines Bekanntenkreises rufen das Universum fast ausschließlich zu diesem Zweck an. Ich auch und mit Erfolg.
Manchmal finde ich es beschämend: Was muss das Universum von uns denken! Haben die keine anderen Sorgen als einen Parkplatz zu bekommen? Bei all dem Elend auf der Welt? Aber, wer weiß, vielleicht ist das Universum ja auch froh, dass es keine schwierigeren Aufgaben zu lösen bekommt. Oder es bekommt sie dauernd im Geheimen und schafft eben doch nicht alles? Die einen wollen dies, die anderen das genaue Gegenteil. Viele dasselbe, das es aber nur einmal gibt. Geld wollen alle; aber woher soll das viele Geld kommen?
Außerdem ist es Fakt, dass du alles was du bekommst auch selbst bestellt hast. Du weißt es nur nicht. Die Katastrophen, die Lebenskrisen – alles bestellt. Das mit dem Parkplatz funktioniert jedenfalls; ich habe es oft und oft ausprobiert.
Aber sich immer nur einen freien Parkplatz zu wünschen – vor allem wenn man auf dem Land wohnt, wo es Parkplätze in Hülle und Fülle gibt – wird schnell uninteressant.
Also suchte ich nach etwas Komplizierterem. Zugegebenermaßen mit dem Hintergedanken, das Universum auch ein wenig auf die Probe zu stellen. Wie gesagt, ich wohne auf dem Land und in meinem Leben passiert wenig Aufregendes. Die gelegentlichen Stadtbesuche sind gewissermaßen die Highlights und gern gehe ich nach der Erledigung meiner Vorhaben im städtischen Park spazieren, dessen Landschaft sich grundlegend von der bäuerlichen Feld-, Wald-, und Wiesenlandschaft meiner Heimat unterscheidet. Ein Park hat etwas Romantisches, in seiner Nutzlosigkeit Nobles an sich, das der von Arbeit geprägten Kulturlandschaft völlig abgeht. Aber das ist ein anderes, ebenfalls weites Feld.
Bei einem meiner Spaziergänge also, im Park der Stadt in deren Nähe ich wohne, genoss ich wieder die fremdartige Atmosphäre der exotischen alten Bäume, die Flamingos im künstlichen See, den japanischen Pavillon. Es war Frühling. Was für eine Pracht! Was für eine betörende Vielfalt! Ich fühlte mich von einer Stimmung verträumter Erhabenheit (die mich leider nicht oft überkommt) getragen und setzte mich auf eine Bank. Vor meinen Satsangtreffen in der Innenstadt hatte ich noch etwas Zeit. Es fehlten nur noch ein paar exotische Tiere, die die Illusion der fremden Welt vervollkommnen würden. Wie wäre es, wenn plötzlich ein Löwe aus dem Gebüsch auftauchen würde, oder ein Gnu, oder eine Giraffe? Nein, ich wünsche mir einen Löwen. Ockerfarben, mit weiter Mähne. Er würde den Kopf langsam nach oben rollen, das gewaltige Maul öffnen und einen Ruf ausstoßen, der den Park erzittern ließ.
Das Universum könnte so einmal beweisen, dass es auch größere Aufgaben zu erfüllen fähig war.
Ich rekapitulierte die Anleitung:
Wünsche dir nur etwas ganz Konkretes.
Konzentriere dich stark auf das gewünschte Objekt und visualisiere es.
Prüfe, ob dir das Objekt auch wirklich wichtig ist.
Übermittle es dem Universum mit deiner ganzen mentalen und psychischen Energie.
Hab Vertrauen. Nur wenn du vertraust, wirst du erfolgreich sein.
Ich prüfte mich: Wollte ich wirklich einen Löwen im Park? Oder doch lieber einen Parkplatz, wenn ich jetzt gleich zum wöchentlichen Treffen der Yogis in die Stadt fuhr? Es war 16.00 Uhr, also noch etwas Zeit bis dahin. Sind zwei Bestellungen kurz hintereinander möglich? Darüber etwas gelesen zu haben erinnerte ich mich nicht.
Ich bestellte den Löwen. Mit all meiner mentalen und psychischen Energie. Zehn Minuten, 20 Minuten, 30 Minuten saß ich und bestellte. Ich visualisierte ihn. Groß und beeindruckend. Der Löwe kam nicht. Dafür kam die Enttäuschung. Es funktioniert doch nicht. Oder aber, womöglich hat jemand eine Gegenbestellung aufgegeben: Wenn bloß kein Löwe hier im Park auftaucht! Lieber Gott, lass keinen Löwen kommen! (Mit diesem Namen fühlt sich das Universum sicher auch angesprochen). Wie auch immer: der Löwe kam nicht. Einigermaßen desillusioniert stand ich auf und verließ langsam den Park, nicht ohne immer wieder zu prüfen, ob nicht doch hinter einem Baum ein Löwe zu erkennen wäre. Es war nicht der Fall. Draußen – der übliche Höllenlärm, Gestank, Chaos, Stoßzeit.
Ich stieg ins Auto und fädelte mich in den Strom ein. Die Bestellung eines Parkplatzes vor dem „Haus der Einkehr“ hatte ich längst losgeschickt, allerdings nicht wie sonst in kindlichem Vertrauen auf ihre zuverlässige Erledigung. Eher mit einem fordernden Nachdruck, als sei das Universum mir einen Beweis schuldig. Vor dem Haus der Einkehr gab es nur wenige Parkplätze und selbstverständlich praktizierten meine Freunde aus der Satsang-Gruppe die Bestelltechnik ebenfalls.
Ich bog in die kleine Straße ein und überprüfte schnell die Lage: Etwas weiter hinten schien ein freier Parkplatz zu sein. Ich war erleichtert – aus praktischen und auch aus spirituellen Gründen. Aber irgendetwas stand da schon. Vielleicht ein Motorrad, oder ein Mini. Ein ockerfarbener Mini?
Ich fuhr näher und sah: auf dem freien Parkplatz saß ein Löwe. Gelassen und majestätisch auf seinem Hinterteil, die Vorderpfoten ordentlich nebeneinander gestellt. Als ich hielt, drehte er den Kopf langsam von links nach rechts, öffnete das Maul weit und brüllte lang und laut. Zur Begrüßung? Zur Warnung? Zu Hilfe, weil er sich verirrt hatte? Sollte er mir den Parkplatz frei halten im Auftrag des Universums? Ich hatte nicht vermutet, dass dieses auch ökonomisch dachte und zwei Bestellungen in eine Lieferung verpackte. Oder lag eine Verwechslung vor: Löwe im Park – Löwe am Parkplatz?
Sicher in meinem Autokäfig eingeschlossen überlegte ich eine Weile. Wieder brüllte der Löwe. Was für ein schönes Tier! Er erhob sich würdevoll, ging auf den Wagen zu und legte die linke Pranke auf die Kühlerhaube. Was sollte ich mit dieser Botschaft anfangen? Aussteigen kam nicht in Frage, kein Satsang heute Abend.
Die Straße war menschenleer. Aus einiger Entfernung war nun ein Martinshorn zu hören, dann ein weiteres, ein drittes. Sie wurden lauter, näherten sich schnell. Es war besser möglichst schnell zu verschwinden, um peinlichen Befragungen auszuweichen: „Haben Sie den Löwen frei gelassen? Oder ihn vielleicht beim Universum bestellt? Was haben Sie sich dabei gedacht? Wissen Sie nicht, dass Bestellungen, die über den Wunsch eines Parkplatzes hinausgehen strafbar sind?“
Ich trat aufs Gas und entfernte mich in die den Martinshornklängen entgegengesetzte Richtung.
Am nächsten Tag las ich in der Zeitung, dass gestern um 16.15 Uhr, als der Wärter zur Fütterung den Löwenkäfig betrat, ein Löwe die Gelegenheit nutzte lautlos durch den Türspalt zu entweichen und sich auf den Weg zur Innenstadt machte.

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    Das Wolfsbuch
    geschrieben von vier Wolfsgenerationen und ihrem Rudel

Was kommt dabei heraus wenn Großeltern, Eltern, Kinder und Kindeskinder sich zusammentun und gemeinsam an einem kreativen Projekt arbeiten?
Eine Sammlung von Kurzgeschichten zu verschiedenen Themen, die abwechselnd von den Familienmitgliedern gestellt wurden. Eine schöner, witziger, trauriger, rührender, einfallsreicher als die andere. Es war toll zu erleben wie wir uns immer wieder selbst übertroffen haben und meist selbst darüber erstaunt waren was wir da Tolles geschrieben haben. Fiktion und wahre Erlebnisse verschmelzen, wenn man in eine andere Rolle schlüpft weiß niemand mehr was wahr ist und was erfunden. Beim Schreiben gibt man viel von sich preis und wir haben uns alle dadurch besser kennengelernt. Der Großvater Günter schreibt von Erlebnissen aus seiner Kindheit im Krieg über die er selten spricht. Auch die Großmutter Lilo packt Geschichten aus ihrem Leben aus, die wir noch nicht kennen. Irene wohnt in einem paradiesischem Ort auf dem Land, lässt dies immer wieder mit einfließen und bestellt ihre Parkplätze beim Universum. Rafael, ins Rudel hineingeheiratet spricht über seine verpasste Chance als Fußballprofi. Heute setzt er große Hoffnungen in seinen neugeborenen Sohn.
Lustig auch, jetzt ein paar Jahre später zu sehen, was sich damals in den Geschichten schon angekündigt hat, was wir selbst noch nicht ahnten. Peter hat nun einen Enkel, dem er seine Erlebnisse erzählen kann, was er sich in einer seiner Geschichten gewünscht hat. Wanja, der damals auf Berufssuche war entschloss sich zu einem Biologiestudium, nachdem er vorher von Löwenzahn, grünen Inseln und einem knorrigen Baum schrieb und in Andreas` Geschichte gleich Wichtiges über Dugongs wusste.
Birke versetzt sich in ihren Geschichten zweimal in die Elternrolle, es sollte gar nicht lange dauern bis ihr Sohn geboren wurde. Der im letzten Kapitel auch fleißig in die Tasten haut.
Andreas fliegt mit seinem Drachen im Wind, mittlerweile hat die Geschichte eine Fortsetzung verdient, den Drachen gibt es nicht mehr, weil er den Kampf mit einer Stromleitung verlor.
Aber viel mehr soll hier auch gar nicht verraten werden.

Viel Spaß beim Stöbern, Blättern, Lesen und Vorlesen der Geschichten!

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