Die Gründung
Wenn eine junge Königin ihre ersten Arbeiterinnen aufzieht, wird das Gründung genannt. Das kann auf sehr unterschiedliche Arten vonstattengehen. Ich persönlich halte eine grobe Einteilung in drei Kategorien sinnvoll:
Claustrale Gründung
Sehr viele Ameisenarten gründen claustral. Das bedeutet, dass die Königin sich in ihrer Gründungskammer einschließt, und mit der Eiablage beginnt. Sobald die Larven geschlüpft sind, werden sie von der Königin gefüttert. Sie sucht allerdings keine Nahrung und braucht auch keine, bis die ersten Arbeiterinnen diese Aufgabe übernehmen können. Denn die Jungkönigin hat genug Reserven in ihrem eigenen Körper: In diesem Artikel habe ich Dir ja schon von der Paarung bei Ameisen berichtet. Es gibt für claustral gründende Arten eine geniale Lösung, wie die Jungkönigin sich während der Gründung nicht unnötig Gefahren aussetzen muss, um Nahrung zu beschaffen: Die nicht mehr benötigte Flugmuskulatur wird einfach abgebaut und in Nahrung für die Larven umgewandelt!
Wenn dann die ersten paar Arbeiterinnen "betriebsbereit" sind, öffnen sie die Gründungskammer, und machen sich vorsichtig auf die Suche nach Nahrung, um das Koloniewachstum am Laufen zu halten. Diese ersten Arbeiterinnen sind ein bisschen kleiner, damit die Reserven der Königin für eine größere Anzahl an Arbeiterinnen reichen. Der Verlust einer Arbeiterin in der Gründungsphase ist auf diese Art nicht ganz so gravierend. Aufgrund ihrer geringen Größe werden diese ersten Arbeiterinnen "Pygmäen" genannt.
Zu den einheimischen claustral gründenden Arten gehören beispielsweise Arten der Gruppen Lasius (L. sensu stricto) ssp., Formica (Serviformica) ssp., einige Temnothorax ssp. usw...
Semiclaustrale Gründung
Wie der Name schon sagt, unterscheidet sich die semiclaustrale Gründung nur wenig von der claustralen. Auch hier sucht sich die Gyne einen geeigneten Neststandort. Allerdings schließt sie sich nicht in ihrer Gründungskammer ein, sondern behält einen Eingang. Denn Königinnen, die semiclaustral gründen, benötigen währenddessen Nahrung, und verlassen gelegentlich ihre Gründungskammer und die Brut.
Die wohl typischste einheimische Art, die semiclaustral gründet, ist Myrmica rubra, die "Rote Gartenameise", seit sie in die USA verschleppt wurde auch "Europäische Feuerameise" genannt. Ihr Stich verursacht leichte, brennende Schmerzen, ist jedoch ungefährlich (außer bei Allergierisko). Bei dieser Art ist Polygynie recht häufig (mehrere Königinnen in einer Kolonie), und oft beteiligen sich diese sogar am Tagesgeschäft.
Sozialparasitäre Gründung
Manche Arten machen das aber ganz anders. Es gibt viele verschiedene Wege, wie sozialparasitäre Arten gründen. Was bei allen gleich ist: Sie benötigen dafür die Kolonie einer anderen Art. Parasitär bedeutet, dass die Wirtskolonie keine Vorteile davon hat. Ganz im Gegenteil, in den meisten Fällen ist die Gründung nicht mit dem längerfristigen Weiterleben der Wirtskolonie vereinbar.
Ich möchte dieses Thema anhand zweier Beispiele erklären:
Lasius (Chthonolasius) ssp.
Chthonolasius ssp. stellen innerhalb der Gattung Lasius (Wegameisen) eine Gruppe dar, die ausschließlich sozialparasitär gründet. Der Paarungs- oder auch Hochzeitsflug läuft "gewöhnlich" ab. Nach der Paarung landet die Königin und befreit sich von ihren Flügeln. Anschließend suchen sie jedoch nicht nach einem geschützten Ort, sondern nach dem Nest einer geeigneten Wirtsart (meist Lasius (L. sensu stricto) ssp., eine weitere, claustral gründende Gruppe, zu der auch Lasius niger, die schwarze Wegameise, gehört).
Die Königin sucht sich zunächst eine Arbeiterin, die sie gefahrlos angreifen und töten kann, und zieht sich zurück.
Königinnen von sozialparasitär gründenden Arten haben zu diesem Zweck oft einen breiteren Kopf mit stärkeren Mandibeln ("Kiefer")! Dies dient dazu, den ganz speziellen Nestduft der Wirtskolonie aufzunehmen. Die Königin reibt sich mit den Duftstoffen der toten Arbeiterin ein, und oft trägt sie sie auch von nun an einfach zwischen den Mandibeln. Langsam nähert sie sich anschließend der Kolonie, und versucht, unbemerkt in das Nest zu gelangen (besser: dort toleriert zu werden). Das muss sehr schnell gehen, denn die Königin ist bei ihrer Versorgung komplett auf Arbeiterinnen angewiesen.
Der nächste Schritt ist das Töten der Wirtskönigin. Anschließend kümmern sich die Arbeiterinnen um die neue Königin, und diese beginnt mit der Eiablage. Sobald die Wirtsameisen in der Unterzahl sind, werden sie getötet, sodass nun die gsamte Kolonie wieder nur einer Art angehört.
Manchmal wird die Wirtskönigin nicht getötet. Dann leben die beiden Königinnen eine Weile getrennt in derselben Kolonie. Irgendwann führt das aber trotzdem zu Aggressionen, und eine der Königinnen stirbt.
Die meisten solcher Gründungsversuche gehen schief. Oft scheitert es schon beim Infiltrieren, sodass die fremde Königin schon am Eingang als solche erkannt und getötet wird. Auch in der Haltung gestaltet sich eine Gründung schwierig, und verläuft in den seltensten Fällen erfolgreich.
Formica (Raptiformica) sanguinea
Da ich selbst eine kleine Kolonie besitze und die Gründung miterleben durfte, möchte ich auch über diese Art noch kurz schreiben. Formica sanguinea (Blutrote Raubameise) stellt mit Polyergus rufescens (Amazonenameise) die zwei einheimischen "Sklavenhalter" dar. Das bedeutet, dass sie in regelmäßigen Abständen Nester von Formica (Serviformica) ssp. (von lat. servus=Sklave) überfallen. Die adulten Tiere werden getötet. Mit der Brut wird jedoch anders verfahren: Eier und Larven dienen meist sofort als Nahrung, während die Puppen mit ins eigene Nest genommen werden. Wenn sie schlüpfen, werden sie einfach in die Kolonie integriert, führen aber meist Aufgaben innerhalb des Nests durch.
Die Gründung kann bei dieser Art sehr unterschiedlich verlaufen. Ich werde aber nur darauf eingehen wie es bei mir vonstatten ging.
Es begann mit dem Fund einer rotschwarzen Königin in einem Wald. Sie hatte noch ihre Flügel, ich konnte also leider nicht sicher gehen, dass sie bereits begattet war. Ziemlich schnell wurde sie für mich im Ameisenforum bestimmt, und ich war überglücklich, dass es sich nicht um eine geschützte Art handelte. Ein User bot mir an, mir Puppen seiner Formica (Serviformica) fusca Kolonie per Post zu schicken.
Quer durch Deutschland waren sie sehr lange unterwegs, in der Zwischenzeit hatte die Königin ihre Flügel abgeworfen. Ich richtete eine kleine Arena ein, und verband sie mit dem Reagenzglasnest. Als die Puppen da waren, verteilte ich sie in der Arena, wie mir geraten worden war.
Nichts passierte, die Königin interessierte sich kein bisschen dafür und lief ziellos in der Arena umher. Schließlich war zu viel Zeit vergangen, als dass die Puppen noch leben könnten. Schade, dachte ich mir. Ich hielt sie aber weiterhin in der Arena, als würde sie nicht zu den staatenbildenden Insekten gehören.
Etwa einen Monat nach dem Fund hatten meine beiden Formica fusca Königin ihre ersten Puppen, aber eine verstarb aus unerklärlichen Gründen. Ich gab ihre Puppen also zu der Formica sanguinea Königin. Wenige Minuten später hatte sie sie auch schon eingesammelt und in das Reagenzglas gebracht. Die Arbeiterinnen "schlüpften", kümmerten sich um die Königin, und schließlich begann diese mit der Eiablage. Erst eineinhalb Monate später standen dann die ersten zweifarbigen Arbeiterinnen auf der Matte, und die Gründung war geglückt!
So, jetzt mach ich aber lieber mal nen Punkt. Ich hoffe das alles halbwegs lesbar ist, ist schon recht spät...
Hier geht's zurück zu Teil 1 dieser Serie, in dem du mehr über das Paarungsverhalten der Ameisen erfährst.
Hier geht's momentan ebenfalls zu Teil 1, aber sobald der nächste Artikel online ist führt der Link zu Teil 3.
Wenn dir der Artikel gefallen hat, würde ich mich sehr über dein Feedback freuen.
Liebe Grüße
Sehr cool - Würde dir mal empfehlen, dir @de-stem anzusehen, könnt sehr sinnvoll für dich und deine Beiträge sein - sofern du noch vorhast, weiters zu solchen Themen zu schreiben!
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Danke für den Tipp, ich schau mir das mal an^^
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Hey!
Bin gerade noch beim Lesen und deine Verlinkung zur Paarung funktioniert leider nicht ;)
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Ohje, danke für den Hinweis, ich werde das gleich beheben :D
Edit: Sollte eigentlich klappen, bei mir funktionierts...
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Sooo! Bin jetzt durch und muss echt gestehen, ich hätte niemals gedacht, dass mich Ameisen so krass interessieren können.. :D
Aber okay, ich liebe einfach Biologie..^^
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Oh, da oben meinst du...
Hab mich drum gekümmert, danke nochmal!
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Perfekt! ;)
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Sehr schöner Artikel. Die Information zu dem Abbau der Flugmuskulatur finde ich sehr interessant. Auch, dass du immer darauf achtest die Gattungs- und Artnamen kursiv zu schreiben ist gut. :)
Schon interessant wie sehr doch diese Gründungen den Sozialstrukturen höherer Tierarten ähneln können. Gerade auch die Art der Raubameisen oder der "sklavenhaltenden" Ameisen. Danke auch für die schöne Beschreibung der Gründung der eigenen Formica sanguinea Kolonie.
Persönliche Anrede mit "[...] habe ich Dir ja schon von der Paarung bei Ameisen berichtet." empfinde ich als etwas fremdartig :p (Wie @luegenbaron bereits erwähnt hat wird der Link kurz zuvor nicht als solcher erkannt.)
"[...] Arbeiterinnen sind ein bisschen kleiner, dafür mehr, damit [...] Statt "dafür mehr" wäre es vllt eindeutiger du würdest schreiben, dass sie ein bisschen kleiner sind, dafür aber in größerer Zahl vorkommen. Wobei größerer Impliziert einen Vergleich mit etwas. Sind sie so zahlreich, dass sie eine vollständige Kolonie in Zahl übertreffen? (die Frage ist rhetorisch)
"Ihr Stich verursacht leichte, brennende Schmerzen [...]" hier finde ich es wichtig das Wort Stich zu ersetzen. Ameisen stechen nicht. Sie nutzen Kieselsäure, die ätzend wirkt. Ihre Beißwerkzeuge würde ich eher als reißend-beißend bezeichnen, denn stechend.
"Der nächste Schritt ist das Töten der Wirstkönigin."<- ein kleiner Typo hat sich eingeschlichen :D
"Beim Fang hatte die Formica snguinea Königin noch ihre Flügel" <- noch ein Typo : p
"[...] und verband si mit dem Reagenzlgasnest." Da fehlt ein e ^^
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Hui, vielen Dank für's Korrekturlesen!
Bezüglich der persönlichen Anrede dachte ich, dies schon öfter hetan zu haben... Werde das ändern und versuchen mich bei den folgenden dran zu halten.
Stimmt, der Satz mit den Pygmäen ist grauenhaft, das werde ich ausführlicher erklären.
Stich ist allerdings richtig, denn Myrmica rubra verfügt tatsächlich über einen Stachel ;) mit den Kiefern halten sie sich fest, stechen zu, und injizieren das Gift. Bist du dir sicher mit der Kieselsäure? Soweit ich weiß enthält Ameisensäure kein Silicium...
Haha, ohje, da unten war ich offenbar schon sehr müde. Danke nochmal für's hinweisen, Schreibfehler in meinen eigenen Texten können nicht geduldet werden ;)
Liebe Grüße
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Hmm, ich finde eine unpersönliche Weise des berichtens für so etwas angenehmer. Aber das mag auch nur meine persönliche Auffassung sein. ;) Beziehungsweise bin ich vllt so im Schreiben meiner Thesis drin, dass ich das so wahrnehme.
Sie besitzen einen Stachel? Ist das eine Besonderheit dieser Art? Wie es scheint ist mein Wissen in dem Bereich erweiterbar, sehr gut. Nun, in Chemie wurde uns der Stoff als Kieselsäure benannt. Selbst Tests an Exkreten von Ameisen habe ich leider nicht durchführen können. Auch wenn mich das mal interessieren würde :D
Die Anzahl der Rechtschreibfehler war ja noch sehr überschaubar. Da gibt es schlimmere.
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Der Stachel ist insofern eine Besonderheit, als er sich bei vielen Ameisen zurückgebildet hat, zum Beispiel bei den Formicinae (Schuppenameisen, zB. Gattungen Formica, Camponotus und Lasius) und Dolichoderinae (Drüsenameisen, soweit ich weiß ist Dolichoderus quadripunctatus der einzige einheimische Vertreter). Einigen Myrmicinae (Knotenameisen), aber natürlich auch vielen anderen, blieb der Stachel aber erhalten ;)
Also wenn ich bei Google "kieselsäure ameisen" eingebe, kommen lauter Bekämpfungstipps...
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Da ist wieder der Beweis, dass man nicht alles glauben sollte, was einem erzählt wird ;) Ich habe auch mal nachgeschaut und das Gift der Ameisen, wenn nicht dem der Bienen und Wespen ähnlich, wird Methansäure oder auch Ameisensäure genannt. Quelle
Wieder was gelernt :p Nun werde ich zumindest kein Unwissen mehr verbreiten. Als Tipp, generell würde ich davon abraten über Google so etwas zu suchen und direkt Google Scholar oder bessere und ordentliche Suchmaschinen verwenden, durch diese sich Paper finden lassen ^^ Da du noch an der Uni bist, solltest du Zugang dazu haben :)
Alleine schon im Wikipedia Artikel zu Ameisen steht, dass sie Stachel verwenden. Mir war nur die Art des Verspritzen von Wehrstoffen bei Ameisen bekannt. Man sollte besser lesen sigh und so etwas nicht kurz neben der Thesisarbeit überfliegen :D
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Ich bin zu faul um mir immer wissenschafltiche Quellen zu suchen... Meistens such ich eine kurze, gute Antwort, und die findet man auf Google scholar eher nicht... Google hat sich bis jetzt ganz gut bewährt, zumindest wenn man dabei nicht gerade den Kopf ausschaltet. Aber du hast Recht, vielleicht wäre eine Quellenangabe in solchen Artikeln nicht so schlecht. Das Problem dabei ist, dass man sich alles nochmal raussuchen muss, was man eh schon weiß. Andererseits stellt sich die Frage, wie du sagst, ob man überhaupt richtig informiert ist.
Meh.
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Ach ja das Dilemma :D
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Hmmm... ist leider schon sieben Tage her, ich kann ihn leider nicht mehr editieren. Naja, hier ist der Link zu Teil 3:
Teil 3 - Leben in der Kolonie
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