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in deutsch •  7 years ago  (edited)

ADHS in der Allgemein-Psychiatrie

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Seit 1999 beschäftige ich mich mit dem Thema Aufmerksamkeits- und Hyperaktivitätsstörungen bei Erwachsenen. Als Klinikarzt natürlich mit dem Blickwinkel, wie häufig ADHS nun bei stationär behandlungsbedürftigen Patientinnen und Patienten vorkommt. Oder anders gefragt : Wie häufig es nicht erkannt und damit nicht behandelt wird.

Natürlich hat ADHS nicht nur etwas mit Störung oder psychischem Leiden zu tun. Aber immer noch wird zu selten bei Patienten mit länger anhaltenden Beeinträchtigungen der beruflichen Teilhabe bzw. mit ständigen psychischen Problemen an das Vorliegen einer ADHS-Konstitution gedacht. Das Ausmaß der "Lücke" hat mich aber selbst sehr überrascht, ja erschrocken. Denn die Konsequenzen müssten gewaltig sein, wenn die Studie denn die Aufmerksamkeit unter den Kliniker erhält, die sie aus meiner Sicht verdient.

Meine Anfänge waren auch im Bereich Borderline-Persönlichkeitsstörungen. Dann Essstörungen wie Binge Eating Störung, Bulimie oder Anorexie. Dann ging es weiter zum Themengebiet "Depressionen" bzw. Erschöpfungssyndrome und Burnout. Aber eben auch Schmerzsyndrome bzw. Fibromyalgie und Somatisierungsstörungen sind dann häufig mit ADHS vergesellschaftet. Logo, das Thema Selbstmedikation im Sinne von ADHS und Sucht spielt eine grosse Rolle. Dabei sind nicht nur die stoffgebundenen Süchte zu beachten, sondern besonders auch Computerspielsucht, Glücksspielabhängigkeit oder auch Kaufsucht.
Und gerade in den letzten Wochen habe ich dann unter meinen Patienten häufiger mit dem Thema ADHS und Angststörungen zu tun gehabt.

Aber eigentlich schauen wir (schaue ich) nicht richtig hin. Denn wenn man erst einmal genauer nachfragt, erkennt man (plötzlich?) weit mehr ADHS-Hinweise als man (ich) dann letztlich diagnostizieren und personell dann gut beraten bzw. behandeln könnte.

ADHS kein Thema in der Psychiatrie ?

Um die vorstellte Studie richtig einordnen zu können, muss man ein wenig die bisherige Realität in der deutschen Psychiatrie kennen und einschätzen können. ADHS bzw. das Hyperkinetische Syndrom ist in etwa so bekannt wie die Kochrezepte von Jamie Oliver in der Personal- und Patientenversorgung. Vielleich that man schon mal davon gehört, aber es betrifft uns ja nicht. Und daher machen wir es so, wie wir es immer schon gemacht haben.

Nun wurde in der Studie untersucht, wie häufig bei stationären Patienten in der Allgemeinpsychiatrie in einer offenen Station in Schleswig-Holstein ADHS im Erwachsenenalter diagnostiziert und hoffentlich auch behandelt werden müsste. Der Mitautor Dr. Arno Deister ist nicht irgendwer. Er ist der amtierende Vorsitzende der Hauptgesellschaft der deutschen Psychiater, der DGPPN. Also die Fachgesellschaft, die ansagt, wo es langgeht. Insofern kann man eigentlich an so einer Veröffentlichung nicht vorbei gehen.

Die Ausgangslage

Bis vor wenigen Jahren bzw. bis in die praktische Gegenwart wurde das Hyperkinetische Syndrom bzw. ADHS als eine Kinderkrankheit bzw. Störung der Kinder- und Jugendpsychiatrie angesehen. Man schätzt, dass zwischen 1 und 6 Prozent der Kinder betroffen sind. 5,3 bis 5,7 Prozent in der Allgemeinbevölkerung im Kindes- Und Jugendalter gilt so als Grössenordnung nicht nur in Deutschland, sondern weltweit.

Soweit, so gut. Schaut man sich Veröffentlichungen an, die sich mit der Häufigkeit von ADHS im Erwachsenenalter im ambulanten Bereich (also niedergelassene Psychologen und Psychiater) beschäftigen, so gehen die Zahlen schon deutlich in die Höhe. So sollen zwischen 15 und 22 Prozent der ambulant behandelten Patienten bei einem niedergelassenen Psychiater eine klinisch relevante ADHS haben. (Wir wissen natürlich, dass diese Zahlen nie und nimmer in Deutschland auch erkannt oder gar genügend Psychiater zur Diagnostik und Therapie vorhanden sind).

Nun gibt es aber bisher kaum Studien, die sich mit der Häufigkeit von ADHS im stationären Bereich beschäftigen. In meiner Zeit in der Saale Klinik in Bad Kösen hiess es, dass in der direkten Nachbarschaft der Burgenlandklinik zumindest für die Psychosomatik-Patieten ein allgemeines Screening für eine Studie gemacht wurde. Das wäre schon echt klasse ! Ich schaffe es zumindest bei "mir" in Wismar noch nicht, wirklich alle Patientinnen und Patienten sinnvoll auf ADHS zu untersuchen. Wie wir nachfolgend sehen werden, wäre das aber drigend zu fordern.

Die derzeit einzig relevante Studie aus dem Bereich der stationären Psychiatrie stammt aus England. Dort wurde mit einem Screening-Instrument bei der Hälfte (also 50 % !!!!) eine ADHS-Symptomatik vermutet. Aber Screening-Instrumente sind häufig problematisch,da die Überlappung zu anderen psychiatrischen Störungen sehr häufig sein werden.

Die Studie

Für die Untersuchung wurden 192 freiwillig aufgenommene Patienten einer Allgemeinpsychiatrie mit dem HASE-Fragebogenset und einem selbst entwickelten Zusatzfragebogen (u.a. zu Fragen wie Schreibaby oder andere Besonderheiten in der Entwicklung) befragt. Einige wenige Patienten verweigerten die Teilnahme, so dass dann 166 Erwachsenen im Durchschnittsalter von ca 39 Jahren eingeschlossen wurde (102 Frauen, 66 Männer).

Nach dem Screening-Fragebogen des HASE-Sets erfolgte dann durch einen Facharzt bzw. Psychologen die Auswerten von einem Selbstbeurteilungbogen bzw dann die Fremdeinschätzung (einschliesslich der WURS-Scala bzw. dem diagnostischen Interview von Wender-Reimherr).Nach dem Score des Selbstbeurteilungsbogens erfolgte dann noch eine Unterteilung in Schweregrade.
Für die weitere Diagnostik von Depressionen wurde u.a. ein BDI-II eingesetzt, für Persönlichkeitsstörungen u.a. eine SKID-II-Diagnostik gemacht. Zusätzlich erfolgte ein d2-Aufmerksamkeitstest (über dessen Sinnhaftigkeit man unterschiedlicher Meinung sein könnte).
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Die Ergebnisse der Studie zur Häufigkeit von ADHS in der Allgemeinpsychiatrie

Von den 166 Probanden, die in die Studie eingeschlossen werden konnten, hatten 98 und damit erstaunlich hohe 59 Prozent eine klinisch relevante ADHS-Symptomatik !

Leichte Störung (Summenwert: 10–19): 11 Patienten (11,2 %);
mittlere Störung (Summenwert: 20–29): 31 Patienten (31,6 %);
schwere Störung (Summenwert≥30): 55 Patienten (56,1%)

72 Prozent der Teilnehmer hatten einen Verwandten 1. Grades mit ADHS !

In dem eigenen Zusatzfragebogen ging es um die Häufigkeit von Geburtskomplikationen, von Entwicklungsbesonderheiten wie Schreibaby oder Stress / Belastungen der Eltern bis hin zu Trennungen bzw. Missbrauchserfahrungen. Auch Teilleistungsstörungen wie Legasthenie und Dyskalkulie waren natürlich deutlich erhöht (etwa ein Viertel). Auch Unfälle bzw. häufigere Kopfverletzungen wurden abgefragt. . Hier gab es Auffälligkeiten in vielen Bereichen, wobei man natürlich schlecht Ursache und Wirkung unterscheiden kann.

ADHS und Depressionen

91 der Patienten mit ADHS hatten depressive Symptome
(92,9 %) bei 65 Patienten schwer
(71,4%), bei 11 mittelgradig (12,1%) und bei 15 leicht(16,5%)). 26
der Patienten hatten einen oder mehrere Suizidversuche durchgeführt

Diese Patienten hatten im Durchschnitt in
ihrem Leben 16,1 depressive Episoden durchlebt.

(Nach meiner Erfahrung sprechen eben so häufige "Depressive Episoden" bzw. eher ein Dauerzustand mit ständig erhöhter Kritikempfindlichkeit und Reizbarkeit für eine ADHS-Konstitution.. Auch Stimmungschwankungen bzw. das Gefühl "Anders als die Anderen" in Hinblick auf Selbststeuerung und Alltagsorganisation zu sein sollten an eine ADHS-Symptomatik denken lassen)

Durchschnittlich fand sich bei den Patienten mit ADHS ein BDI-II-Summenwert
von 34,2 (Bereich der schweren depressiven Störung,
da ≥ 29 mit einer SD von +/- 9,5).

Die Autoren sagen aber selber kritisch, dass halt die Patienten speziell wegen affektiver Störungen (also Depressionen, Bipolare Störungen oder Angst) überhaupt aufgenommen wurden. Das könnte zu einer gewissen Verfälschung der Ergebnisse in Hinblick auf Depressionen führen. An der grundsätzlichen Aussage ändert es nicht.

Das bedeutet, dass praktisch jeder der positiv erkannten ADHS-Erwachsenen in dem Diagnostikinstrument BDI-II eine relevante depressive Symptomatik hatte. (Über die Unterschiede bzw Besonderheiten von "Depressionen" bei ADHS gäbe es natürlich auch noch viel zu schreiben).

ADHS und andere psychiatrische Störungen

Auch andere psychiatrische Störungen bzw. ein Restless-Legs-Syndrom waren deutlich erhöht

Die Patienten mit ADHS
litten häufig an bipolaren Störungen, paranoiden Schizophrenien,
Angststörungen, emotional-instabilen und zwanghaften Persönlichkeitsstörungen,
Teilleistungsstörungen, Nikotinabhängigkeit,
Substanzabhängigkeiten, Substanzmissbräuchen, Restless-legs
Syndromen, Essstörungen und Adipositas

Hier zeigte sich besonders bei der emotional-instabilen Persönlichkeitsstörung (Borderline), aber auch bei der ängstlich-vermeidenden PS und der dependenten Persönlichkeitsstörung eine starke Häufung !

Was heisst das nun eigentlich für die Zukunft im klinischen Bereich der Psychiatrie und Psychosomatik ?

Eigentlich müsste das aber auch für die Zukunft bedeuten : Bei ALLEN Patienten (zumindest) mit Depressionen müsste man eine ADHS-Diagnostik (zumindest aber ein sehr gutes ADHS-Screening) durchführen ! Für meine Klinik hiesse das, dass wir letztlich tatsächlich bei allen Reha-Patientinnen und Patienten eine ADHS-Diagnostik etablieren müssten (wenn denn die Ergebnisse der stationären Psychiatrie auf die stationäre Reha-Psychosomatik zu übertragen wären). Wie ich das dann aber personell bzw. zeitlich bewerkstelligen sollte oder gar eine weitere nachstationäre Behandlung organisieren könnte, weiss ich wirklich nicht... Ein erster Anfang wird wohl ein Screening-Fragebogen für die Teilnehmer meiner wöchentlichen Vorträge zu Depressionen sein können. Aber eine komplette Diagnostik ersetzt das natürlich noch lange nicht.

Letztlich wäre aber erstmal ein komplettes Umdenken unter meinen Berufskollegen im Bereich Psychiatrie und Psychologie zu fordern. Denn wenn man bisher an dem Thema ADHS im Erwachsenenalter so komplett vorbei schauen konnte, wird die Bewertung der Problematik sich nicht innerhalb von wenigen Wochen oder Monaten sondern erst in Jahren verändern. Solange wird aber die Behandlung eben auch noch nicht so sein, dass sich für die Betroffenen mit der Berücksichtigung der ADHS-Konstitution auch wirklich eine nachhaltig andere Erklärung der eigenen Biographie bzw. der lebenslangen Beeinträchtigungen im Bereich des Selbstmanagement und der affektiven Symptomatik ergeben.

Neben einem neuen Störungsbild-Verständnis wären auf Coaching ausgerichtete Therapie-Angebote und natürlich auch eine leitliniengerechte Einbeziehung der Medikation erforderlich.

Quelle : Matthias Miesch, Arno Deister Die Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung (ADHS) in der Erwachsenenpsychiatrie: Erfassung der ADHS-12-Monatsprävalenz, der Risikofaktoren und Komorbidität bei ADHS
Fortschr Neurol Psychiatr
DOI: 10.1055/s-0043-119987

Fotos
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ADHS Dr. Winkler

Ich selber biete im begrenzten Maß eine private ADHS-Ambulanz bzw. auch (Online-)Coaching an. (Kontakt : [email protected])

Daneben habe ich einen ADHS-Blog (http://www.adhsspektrum.wordpress.com) bzw eine dazu gehörige Facebook-Gruppe (ADHSSpektrum Dr. Winkler) zur unabhängigen Information über ADHS und Spektrum-Störungen
. Seit mehreren Jahren biete ich Vorträge und Seminare zum Thema ADHS-Spektrum bei Jugendlichen und Erwachsenen an.

Über eine Unterstützung der ADHS-Arbeit über das Social-Crowdfunding Patreon bzw. auch paypal ([email protected]) freue ich mich, um auch weiterhin unabhängige Informationen bieten zu können.

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Die Zahl ist zu hoch; bei den so genannten Therapieresistenten dürfte sie in etwa hinkommen; bei den Borderlinern und Drehtürpsychiatriespezialisten dürfte sie höher liegen. Ebenso hinkommen könnte sie in der Forensik, im Knast, bei Prostituierten, in den Heimen, bei den zur Adoption Freigegebenen, im Drogen- und Obdachlosenmilieu, so wie unter Fern- und Taxifahrern. Ebenso stimmen dürfte es bei den Ess- und Saufgestörten. Bei den durchschnittlich Gestörten in den Psychiatrien würde ich nicht höher als 20% schätzen. In der Praxis gilt der alte Satz von Dr. Charles Parker: "You can`t treat dopamine related problems with serotonin reuptake inhibitors." Ich, weiß, eine Binsenweisheit, aber eben eine, die sich bis zu den meisten Psychiatern noch nicht rumgesprochen hat. Das Hauptproblem besteht übrigens nicht darin, dass ADHS von Psychiatern grundsätzlich nicht erkannt wird, sondern, darin dass bei einem vorliegenden ADHS auch die Depression nicht erkannt wird. Im günstisten Fall wird eine Anpassungs- oder Persönlichkeitsstörung oder eine Dhystemie angenommen; aufgrund seiner Hyeraktivität erscheint der ADHSler auch dann nicht als klassischer Depressiver, wenn er schon suizidal ist. Das ist ein Phänomen, das ich immer wieder faszinierend finde, dieses: für einen Depressiven können Sie noch zu viel; eine immer wieder erstaunliche Aussage bei Leuten, die in ihrem Leben noch nie was auf die Reihe gekriegt haben. ;-)

Lieber @martinwinkler!

Finde den Artikel echt super spannend. Könntest du vielleicht noch die Studie, um die es geht, verlinken?

Und es wäre vermutlich kein Nachteil für dich, würdest du wissenschaftliche Posts in Zukunft unter Verwendung des #de-stem Tags veröffentlichen. ;-)
Wir voten Wissenschaft und Technik. Falls du uns noch nicht kennst, hier findest du unsere Vorstellung und hier die Richtlinien. Werde den Post auf jeden Fall für eine steemSTEM-vote vorschlagen.

Danke für die Rückmeldung. Ich war mir total sicher, die Quelle mit verlinkt zu haben. Muss ich aber wohl nicht mit kopiert haben. Blöd. Habe ich aber nachgeholt. Danke für den Hinweis, weil so ist der Artikel ja ziemlich sinnfrei bzw. nicht nachzuvollziehen. Der Hinweis auf den #de-stem Tag ist natürlich auch wichtig. Kaum war ich mal ein paar Tage nicht so aktiv, habe ich es vergessen.... Tja... Mein ADHS...

Sehr sehr informativer und vor allem interessanter Beitrag!
Was mir besonders gut gefallen hat, du schreibst leicht verständlich, was in solchen Themen meistens nicht der Fall ist.
Absolut Top!!

Grüße aus Stuttgart
Stefan

Danke für die Blumen :-) Aber ich schreibe ja nun schon länger im Blog bzw. auf Facebook in der Gruppe. Ich hasse es, wenn man Artikel nicht gut lesen kann. Die meisten ADHSler mögen ja Geschwafel bzw. englischsprachige Sachen nicht so...

"...Die meisten ADHSler mögen ja Geschwafel bzw. englischsprachige Sachen nicht so..."

Der Grund für diese leider Tatsache, was englischsprachige Texte und mediale Beiträge angeht und das bei vielen ADHSlern nicht gut ankommt, ist eben auch, dass es viele ADHSler gibt, die Schwierigkeiten mit der englischen Sprache haben.

Ich habe als Jugendlicher und sehr junger Erwachsener mal naiv und blauäugig gedacht, ADHSler seien im Schnitt intelligenter als Nicht-ADHS-Betroffene ... das lag aber daran, dass es in der Praxis von Cordula Neuhaus einen gravierend überdurchschnittlichen Anteil an hochbegabten Kindern und Jugendlichen mit ADHS gab und ich mich von diesem nicht-repräsentativen Ausschnitt damals habe täuschen lassen. Der IQ ist bei ADHS wohl im Schnitt in Wahrheit ziemlich genau 100 (vielleicht sogar leicht darunter, da ADHS ja eine Hirnentwicklungsstörung, die vielleicht bei bestimmten Gen-Mischungen auch in dem Kontext zu Dysfunktionalität führen kann).

Ich habe mittlerweile auch ADHSler en masse erleben dürfen, die im wörtliche Sinne nicht, wie so oft, eher ungebildet (oder zumindest unstrukturiert gebildet) sind, sondern schlicht in ihren kognitiven Kapazitäten beschränkt sind. Hochbegabung schützt bei ADHS nicht mit Garantie vor Anfälligkeit für Verschwörungstheorien und wirre Ansichten, auch nicht vor Kiffer-Dasein und Assi-Sein, jedoch, so bin ich mir sicher, gibt es das bei Hochbegabten mit ADHS wesentlich weniger als bei Personen mit ADHS mit z.B. unterdurchschnittlichem IQ.

Ich habe bei adhs-chaoten diverse in meinen Augen relevante Themen zu ADHS aufgegriffen und eingeführt. Ich musste dort leider immer wieder feststellen, dass die Resonanz zu den meisten dieser Themen dort mit Ausnahme einiger weniger Teilnehmer (die sich im Verlauf meist als intelligent oder sogar hochbegabt herausstellten) sehr beschränkt blieb. Ich führe das auch darauf zurück, dass viele der Foren-Mitglieder dort keinen "mentalen Zugang" zu dem , was ich meinte, zu haben schienen. Auch wurde manchmal sich darüber mokiert, dass der verlinkte Medien-Beitrag ja auf Englisch und damit zu kompliziert sei. Oder dass Videos ja viel besser und einfacher seien (ich finde Videos auch anschaulicher und plastischer, aber ich lese dennoch gerne)... und immer wieder und wieder merkte man, dass die Mehrheit der Teilnehmer sich nicht für die entsprechenden Themen interessierte ( ADHS und Evolution oder ADHS und Konzentrate von ADHS in der Welt oder ADHS im Leistungssport kamen nicht durch gegenüber Themen auf Bild-Zeitungs-Niveau und ich wurde als esoterischer Sonderling diffamiert.

Das Engagement bei adhs-chaoten war so ermüdend, zermürbend und aufreibend und oft wirkungslos (weil ohne Resonanz), dass es körperlich wehtat (nicht nur wegen den unzähligen "Psycho-Wracks" und chronischen Psychiatrie-Patienten bei adhs-chaoten, bei denen man sowieso Gotteslästerung beging, wenn man ADHS nicht als maximal schwere Behinderung akzeptierte). Diesen persönlichen Frust mit der ADHS-Community, den musste ich hier endlich mal loswerden...

Ja in meinem Job habe ich da sehr viel, oder auch vermehrt mit zu tun.... Danke für diesen Grandiosen Beitrag. Upvote und Resteem

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Hier ist noch eine weitere Studie aus dem stationären Bereich aus Norwegen. Da geht es um die Häufigkeit von Komorbiditäten bei Erwachsenen http://bmjopen.bmj.com/content/8/3/e019700

Man muss dazu noch sagen, dass bei einem Geschlechterverhältnis von in Wahrheit 1:1 und einer Persistenz von zumindest einer Restsymptomatik in in Wahrheit 100% der Fälle die Prävalenz von ADHS in Deutschland bis zu 10% der Bevölkerung beträgt.

Natürlich ist ADHS nicht Alles-oder-Nichts, sondern eine dimensionale wie auch eine kategoriale Angelegenheit, d.h. es gibt ganz leichte und ganz schwere Fälle und es gibt auch bei ca. gleichem Schweregrad Unterschiede auch in der Neurobiologie. Zudem KÖNNEN (nicht müssen) FAST alle anderen Störungen der Psychiatrie bei ADHS als Komorbidität vorkommen. Z.B. wird geschätzt, dass mehr als 1/3 der Patienten mit Schizoaffektiver Störung / Schizophrenie ebenfalls ADHS hat, bei Depression, “Burnout”, Borderline, Alkoholismus etc. ist es ähnlich.

Der angeborene Part bei den multifaktoriellen Erklärungsmodellen zur Pathogenese Psychischer Erkrankungen geht auch mehr und mehr zu den Hirnentwicklungsstörungen und ADHS ist die mit Abstand häufigste Hirnentwicklungsstörung aufgrund der evolutionären Vorteile, die ADHS-Gene bzw. mitunter auch phänotypisch manifestes ADHS haben können.

Das Thema Evolution und ADHS fassen folgende Sätze des deutschlandweit führenden Genetikers (und auch einer der weltweit führenden Genetiker) zu ADHS Prof. Klaus-Peter Lesch von der Psychiatrie der Uniklinik Würzburg zusammen:”…Früher vermuteten die Forscher, einige wenige Gene würden ADHS auslösen; doch das trifft, wenn überhaupt, nur auf ganz wenige Familien zu. Für die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung gilt: Vermutlich sind es 500 bis 1000 Gene, die einen – jeweils minimalen – Einfluss auf das Temperament und die Konzentrationsfähigkeit des Menschen haben. Diese sind mithin auch keine Krankheitsgene, vielmehr gehören sie zur natürlichen Ausstattung des Menschen. “ADHS ist ein Extrem einer Persönlichkeitsvariante, das zunächst einmal gar keinen Krankheitswert besitzt”, bestätigt auch Klaus-Peter Lesch. Diese milden Ausprägungsformen von ADHS seien in einem Fünftel der Bevölkerung vorhanden und hätten sich im Laufe der Evolution des Homo sapiens immer wieder als vorteilhaft durchgesetzt. Lesch: “Der hohe Energiepegel, der Enthusiasmus, sich mit einer Sache auseinanderzusetzen, die große Kreativität, die Fähigkeit zum Querdenken und der Gerechtigkeitssinn – all das sind Ressourcen, die für unsere Gesellschaft wichtig sind.” zu finden in dem Artikel des ADHS-Gegners Jörg Blech im Spiegel: http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-99311928.html

Der evolutive Vorteil von ADHS-Genen ist im Ausmaß abhängig von den Umweltbedingungen. So gibt es Länder, Ethnien und Kulturen, die ADHS-Gene und ADHS evolutiv begünstigen (während andere es entsprechend benachteiligen). So erklären sich auch die in Wahrheit weltweit deutlich unterschiedlichen Prävalenzen von ADHS, die macherorts wahrscheinlich ein Mehrfaches der bis zu 10% in Deutschland erreichen. Zusätzlich zum Faktor evolutive Selektion kommt dann bei den ADHS-Prävalenzen noch der Faktor geographische Isolation hinzu, so auch betrffend wahrscheinlich die Inseln bzw. Inselgruppen Island, Kreta und Japan .
Dass die Umweltbedingungen des 21. Jahrhunderts ADHS verstärkt von der Latenz in den sichtbaren Bereich rücken, versteht sich ebenfalls.
So viel zur Evolutionären Anthropologie der ADHS.
Was die Akzeptanz von ADHS erschwert, ist der sperrige Begriff aus 4 Großbuchstaben. Der Begriff “Autismus” (hier noch erwähnenswert: bis zu ca. 50% der Patienten mit Asperger sollen ebenfalls ADHS haben) z.B. ist viel weniger sperrig und flüssiger.
Es wird mitunter von ADHS-Gegnern diverser Couleur argumentiert, dass sich hinter ADHS diverse andere Psychische Störungen verbergen können und es ADHS somit quasi gar nicht gäbe. Die Wahrheit ist viel eher: Hinter FAST allen anderen Diagnosen in der Psychiatrie KANN sich ADHS als kausale oder komorbide Störung verbergen. So auch z.B. die Prognose von Russel Barkley , dem weltweit renommiertesten Wissenschaftler zu ADHS , dass sich das ADHS-Spektrum irgendwann einmal als das zentrale Thema in der Psychiatrie insgesamt herausstellen wird.

Wenn nun argumentiert wird: “Patient X kann gar kein ADHS haben, der will nur Stoff zum Hirndoping” , so sei auf die hiermit ausgeführte hohe Relevanz von ADHS auch gerade quantitativ verwiesen.

zu dem quantitativ bisher dramatisch unterschätzten Blockbuster-Thema ADHS bei Erwachsenen hier noch diese 2 Dokumentationen :

http://www.spiegel.tv/videos/140142-leben-mit-adhs

https://www.zdf.de/dokumentation/3sat-dokus/adhs---ein-leben-lang-100.html

recht anschaulich, zu welchen Problemen ADHS führen kann, ist jedoch auch dieses Video zu einer allseits bekannten Szene aus der Sport-Welt:

auch ziemlich "impressive" ist das, was gerade ein britischer Think Tank zu den volkswirtschaftlich Kosten von unbehandeltem ADHS publiziert hat:

https://www.theguardian.com/society/2018/feb/15/undiagnosed-adult-adhd-could-cost-uk-billions-a-year-report-finds

hier der Link zur Studie auf pubmed, leider mit Zugangsbeschränkung:
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/29490380
Wie sagte doch C. Neuhaus , was Barkley nicht-öffentlich prognostiziert, wonach sich ADHS irgendwann mal als das zentrale Thema in der Psychiatrie herausstellen wird, das für so ziemlich alles dort verantwortlich sein kann...

Ich glaube aber, dass ADHS in der Psychiatrie bzw. Allgemeinpsychaitrie deshalb so häufig ist, weil ADHS die mit Abstand häufigste Hirnentwicklungsstörung ist. Wieso ist ADHS so häufig und die mit Abstand häufigste Hirnentwicklungsstörung? Antwort: Wegen den evolutionären Selektionsvorteilen , die mit ADHS und mit ADHS-Genen einhergehen. Eine Störung, deren verursachende Gene nicht nur Mist , sondern auch positive Aspekte verursachen, ist deshalb umso häufiger. Vergleiche Prävalenzen von ADHS und Autismus-Spektrum-Störungen: ADHS 8%-10% ( in Deutschland) versus ASS 1%-2% , es ist naheliegend, welche Störung bzw. "Störung" bzw. "Konstitution" sich in der Evolution eher durchgesetzt hat. Dass ADHS in manchen Ländern ein mehrfaches so häufig ist, wie in Deutschland ... Ich habe mich in Freiburg mit einer Griechin angefreundet, die ist 37 , wurde mit Anfang 20 ungeplant schwanger, ihre jetzt Teenager-Tochter lebt beim Vater, weil sie krankheitsbedingt (Stichwort Allgemein-Psychiatrie) nicht genügend Kräfte hatte, die Tochter zu erziehen. Hat zweimal ein Jura-Studium abgebrochen. Hatte sofort sie irgendwie vertraut und sympathisch gefunden. Natürlich hat sie ADHS .... nebenbei: griechische Patienten in somatischen und psychiatrischen Krankenhäusern , insbesondere in der Psychiatrie ist da ein Screening auf ADHS obligat und die Zahl knapp 50% hat sich für mich im Verlauf voll bestätigt. Und wieso hat wohl der Varoufakis bei den anderen EU-Politikern immer so angeeckt , natürlich AUCH (aber nicht nur) wegen ADHS , P:

Ich könnte auch genug Beispiele nennen, die in die ADHS-Richtung gehen bzw. da besser erklärbar sind. Aber immer wieder erlebe ich auch, dass dann Mütter von ADHS-Kindern (die bei uns sind) gar nicht selber diagnostiziert werden wollen. Die wollen lieber "Schmerzstörung" bzw. Fibromyalgie als ADHS als Diagnose haben...

...und dann gibt es noch eine 3. Gruppe, nämlich solche, die gar nicht bestreiten, dass sie ADHS haben, die aber dennoch ansonsten ganz und gar nicht mit dem Thema ADHS konfrontiert werden wollen. Gerade erst solch einen Fall erlebt. Meine Kollegin von dem Nebenjob in der Tankstelle, 27 Jahre, äußerlich bildhübsch, aber dennoch immer sehr stark geschminkt (was objektiv nicht notwendig ist), als ich sie etwas genauer kannte, viel es mir plötzlich wie Schuppen von den Augen, was sich da hinter der Maske verbirgt (zum einen äußerlich die Maske, eben Schminke plus ein eigentlich gekünstelter Habitus, der das Impulsive verbergen soll und wohl über längere Jahre verautomatisiert ist), natürlich ADHS. Ich hielt es für eigentlich moralisch geboten, sie auf das Thema ADHS hinzuweisen, auch wenn im Nachhinein der Leidensdruck deutlich geringer zu sein scheint als ich ursprünglich angenommen hatte. Das resultierte dann in einer zwischenmenschlichen Sackgasse und gewissen zwischenmenschlichen Beschädigungen, die ich, so glaube ich, hoffen zu dürfen, ausräumen und kitten konnte. Sie hat nicht mal angezweifelt, dass sie ADHS hat, aber ansonsten bei dem Thema nur zu gemacht... von der Biographie her Paradebeispiel für ADHS, mit katastrophal schlechtem Abschluss oder sogar ohne Abschluss von Hauptschule abgegangen und dann Abi auf dem 2. Bildungsweg nachgeholt, was KJP-Erfahrungen angeht anamnestisch auch kein unbeschriebenes Blatt.
Anderes Beispiel: die Ehefrau meines besten Freundes, Leidensdruck durch ADHS dort größer als Null, aber eher marginal, auch sie hat gar nicht angezweifelt, dass sie ADHS hat, hat aber ansonsten auch rein gar nichts von dem Thema wissen wollen.
Ich wage mal die Hypothese, dass diese 3. Gruppe der ADHS-Betroffenen, die gar nicht anzweifeln, dass sie ADHS haben, aber ansonsten eine Beschäftigung mit ADHS für sich selbst für irrelevant halten (das kann zum einen eine tatsächliche Einschätzung als irrelevant sein, zum anderen aber auch vielleicht oft die Scheu und Angst, dass dadurch alten Wunden wieder aufgerissen werden), vor allem Betroffene sind, die insgesamt relativ gut im Leben stehen, keine sozial isolierten Psycho-Wracks sind, Leute sind, die zwar ihre Probleme haben, aber die ansonsten im Leben insgesamt vorankommen. Dafür kenne ich nun mindestens 3 Beispiele dafür.

Aktuell ein Beitrag in der New York Times über die evolutionären Vorteile und Selektionsvorteile von ADHS abhängig von den Umweltbedingungen :

https://www.nytimes.com/2018/03/17/opinion/sunday/praise-adhd-attention-hyperactivity.html

leider schafft es der Autor dabei nicht, zwischen schwergradigem manifesten ADHS mit Krankheitswert und einer lediglichen ADHS-Konstitution im Sinne einer ADHS-Persönlichkeit ohne allzu schwere Beeinträchtigungen zu differenzieren. Bei letzterem sind Stimulantien wie Methylphenidat nämlich eine notwendige Therapie der 1. Wahl und wichtig. Immer wieder auffallend, dass fast sämtliche humanistischen linksliberalen Leitmedien wie New York Times , The Guardian , Le Monde und in Deutschland Süddeutsche Zeitung zumindest in der Vergangenheit durch ein Unverständnis gegenüber ADHS aufgefallen sind , da kommt dann immer, der böse Kaptalismus und die profit-orientierte Pharmaindustrie seien Schuld an der Mode-Diagnose ADHS . Leider ist es bei ADHS eben nicht die Umwelt , sondern doch die Gene . Was man dann draus macht, da spielt dann natürlich auch die Umwelt eine Rolle , aber das ändert nichts daran, dass man mit ADHS auf die Welt kommt und man auch damit stirbt.

Es gab gerade von der Uni Yale einen interessanten Beitrag zum Thema Normalität. Dazu wollte ich eigentlich einen Steemit-Artikel schreiben. Mal sehen. Ich denke, die NYT bezieht sich auf den gleichen Ansatz. Aber es ging nicht um ADHS dort, sondern eher allgemeiner um Exekutivfunktionen.