ADHS bei Erwachsenen und Gesundheitsrisiken
Eine nicht erkannte bzw. nicht behandelte Aufmerksamkeits- und Hyperaktivitätsstörung (ADHS) stellt ein erhebliches Risiko für die eigene Gesundheit, aber auch die eigene gesellschaftliche Entwicklung dar. Und offensichtlich führen die wirtschaftlichen Folgen dann wiederum dazu, dass man nicht die medizinische bzw. psycho-soziale Betreuung erhält, die eigentlich für die eigene Gesundheit wiederum erforderlich wäre.
Die hier vorgestellte Studie stammt aus den USA, wo sicher die Bedingungen im Gesundheitssystem noch extremer sind.In dieser Studie wird ausgehend von einer dem Befragten bekannten ADHS-Diagnose die Auswirkung auf das Verletzungsrisiko, Gesundheitsfolgen, funktionelle Einschränkungen der Gesundheit bzw. subjektives Gesundheitsempfinden und psychische bzw. psychosoziale Notlagen untersucht.
Und es geht dann u.a. um die Frage, ob überhaupt der Zugang zu einer Diagnostik und multimodalen Therapie für die ADHS-Betroffenen besteht.
Schliesslich nehmen viele Psychiater aus unserer Sicht utopische Summen, wenn man eine ADHS-Diagnose oder Behandlung erhalten möchte bw. müsste. Aber auch bei uns ist ja die Verfügbarkeit von zeitnahen bzw. zielführenden diagnostischen und besonders therapeutischen Angeboten für ältere Jugendliche und Erwachsene aus dem ADHS-Spektrum als keinesfalls ausreichend einzuschätzen.
Daher denke ich, dass die Ergebnisse durchaus auch für Deutschland bzw. den deutschsprachigen Raum eine gewisse Aussagekraft haben.
ADHS hat lebenslange Auswirkungen
Während man früher das Hyperkinetische Syndrom bzw. ADHD als eine kinderpsychiatrische Störung abtat, die sich herauswachsen sollte, wird heute ADHS als eine "lifespan disorder" angesehen, also als eine neurobiologisch bestimmte Entwicklungs- und Verhaltensbesonderheit mit lebenslangen Auswirkungen für die Betroffenen und ihre Familien. Man schätzt, dass bei mindestens 60 Prozent der in der Kindheit diagnostizierten ADHSler krankheitsrelevante Auswirkungen bis in das Erwachsenenalter bestehen.
In den USA sind die Diagnoseraten ja teilweise hoch - möglicherweise sogar schon zu hoch. Wenn 10,2 Prozent der 5-17 jährigen Kinder und Jugendliche bereits einmal eine ADHS-Diagnose zugesprochen bekommen haben, ist das sicher eher am oberen Pol der Schätzungen einer Prävalenz von 5,3 bis 5,7 Prozent. Andererseits heisst das aber noch lange nicht, dass dann auch eine angemessene Behandlung bzw. weitere Begleitung erfolgt.
Dabei ist das fast noch grössere Problem, dass eben die Diagnose ADHS eben in vielen Fällen gar nicht gestellt und damit eine störungsspezifische Behandlung gar nicht erfolgen kann. Dies gilt offenbar immer noch für viele Mädchen mit Symptomen aus dem unaufmerksamen Subtyp von ADHS bzw. dem Sluggish cognitive Tempo-Typ.
Und leider scheint es eben auch so zu sein, dass die Diagnose-Stellung noch lange nicht bedeutet, dass dann auch eine fachgerechte, d.h. leitlinien-orientierte multimodale bzw. multiprofessionelle Behandlung der ADHS- und Begleit- und Folgesymptome erfolgt.
Auswirkungen von unbehandeltem ADHS bei Kindern und Jugendlichen |
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Entwicklungsverzögerungen der Motorik, Koordination, Sprache und soziale Anpassung |
Lern- und Teilleistungsstörungen, Schulversagen |
Ausgrenzung / Isolation von Mitschülern |
Vermehrte Konflikte bzw. Stress in der Familie |
Störungen mit oppositionellem Trotzverhalten / Störungen des Sozialverhaltens |
Problematischer Smartphone / Internet-Konsum bzw. - Abhängigkeit |
Riskantes Sexualverhalten mit sexuell übertragbaren Krankheiten und ungewollten Schwangerschaften |
Vermehrte Unfälle bei riskantem Fahrverhalten |
Vermehrter Nikotin-, Alkohol- und Drogenabusus |
ADHS ist eine lebensverkürzende chronische Erkrankung
Relativ neue Studien belegen, dass ADHS eine lebensverkürzende Erkrankung sein kann, d.h. die Sterblichkeit (Mortalität) ist unter ADHS-Betroffenen höher als unter Menschen einer Kontrollgruppe. Und auch das Auftreten von Unfällen bzw. Unfallfolgen ist ja deutlich erhöht. Nicht zuletzt aus diesen versicherungsmathematischen Gründen ist es ja auch für ADHS-Klienten schwer, eine Lebensversicherung bzw. Unfallversicherungen zu akzeptablen Bedingungen abzuschliessen.
Die Lebensqualität bzw. auch die allgemeine Gesundheit ist genauso stark oder ggf. sogar noch schwerwiegender beeinträchtigt wie es bei sonstigen "chronischen" Erkrankungen wie Diabetes mellitus oder Asthma bronchiale als typische Erkrankungen mit Beginn im Kindes- und Jugendalter der Fall sein dürfte. Dennoch fehlt aus meiner persönlichen Sicht noch ein Problembewusstsein dafür, wie gravierend die Auswirkungen und letztlich auch die gesellschaftlichen Kosten einer nicht zielführend bzw. ausreichend behandelten ADHS-Spektrum-Problematik sind.
Es ist ja ein Trauerspiel, dass die Leitlinien-Entwicklung (geplante Fertigstellung Sommer 2017) quasi in Deutschland widerspiegelt, dass massgebliche Interessengruppen in der Betreuung von Kindern und Jugendlichen aus dem ADHS-Spektrum quasi die blosse Existenz des Problems entweder leugnen oder aber wissenschaftliche Erkenntnisse nicht zur Kenntnis nehmen können / wollen, die sich mit eigenen veralteten Vorstellungen nicht zur Deckung bringen lassen. Wer aber die Existenz von ADHS bzw. die neurobiologischen und neuropsychologischen Grundlagen der Diagnostik und Behandlung nicht akzeptieren kann, wird eben auch keine große Hilfe in der Versorgung der ADHS-Betroffenen sein. Und damit potentiell ebenlangfristigen negativen Auswirkungen für die Betroffenen und ihre Familien mit auslösen.
Wie kommt es zu den negativen gesundheitlichen Auswirkungen ?
Direkte Auswirkungen der ADHS-Symptomatik bzw. Störungen der Impulskontrolle und des Verhaltens aufgrund der ADHS-Konstitution
Zahlreiche Untersuchungen beschäftigen sich damit, dass die ADHS-Konstitution bzw. Störungen im Belohnungssystem bzw. der Impulskontrolle bzw. der inneren Bremse (Behaviorale Inhibition) mit einem erhöhten Risiko für Gesundheitsschädigungen z.B. durch Rauchen, impulsives / ungezügeltes Essen (mit der Auswirkung einer Binge-Eating Störung und / oder Adipositas), Alkohol- und Drogenkonsum, Mangel an Sport bzw. gesundheitsförderlichem Verhalten etc.
Auswirkungen von erhöhtem Stress / psychophyiologischem Anspannungsniveau für die Entwicklung und Verstärkung von psychiatrischen Störungen
Im Prinzip (und in der Praxis) wissen wir, dass ADHS mit einer deutlich gesteigerten Wahrscheinlichkeit für andere / begleitende psychiatrische Störungen verbunden ist. Also neben Depressionen besonders häufig Angststörungen (einschliesslich Sozialer Phobie), Zwangsstörungen, aber ebena auch häufiger Bipolare Störungen (manisch-depressive Störungen), Schizophrenie etc.
Soziale Auswirkungen von ADHS-Spektrum-Störungen
Bisher nicht berücksichtigt ist dann, dass ADHS eben auch zu einer sozialen Ausgrenzung bzw. mangelnden finanziellen Möglichkeiten führt. Dies wird u.a. dazu beitragen, dass das Leben und die Hilfsmöglichkeiten weit schwieriger sind bzw. weniger Unterstützungs- und Veränderungsmöglichkeiten zur Anpassung an die ADHS-Herausforderungen möglich sind. Hier gilt eben leider - gerade in Deuschland, dass Bildung, Arbeit und Ausbildung sehr stark vom Einkommen abhängig ist und soziale Unterstützung bzw. Hilfestellung eben dann nicht allen Bevölkerungsgruppen gleichberechtigt zur Verfügung steht. Salopp ausgedrückt : Gerade die Betroffenen, die am dringensten eine Unterstützung und Therapie benötigen würden, haben die grössten Hürden zu überwinden.
Wenn also ADHS und zusätzliche Lern- und Teilleistungsstörungen zu einer schlechteren Schulkarriere , häufigerem frühen Schulabbruch ohne begabungsadäquatem Schulabschluss bzw. Abbruch von Ausbildungen und häufigeren Kündigungen etc führt, dann werden die Betroffenen über mehrere Generationen eben einen niedrigeren sozio-ökonomischen Status haben, was wiederum zu mehr sozialem Stress bzw. schlechterem Zugang zu den Hilfssystemen führen muss.
Es ist bitter, aber wohl eine Wahrheit : Niedriger Bildungsabschlüsse, Arbeitslosigkeit bzw. ungerade Lebensläufe und niedrigeres Einkommen beeinträchtigen erheblich die eigene Gesundheit bzw. führen zu Tätigkeiten, die mit höheren gesundheitlichen Belastungen und Risiken verbunden sind. Und damit zu mehr Krankheiten, gehäuften Unfällen und früherem Tod.
Was wurde untersucht ?
In der Studie wurden 18 bis 65 jährige Amerikaner in einer Gesundheitsbefragung interviewt, insgesamt wurden über 19000 Betroffene einbezogen
U.a. wurde gefragt, ob ein Unfallereignis in den letzten 3 Monaten vorgefallen ist (Ja / Nein)
Dann wurde nach Gesundheitsproblemen, speziell Bluthochdruck, Herzerkrankungen, Schlaganfall, Lungenerkrankungen, Astma / COPD bzw. Emphysem gefragt.
Der 3. Bereich bezog sich auf funktionelle Auswirkungen hinsichtlich Mobilität / Selbstständigkeit im Leben. Das bezieht sich darauf, ob man ohne Hilfe selber Gehen, Stehen, Sitzen kann, Arbeiten im Knien oder Bücken oder andere Einschränkungen der Mobilität bestehen.
Dann wurde nach einer subjektiven Einschätzung des eigenen Gesundheitszustandes gefragt
Last but not least ging es dann um die psychische Belastung. Hier wurde ein Fragebogen (K6) eingesetzt, der psychosoziale Belastungen bzw. psychischen Stress abbilden sollte.
Diese Daten wurden dann in Beziehung zu bekannten psychiatrischen Diagosen wie Bipolare Störung, Schizophrenie bzw. Suchtverhalten und sozio-ökonomischem Status gesetzt.
Was sind die Ergebnisse bzw. Auswirkungen von ADHS auf Gesundheit und sozio-ökonomischem Status ?
Erhöhtes Unfallrisiko
Eigentlich ist es ja schon bekannt, dass ADHSler häufiger Unfälle haben bzw. in den Notaufnahmen Stammgast sind. Dies zeigte sich auch in der Untersuchung, da etwa 8,2 Prozent in den letzten 3 Monaten ein Unfallereignis hatten, dagegen nur 2,6 Prozent der Kontrollgruppe).
Körperliche Begleiterkrankungen
Auch Herzkreislauferkrankungen bzw. Lungenerkrankungen waren in der ADHS-Gruppe leicht erhöht (möglicherweise gibt es hier einen Zusammenhang zum Rauchen ?), auch wenn die Unterschiede nun nicht so riesig sind (15,8 Prozent in der ADHS-Gruppe, 12,2 Prozent in der Kontrollgruppe)
Funktionelle Auswirkungen
Hier waren deutlich stärkere Auswirkungen auf die Mobilität bzw. Teilhabe im Leben zu finden (42 Prozent, versus 26 Prozent). Hier müsste man nochmal genauer schauen, wie genau diese Einschränkungen der Teilhabe eigentlich zu verstehen sind. Dazu sagt die Studie aus meiner Sicht so wenig aus
Subjektiver Gesundheitszustand
ADHSler schätzten in der Untersuchung ihren eigenen Gesundheitszustand deutlich schlechter ein (20,4 berichteten von einem miesen Gesundheitszustand, im Vergleich zu 11 Prozent der Nicht-ADHSler)
Psychosozialer Stress
Während unter 3 Prozent der Kontroll-Gruppe unter psychischem Stress klagten, waren es 4 mal so viele ADHSler (11,8)
Psychiatrische Erkrankungen und ADHS
Im Vergleich zu Nicht-Adhslern weisen ADHS-Betroffene im Erwachsenenalter ein deutlich erhöhtes Risiko für Bipolare Störungen (12,4 % gegenüber 1,8 %). Dabei bin ich persönlich mir nicht sicher, ob da eine saubere Trennung zur affektiven Labilität bzw. Stimmungsschwankungen bei ADHS vorgenommen werden konnte. Aber auch Psychosen/Manien sind deutlich erhöht (6,3 versus 0,6) und auch eine diagnostizierte Schizophrenie ist stark erhöht (4,0 gegenüber 0,6 in der Kontrollgruppe ohne ADHS).
Suchtverhalten / Selbstmedikation bei ADHS
ADHS-Klienten in der Untersuchung waren fast doppelt so häufig Raucher (44 versus 22 Prozent) (was man ja als eine ungünstige Form der Selbstmedikation eines Dopamin-Mangels verstehen könnte) bzw. wiesen ein problematisches Alkoholverhalten auf.
Armutsrisiko und ADHS
In der Studie zeigte sich dann auch, dass die soziale Lage von ADHSlern deutlich schlechter als in der Kontrollgruppe war. Viele ADHSler waren entweder nie verheiratet bzw. in einer festen Beziehung oder aber geschieden. Sie waren häufiger arbeitslos bzw. eben aktuell nicht in einem festen Job. Daraus resultieren erhebliche finanzielle Probleme, so dass sie sich eben auch häufig überhaupt keine regelmässige medizinische Krankenversicherung bzw. Zugang zu medizinischen und psychotherapeutischen Hilfsangeboten oder auch nur einer ADHS-Medikation leisten konnten.
Somit verstärken sich die Auswirkungen von ADHS über das Leben bzw. werden eben auch für die folgenden Generationen zu Auswirkungen führen, da ADHS-Kinder dann eben auch wiederum nicht Zugang zu medizinischen und psychotherapeutischen Hilfen oder einer gezielten Förderung von Lern- und Teilleistungsstörungen haben werden. Der Teufelskreis von ADHS und ADHS-Folgestörungen wird also immer weiter fortgesetzt.
Quelle : Self reported ADHD and Adult Health in the United States DOI: 10.1177/1087054718757648
Hallo Martin,
ich finde deine Beiträge immer sehr interessant und informativ.
Ich würde mir allerdings auch wünschen, dass das Wort "kann" integriert wäre. Das würde meiner Meinung nach der Wahrheit näher kommen.
Das ist mir doch zu sehr in Stein gemeisselt. 😉
LG Monja
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Jein. So viele Stein-Meissel habe ich ja gar nicht. Aber natürlich "könnte" man "könnte" schreiben. Aber in diesem Fall ging es eben auch darum, die klinische und gesellschaftliche Relevanz von ADHS mal auf den Punkt zu bringen. Da darf es dann schon eine Schippe "ernster" bzw. dramatischer sein...
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Ich verstehe auf jeden Fall deine Beweggründe, manchmal muss man´s mal mit dem Zaunpfahl sagen.
Ich bin da einfach ein bisschen vorsichtig und auch empfindlich geworden, seit mit klar ist welche Macht Worte haben. Vor allem im therapeutischen und klinischen Kontext.
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Ganz sicher richtig. Wenn man aber jedes meiner Worte auf die berühmte Goldwaage legen will, werde ich schlecht abschneiden. Aber ein wenig Aufrüttelung und Hinweise auf die krankheitswertige Seite der Problematik finde ich wichtig. Auch wenn ich ADHS selber nicht zwingend als Krankheit verstehe.
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Ich bin da voll bei dir. Es ist gut wenn über ADHS aufgeklärt wird.
Wichtig finde ich, dass Klarheit über ADHS entsteht. Die Diagnosen werden heute meiner Meinung und Erfahrung nach ein bisschen zu vorschnell getroffen.
Was ich sehr schön finde und mich positiv stimmt ist, dass du als Mediziner (Das hab ich doch richtig verstanden, oder) sagst, dass ADHS nicht zwingend eine Krankheit ist.
Danke für deine Antworten auf meine Kommentare.
Ich bin gespannt auf deine nächsten Artikel!
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Ob ADHS ein Krankheit ist, ist abhängig von Schweregrad, Sozialisation und etwaigen primären Komorbiditäten (primäre Komorbiditäten meint hier das, was von Geburt an komorbid vorhanden war, so hatte z.B. Kurt Cobain ADHS und komorbid von Geburt an eine Bipolare Störung ). Bei ADHS-Betroffenen, die in Großstädten des 21. Jahrhunderts mit Smartphone und Cyber-Mobbing sozialisiert werden, liegt sehr oft natürlich eine problematischere Sozialisation vor, als es z.B. bei jemandem war, der als englischer Aristokrat auf einem Landsitz im 19. Jahrhundert aufgewachsen ist...
ausführlicher zu der Frage, wann ADHS eine Krankheit ist und sein kann: https://adhs-chaoten.net/ads-adhs-erwachsenen/52342-ad-h-s-krankheitswert.html
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Dass die neuen Leitlinien für ADHS in Deutschland eher suboptimal ausfallen würden, das musste man wohl erwarten. Die Waffe der ADHS-Lobby in Deutschland und weltweit schlechthin ist die Freiheit des Internets - und die kann die institutionalisierte ADHS-Gegnerschaft nicht kontrollieren. Weltweit und in Deutschland ist die Berichterstattung über ADHS bei Erwachsenen und insbesonderen bei Frauen gerade am Kippen - und zwar zum Positiven. ADHS wird von Mexiko bis Spanien, Deutschland über jetzt immer mehr auch Osteuropa, unter anderem aktuell Rumänien , Polen , Tschechien bis nach Nah-Ost und bis nach Thailand , Indonesien und Indien immer präsenter in der medialen Berichterstattung. Man hat bei Medien-Schaffenden weltweit die riesige Dimension der mit ADHS Betroffenen als Zielgruppe erkannt und als Markt entdeckt. Kurzum: wenn bei ICD-11 für ADHS keine Katastrophe passiert und dort das schlechtest mögliche Szenario an ADHS-Diagnosekriterien niedergeschrieben wird, dann ist der Zug nicht aufzuhalten und Wir!, die ADHS-Betroffenen dieser Welt, wir haben gesiegt! Schlechte Leitlinien für ADHS können den Zug nur bremsen, aber sie können ihn nicht aufhalten. Ich träume davon, wie in 10 bis 20 Jahren ehemalige und irrende ADHS-Gegner in ihren Lebenslügen entlarvt und bloßgestellt werden. Wie gesagt, der Zug lässt sich nur bremsen, aber nicht aufhalten (auch nicht längerfristig durch ein katastrophales ICD-11). Die einzige Möglichkeit, die weltweite ADHS-Bewegung weltweit zu stoppen, wäre, die Erfindung des Internets rückgängig zu machen. Und Internet-Zensur à la China wird in mindestens 50% der Staaten der Erde nicht durchsetzbar sein...
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Ich sehe das so: mit ADHS in der Psychiatrie verhält es sich so wie mit der Nutzung von Pornoseiten im Internet. Beides ist der große, blaue Elefant mitten im Raum , den irgendwo jeder sieht bzw. dessen Präsenz fühlt, aber keiner redet darüber und will was damit zu tun haben.
Im Übrigen sind ca. 70% gerade auch der Psychiater in Deutschland ignorant bezüglich ADHS. Unterdiagnostik und das Nicht-Erkennen von ADHS geschehen dort massenhaft. Die Anzahl tatsächlich kompetenter Spezialisten für ADHS (die in den meisten Fällen übrigens mehr oder weniger ausgeprägt selbst ADHS haben) ist leider mehr als überschaubar. Zusätzlich kommt nichts nach, um die alten Hasen und ADHS-Pioniere, die zusehends in den Ruhestand gehen oder aus anderen Gründen, z.B. dem systematischen Mobbing gegen niedergelassene ADHS-Therapeuten durch die institutionalisierte ADHS-Gegnerschaft, aus der Versorgung der ADHS-Patienten ausscheiden, zu ersetzen.
Ich habe selbst Medizin studiert und habe in der Universitätspsychiatrie 4 Monate Praktisches Jahr absolviert. Der Oberarzt meiner Station sagte dort in einem Seminar gegenüber uns Studenten:”…Ich möchte mich bei der Gelegenheit outen als ADHS-Gegner…”…das war übrigens diejenige Universitäts-Psychiatrie, die ansonsten als das ADHS-Zentrum schlechthin in Deutschland gilt. Und selbst dort sieht sich ein Teil der Ärzte als “ADHS-Gegner”…die deutliche Mehrheit der Psychiater in Deutschland dürfte diese Einstellung zu ADHS haben. Bei ca. 4 Millionen Erwachsenen mit ADHS in Deutschland (und das noch gemäß der “konservativen Diagnosekriterien gemäß ICD-10) dürfte riesiger Bedarf für die fachärztliche Betreuung von ADHS-Patienten bestehen und die bisher (Stand 2016) mit ADHS diagnostizierten Erwachsenen dürften sicher nur die Spitze des Eisbergs darstellen. Leider beißen die Betroffenen bei überwiegend ignoranten und übrigens unethisch (und zwar so gar nicht gemäß Hippokratischem Eid bzw. Genfer Gelöbnis) handelnden Ärzten meistens nur auf Granit und erfahren gerade von dieser gesellschaftliche Gruppe noch stärkere Ablehnung bis hin zu offener Feindschaft, als dies für die Gesellschaft insgesamt gilt. Zeit, mal ein bischen Radau zu machen.
Man muss dazu noch sagen, dass bei einem Geschlechterverhältnis von in Wahrheit 1:1 und einer Persistenz von zumindest einer Restsymptomatik in in Wahrheit 100% der Fälle die Prävalenz von ADHS in Deutschland bis zu 10% der Bevölkerung beträgt.
Natürlich ist ADHS nicht Alles-oder-Nichts, sondern eine dimensionale wie auch eine kategoriale Angelegenheit, d.h. es gibt ganz leichte und ganz schwere Fälle und es gibt auch bei ca. gleichem Schweregrad Unterschiede auch in der Neurobiologie. Zudem KÖNNEN (nicht müssen) FAST alle anderen Störungen der Psychiatrie bei ADHS als Komorbidität vorkommen. Z.B. wird geschätzt, dass mehr als 1/3 der Patienten mit Schizoaffektiver Störung / Schizophrenie ebenfalls ADHS hat, bei Depression, “Burnout”, Borderline, Alkoholismus etc. ist es ähnlich.
Der angeborene Part bei den multifaktoriellen Erklärungsmodellen zur Pathogenese Psychischer Erkrankungen geht auch mehr und mehr zu den Hirnentwicklungsstörungen und ADHS ist die mit Abstand häufigste Hirnentwicklungsstörung aufgrund der evolutionären Vorteile, die ADHS-Gene bzw. mitunter auch phänotypisch manifestes ADHS haben können.
Das Thema Evolution und ADHS fassen folgende Sätze des deutschlandweit führenden Genetikers (und auch einer der weltweit führenden Genetiker) zu ADHS Prof. Klaus-Peter Lesch von der Psychiatrie der Uniklinik Würzburg zusammen:”…Früher vermuteten die Forscher, einige wenige Gene würden ADHS auslösen; doch das trifft, wenn überhaupt, nur auf ganz wenige Familien zu. Für die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung gilt: Vermutlich sind es 500 bis 1000 Gene, die einen – jeweils minimalen – Einfluss auf das Temperament und die Konzentrationsfähigkeit des Menschen haben. Diese sind mithin auch keine Krankheitsgene, vielmehr gehören sie zur natürlichen Ausstattung des Menschen. “ADHS ist ein Extrem einer Persönlichkeitsvariante, das zunächst einmal gar keinen Krankheitswert besitzt”, bestätigt auch Klaus-Peter Lesch. Diese milden Ausprägungsformen von ADHS seien in einem Fünftel der Bevölkerung vorhanden und hätten sich im Laufe der Evolution des Homo sapiens immer wieder als vorteilhaft durchgesetzt. Lesch: “Der hohe Energiepegel, der Enthusiasmus, sich mit einer Sache auseinanderzusetzen, die große Kreativität, die Fähigkeit zum Querdenken und der Gerechtigkeitssinn – all das sind Ressourcen, die für unsere Gesellschaft wichtig sind.” zu finden in dem Artikel des ADHS-Gegners Jörg Blech im Spiegel: http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-99311928.html
Der evolutive Vorteil von ADHS-Genen ist im Ausmaß abhängig von den Umweltbedingungen. So gibt es Länder, Ethnien und Kulturen, die ADHS-Gene und ADHS evolutiv begünstigen (während andere es entsprechend benachteiligen). So erklären sich auch die in Wahrheit weltweit deutlich unterschiedlichen Prävalenzen von ADHS, die macherorts wahrscheinlich ein Mehrfaches der bis zu 10% in Deutschland erreichen. Zusätzlich zum Faktor evolutive Selektion kommt dann bei den ADHS-Prävalenzen noch der Faktor geographische Isolation hinzu, so auch betrffend wahrscheinlich die Inseln bzw. Inselgruppen Island, Kreta und Japan .
Dass die Umweltbedingungen des 21. Jahrhunderts ADHS verstärkt von der Latenz in den sichtbaren Bereich rücken, versteht sich ebenfalls.
So viel zur Evolutionären Anthropologie der ADHS.
Was die Akzeptanz von ADHS erschwert, ist der sperrige Begriff aus 4 Großbuchstaben. Der Begriff “Autismus” (hier noch erwähnenswert: bis zu ca. 50% der Patienten mit Asperger sollen ebenfalls ADHS haben) z.B. ist viel weniger sperrig und flüssiger.
Es wird mitunter von ADHS-Gegnern diverser Couleur argumentiert, dass sich hinter ADHS diverse andere Psychische Störungen verbergen können und es ADHS somit quasi gar nicht gäbe. Die Wahrheit ist viel eher: Hinter FAST allen anderen Diagnosen in der Psychiatrie KANN sich ADHS als kausale oder komorbide Störung verbergen. So auch z.B. die Prognose von Russel Barkley , dem weltweit renommiertesten Wissenschaftler zu ADHS , dass sich das ADHS-Spektrum irgendwann einmal als das zentrale Thema in der Psychiatrie insgesamt herausstellen wird.
Wenn nun argumentiert wird: “Patient X kann gar kein ADHS haben, der will nur Stoff zum Hirndoping” , so sei auf die hiermit ausgeführte hohe Relevanz von ADHS auch gerade quantitativ verwiesen.
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Nicht aufgeführt an den möglichen negativen Folgen einer unerkannten und unbehandelten ADHS hat Herr Winkler hier.
zu den gesellschaftlichen Kosten von unbehandeltem ADHS ist aktuell dieser Bericht von "The Guardian" bemerkenswert:
https://www.theguardian.com/society/2018/feb/15/undiagnosed-adult-adhd-could-cost-uk-billions-a-year-report-finds
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und last but not least: suboptimale Haushaltsführung , dabei kann auch ADHS eine Rolle spielen , wir kennen solche Beispiele seit 3-5 Jahren von entsprechenden Communities unter anderen in Duisburg-Marxloh mit häufigen Beschwerden von Anwohnern über unstrukturierte Müllentsorgung und quasi anarchische Wohnverhältnisse:
http://www.dailymail.co.uk/news/article-2486333/Kosice-won-51million-grants-named-Europes-Capital-Culture--thousands-Roma-children-living-slums.html
da kommt dann ganz schnell "Rassist!" , ich weise das klar zurück, ich bin kein Rassist und das fällt für mich unter Meinungsfreiheit , hier ADHS zu nennen...
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Man kann das natürlich auch rein sozioökonomisch bedingte Verwahrlosung nennen, das Ausmaß der "Anarchie" , "Unordnung" und "Verwahrlosung" ist dort aber so auffallend, dass in meinen Augen da noch ein anderer Faktor eine Rolle spielen muss, nämlich eine extrem hohe Dichte von Menschen mit ADHS :
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Es wäre schon toll wenn sich die gesellschaftliche Ansicht zu ADHS verändern würde.Als Betroffener erschwert jedes Belächeln der ganzen Thematik ADHS das Leben und verursacht bei vielen zusätzlich unnötigen Leidensdruck.
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