Matthias Robertz
Reiten- Leben pur
Ich danke meinen Kindern Julia und Jeremia für ihr Sein
und
Rouge et Noir für die vielen Stunden, in denen er mich hat fühlen lassen, was Leben ist.
Außerdem, den vielen anderen Pferden, denen ich begegnet bin, und die mir viel beigebracht haben.
Einleitung
Als ich zu reiten begann, war ich schon erwachsen, oder besser gesagt ich war mit meinem Körperwachstum im herkömmlichen Sinne fertig. Das Erwachsensein nicht mit dem Ende der Pubertät erreicht ist, war mir schon sehr früh im Leben klar geworden.
Die ersten Jahre, in denen ich mit Pferden umging, lebte mein Vater noch. Er hatte Ende der 60er Jahre Pferde angeschafft, und war von dem Zeitpunkt an nur im Stall oder auf Turnieren. Wir Kinder sahen ihn von da an selten. Ich habe meinen Vater wahrscheinlich nie richtig kennen gelernt. Wenn ich ihn erlebt habe, war er autoritär, unbeherrscht und angsteinflößend. Er war für mich unberechenbar, und ich war daher in ständiger Angst und Achtsamkeit. Wusste ich ja nicht, was der Tag und sein nächster Gefühlsausbruch bringen würde.
Es muss eine große Sehnsucht in mir gewesen sein, die mich, trotz dieser Umstände, die letzen Jahre seines Lebens mit ihm verband. Irgend eine Instanz in mir führte mich zu ihm. Meine Sensibilität war zu dieser Zeit schon so weit gereift, dass ich eine Veränderung an ihm entdeckt hatte. Später stellte sich heraus, dass er an Krebs erkrankt war. War es seine schwindende Egokraft, die mir den Weg zu den Pferden frei machte? Ich empfinde es so.
Dieses Buch, ist kein Buch für Experten oder für Reiter, die ihre Technik verbessern wollen. Es ist ein Buch, das ich schreibe, um die Welt – ohne einen missionarischen Anspruch zu erheben – für das Leben mit Pferden besser zu machen.
Wer in diesem Buch nach einer neuen Technik sucht, wird es irgendwann enttäuscht aus der Hand legen. Pferde brauchen keine Technik, sondern einen gefühlvollen Umgang. Diesen Umgang, den die Pferde brauchen, müssen wir uns zuerst selbst geben. Der Umgang, wie wir mit uns selbst umgehen, wird uns von der Welt und im Besonderen von den Pferden wiedergegeben.
Alles beginnt mit dir
Es begann mit dem Ausritt, an dessen Ende die Erfahrung stand:
Dafür hat es sich gelohnt, geboren worden zu sein.
Ich habe viel nachgedacht: über das Leben, das Reiten, über mich und die Menschen. Warum alles so ist und warum die Menschen so sind, wie sie sind. Heute, Jahrzehnte später, komme ich zu dem Ergebnis, dass es sich nicht gelohnt hat. Es lohnt sich einfach nicht, nachzudenken. Mit dem „Nach“denken hänge ich dem Leben hinterher. Das Leben ist immer jetzt und die Pferde sind immer jetzt. Ich habe mich schon oft gefragt und auch darüber gewundert, wie es möglich ist, dass wir mit Pferden kommunizieren können. Mein Eindruck heute ist der, dass wir diese Fähigkeit der Gutmütigkeit der Pferde zu verdanken haben, und der Tatsache, dass Trennung eine Illusion ist. Als Mensch fühlte ich mich sehr, sehr lange getrennt, ja nahezu ausgeschlossen. Vielleicht war das der Grund, der mich nicht ruhen lies, immer wieder neue Wege zu probieren. Ich bin immer den unbequemen Weg gegangen. Den Weg, den nur wenige oder niemand vor mir gegangen ist. Das ist sicher auch ein Grund für das Gefühl der Einsamkeit, das mich viele Jahre meines Lebens begleitet hat. Was war an diesem besagten Ausritt so außergewöhnlich? Es war die Erfahrung! Ich habe mich als verbunden erlebt. Verbunden mit dem Leben, dem Pferd, dem Wind. Es war ein herrliches Gefühl, mit allen Sinnen bei der Sache zu sein. Ich fühlte den Wind in meinem Gesicht, hörte die Hufe unter mir den Boden berühren, sah die Weite der Felder, über die ich galoppierte. Der Verstand war nicht dabei, als ich diese Erfahrung machte. Alles beginnt mit mir, mag ein kühne Aussage sein, doch sie ist leicht zu beweisen. Wie der Volksmund sagt: Wie man in den Wald hinein ruft, so schallte es heraus.
Wenn ich mich meinem Pferd nähere, so merke ich schon an seiner Reaktion, was ich aussende. Da Pferde Meister in Hingabe an das Leben sind und keinen Unterschied machen, was richtig und was falsch ist, spiegeln sie alles, was ihnen entgegen gebracht wird, eins zu eins zurück. Es ist also völlig sinnlos, ein Problem an einem Pferden lösen zu wollen. Pferde haben kein Problem. Pferde werden als vollkommene Pferde geboren, und wenn ihre Zeit gekommen ist, dann gehen sie. Ich habe noch nie ein Pferd über seinen bevorstehenden Tod jammern gehört. Pferde, Tiere kennen dieses krampfhafte Festhalten, wie es Menschen leben, nicht.
Ich bin das Problem, und nur bei mir kann ich es lösen. Wenn ich aber glaube, ein Problem lösen zu können, bin ich schon wieder auf dem Holzweg. Es genügt völlig, ein Problem zu erkennen und es dem Leben zu geben, um es von ihm heilen oder erlösen zu lassen.
Wie kann das erreicht werden?
Als erstes durch Anerkennung. Anerkennen was ist, ist die erste Voraussetzung, dass sich etwas ändert. Ich habe es sehr oft praktiziert. An vielen Beispielen hat es sich bewiesen. Davon will ich einige beschreiben.
Ein Pferd geht nicht auf die Wiese, ohne sich auf dem Weg dorthin loszureißen. Könnte es sein, dass mir Autorität fehlt um ein Pferd führen zu können? Alles beginnt bei mir. Ich schaue zuallererst bei mir nach. Wenn ich sensibel genug bin, bekomme ich aus meinem Innersten die Antwort, die ich brauche.
Ich finde die Antwort nicht, indem ich über ein Problem nachdenke. Die Antwort ist bereits da, wenn ich mich auf die Emotion einlasse, und sie anerkenne. Durch Verdrängen leugne ich den gegenwärtigen Augenblick, und kann daher nicht zu einer Lösung, die nur das Leben mir geben kann, kommen. Problemlösung geschieht jetzt! Nicht in der Zukunft und nicht in der Verbesserung der Techniken.
Ich habe mich sehr oft gefragt, wenn ich die alten Meister studiert habe:
Wo bleibt eigentlich der Mensch dabei? Der Mensch, von dem alles ausgeht. Haben denn diese alten Reitmeister keine Probleme gehabt? Waren sie vom Schicksal begünstigt und konnten sich unabhängig von Sorgen und Nöten, mit denen wir uns herumschlagen, leben und nur Pferdemenschen sein. Das muss ein herrliches Leben gewesen sein. Oder haben sie in ihren Büchern nicht erwähnt, wie viel Ehrlichkeit und Offenheit dazu gehört, mit einem Pferd zu sein – wirklich zu sein, und nicht durch Gedankenprozesse auf einer anderen Ebene getrennt von ihm.
Nun, in meinem Leben erlebe ich es selbst oft und sehe auch andere Menschen, die ihre Probleme mit sich herumschleppen und die im Außen nach Lösungen suchen, wo sie nicht zu finden sind.
Es scheint am menschlichen Geist zu liegen, der mit seinem Kreisen um ein Problem das Problem nicht löst, weil er es selbst mit seinem Denken erschafft. Mir ist es meistens so ergangen, das sich ein Problem durch das Anerkennen, das gleichzeitig auch ein Loslassen des Problems ist, gelöst hat. Winston Churchill soll zu diesem Phänomen des Geistes gesagt haben:
Eine verfluchte Sache nach der anderen.
Wie kommen wir also dahin? Wie können wir unser Leben besser machen und es mit den Pferden genießen?
Ich habe es von den Pferden gelernt. Pferde sind bessere Menschen. Ja, ich bin glücklich darüber, erfahren zu haben, dass ich den Pferden nichts beigebracht habe, sondern sie mir. Als ich anfing, wollten die Pferde nichts von mir wissen. Ich hatte mich mit meiner Rolle als Steinmetz so sehr identifiziert, dass ich innen und außen hart wie Stein geworden war. Die vielen Enttäuschungen und Schmerzen der ersten Jahre meines Lebens und die stillen oder auch manchmal öffentlichen Tränen, haben den Pferdemann schließlich ihn mir geweckt.
Alles begann in meinem Leben mit einer großen und schonungslosen Ehrlichkeit und Offenheit mir selbst gegenüber.
Großartiger Beitrag, Du sprichst mir aus der Seele, danke dafür! Ich denke, Dich könnte mein Artikel zur Equotherapie interessieren!? Beste Grüße aus Wien.
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