Selbstjustiz - Teil 2

in deutsch •  7 years ago 

Kapitel 3: Die Verhandlung

Das Telefon klingelte. Es war Mary. Sie sagte mir, dass sie mich in etwa 20 Minuten abholt. Ich duschte mich, frühstückte und zog mich an. Schicke Sachen, aber nicht den Anzug. Als ich gesehen hab, wie Mary auf den Parkplatz, ging ich nach unten.
"Guten Morgen, Mary." sagte ich. "Guten Morgen Jacob. Alles klar soweit?" fragte sie. "Kann es kaum erwarten." meinte ich. Klang wohl etwas sarkastisch, war aber die Wahrheit.
Mary parkte in der Nähe des Gerichtsgebäudes. Im Eingangsbereich wurden wir vom Sicherheitspersonal überprüft und abgetastet. Unsere Wertsachen und lose Gegenstände mussten wir in ein Schließfach legen. In wenigen Minuten ging es los. Wir gingen in den Saal und nahmen weiter hinten Platz. Diego Sandino und sein Anwalt saßen schon vorne an ihrem Tisch. Die Staatsanwältin auf der anderen Seite des Mittelganges. Hinter Diego saßen viele seiner Leute. Und sein älterer Bruder, Hector, ein großer Fisch im Drogengeschäft, doch auch er konnte nie dafür belangt werden. Auf unserer Seite saßen Angehörige der Opfer und neutrale Interessierte. Nach und nach kamen noch einige Nachzügler in den Saal. Ich konnte meinen Blick aber kaum von Diego lassen. Er flüsterte mit seinem Anwalt. Grinste immer wieder. Würde es ihm gerne aus dem Gesicht schlagen. Jane Myers kam mit den letzten Leuten herein und setzte sich auf den Stuhl neben mich. "Guten Morgen." sagte sie. "Das hoffe ich doch." sagte ich zurück.

Der Richter kam rein. Alle erhoben sich und setzten sich, nachdem er sich hingesetzt hatte.
Er bat die Staatsanwältin um die Verlesung der Anklageschrift. Mehrfacher Mord, darauf lief es hinaus. Diegos Anwalt stand auf und plädierte auf nicht schuldig. Dieser hätte die Tat nicht begangen. "Blödsinn." murmelte Jane.
Die Staatsanwältin rief den ersten Zeugen auf. Frederik Gold. Ich kannte ihn nur vom Sehen aus dem Pub. Nie direkten Kontakt zu ihm gehabt. Er humpelte etwas. Hatte wohl eine Kugel ins Bein bekommen. Er setze sich vorne an den Tisch. Die Staatsanwältin fragte ihn, was an diesem Abend gesehen ist. Er meinte, dass er an der Bar saß und ein paar Drinks zu sich nahm, als plötzlich ein paar Leute den Laden stürmten und um sich schossen. "Und konnten Sie erkennen, wer dort geschossen hatte? - War es Diego Sandino?" fragte sie ihn. Er zögerte einen kleinen Moment. "Nein." sagte er. "Was?" fragte sich Jane irritiert. Ein raunen ging durch den Saal. Es wurde unruhig. "Ruhe bitte!" befahl der Richter. "Sie sagen also, dass es nicht mein Mandant, Diego Sandino, war, der Freitag Abend in dem Pub mehrere Menschen verletzt oder gar getötet haben soll." wollte der Anwalt von Diego nochmal klarstellen. "Das ist richtig!" behauptete Frederick.
"Keine weiteren Fragen." sagte er. "Wer war es Ihrer Meinung dann?" fragte die Staatsanwältin.
"Ich weiß es nicht." antworte er. "Keine weiteren Fragen." sagte sie.
"Gibt es noch andere Zeugen?" fragte der Richter. "Ja." antwortete die Staatsanwältin. Sie rief den zweiten Zeugen auf. Jamal Okun. Ihn kannte ich. Guter Billardspieler. Auch er setzte sich an den Zeugentisch.

Die Anwältin fragte ihn direkt, ob er Diego Sandino unter den Angreifern erkannt hatte. Auch er verneinte es. Diegos grinsen wurde immer größer. Seine Freunde hinter ihm feierten schon und klopften ihm auf die Schulter. Jane stand auf. "Nein, nein, nein! Freitag haben sie noch gesagt er wäre es gewesen!" schrie sie Jamal an. "Es ging so schnell. Ich weiß es nicht mehr. Ich war unter Schock." sagte Jamal. "Setzen Sie sich, Officer Peters!" meinte der Richter. Die Beiden kannten sich aus früheren Fällen.
"Das kann nicht wahr sein." flüsterte Jane zu mir. Mir wurde ganz unwohl. Es wurden noch zwei Zeugen aufgerufen, die behaupteten Diego wäre zu der Zeit im Crimson Park gewesen. Ich wusste zu dem Zeitpunkt, dass Diego nicht verurteilt wird. Ich schloss meine Augen und hörte dem Richter zu, wie er die Verhandlung aus Mangel an Beweisen beendete und Diego freigesprochen hatte.
"Nicht schon wieder." meinte Jane. "Und was nun?" fragte ich sie. "Wenn niemand bezeugt, dass Diego dort war, können wir auch nichts mehr tun. Es tut mir Leid, Jacob. Er ist auf freiem Fuß." antwortete sie. Es war ein Schock.
Ich sah zu Mary rüber. Sie brach in Tränen aus. Die Wut in mir überragte die Trauer. Diego lief mit seinem Anwalt und seinem Bruder an seiner Seite an uns vorbei aus dem Saal. Seine Freunde hinterher. Ich wäre am Liebsten aufgesprungen und hätte ihn erwürgt. Das Sicherheitspersonal wäre aber dazwischengegangen, bevor ihm die Luft ausgegangen wäre. Wahrscheinlich gäbe es dann eine Verhandlung gegen mich. Sogar mit Verurteilung wegen Körperverletzung. Bei so etwas funktioniert das System wieder perfekt.
Jane Myers stürmte wütend aus dem Saal. Verständlich.
Ich half Mary hoch und stützte sie, während wir in die Eingangshalle zurück liefen. Ich holte unsere Sachen aus den Schließfächern. Ich sah wie Officer Peters noch mit der Staatsanwältin diskutierte, konnte aber nichts verstehen.
Ich ging mit Mary zum Auto. Es war in dem Moment besser, dass ich fuhr. Nachdem wir bei ihr ankamen, brachte ich sie noch ins Haus. Sie legte sich auf die Couch im Wohnzimmer. Ich beschloss heim zulaufen. Völlig fertig lag ich mich auf mein Bett. Konnte nicht glauben, dass Diego frei war. Es war nicht gerecht. Ich war am Boden zerstört. Hatte zu nichts mehr Lust. Wollte nicht mehr sein.

Nachmittags wurde ich wach. War wieder eingeschlafen. Ich stand auf und ging nach draußen. Lief eine Weile planlos umher, bis ich vor dem Spirituosenladen stand. Ich ging hinein und kaufte mir eine kleine Flasche Whiskey. Den, den ich immer geholt habe. Den, den ich Samstag noch an meine Wand geschmissen hatte. Mit der Flasche, eingepackt in einer Papiertüte, ging es wieder nach Hause. Ich zögerte bevor ich den ersten großen Schluck direkt aus der Flasche nahm. Danach dauerte es nicht lange, bis auch der letzte Tropfen in mir drin war. Blackout.

Dienstag Morgen. 2 Uhr. Hatte etwa zehn Stunden verpasst. Keine Erinnerung, aber einen tierischen Kater. Etwas Saft würde sicherlich gut tun. Ich exte die kleine Flasche, so einen Durst hatte ich. Und Hunger. Bestellte mir eine große Pizza. Salami, Peperoni, viel Käse. Gab dem Lieferjungen 20 Dollar. Während ich aß, überlegte ich mir, was ich tun könnte. Ich wollte Rache. Vergeltung. Diego sollte noch seine Strafe erhalten. Wollte ihn mir persönlich schnappen.

Er war nicht alleine im Pub. Kevin sagte mir sie wären zu Fünft gewesen. Ich wusste genau wer noch mit dort war. Diegos direkte Anhängsel. Emilio und Paco Gomez, Juan Torres und Victor Sallas. Sie haben alle schon schlimme Taten begangen, für die sie schon längst im Gefängnis hätten landen sollen. Victor ist ein klassischer Mitläufer, sagt nicht so viel, macht aber alles mit. Emilio kümmert sich um die Mädchen, die für Diego Geld anschaffen. Er lässt sie schon im jungen Teenageralter anfangen. Lockt mit Geld, schönen Klamotten und anderen Accessoires. Paco, Emilios Bruder, ist ein kleiner Messerfreak. Läuft meistens mit mindestens vier davon am Körper herum. Juan ist der Schlägertyp. Verprügelt gerne Leute, auch ohne Grund, um dann deren Wertsachen zu stehlen. Wie ein Mafiosi kassiert er auch Schutzgeld. Deren Stadtteil ist sehr ärmlich. Kaum jemand hat einen gescheiten Job, nur wenige Kinder besuchen regelmäßig die Schule. Gangs, wie diese der Sandinos, herrschen über das Gebiet. Polizei gibt es dort auch keine. Selten fährt mal ein Streifenwagen durch die Straßen.

Wenn ich mir alle vorknöpfen möchte, muss ich vorsichtig vorgehen. Auf offener Straße hätte ich keine Chance auch nur in die Nähe dieser Bastarde zu kommen. Erst recht nicht, wenn sie in einer Gruppe sind. Ich müsste einen nach dem anderen schnappen. Victor wäre wohl am Einfachsten. Er hängt nicht permanent bei Diego und den anderen herum. Vermutlich könnte ich ihn auch zum Reden bringen. Informationen über die anderen rausbekommen, um einen Vorteil zu bekommen.
Aber einen Vorteil hatte ich schon. Ich kenne ihre Namen, aber sie kennen meinen nicht. Für sie bin ich wohl nur ein Niemand. Doch bald werden sie mich kennenlernen. Ich versuchte wieder zu schlafen und ruhte mich bis Abends aus.

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