Das Leben leben oder abgeben

Es gab eine Zeit, da haben die Leute beim Hausbau zusammen geholfen und die Arbeitsleistung wurde im Lauf der Jahre wieder an die Helfer zurückgegeben. So sparte man sich einen hohen Kredit und die Abhängigkeit von einer Bank. Vieles am Haus wurde soweit es möglich war, selbst gemacht.

Beim letzten Reifenwechsel kam zufällig ein Bekannter vorbei. Ach, du wechselst noch selbst? Mit mildem Lächeln erklärte er mir, nein, das tue ich mir nicht an, ich lasse das in der Werkstatt machen.

Mir kommt es so vor, als ob „machen lassen“ immer mehr normal wird, ja sogar einen gehobenen Status genießt, in dem Sinne, ich habe es nicht nötig mir die Finger schmutzig zu machen.

Dass sich dieses „machen lassen“ teilweise auf die Erziehung unserer Kinder ausgedehnt hat, war in der Form vor einigen Jahren noch undenkbar. Wer weiß, vielleicht können wir irgendwann unsere Kinder bestellen und sie werden dann stubenrein geliefert. Ach, du trägst dein Kind noch selber aus? Nein, das tue ich mir nicht an…

Entfremdung

Mehr Lebendigkeit im Sinne von unternehmungslustig oder geschäftig ist nur eine Seite. Lebendig sein ist, wie wir alles wissen, nicht immer schön und bequem. Von glückselig bis tief traurig ist alles dabei.

Indem wir unbequeme Dinge abgeben, verlieren wir auch die damit verbundene Erfahrung. Wer würde die schön eingeschweißte Salami kaufen, wenn er dazu ein Tier selber schlachten müsste? Oder denken wir an Menschen, die zum Sterben im Krankenhaus oder Altenheim "abgegeben" werden. Gemeinsam eine schwere Zeit zu Durchschreiten, kann eine tiefe und äußerst lebendige Erfahrung sein.

Vielleicht, ich mag es nicht beurteilen, schrumpft der glückselige Pol im Verhältnis zu der Tendenz, unangenehmes abzugeben? Könnte es sein, dass mehr Lebendigkeit in unsere Gesellschaft käme, wenn wir das ein oder andere wieder selber erledigen, statt es anderen zu überlassen?

Was hat das mit lebendig zu tun?

Mir geht es auch nicht darum, dass du deine Reifen selber wechselst. Nein, wenn du keine Lust oder zwei linke Hände hast, um Gottes willen, fahr in die Werkstatt.

Worauf ich hinaus will sind die Dinge die man gern macht, Dinge die einem Freude machen. Ein selbst gebackener Kuchen, ein Möbelstück oder ein Bild dass man selbst gemalt hat, diese Dinge machen Freude und man spürt sich selbst dabei.

Die Entwicklung immer mehr von anderen erledigen zu lassen sehe ich daher mit einer gewissen Skepsis und es ist wohl auch hier eine Frage der Dosierung.

Gemeinsam ist es lebendiger

Etwas gemeinsam mit anderen zu machen gehört natürlich auch dazu. So ein gemeinsames Frühstück (Video dauert nur 2 Minuten) kann sehr lebendig sein:

Morgen bringe ich sie um – ja, das Leben ist nicht immer bequem.

Das Wichtigste scheint mir aber, eine Verbindung zum Leben zu haben und darauf zu vertrauen, dass das Leben es gut mit mir meint, auch wenn es nicht immer so scheint.

Mit den #lebenswochen möchte @kadna das Lebendige in unserer Welt (wieder) in den Fokus zu stellen. In ihrem Post Mehr Lebendigkeit in unserer Gesellschaft ist genaueres zu erfahren.