Tipps zur Selbstverteidigung II: Krav Maga Prinzipien

in deutsch •  7 years ago 

Liebe Steemianer,
Krav Maga (das kommt aus dem Hebräischen und bedeutet wörtlich „Kontaktkampf“) ist ein in Israel in den 1940er Jahren entwickeltes, aber inzwischen weltweit verbreitetes Selbstverteidigungssystem, das bevorzugt einfache Schlag- und Tritttechniken nutzt. Es ist rein auf Effektivität ausgelegt, es gibt also keine Wettkämpfe oder dergleichen und somit ist Krav Maga weder Sport noch Kampfkunst. Es wird unterrichtet für Privatpersonen, im Polizei- und Sicherheitsbereich, und im Militär. Dadurch sind die verwendeten Techniken unterschiedlich und ich beziehe mich generell immer auf zivile Varianten, Situationen und legale Rahmenbedingungen.

Dabei ist Deeskalation wesentlicher Teil des Konzeptes – der beste Kampf ist der, den man gar nicht führen muss! Es geht daher auch darum, Gefahren frühzeitig zu erkennen und durch entsprechendes Verhalten dem Konflikt auszuweichen oder ihn sogar zu verhindern. Unsere primäre Waffe sollen nicht unsere Fäuste oder ein Pfefferspray (auch nicht eine Glock, wer das Privileg eines Waffenpasses hat) sein, sondern unser mindset, also unsere innere Einstellung! Dazu und zu den verschiedenen Eskalationsstufen hatte ich schon mal was geschrieben, daher ist dieser Beitrag hier sozusagen Teil 2.

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So weit wie mögliche werden natürliche/instinktive Reaktionen eingebunden, dadurch ist Krav Maga relativ schnell zu erlernen. Dieser hohe Tritt im obigen Bild ist übrigens extrem untypisch für KM (da man dafür viel Übung braucht, gute Dehnung und Balance und einen Gegner, der mitspielt bzw. langsam ist). Das zweite Bild ist dagegen ein gutes Beispiel für KM, in diesem Fall ist es intuitiv, sich blitzarting kleiner zu machen, um aus der Schusslinie zu kommen.

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Man kann schriftlich unmöglich spezielle Krav Maga-Techniken erklären (wenngleich es Bücher gibt, die solches versuchen), denn auf die praktische Ausführung kommt es an und auf deren oftmalige Wiederholung, bis die einzelnen Techniken auch im Schlaf (oder unter Stress) sitzen. Ich kann daher allen, die sich regelmäßig im öffentlichen Raum bewegen (also allen Nichtbettlägrigen) nur nachhaltig empfehlen, sich für einen Kurs anzumelden!
Zum Beispiel hier: http://www.kravmaga-academy.at/.
In den meisten Städten sollte es mittlerweise KM-Studios geben, fast immer wird ein gratis Schnuppertraining angeboten. Geht doch am besten zu zweit mit einem Freund / einer Freundin hin (für die Übungen geht man immer mit einem Übungspartner zusammen und spielt abwechslend Angreifer und Verteidiger).

Ein Zitat des Begründers von Krav Maga, das vieles zusammenfasst:
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Es gibt 10 allgemeine Prinzipien, die eigentlich über Krav Maga hinaus gehen und die auch sonst in vielen Situation hilfreich sind. Wie auch bei den Techniken, sind diese Prinzipien nahe am „Hausverstand“ und eigentlich alle logisch oder sogar selbstverständlich.

Keep it simple


Wie erwähnt - je einfacher eine Technik, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass sie im Ernstfall auch funktioniert. Ist ja auch in vielen anderen Bereichen so.

Schwachpunkte nutzen


Da Gegner oft körperlich überlegen sind (bei Vergewaltigern fast immer), liegt der Fokus auf Schwachpunkten, die die körperliche Überlegenheit ausgleichen können, z.B. Augen, Genitalien, etc.

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Hit and run


Im Zweifel (wenn nicht sicher, ob nicht Kumpel des Gegners schon lauern oder wenn der Gegner nicht komplett ausgeschaltet ist) ist eine Flucht die bessere Alternative. Nachtreten lässt sich schwer argumentieren, speziell wenn Zeugen anwesend sind. Sobald in Sicherheit, sollte man allerdings eine Selbstanzeige machen und einen Anwalt konsultieren. Bei entsprechendem briefing und wenn man sich nicht komplett dumm anstellt ("der hat so deppart gschaut, da hab ich ihm eine verpasst") sondern richtig argumentiert (z.B. "ich hab mich bedroht gefühlt, hab geglaubt, er bringt mich jetzt um, war in Panik und weiss gar nicht, was geschehen ist, auf einmal ist er gestolpert und lag am Boden"), bestehen sehr guten Chancen, dass man davonkommt. Sich nicht drängen lassen, sofort eine Aussage zu machen! Man hat das Recht, dies erst am nächsten Tag zu tun.

Reflexe nutzen


Wie bereits angedeutet, werden bei Krav Maga natürliche Reflexe genutzt und von einer bloßen Reaktion gezielt ausgebaut zu einem Teil einer gezielten Strategie. Damit ist auch gemeint, Reflexbewegungen des Gegners zu antizipieren und ggf. in die Antwort einzubauen. Z.B. ist bei einem Tritt in die Genitalien zu erwarten, dass sich der Kopf des Gegners ruckartig nach vorn bewegen wird. Das ist zu berücksichtigen, bevor ich ihn trete etc.

Alles als Waffe nutzen


Eigentlich sollte mann sowieso IMMER ein Messer dabeihaben. Falls nicht - in der Umgebung sind oft Verteidigungsmöglichkeiten vorhanden, die ein Laie gar nicht vermuten würde: Alles ist besser als gar nichts, z.B. ein Kugelschreiber, ein Stuhl, eine Flasche, ein Regenschirm, ein Rucksack, der Abstand zum Gegner schafft, ein Umhang, der auf ihn geworfen werden kann, ein Schlüsselbund, bis hin zur eingerollten Zeitung!

Seitlich oder hinter dem Gegner


Der Sinn ist klar, es ist immer eine Position anzustreben seitlich oder hinter dem Gegner, da man ihn da besser kontrollieren kann. Wenn man es mit mehreren Gegnern zu tun hat, ist wichtig, sich nicht einkreisen zu lassen und – schon vor einem Konflikt, ev. während man noch verbal zu deeskalieren versucht – so in Bewegung zu bleiben, dass immer ein Ausweg bzw. eine Lücke offen bleibt.

Bodenkampf vermeiden


Wenn man mal am Boden liegt, wird es noch schwieriger und die Möglichkeiten sind eingeschränkt. Besser alles tun, um das zu verhindern, beginnend bei einem stabilen Stand und ganz leicht in den Knien eingeknickt, das sollte man sich sowieso immer angewöhnen. Es erhöht die Reaktionsfähigkeit ungemein. Hilfreich beim Vermeiden eines Bodenkampfes ist auch

Distanz


Wenn der Gegner auf einen zugeht oder bedrohlich wird, ist eine entsprechende Distanz einzuhalten, d.h. es gilt immer in Bewegung zu bleiben (soferne räumlich möglich) und sich nicht in eine Ecke drängen lassen.

Absicht bewaffneter Angriff


Man sollte immer einen bewaffneten Angriff vermuten, um auf der sicheren Seite zu sein. Wenn ein Gegner bei einem potentiellen Angriff in seine Tasche greift, muss ich annehmen, dass er ein Messer herauszieht und entsprechend handeln. Ich muss nicht warten, bis er das Messer gezückt hat! Laut § 3 Abs 1 StGB (Öst.):

Nicht rechtswidrig handelt, wer sich nur der Verteidigung bedient, die notwendig ist, um einen gegenwärtigen oder unmittelbar drohenden rechtswidrigen Angriff auf Leben, Gesundheit, körperliche Unversehrtheit, sexuelle Integrität und Selbstbestimmung, Freiheit oder Vermögen von sich oder einem anderen abzuwehren.

Gutgläubigkeit ist zwar nett und gut fürs Karma, kann aber im Ernstfall tödlich enden. CAVE: Ehre ist nicht abgedeckt durch das Notwehrrecht. Beleidigung reicht also nicht, auch spucken ist problematisch, da ich nicht wissen kann, ob der Gegner eine übertragbare Krankheit hat.

Diese 10 einfachen Prinzipien sind unbedingt zu verinnerlichen – eigentlich nicht kompliziert!
Abgesehen davon ist es auch Lebensaufgabe, seinen Körper gesund und fit zu halten, aber das sollte ja auch selbstverständlich sein, oder?

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Quelle

https://de.wikipedia.org/wiki/Krav_Maga
https://www.feedspot.com/infiniterss.php?q=site:http%3A%2F%2Fkravmagaguild.com%2Ffeed

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Super Artikel! :)
Bin noch auf der Suche nach ner Kampfkunst ^^

Hi Luegenbaron, geh besser in eine Boxbude, hast Du im Alltag mehr von. Wenn Du nicht Kampfsport/Kampfkunst affin bist, ist KravMaga viel zu kompliziert...Ist momentan eine "Mode" wie es in den 90´er Jahren WingTsun war, welches ich betrieben habe (hat auch Techniken daraus adaptiert, was ich so zumindest bei 2 Probetrainings mitbekommen habe).

Und wenn Du richtig fit bist und was ganz effektives Lernen möchtest, mach MMA oder Brazilian JuiJitsu...

Danke dir für die Tipps :)

Yo Meister. Der Samui hat, was den Krav Maga-Teil angeht Recht. Versuch dir mal die Krav-Maga Techniken rein Objektiv anzusehen, das heißt ohne den Wow-Effekt, dann wirst du ganz von alleine verstehen das dort Attacken gezeigt werden, die man so in freier Wildbahn nie sehen würde.

Beispiel Entwaffnung: Kein Mensch (außer vielleicht B-Movie Schauspieler aus Hollywood) kommt mit gezogener Waffe so nah an dich heran damit du sie ihm mal so "mir nichts - dir nichts" entwenden kannst. Das gleiche gilt auch fürs Messer. Wirklich Keiner, (vielleicht abgesehen von ein paar Amateuren und eventuell einigen hartgesockenen Backstreet Boys-Fans) hauen dir das Messer so schön geschmeidig vor den Latz das du das ganz gechillt abwehrern kannst. Einer wo ein Messer zieht, der weiß normalerweise wie man ein Klinge führt und der holt bei einer Attacke auch bestimmt nicht so Filmreif weit und Statisch aus damit du das abfangen kannst.

Hier mal, rein für den Geschmack ein paar Krav-Maga Techniken:


Zieh dir das mal mehrfach rein und achte mal (am besten mit verminderter Video-Geschwindigkeit) auf den Kopf und die Hände des Lehrers. Was dir hier auffallen wird ist, A) das der Kopf bei der Abwehr ungeschützt ist, da B) die Hände zur Waffe gehen, was im Kampf sehr fatal wäre wenn der Messerkämpfer die Stichrichtung wechseln würde (durch einer Schwingung oder einer fiesen Finte). Schau mal zum Vergleich im Net nach "Real Knife Fights"

PS: Das soll nicht heißen das dort alles Scheiße ist, bloß wird dir dort leider immer noch vieles gezeigt, was in der Realität einfach nicht ziehen kann oder wird.

Wenn es in deiner Nähe nur Krav Maga geben sollte dann wäre das immer noch um Welten Besser als nix zu können.

Danke dir für deinen langen Kommentar! Welche Kampfkunst zur Selbstverteidigung kannst du denn empfehlen? :)

Hallo,
Dem muss ich aufgrund meiner Erfahrungen widersprechen, Krav Maga an sich scheint von den Techniken her simpel zu sein und gerade das ist entscheidend.
Gut, ich weiß nicht, wie Deine Probestunden aussahen, aber komplizierte Techniken gäbe es auch in Karate, Jiu Jitsu, usw. und es hängt auch viel von der Fähigkeit des Trainers ab, wie er diese Techniken vermittelt und erklärt :)

Hi

"eine Selbstanzeige machen und einen Anwalt konsultieren".
Die von dir hier vorgeschlagenen Reihenfolge ist taktisch gesehen nicht ganz so geschmeidig. Man sollte "zuerst" einen Anwalt aufsuchen und dann "eventuell" eine Anzeige machen, sonst würde man sich eventuell nur unnötig selber in die Scheiße reiten.

"Eigentlich sollte mann sowieso IMMER ein Messer dabeihaben"
Hier gibt es, allein schon aus rechtlicher Sicht her, viele Fallstricke, die man, wenn man schon zu einem Messer rät, auch erwähnen sollte (Bsp. Klingenlänge, welches Messser. Spring/Klappmesser sind verboten. usw). Auch bringt dir ein Messer nur etwas, wenn du auch weißt wie man damit umzugehen hat. Ich habe schon Kämpfe gesehen da hat das Opfer sich mit seinem eigenem Messer verletzt oder das Messer wurde ihm abgenommen und gegen ihn selbst eingesetzt. Deshalb würde ich, wenn überhaupt, ungeübten Menschen mehr zu einem etwas ungefährlicherem Gegenstand wie einen taktischen Kulli anstatt einer Klinge raten.

Gruß

Man sollte unmittelbar danach Selbstanzeige machen, immer vorausgesetzt man hat tatsächlich in Notwehr gehandelt. Eine zeitliche Verzögerung kommt nicht gut an. Die Aussage selbst kann man dann aber später machen unter Berufung darauf, dass man noch unter Schock steht.
Das mit dem Messer ist auf die öst. Gesetzeslage gemünzt, wo es erlaubt ist, Messer zu führen ohne Einschränkung der Klingenlänge oder -form. Klar sollte man damit umgehen können. Diese Art von Logik hatte ich vorausgesetzt. Danke für Deinen Hinweis!

"Eine zeitliche Verzögerung kommt nicht gut an"
kontert man gut mit "dass man noch unter Schock stand" ;)

"Das mit dem Messer ist auf die öst. Gesetzeslage gemünzt."
In Amerika darf man auch mit Knarren herumgaloppieren, was einen hier im D-A-CH-Raum nicht wirklich weiterbringt ;)

"Diese Art von Logik hatte ich vorausgesetzt"
In meinem jugendlichen Leichtsinn dachte ich, das diese Anleitung für Anfänger wäre und deshalb mein Hinweis, da Anfänger gerne Vorschläge mit vollem Tatendrang umsetzen.

Gruß