Warum wir in Bulgarien sind, hatten wir ja im letzten Blogpost „Warum Bulgarien“ erklärt. Doch was machen wir da die ganze Zeit? Nun: reisen, was sonst! Ja, wir waren schon oft in Bulgarien, aber wie Ihr vielleicht in den letzten fast 2,5 Jahren virtuellem „Mitreisens“ erkennen konntet: wir reisen anders. Wir reisen extrem langsam, haken nicht nur Sehenswürdigkeiten ab, sondern lassen uns treiben und bleiben lange an einem Ort. Und Bulgarien bietet so viel, dass uns auch nach für mich mittlerweile 9 langen Sommern keine Langeweile aufkommt. Wir rechnen damit, noch länger in Bulgarien auf Grenzöffnungen warten zu müssen (wieso, weshalb, warum: Warum Bulgarien?), also lassen wir uns weiterhin viel Zeit und zeigen Euch, was das Land zu bieten hat.
Dass Sofia schön und entspannt ist und für uns völlig unverständlich von den meisten Reisenden gemieden wird, hatten wir ja schon berichtet: Neustart in Europa. Wir hatten dort eine Menge zu tun (kein Wunder, wenn man ein Auto zum Haus macht und nur Handgepäck mit Winterklamotten dabeihat) und auch unsere Zahnärztin wollte Jan öfter wiedersehen, als wir geplant hatten. Aber dann, irgendwann, waren wir „frei“: raus in die Natur!
Immer, wenn man von Rumänien ganz im Westen des Landes nach Bulgarien einreist, kommt man an Belogradschik vorbei. Nie haben wir angehalten, denn entweder waren es nur noch zwei Stunden bis zum Ziel oder gerade erst zwei Stunden von 2-3 Tagen Fahrt nach Deutschland. Doch jetzt haben wir Zeit! Belogradschik („weiße Stadt“) ist hauptsächlich eine Burg, die mit hellen Kalksteinen in die roten Sandsteinfelsen integriert wurde. Der Aufstieg lohnt, denn der Blick von der Burg auf all die Felsen im weichen Licht des frühen Abends ist einfach toll! Na klar, ein wenig wie das „Dahner Felsenland“, aber warum Deutschland momentan nicht in Frage kommt, haben wir ja gerade hier erklärt: Warum Bulgarien?
Unser Stellplatz für die Nacht im Wald inmitten dieser Felslandschaft an einer Quelle wurde richtig nett, als ein 4x4 Sprinter mit einer deutschen Familie eintrudelte: die Berliner wollten eigentlich ein halbes Jahr durch den Kaukasus reisen, blieben wegen „Corona“ aber am Strand in Griechenland hängen. Abbrechen? Warum? Wir lagen ganz auf einer Wellenlänge und wenn nicht die vielen Mücken gewesen wären, hätte der Abend ewig werden können.
Überhaupt: Mücken! Eigentlich wollten wir eine Höhle besichtigen, in denen es prähistorische Zeichnungen aus – Achtung – Fledermaus-Guano gibt, jedoch war genau dieser Teil der Höhle wegen Vandalismus geschlossen. Also fuhren wir an die Donau, wo ich ein lauschiges Restaurant am Ufer kenne und beschlossen nach dem Essen, uns einen Platz für die Nacht am Fluss zu suchen. Ein vielversprechender Weg zum Wasser war schnell gefunden, doch sobald wir die Autotüren öffneten, überfielen uns die Mücken. Weil wir das vor 2 Jahren im Donaudelta schon erleiden mussten, beschlossen wir, uns landeinwärts etwas zu suchen. Aber auch 18km von der Donau entfernt wurden wir am lebendigen Leib von den Mistviechern gefressen.
Wir hatten etwas Arbeit anstehen und statt gemütlich vor dem Auto zu sitzen und am Feldrand am PC zu arbeiten, mussten wir bei geschlossenen Fenstern im Auto schwitzen. Bloß nicht Pipi müssen! Ihr kennt das, irgendwann muss man doch. Wir fuhren (nicht nur deshalb) am nächsten Morgen zurück nach Sofia. Einerseits ein letztes Mal zum Zahnarzt, andererseits, um ein Mosquitonetz und Büromagnete zu kaufen, um für unser Sonnendach einen Mückenschutz zu basteln, damit wir nicht nochmal im „Schwitzkasten“ sitzen (und schlafen) müssen.
Der „Schwitzkasten“ heißt übrigens jetzt „Hans“. Unser Freund Niki, auf den der Passat zugelassen ist, schlug den Namen ursprünglich mal vor und als wir damit die ersten Offroadpassagen fuhren, war klar: „Hans, der kann’s!“ Unser 29 Jahre alter „Hans im Glück“ fährt uns seit mittlerweile rund 2500km zuverlässig, luxuriös komfortabel und äußerst sparsam durchs Land. Durch den Gasumbau kosten uns 100km nur 3,50€. Und weil wir darin wohnen, spart Hans uns auch Übernachtungskosten. Hans kann’s einfach! 😊
Ach ja: nach einem ganzen Jahr Motorrad – Abstinenz hat uns ein Bekannter sein Motorrad im Dorf hin- und her fahren lassen. Das Grinsen im Gesicht blieb noch Tage erhalten… Wir haben also immer noch mehr Benzin im Blut als durchschnittliche „Vanlifer“ und die nervöse Gashand war ziemlich froh, wieder im Einsatz zu sein 😊
Wenn man reist, kommt man ja immer wieder zu Filmschauplätzen. Diesmal ziemlich überraschend: wusstet Ihr, dass „The Expandables 2“ in Bulgarien gedreht wurde? Dass die Aufnahmen digital bearbeitet wurden, damit es nach „Abenteuer in den Tropen“ aussieht, in Wirklichkeit aber auf dem Flughafen Plovdiv, in Sofia und der Devetashka Höhle gedreht wurden? Noch ein Film, den wir demnächst mal anschauen müssen, um bekannte Orte wiederzuerkennen!
Die Devetashka Höhle ist Winterquartier für 35.000 Fledermäuse aus 15 verschiedenen Arten, riesengroß und wunderschön. Der durch die Höhle fließende Fluss und die großen Öffnungen im „Dach“ sorgen wirklich für das tropisches Ambiente! Und weil wir solche Sehenswürdigkeiten immer an Wochentagen besuchen, haben wir sie meist fast ganz für uns allein. Abgesehen davon, ist in Bulgarien sowieso gerade „tote Hose“ was internationalen Tourismus betrifft. Auch, wenn RTL und ARD von „Schaumparty am Goldstrand“ berichten und dies mit Aufnahmen aus wahrscheinlich Ungarn 2019 bebildern. Wer googelt (oder bei Facebook die Zuschauerkommentare zur betreffenden Sendung von „Kontraste“ liest), wird auch für angebliche Partys auf Mallorca solche widersprüchlichen Informationen und verstörende „Zeugenaussagen“ finden…
Ebenso zu den „Aufständen“ in Sofia. Wir waren an drei Abenden dieser Proteste in Sofia und haben mit eigenen Augen beobachtet, dass es sich um völlig friedliche Demonstrationen Fähnchen schwenkender Bulgaren handelte, die eher „Laternenumzügen“ glichen als den „gewalttätigen Revolten“, als welche diese in deutschen Medien dargestellt wurden. Glaubt, was Ihr wollt, aber wir glauben lieber, was wir sehen und das war im Iran, im Kaukasus, in Tibet, China, Hongkong und Russland etwas anderes als das, was Euch die Medien glauben machen möchten. Heute stand zumindest in der unabhängigen englischsprachigen Zeitung "The Sofia Globe" das hier zu lesen: "At a briefing on July 23, Sofia police thanked participants in the protests for behaving peacefully." Auch die US Botschaft spricht in einem ofiziellen Statement von friedlichen Protesten: "We support the Bulgarian people as you peacefully advocate..." Wo wohl die ganze Gewalt ist, von der in Deutschland berichtet wird?
Bulgarien wurde während unseres Aufenthaltes in Sofia in den „Euro-Warteraum“ aufgenommen. Nur ein Grund mehr, das Wahrzeichen Bulgariens zu besichtigen, was auf jeder Stotinki Münze (die „Pfennige“ der bulgarische Währung „Leva“) geprägt ist: Der Reiter von Madara. Er soll Khan Terwel darstellen, der 700-721 als zweiter Herrscher des ersten Bulgarischen Reiches regierte.
Das Relief, zu dem man eine laaaange Treppe zu einer Steilwand hinauf steigen muss, zeigt den Herrscher auf seinem Pferd mit seinem Hund auf Jagd. Ihm zu Füßen liegt ein erlegter Löwe, der Namensgeber der heutigen bulgarischen Währung ist, denn „Leva“ bedeutet „Löwen“. Auch auf den zukünftigen bulgarischen Euromünzen wird dieser Reiter geprägt sein. Man zahlt also eigentlich auch in Zukunft mit "Leva", also "Löwen", obwohl die Währung dann "Euro" heißt.
[caption id="attachment_1117025" align="aligncenter" width="768"] Nur 1x kurz Pipi...[/caption]
Und dann waren da schon wieder die Mücken. Unser Schlafplatz wirkte bei Ankunft perfekt: trockener Kiefernwald, am Rand eines abgeernteten Getreidefeldes. Doch mit der Dämmerung kamen die Biester. Woher? Es ist uns ein Rätsel: die Karte zeigte nirgends Wasser! Dank des neuen „Mückendaches“ saßen (und schliefen) wir zwar gut belüftet, aber irgendwann kommt der Druck in der Blase. Wir waren wirklich ultraschnell, doch nicht schnell genug: geschätzte 50 Stiche in kürzester Zeit brachten mich mit ihrem Juckreiz fast um den Verstand.
Am nächsten Morgen war natürlich der Spuk wieder vorbei und als ein Schäfer sein Herde um uns und unseren Frühstücktisch trieb, ein Bauer seinen vom Pferd gezogenen Wagen voll Heu bei uns stoppte und die Schwalben im Tiefflug über uns sausten, waren die Wogen der Mückenpest wieder geglättet und wir beide unendlich dankbar für solche Begegnungen, die man nur dann erlebt, wenn man frei draußen schläft.
Ich war vor 8 Jahren schonmal bei den Steinsäulen von „Pobiti Kamani“ und hatte etwas Bedenken, dass mittlerweile der Tourismus die Natur überrannt hat. Aber erstens gibt‘s zur Zeit ja fast keinen Tourismus in Bulgarien und 2. Ist der Antrag auf UNESCO Weltkulturerbe Schutz von 2011 noch nicht genehmigt, sodass auch kein Geld da ist, das Gebiet touristisch zu erschließen. Es gibt noch nicht einmal Schilder, die darauf hinweisen und der Wegweise, wo der Pfad durch die Büsche zum „Eingang“ startet, ist ein handgemaltes Holzschild. So konnten wir die Steinsäulen völlig ungestört erkunden.
Bis heute ist wissenschaftlich noch nicht geklärt, wie diese Steinsäulen entstanden sind. Sie sind innen hohl und bestehen aus mit Kalkgestein zusammen gekitteten Sandkörnern. Mich als „Dipl. Geo.“ hat das natürlich sehr interessiert und ich favorisiere folgende Entstehungstheorie:
Und dann war unser vierter Hochzeitstag. Spontan beschlossen wir, ans Meer zu fahren und uns zur Feier des Tages ein Zimmer mit Meerblick in erster Reihe zu gönnen. Schon vor Jahren wollte ich mal eine Nacht in der Altstadt der Nessebar Halbinsel verbringen. Dann, wenn alle Pauschaltouristen zurück am Büffet im Massenhotel am gegenüberliegenden Sonnenstrand sitzen, dann wollte ich ungestört durch die Gassen schlendern und am Meer sitzen. Wann, wenn nicht jetzt, wo der Massentourist gar nicht in Bulgarien ist, wäre eine bessere Gelegenheit?
Unser „Zimmer mit Meerblick“ für 30€ war traumhaft, wir genossen frischen Fisch zum Sonnenuntergang am Meer und schliefen bei offener Balkontür, um uns morgens von zankenden Möwen wecken zu lassen. Herrlich! Es fühlte sich an wie Flitterwochen!
Und weil es so schön ist, blieben wir noch zwei Nächte, allerdings wechselten wir in ein Zimmer zum Hinterhof, denn der Aufpreis für Meerblick ist nur für besondere Anlässe wie unser Hochzeitstag gerechtfertigt. Nessebar ist über einen schmalen Damm mit dem Festland verbunden und wechselte im Lauf der Geschichte zwischen Türkei, Griechenland und Bulgarien öfter die Herrschaft. Heute ist die 25 Hektar kleine Halbinsel für die wunderschöne Altstadt mit typischer „Schwarzmeer-Architektur“ bekannt und für die 40 Kirchen, von denen noch 10 erhalten sind.
Man streunt durch die Gassen und fast an jeder Ecke findet man eine Kirche oder die Ruinen davon. Unser altes Gastgeber-Ehepaar, das ihr kleines Hotelchen mit 12 Zimmern seit über 20 Jahren führt, profitiert sogar von Corona, wie der nette Mann, der sein Hotel noch analog mit Papierlisten führt, uns berichtete: weil die meisten großen Hotels am Goldstrand geschlossen sind (auch wenn im deutschen TV anders berichtet wird), ist er ausgebucht, denn die Bulgaren und Rumänen kommen trotzdem an die bulgarische Küste! Und vielleicht besucht Ihr uns? Einmalige Gelegenheit: Goldstrand ohne Schaumparty und Saufgelage! :-)
Sehr schöner Bericht - den ich gleich mal mit einem 100 %-Upvote bedacht habe. :)
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Vielen lieben Dank und viele Grüße vom Meer! :-)
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Klasse Berich!
LG Michael
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Nochmal Danke an Dich! :-)
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Danke, Michael!
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I see you happy. thank you
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Schöne Fotos und schöner Bericht 👍
Gruß vom @bitandi
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Danke! Ist auch schön hier, da kann nur "schön" bei raus kommen :-)
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Ein sehr toller Bericht und tolle Bilder, da bekommt man glatt fernfeh :)
Hans der Passart gefällt mir und andere Bezahlen für eine Sauna ^^
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Danke! Solange "Hans" fährt, hat er ja ne Klimaanlage :-) In ner Saune am PC arbeiten ist nicht so der Hit, aber Sauna soll ja gesund sein :-)
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