Der blanke Wahnsinn!

in deutsch •  6 years ago  (edited)

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LKW der Firma ehemaligen Firgolux

Heute, über 20 Jahre danach betrachtet, ist die folgende Schilderung als der blanke Wahnsinn zu bezeichnen. Doch damals, in diesem Job, da war das fast normal. Die Betonung liegt allerdings auf fast. Doch ja, auch wenn der Uru-Guru es heute als Wahnsinn bezeichnet, denkt er nicht ohne einen kleinen Funken Stolz an diese Zeit zurück.

Die Rede ist von seinem damaligen Job als Fernfahrer extrem, mit einem Frigo LKW der Firma Frigolux. Es war noch keine EU doch als Deutscher konnte man in Luxemburg arbeiten, wo die österreichische Firma ein Zweigstelle betrieb. Frigo, ist ein Kühl-LKW, ein fahrender Eisschrank, wenn man das mal so erklären will. Die damit beförderten Waren sind durchweg verderblich und müssen schnellstens von A nach B gebracht werden. Deswegen stehen die Fahrer immer unter Zeitdruck.

Frische Erdbeeren

Heute möchte der Uru-Guru von einer seiner schlimmsten Fahrten berichten. Es geht um eine Fahrt von Spanien nach Österreich. Die Ladung waren die ersten frischen Erdbeeren des Jahres. Dementsprechend teuer und eilig war die Fuhre. Der Zeitdruck immens. Gesetze, ok die gab es, aber die wurden vom Chef mal eben mit den Worten: egal wir zahlen alles, außer Kraft gesetzt. Dies war sozusagen der Freibrief und die Aufforderung Gas zu geben. Damals gab es noch keine Geschwindigkeitsbegrenzer, man war noch jung und voller Tatendrang, man wollte sich selbst etwas beweisen und man war dementsprechend bereit Leistung zu zeigen und zu bringen.

alles erdbeeren

Anzumerken sei vielleicht, nein es soll keine Entschuldigung sein, dass Frigofahrer mit zu den härtesten und besten LKW-Fahrern überhaupt zählen. Wer sich diesem Beruf verschreibt, kennt seine persönlichen Grenzen und weiß wie er mit seinem Körper umzugehen hat. Die Anzeichen der Müdigkeit kommen nicht plötzlich, nein, sie ziehen langsam auf und man ist gewarnt. Dann heißt es entweder Schluss zu machen oder sich mit diversen Beschäftigungen wach zu halten. Frigofahrer beherrschen ihr Geschäft.

Obstladung

Doch kommen wir zu eigentlichen Fahrt, eine kleine Ortschaft, Lepe südliche von Huelva, 25km von der Portugiesischen Grenze entfernt. Dort in dem milden Klima wachsen die ersten Erdbeeren und genau da, an einem Donnerstag hatte der Uru-Guru ca. 8 Tonnen dieser leckeren Früchte geladen und sich, nach der in Spanien obligatorischen Fruchtkontrolle, auf den Weg nach Wien gemacht.

Die Fahrt führte über die sogenannte Erdbeerroute in Spanien. Huelva - Sevillia - Cordoba - Albacete, dann nach Valencia - Barcelona zur spanischen Grenze in La Junquera weiter nach Perpignan - Montpellier - Orange - Lyon - Mühlhouse über die deutsche Grenze nach Freiburg - Karlsruhe - Nürnberg - Regensburg - Passau zum Grenzübergang Suben Autobahn nach Linz und dann nach Wien zum Großmarkt.

Wer sich etwas auskennt wird merken dass dies nicht der kürzeste Weg war. Salzburg wäre kilometermäßig kürzer gewesen, aber Salzburg liegt der Grenzübergang auf deutschen Gebiet und in Suben auf Österreichischen. Dieser Umweg bewies sich später als Glücksfall, war wohl wissend, auf das was kommt konnte und auch kam, einkalkuliert.

LKW-Beladung

Donnerstag, die erste Etappe. Es gab damals noch kaum Autobahnen in Spanien, alles lief über Nationalstraßen. Meistens sehr gut ausgebaut. So schaffte es der Uru-Guru bis hinter Albacete zu kommen. Dort wollte er eigentlich nur ein paar Stunden schlafen doch es wurden dann doch 8 Stunden, eigentlich für die Strecke die er noch vor sich hatte zu viel. Aber es war dann doch wieder gut, denn so war er ausgeschlafen für das was dann kommen sollte. Nach einem Tässchen Kaffee, so was muss ja sein, ging die Fahrt dann irgendwann in den Vormittagstunden weiter Richtung Valencia. Dort fing auch die bis nach Wien durchgehende Autobahn an. Da konnte man dann Gas geben, fahren und Kilometer fressen wie man das nannte. Pippipause nach Valencia, tanken, voll bis zum Rand. Telefon nach Wien, die Disponentin sagte in Ihrem österreichischen Dialekt: „ Gell sie wissens jo, Sonntach morgen um sechse, in Wiern“! Peng das hatte gesessen. Es war Freitag Mittag 14 Uhr. Somit blieben noch 40 Stunden Zeit um von Spanien nach Wien zu fahren, es waren ja nur noch ca.2400 km.


Regulär darf ein LKW 80km/h fahren das sind dann 3 mal 10Stunden ohne Unterbrechung ohne Pause, da wären wir bei 30 Stunden. Also 10 Stunden Luft. Aber so darf man nicht rechen, so rechnen nur Disponenten die die Touren planen. 10 Stunden Zeit die sind so schnell weg. Schlafen muss der Fahrer ja auch noch. Die menschlichen Bedürfnisse nicht zu vergessen. Also hat sich was mit 80. Die Kiste fahrt schneller. 135km/h. 8 Tonnen ist wie leer bei 400PS also gib Gummi Schummi oder der Uru will Spaß und da gibt er Gas!

Damals war es noch nicht so schlimm mit Radar und mit den Kontrollen. Da ging noch was. Man konnte es riskiere und wirklich auf die Tube drücken. Busse jagen. Bumscontainer ärgern, Bumscontainer was das ist? Ein PKW mit Wohnanhänger. Immer schnell immer lästig und immer gefährlich. Meistens fahren die nur einmal im Jahr, dann ne große Entfernung, kennen sich und Ihr Geschoss nicht und fühlen sich wie die wahren Kapitäne der Autobahn, sind es aber nicht.

Aber man konnte schon mit ihnen spielen, sich die Zeit vertreiben beim Kilometer fressen, indem man sie ein wenig ärgerte, man was haben die sich manchmal aufgeregt. Reisebusse, es war die Zeit als jeder anständige Bus einen oder auch 2 TV-Geräte drin hatte um die Fahrgäste zu unterhalten. Was also liegt näher als sich hinter so einen Reisebus zu setzen und den Porno anzuschauen der da manchmal lief, zumal Reisebusse ja meistens mehr als 100km/h schnell unterwegs sind. da konnte man schnell ein paar Kilometer fressen. Ein weiterer Vorteil, durch den Bus ließ sich nach Vorne schauen und sehen was vorne dran passiert. So etwas nannten wir dann vorausschauendes Fahren.

Reisebus

Dann gab es damals den CB-Funk, eine weitere Möglichkeit sich bei Laune zu halten. Ein Schwätzchen mit einem Leidgenossen, einer der auch schnell unterwegs war weil er nach Hause wollte. Die Möglichkeiten wahren schier unbegrenzt. Es kam keine Langeweile auf. Der Tank allerdings, der neigte sich dem Ende entgegen. Also auch mal wieder Zeit für ne Pippi pause.

Der Pippi-Strahl wurde nach Kilometern gemessen, Mann war im Training. Die Blase voll mit selbst gemachten Kaffee, Cola und Red Bull, die Wachmacher schlechthin. Nein gegessen wurde nicht viel. Satt macht müde und für müde war keine Zeit. 20 Minuten für tanken, zahlen und Pippi mehr war es nicht. Gas geben! Oh die überholten Idioten mit den Bumscontainern sind auch schon da, die kannte man doch. Den Bus hatten wir doch auch schon mal überholt, der hatte doch den Porno laufen.

typischer Bumscontainer

So ging es bis Nachts um 3Uhr, letzte Raststätte vor der Zahlstelle an der garantiert kontrolliert wird. Jetzt heißt es Pause machen. Na ja nicht viel aber doch eine Mütze voll Schlaf. 4 Stunden in der Waagerechte. Dann noch nen Kaffee und ne neue Tachoscheibe und mit normaler Geschwindigkeit ab zur Zahlstelle. Und wen haben wir denn da? Ein französischer Bulle, jetzt Obacht und immer schön freundlich. Gut dass wir ne neue Scheibe drin haben und ausgeschlafen aussehen. Er glaubt es, das mit dem ausgeschlafen und der Pause und man darf weiter fahren. Die gefährlichste Hürde ist genommen.

Deutschland, Freiburg, der Schwarzwald ist zu sehen. Nächste Raststätte raus. Duschen, anständige Toilette zum sitzen nicht so wir der Dreck in Frankreich, wo man sich das Kreuz kaputt macht. Kaffee und ein Schnitzelbrötchen muss reichen. Dann wieder ab auf die Autobahn. Deutschland immer ein schlechtes Gefühl. Der Verkehr ist bescheuert.

LKW Überholverbot

Die Regeln erst recht. LKW-Überholverbot, Du schleichst hinter einem langsamen Rumänen her und dir juckt es im rechten Fuß um einfach daran vorbei zu ziehen. Doch man ist ja in Deutschland. Da stehen die Bullen überall rum und warten nur darauf. Also Zähne zusammen beißen und warten bis dieses doofe Überholverbot aufgehoben ist. Dann nichts wie dran vorbei und Gas und weg. 100hm/h knapp drüber, knapp drunter. Es ist Samstag, da ist nicht so viel Verkehr. Es läuft so einigermaßen. Karlsruhe, wo lang nun, Stuttgart oder Heilbronn? A8 immer Stau, immer schlecht zu fahren Baustellen usw. Also Heilbronn, dann nach Nürnberg die A6 geht meistens so auch an diesem Tag, es läuft. Regensburg.

Ehemalige Grenze Suben Autobahn

Die Nacht bricht herein, Passau, gleich kommt die Grenze nach Österreich in die Freiheit. Freiheit? Wieso denn das? Nun Österreich war damals noch keine EU und gehörte zu den EFTA Staaten, also war man dort nicht mehr an die deutschen und europäischen Gesetze gehalten. Somit war man dort wieder frei! Suben- Autobahn, Grenzübergang Zollkontrolle Stempel holen. Papiere alles klar, doch ein übereifriger bayrischer Grenzpolizist musste es mal wieder wissen. Er kannte halt seine Pappenheimer. Tachoscheibenkontrolle.

Lenkzeitkontrolle

Ergebnis, Anzeige wegen Lenkzeitüberschreitung, war ja klar und absehbar, 6 Scheiben beschlagnahmt. Doch da sich der Grenzübergang auf österreichischen Staatsgebiet befindet hat er nicht das Recht die Weiterfahrt zu verweigern. Das ging damals noch. Deswegen der Umweg. Somit ging es dann mit einem Schulterzucken weiter, noch 300km bis Wien. Österreich, Nachts, gib Gas. Luxemburger Kennzeichen, es kann nichts passieren. Da wird nichts verfolgt und die Österreicher die schlafen von Samstag auf Sonntag gerne. Ankunft in Wien Sonntag morgen um 5.45Uhr auf dem Großmarkt. Geschafft. 15Miunten vor der Zeit ist des Frigofahrers Pünktlichkeit! Termin eingehalten. Punkte gesammelt. So etwas gibt eine Belohnung. Vielleicht eine Tour dorthin wo man noch nicht war? Türkei oder Griechenland. Weit weg jedenfalls und nur nicht nach Deutschland bitte.

Heute nach über 20 Jahren darüber zu schreiben, macht stolz, nicht einsichtig, aber doch wissend, dass es der pure Wahnsinn war. 1748km in 17 Stunden mit einem LKW, das war persönlicher Rekord. Nonstop quasi von vor Valencia in Spanien bis kurz vor die deutsche Grenze. Noch mal wollte es der Uru-Guru nicht mehr machen. Einmal das reicht, obwohl er noch andere ähnliche Sachen gebracht hat.


Eroscape Pheromone

Die Anzeige, nun es war ein Ordnungswidrigkeit welche nach 3 Monaten verjährt. Da der Uru zu diesem Zeitpunkt in seinem LKW lebte und keine deutsche Adresse mehr hatte an der er gemeldet war, brauchte die Anzeige 7 Monate bis sie ihn erreichte. Es sollte die Firma ca. 2000,--DM kosten. Wegen der Verjährungsfrist wanderte die Anzeige allerdings in den Papierkorb. So einfach war das damals.
Liebe Grüße aus Uruguay

Peter


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Hallo @uruguru, danke für den interessanten Bericht über das Fernfahrerleben von früher. Liebe Grüße Alexa

Ich danke Dir fürs lesen?
Liebe Grüße aus Uruguay

Peter