Dieser Blog ist ein Transcript aus meinem Review Video zu dieser Achterbahn. Wer nicht lesen, sondern lieber Bewegtbild sehen will, der kann jetzt zum Ende des Beitrages scrollen. Dann verpasst du aber ein paar nette Bilder :-).
Park Einleitung:
Im Jahr 2001 schlug der Heide Park Soltau große Wellen in den Medien. Mit Colossos, beworben als die zu dieser Zeit größte reine Holzachterbahn der Welt, eröffnete der von Amerikanischen Freizeitparks inspirierte Heide Park eine Holzachterbahn mit in Europa zu der Zeit ungesehenen Ausmaßen.
In Zusammenarbeit mit dem Schweizer Fahrgeschäfte und Achterbahn Spezialisten „Intamin“ entwickelte man ein völlig neues Schienensystem, welches modular aufgebaut war und bereits fertig 3D- gefräste Schienen zum Aufbau auf die Baustelle brachte. Der große Vorteil dieser schienen war die hohe mögliche Präzision, mit der man einen High-Speed Ride wie es sonst nur die stählernen Mega-Coaster boten, auch als Holzachterbahn bauen konnte.
Die bisherige Technik des Schienenbaus durch auf laminieren vor Ort hätte vermutlich nie den Fahrkomfort dieser Neuentwicklung erreichen können. Die monströse Holzachterbahn ist bis heute ein Aushängeschild der europäischen Achterbahn Landschaft, doch ist ihre Geschichte nicht ganz ohne Probleme verlaufen.
Ende Juli 2016 musste Colossos vorerst geschlossen werden, da die ursprünglichen Schienen weit schneller verschlissen sind als man bei der Planung berechnet hatte. Fast 3 Jahre war Colossos geschlossen. Seit dem 13. April 2019 ist der Gigant zurück. Nicht nur mit vollständig neuen Schienen, sondern auch mit einem neuen Thema – Der Kampf der Giganten.
Colossos – Megacoaster, ganz aus Holz:
Dies nehme ich gern zum Anlass, ein Ride Check Spezial nach zu liefern, denn es kommt nicht oft vor, das eine solch große Anlage in dieser Form renoviert wird. Zur Eröffnung 2001 war Colossos eine atemberaubende Airtime Maschine, doch lies die Achterbahn über die Jahre deutlich nach. Im Jahr 2016 war meine letzte Fahrt auf dem „alten“ Colossos und die Fahrt war zu dieser Zeit bereits deutlich unruhiger und auch die wirkenden Kräfte waren weit geringer als ich sie in den ersten Jahren des Kolosses in der Lüneburger Heide erlebt habe
Bevor wir uns aber ausführlich mit dem neuen Erlebnis und der Frage ob Colossos wieder zu alter Größe aufgestiegen ist beschäftigen, werfen wir wie immer einen schnellen Blick auf das Datenblatt.
Die eindrucksvolle Holzkonstruktion streckt sich an der Spitze des Kettenliftes rund 52 Meter in den Himmel. Dies gibt den 2 Zügen mit je 5 Wagen für insgesamt 30 Personen pro Zug genug Energie um in den Tälern bis zu 110 Kilometer pro Stunde zu erreichen.
Dabei stürzen sich die Fahrgäste über 48,5 Meter bei einer maximalen Neigung von 61 Grad in die Tiefe. Dabei benötigt die Achterbahn für die 1344 Meter Strecke um die 2 Minuten und 25 Sekunden. Damit sind die groben Eckdaten gesetzt und wir gehen über zu dem, was das Gesamterlebnis Colossos bietet.
Die Thematisierung:
Bereits zwei Mal wurde Colossos umgestaltet. Die erste Thematisierung erhielt die Bahn bei der Integration in den Themenbereich „Land der Vergessenen“. Man bepflanzte einen Teil der Wartezone, gab der Station eine Basis-Gestaltung und lackierte die alten Züge neu. Doch lange sollte das nicht halten, denn dies geschah kurz vor dem längeren Ausfall der Bahn.
Für die Rückkehr hat man die Thematisierung nochmal deutlich erweitert. Dies beinhaltet kleinere Verbesserungen an der Wartezone. Dabei hat man leider wieder darauf verzichtet für Schatten auf der schräge direkt vor der Station zu sorgen. Dies kann im Sommer bei hohen Temperaturen und direkter Sonneneinstrahlung bei bis zu 30 Minuten in dem Bereich doch anstrengend werden. Schade das man hier wieder nichts gemacht hat.
Umso mehr wurde aber in der Station selbst gestaltet. Die Stützsäulen im Gebäude haben ein Design bekommen, welches an starke Wurzeln erinnert. Dies passt gut zum neuen Themenelement direkt an der Strecke, dem Giganten, der Colossos den neuen Untertitel „Kampf der Giganten“ gibt.
Dieser türmt sich Eindrucksvoll und in Flammen gehüllt über der Schiene auf und verschlingt regelmäßig die herbei rasenden Züge mit feuriger Gier.
Abgerundet wird die neue Präsentation der Bahn mit einem umfangreichen neuen Soundtrack und kleiner Pre-Show auf Leinwand welche die neue Story der Holzachterbahn erklärt.
Insgesamt muss man dem Heide Park hier eine gelungene Neuthematisierung von Colossos mit kleinen Abzügen in der B-Note zugestehen. Für das, was man sonst im Heide Park thematisch an Neuheiten geboten bekam seit Merlin übernommen hat ein großer Schritt nach vorn.
Das Layout:
Nach der Stationsausfahrt folgt direkt die zügige Liftauffahrt auf 52 Meter. Bevor sich die Züge in die Tiefe stürzen, geht es in eine Panorama Kurve welche uns langsam dem First Drop entgegenbringt. Dieser bietet auch den steilsten Punkt des Fahrverlaufes. Was folgt sind, sagen wir, zwei- ein halb große Airtime Hügel welche das klassische „Out and Back“ Layout in Richtung Wende führt. Um den Weg zurück an zu treten, neigt sich die Schiene seitlich in einer 180 Grad Rechtskurve dem Boden zu um in einer S-Kurve wieder Höhe auf zu nehmen.
Ein erneuter Sturz führt in einen flachen, weiten High- Speed Hügel um anschließend wieder auf zu steigen und eine ebene gerade zu erreichen. Diese mündet in eine 450 Grad abwärts- Helix durch das Gebälk der Stützenkonstruktion.
Zum Finale reiht Colossos nochmal 3 Airtime Hügel auf, wovon der letzte von der riesigen Kreatur überschattet wird. Den Abschluss bildet eine 180 Grad Wende in die Schlussbremse, welche Prominent gerade hinter der Station an einem großen Platz für Zuschauer platziert ist.
Wir sind zurück zwischen den Wurzeln des Bahnhofs.
Das Fahrgefühl:
Colossos ist allein schon durch das Layout als reine Airtime Maschine ausgelegt. So zu sagen ein hölzerner Megacoaster der seinen Fokus auf Höhe, Geschwindigkeit und kräftige Wechsel zwischen positiven und negativen vertikalen G-Kräften legt. Die Nagelneuen Schienen sorgen dafür, dass sich das Fahrverhalten sogar sehr nah an die stählernen Schwesterbahnen von Intamin annähert, jedoch nicht ganz die nahezu nicht spürbaren Übergänge zwischen den Schienenelementen erreichen kann. So sind die Trennstellen der einzelnen Schienenelemente leicht zu spüren, jedoch weit weg von unangenehm. Lediglich in der 450 Grad Helix werden diese etwas deutlicher. Dieses verhalten hatte die Achterbahn aber an der Stelle schon immer und es sind bei weitem nicht mehr die harten Schläge, welche dort 2016 noch verteilt wurden.
Sehr gut funktioniert der Effekt des Giganten auch während der Fahrt selbst. Nicht nur der Feuereffekt, sondern insbesondere die Fake-Schiene welche die Kreatur in Händen hält bietet einen heftigen Headchopper Moment, den ich so nicht erwartet hätte. Sehr gute und Präzise Arbeit hier von Merlin und dem Heide Park. Das der Gigant dabei auch als Ripoff von Wicker Man in Alton Towers gesehen werden könnte, ist an der Stelle dann wirklich mal geschenkt. Das Ding erzielt seine Wirkung und darauf kommt es an.
Die neuen Züge bieten zudem ein etwas anderes, weniger freies Fahrerlebnis als es die alten konnten. Die Seiten der Wagen liegen nun deutlich höher und damit sitzt man jetzt deutlich „eingeengter“, für mich jedoch weit entfernt von unangenehm. Leider sorgt dies aber dafür, dass fülligere Fahrgäste jetzt wohl tatsächlich etwas eher Probleme bekommen eine angenehme Sitzposition ein zu nehmen. Schade.
Auch schade empfand ich, dass man gleich im First Drop von Colossos eine deutlich Spürbare Trim-Brake platziert hat, welche wohl dafür sorgen soll, das die Belastung der Schienen etwas geringer ausfällt. Man kannte das Einbremsen der Achterbahn bereits aus den letzten Jahren vor der Renovierung. Das sorgt leider aber auch dafür, dass wir nicht mehr von der Airtime Schleuder aus 2001 reden können. Denn die Energie, welche durch die Trim im First Drop genommen wird, fehlt dann deutlich auf den vielen Airtime Hügeln der Bahn. Colossos wurde im Vergleich zur ursprünglichen Eröffnung spürbar gezähmt, was ich schade finde. Natürlich treten nach wie vor spürbar negative Kräfte auf den Hügeln auf, es liegt jetzt nur eben irgendwo zwischen B&M Floating Airtime und der sonst von Intamin gewohnten brachialen Ejector Airtime und war für mich leider weder Fisch, noch wirklich Fleisch. Meine Zuschauer da draußen, welche eine gewisse Erfahrung mit den Intamin Prefabricated Woodys haben, lasst euch sagen, man kann die Airtime kaum noch hören, ihr wisst denke ich genau was ich meine.
Fazit:
Colossos – Kampf der Giganten ist ohne Frage nach wie vor eine vorzeige Achterbahn und das unbestrittene Flaggschiff des Heide Park. Doch kam man leider nicht wieder auf das Niveau von den frühen 2000er Jahren, was ich äußerst schade finde. Auf der anderen Seite ist es auch verständlich, dass man wohl kaum in 15 Jahren noch einmal einen 3-Jährigen Ausfall der Bahn mit Renovierungen im Millionen Bereich riskieren will.
Als Ausgleich bekommen wir dafür deutlich erweiterte Thematisierung inklusive eindrucksvollem Soundtrack, kleiner Geschichte und einem überzeugenden Effekt bei Durchfahrt durch den Giganten.
Im gesamten ist Colossos immer noch eine Achterbahn der Oberliga und die gegebene Kritik grenzt auch sicher schon an „Meckern auf höchstem Niveau“. Andererseits reden wir hier aber auch von einem Ride, welcher nun mal auf höchstem Niveau spielen will und da darf meiner Meinung nach Kritik auch mal härter ausfallen, als es beim Durchschnitt sonst der Fall wäre. Letztendlich bleibt fest zu halten, das Colossos ein absolut lohnendes Erlebnis ist, welches sich primär an Thrillseeker richtet, jedoch besonders jetzt nach der Renovierung und der etwas gebremsten Fahrt vielleicht auch etwas weiter im Publikum nach unten Skaliert. Europas größte Holzachterbahn ist sicher nicht Kompromisslos, dafür insgesamt dennoch ein must ride im europäischen Coaster Lineup.
Das alles als Video:
Das alles ist aber nur meine persönliche Meinung, wenn ihr das anders seht, oder etwas hinzufügen wollt, dann ab damit in die Kommentare. Ich freue mich auf jede Anregung und Diskussion.
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