Anfang der 1980er lebte ich zwei Jahre in Südafrika, in der Nähe von Jo'burg und Pretoria. Die Apartheid war ungebrochen und sorgte für einiges Leid, aber dennoch auch für eine florierende Wirtschaft, gute Bildung, ein gutes Gesundheitssystem und andere Vorzüge eines stabilen Staates. Ich war versucht, zu bleiben, einzuwandern, hatte dann aber doch zu viel Angst davor und kehrte wehmütig heim. Lange hatte ich "Heimweh" nach Südafrika; inzwischen bin ich froh, nicht dort geblieben zu sein.
1996 reiste ich noch einmal nach Afrika, diesmal nach Kenia, wo ich die Familie meiner damaligen Liebschaft kennenlernen wollte (und die mich). Diesmal blieb ich nur drei Wochen, verbrachte dort einen anstrengenden und insgesamt eher unerfreulichen, aber lehrreichen Urlaub.
Natürlich sind Südafrika und Kenia verschiedene Länder mit unterschiedlichen Kulturen, Sprachen, Traditionen, Gepflogenheiten etc., doch manches haben sie gemein. Zum Beispiel erlebte ich in beiden Ländern (und in diversen anderen, die ich in meiner Zeit in Südafrika bereiste):
Eine freundliche Neugier mir, der Fremden, gegenüber. Besonders in SA, wo Weiße, die per Anhalter unterwegs waren, ungewöhnlich und als Besucher aus Europa oder den USA zu erkennen waren. Die Weißen wollten mich schützen, die Afrikaner wollten alles über Deutschland wissen! Übrigens hörte ich von Letzteren oft Lobpreisungen Kaiser Wilhelms; ich mochte es kaum glauben!
Ein sehr, sehr kreatives Verständnis von Zeit und Raum, um es freundlich auszudrücken. "Wann kommt das Busch-Taxi?" "Oh, gleich! In einer halben Stunde, spätestens." Einen halben Tag später: "Also, wann kommt nochmal das Busch-Taxi?!"
"Wie weit ist es bis zur Grenze?" "Oh, nicht weit! Eine Meile!" Die Meile hat dann ungefähr 20 Kilometer. Oder so.
Die Zukunft ist weit weg, darum muss man sich doch jetzt noch nicht kümmern!
Ehen dienen dem Bevölkerungswachstum; auf der Beziehungsebene bleiben Frauen und Männer eher unter sich. Die Rollen sind dabei konservativ: Frau geht arbeiten und versorgt danach den Haushalt, Mann geht (hoffentlich) arbeiten und unterhält danach seine Freunde.
Kinder. Je mehr, umso besser. Wer sich dann um die kümmert, ist zweitrangig. Irgendwie kommen die schon durch, mehr oder weniger gut versorgt von Tanten und Großmüttern. Und wenn welche sterben, macht man halt neue. Das klingt hart, scheint jedoch der menschliche Default zu sein und war auch in Europa bis zur Aufklärung, oder eher noch bis zu einem der moderneren Medizin geschuldeten deutlichen Rückgang der Kindersterblichkeit normal, wenn ich mich nicht irre.
Nepotismus. Nichts ist so wichtig wie die Familie, und niemandem ausserhalb der Familie kann man vertrauen. Danach kommt die Stammeszugehörigkeit. Danach kommt die Volkszugehörigkeit. Oder war es die umgekehrte Reihenfolge? Jedenfalls wähle ich auf jeden Fall den Kandidaten aus meinem Stamm/Volk! Die anderen sind doch alle korrupte Verbrecher!
Einen sehr erschreckenden Mangel an Empathie. Wer es sich irgend leisten kann, lebt in einer Gated Community, einem eingezäunten, durch Wachmänner gesicherten Wohnbezirk, in den man nur gelangt, wenn man sich ausweisen und einen plausiblen Grund für den Einlass angeben kann. Wer sich so einen Wohnsitz nicht leisten kann, hat einen Wachmann, vergitterte Fenster und Terrasse, oder wenigstens einen sehr, sehr scharfen Wachhund. Dazu gleich mehr.
Soviel Aufwand für den Schutz des Besitzes? Nein. Wenn in Afrika jemand in dein Haus einbricht und du zu Hause bist, dann hast du einen sehr brutalen Tod gebucht. Bist du ein Mann, wirst du (gerne mit einer Machete) abgeschlachtet. Vorher vielleicht noch ein wenig gequält. Sind deine Frau und vielleicht Kinder da, musst du dir vor deinem Tod noch ansehen, wie diese vergewaltigt, mißhandelt und grausam getötet werden. Deshalb der Aufwand. Das ist Standard. So läuft das. Gewalt ist normal und anscheinend auch unterhaltsam, wie in Europa bis zur Aufklärung.
In Südafrika werden Hexen, politische Gegner und andere unliebsame Menschen durch das "necklacing" hingerichtet: ein mit Benzin gefüllter Autoreifen wird um den Brustkorb des Opfers geschoben und in Brand gesetzt. Manchmal dauert es 20 Minuten, bis endlich der erlösende Tod eintritt. In den 80ern des letzten Jahrhunderts war das sehr en vogue.
Es wird also sehr grausame, unnötige Gewalt angewendet, und das Leben eines Menschen ist wenig wert. Dass Tieren vollkommen achtlos Leid zugefügt wird, wundert dann nicht.
Zu den Wachhunden also: Schwester und Schwager meines kenianischen ehemals Verlobten hatten einen kleinen Hund, einen Welpen. Der lebte an einer ziemlich kurzen Kette, höchstens 3m lang, von der er niemals gelassen wurde. Nie ging jemand mit ihm spazieren, nie spielte jemand mit ihm oder streichelte ihn oder richtete auch nur ein freundliches Wort an ihn. Er bekam Wasser und Fleisch, genug zum Überleben. (Der Plan war, dass er Tag für Tag frustrierter und aggressiver werden sollte, sodass er sich auf jeden Menschen, dessen er habhaft werden könnte, stürzen und ihn zerfetzen würde. Keine leere Drohung für potenzielle Einbrecher also.) Ich konnte das kaum aushalten, sehe aber durchaus ein, dass diese grausame Abrichtung den beiden (übrigens sehr netten) jungen Leuten ein wenig Sicherheit bot.
Aber warum schreibe ich das überhaupt?
Einmal aus ganz persönlicher Traurigkeit der schlimmen Nachrichten wegen, die mich aus Südafrika erreichen. Dort werden Farmer ermordet, auf die oben beschriebene Weise, oft für ein paar Rand, ein Auto, ein altes Gewehr. Oder aus Hass auf Weiße. Dort wird die einst blühende Wirtschaft zerlegt, die Armut wächst und die Kriminalität noch mehr. Die Mordrate ist hoch. Dieses so wunderbar schöne, fruchtbare Land, nach dem ich so lange Heimweh hatte, geht vor die Hunde. Nelson Mandela hat das wohl so nicht gewollt!
Und dann:
Es wird viel geschrieben über die wirtschaftliche und politische Misere in fast allen afrikanischen Staaten; gern wird sie mit der Kolonialgeschichte und mit den unfairen Handelsbedingungen erklärt, mit der Ausbeutung durch die westliche, weiße Welt. Ganz falsch ist das vermutlich nicht, obwohl natürlich niemand wissen kann, wie es heute in Afrika aussähe, hätte alle Welt (auch die islamisch, übrigens) diesen Kontinent in Ruhe gelassen. Gänzlich erklären kann diese viel zitierte Schuld des weissen Mannes das Elend Afrikas jedoch nicht. Die oben genannten Eigenheiten dürften auch eine Rolle spielen, denn sie haben großen Einfluss auf das gesellschaftliche Leben, die Art des Wirtschaftens, die sozialen Gefüge, die Sicherheit der Bürger.
Dem Interesse, das viele Bürger afrikanischer Staaten einzelnen europäischen Touristen entgegenbringen, steht eine massive, brutale und durchaus auch rassistische Kriminalität gegen weiße Mitbürger entgegen. Das bedeutet auch, dass viele hochqualifizierte, kompetente Leute auswandern und diesen Ländern fehlen mit allen wirtschaftlichen Konsequenzen, die ein "Braindrain" mit sich bringt.
Eine stabile Wirtschaft, die auch Krisen übersteht, braucht Menschen, die planen, vorausschauen und zuverlässig auch dann ihre Arbeit machen, wenn sie gerade genug Geld für die nächsten paar Tage in der Tasche haben.
Die Kindersterblichkeit ist auch auf dem afrikanischen Kontinent massiv zurückgegangen. Die Geburtenraten leider nicht. Das Bevölkerungswachstum in Afrika beträgt zur Zeit etwa 1 Million Menschen pro 10 Tage! Wovon sollen die leben, welche Chancen haben die?
Dem Nepotismus und der damit verbundenen Stagnation jeglicher politischer Entwicklung ist ein sehr großer Anteil an Korruption, Misswirtschaft und Unterdrückung jeder Opposition geschuldet. Die Infrastruktur selbst im hochentwickelten Südafrika ist für eine moderne Gesellschaft und Wirtschaft völlig unzureichend, viele Menschen haben weder Zugang zu Elektrizität noch zu sauberem Trinkwasser. Das im 21. Jahrhundert.
Korrupte Regierungen werden nicht abgewählt, weil sie und ihre Wähler dem selben, zahlreicheren Volk oder Stamm angehören. Nach politischen Inhalten wird kaum gefragt, und wenn, dann unter großen Gefahren für Freiheit und Leben.
Das alles (natürlich sehr verkürzte und vereinfacht dargestellt!) kann kaum als Erfolgsrezept bezeichnet werden!
Oder ist das jetzt einfach nur rassistisch?
https://www.euractiv.de/section/eu-aussenpolitik/interview/afrika-braucht-einen-besseren-deal-fuer-seine-infrastruktur/
https://www.gemeinsam-fuer-afrika.de/infrastruktur-in-afrika/
https://derstandard.at/2000068573136/Debatte-ueber-Morde-an-Weissen-reisst-Suedafrikas-Wunden-auf
https://en.wikipedia.org/wiki/Necklacing
Hallo Yella,
Mandela hat das so nicht gewollt!? Ich bin da anderer Meinung. Das alte Lied "Tötet die Buren" hat er meines WIssens nach nicht nur auch gesungen, er hat es salonfähig gemacht. Auch heute singen das die ANC Führer noch auf ihren Kongressen und deren Mitglieder auf den Straßen.
Das Lied im Munde führend vergewaltigen und morden diese Menschen die weißen Farmer in Massen. Ja es ist Rassismus. Aber nicht, es als europäischstämmiger auszusprechen, sondern die Taten dieser Rassisten.
Der Genozid an den weißen Südafrikanern ist im vollen Gange und wird von keiner Seite verurteilt. Weder von den Europäern und Amerikanern, noch von der schwarzen Bevölkerungsmehrheit in Südafrika.
In Simbabwe ist doch Ähnliches passiert und jetzt verhungern die Leute da. Wahrscheinlich ist das auch gleich wieder die Schuld der Weißen.
Ich schaue mir auf YouTube gerade die Serie von Lauren Southern zu Südafrika an und habe mich in den letzten Monaten etwas eingelesen. Es ist eine schreiende Ungerechtigkeit. Ja, die Apartheid war Mist, aber wie du bereits sagtest und sämtliche Metriken geben dir recht. Unter diesem Herrschaftssystem ging es der Gesamtbevölkerung besser. Auch die Schwarzen leiden heutzutage um ein Vielfaches mehr, als damals. Unter der Hand sagt das auch jeder, aber genau wie in Deutschland dürfen gewisse Dinge nicht laut ausgesprochen werden.
Es ist wie überall auf der Welt momentan zu beobachten. Vieles, was die Europäer machten, war ambivalent und aus der heutigen Sicht nicht nachvollziehbar und sogar zu verurteilen. Aber die neue Ordnung, die gerade anbricht und eher einer Unordnung, wahrscheinlich einem bestialischen Chaos gleichen wird, wird uns (und ich meine uns europäischstämmigen, wo immer wir sein mögen) noch eine Menge Kummer und Leid bringen.
Der zivilisatorische Funken wird verglühen.
P.S. Dein Erfahrungsbericht war insgesamt sehr lesenswert und er deckt sich, wie du aus den vorigen Ausführungen herauslesen kannst zu hundert Prozent mit meinen Gedanken.
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Danke und hi!
Was die Gewalt gegen weiße Farmer angeht, scheint ein rassistischer Hintergrund auch zu bestehen, aber eher neben dem Motiv des Diebstahls. Der Brutalität, die ich ja auch in meinem Text erwähne, sind afrikanische Opfer genauso ausgesetzt, wie europäische. Daten, die eindeutig einen Genozid an Weißen belegen würden, habe ich bisher nicht gefunden. Daher formuliere ich entsprechend vorsichtig. Angesichts der Geschichte Zimbabwes würde ich jedoch allen weißen Südafrikanern empfehlen, rechtzeitig auszuwandern!
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