Die Freie Gesellschaft Teil 10!!! Wissenswertes zum Monopolismus

in deutsch •  6 years ago 

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In der heutigen Leseprobe geht es um Monopolismus. Wenn man sich mit diesem Thema beschäftigt stellt man ganz schnell fest, dass es nicht ausreichend ist den Monopolismus einfach nur zu verteufeln, den der Teufel steckt im Detail.

Auf Grund dieses „Teufels-Detail“ fällt meine Leseprobe heute auch etwas länger aus.
Natürlich werde ich wieder zu hören bekommen, dass die Masse an Text (für mich eigentlich noch zu kurz) den Kurznachrichtenleser erschlagen würde. Jedes Buch erschlägt einen Nachrichtenkonsumenten und einen Kurznachrichtenfreund erst recht.
Es ist aber nicht möglich, solche heiklen Themen in einen „Dreizeiler“ zu verpacken. Vor allem dann nicht, wenn die unterschiedlichsten Ansichten zu einem Thema bestehen.

Selbst unter Gleichgesinnten entstehen die unterschiedlichsten Gedankengänge, wenn man offen mit einem Thema umgeht, was ich bei meiner Mitarbeit zu diesem Werk erfahren durfte.

Auch mag ich es selbst nicht, wenn man Fragment-Fetzen vor die Füße geworfen bekommt, deren Interpretationen Tür und Tor zu allerlei Spekulationen öffnen. Daher versuche ich so gut es mir möglich ist dieser Untugend nicht selbst zum Opfer zu fallen.

(das Buch kann übrigens hier https://www.dietrich-eckardt.com/bücher/ oder auch bei mir erworben werden kann. Wenn Interesse besteht im Kommentar melden).

Entmachtung des Monopolismus

Nach all dem, was ich bis hierhin ausgeführt habe, ist ersichtlich, wie weit ich mich in konsequenter Verfolgung des Freiheitsgedankens von den gängigen Vorstellungen über das „normale“ Zusammenleben von Menschen entfernen musste. Das Ungewohnte des hier gebotenen theoretischen Ansatzes setzt sich fort und verstärkt sich noch bei dem Versuch, eine für die Freie Gesellschaft passende Machtstruktur zu entwickeln - als Alternative zu den Machtstrukturen in den Staatsgesellschaften.
Von den im Abschnitt A 6 gestellten Leitfragen war die erste („Welches Fundament braucht eine dem Ich - in seiner Rolle als Freiheitsträger - angemessene Gesellschaftlichkeit?“) Gegenstand der beiden vorangegangenen Hauptabschnitte B 1 und B 2. Die Antwort auf die zweite Frage steht noch aus. Sie lautet: Wie kann das Verhältnis des freiheitsbegabten Ich zu den Machtinstanzen der Gesellschaft so entkrampft werden, dass kein vernünftiger Anlass besteht, gegen diese Widerstand zu leisten? Bei dieser Frage geht es um Macht von Menschen über Menschen, um die Herrschafts-Knechtschafts-Verhältnisse innerhalb der Gesellschaft. Wie kann diese Frage freiheitsgemäß beantwortet werden?

Bereits 1656 hatte sich der Brite James Harrington in seiner Oceana (Nachdruck 2008) mit der Frage des höchsten Maßes an gesellschaftlicher Freiheit beschäftigt. Er ist damit nicht sehr weit gekommen, obwohl er die Lösung des anstehenden Problems: Machtausübung zwischen Menschen im Angesicht der Freiheit durchaus als gesellschaftspolitisches Kernproblem erkannt hat. Charles-Louis de Montesquieu ist zuzustimmen, wenn er über Harrington sagt: „Er fing die Freiheit… zu suchen an, nachdem er sie missverstanden hatte“ (Nachdruck 1965).

Jean-Jacques Rousseau hat, beispielgebend für viele seiner Nachfolger, die Antwort auf die anstehende Frage in seinem Contract Social als Imperativ formuliert: „Finde eine Form des Zusammenschlusses, die mit ihrer ganzen gemeinsamen Kraft die Person und das Vermögen jedes einzelnen Mitglieds verteidigt und schützt und durch die doch jeder… frei bleibt wie zuvor [nämlich wie im Naturzustand; d. Verf.]“ (Nachdruck 2011).

Inspiriert durch diesen Imperativ fragte der Liberalismus des 19. und 20. Jahrhunderts, wie man eine freiheitssichernde Macht idealer Weise zu errichten habe. Er sah eine solche als staatliche Ordnungsmacht, die dafür zu sorgen hätte, eine freie Form von Gesellschaftlichkeit zu ermöglichen. Rousseaus Imperativ diente als Leitbild für den Aufbau eines mehr oder weniger liberalen Staatsapparats. Ob nun der Staat die Lösung des anstehenden Problems ist oder nicht, ein Diskurs über gesellschaftliche Machtverhältnisse wird nicht umhin können, sich auch mit dem Staat zu beschäftigen, vor allem dann, wenn dessen Existenzberechtigung zur Diskussion steht.


Bei der Untersuchung des Individuums in seiner Rolle als Tauschpartner am Markt taucht die auch sonst überall gebrauchte Redewendung vom „König-Kunden“ auf. Das in solchem Kontext verwendete Wort „König“ deutet an: am Markt geht es nicht nur um ökonomische und juridische, sondern auch um Machtfragen. Der Markt ist per se eine Stätte der Machtausübung, d. h. der Ausbildung von Herrschafts-Knechtschafts-Strukturen.
Die Macht von Menschen über Menschen ist in jeder leistungs-teiligen Tauschgesellschaft also von je her vorhanden. Die Menschen schaffen sie sich ganz bewusst und freiwillig in ihren Verträgen. Sie leben wie selbstverständlich in vorgegebenen bzw. selbst geschaffenen Herrschafts-Knechtschafts-Strukturen.
Angesichts dieses Faktums muss gefragt werden: Entsteht in einer entwickelten Gesellschaft (die im Kern leistungsteilige Tauschgesellschaft ist) überhaupt eine Situation, in der das Verhältnis von Herrschaft und Knechtschaft zum Problem wird und deshalb ausdrücklich zur Sprache kommen muss?

Die Frage ist bereits in den Abschnitten B 1.3 und B 2.6 bejaht worden - im Zusammenhang mit dem ökonomischen und dem juridischen Monopolismus. Dort besteht einerseits die Gefahr des Wuchers und andererseits die Gefahr der Willkür. Dabei ist unerheblich, ob es sich um die Monopole eines Staatsapparats handelt, oder um irgendwelche anderen am Markt.
Wucher bewirkt Ausbeutung. Ausbeutung behindert die freie individuelle Lebensentfaltung, weil sie die lebenserhaltenden Ressourcen mindert. Willkür bewirkt Tyrannei. Tyrannei gefährdet die freie individuelle Lebensentfaltung, weil sie in die Knechtschaft treibt. Sowohl beim Wucher als auch bei der Willkür bleibt der (durchaus natürliche!) Egoismus des Monopolisten vom Altruismus unbehelligt und darf in einem blanken Egoismus verharren. Die „König-Kunde“-Position der Abnehmer der Monopolgüter ist ausgehebelt.
Der einschränkende Einfluss von Wucher und Willkür auf die Lebensentfaltung der monopolausgelieferten Tauschpartner kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Denn das Kommando über ein monopolistisches Leistungsfeld ist das Kommando über das menschliche Leben schlechthin. Nicht nur die Willkür, sondern auch der Wucher ist ein tiefer gehender Eingriff in das individuelle Leben als man zunächst geneigt ist anzunehmen.
Die Tauschpartner sind im Umgang mit Monopolen bezüglich ihrer Marktmacht prinzipiell unterlegen. Monopole sind als Tauschgutanbieter gewissermaßen von Natur aus in der Position unbeschränkter Marktmacht. Das trifft insbesondere für diejenigen Monopole zu, die die sogenannten „öffentlichen Güter“ anbieten.

Während beim Wettbewerb ein gegenseitig ausgewogenes Herrschafts-Knechtschafts-Verhältnis zwischen den Tauschpartnern besteht, ist dieses Verhälnis beim Tausch mit Monopolen einseitig. Der Monopolist ist der alleinige Herr, sein Tauschpartner der alleinige Knecht. Dadurch entsteht eine Gesellschaftsstruktur, die durch Obrigkeiten (Herren) und Untertanen (Knechte) gekennzeichnet ist. Monopolismus generiert eine Zweiklassengesellschaft. Er bringt eine Gesellschaftsform hervor, bei der es herrschaftsbegünstigte Obrigkeiten und herrschaftsbenachteiligte Untertanen gibt.
Eine Obrigkeit muss das Alter-Ego nicht in sein Ego einbeziehen. Das Alter-Ego steht unter dem Diktat des Ego. Solches Diktat charakterisiert das Obrigkeiten-Untertanen-Verhältnis im Kern. Nachhaltigen Frieden kann es bei solcher Konstellation nur geben, wenn die Tauschpartner, sehen wir sie einmal als wettbewerbsverwöhnt und wettbewerbseuphorisch, eine Chance sehen, auch beim Tausch mit Monopolen neben diesen als „Könige“ dazustehen, mit anderen Worten: wenn ein ausgeglichenes Macht- und Herrschaftsverhältnis auch zwischen Monopolen und deren Tauschpartnern besteht. Das wäre ein Herrschaftsverhältnis, bei dem auch der Monopolist - wie alle anderen Mitglieder der leistungsteiligen Tauschgesellschaft - das Alter-Ego in seinen Egoismus aufnehmen, sich also altruistisch verhalten muss.

Die natürlichen Herrschafts-Knechtschafts-Verhältnisse sind beim Umgang mit Monopolen verzerrt, und zwar zu Lasten des Naturrechts. Die monopolistische Marktmacht kann zu erheblichen Lebenseinbußen führen. Dieser Gefahr wollen freiheitlich gesinnte Marktteilnehmer entgehen. Sie sind daher bestrebt, die dadurch bedingten Störungen der individuellen Lebensentfaltung zu beseitigen, d. h. sie wollen die Macht der Monopole brechen.
Bevor ich mich tiefergehenden Erörterungen zum Thema „Entmachtung des Monopolismus“ zuwende, will ich prüfen, ob das anstehende Problem nicht dadurch zu lösen ist, dass man den Monopolismus völlig aus der Gesellschafft verbannt. Warum schafft man Monopole nicht einfach ab? Die Antwort auf diese Frage muss die beobachtbaren individuellen und gesellschaftlichen Gegebenheiten berücksichtigen (im Folgenden: Abschnitt B 3.1).

Sollte das Vorhaben „Abschaffung des Monopolismus“ im Widerspruch stehen zu dem Ziel, das man damit zu erreichen hofft, ist zu prüfen, ob sich Strategien ausfindig machen lassen, die Gefahren des Monopolismus auf eine andere, und zwar widerspruchsfreie Weise zu beseitigen (im Folgenden: Abschnitte B 3.2, B 3.3 und B 3.4).

B 3.1 Abschaffung der Monopole?

Monopole agieren so oder so, jedenfalls aus sich heraus stets fraglos. Denn ihr Tauschgut wird gebraucht. Sonst gäbe es sie nicht. Deshalb ist ihr Tauschgut am Markt auch immer absetzbar, und zwar fast zu jedem Preis und fast in jeder Rechts-(Vertrags-)gestalt. Wenn die Tauschgutabnehmer die Monopole sich selbst überlassen, dann wuchern sie eben und praktizieren Willkür. Allein schon die Gefahren von Wucher und Willkür stehen dem Bestreben nach Freiheit entgegen, ganz unabhängig davon, ob Wucher und Willkür auch wirklich in Erscheinung treten.
Im Geschäftsumgang mit Monopolen verlieren die Tauschpartner ihre „König-Kunde“-Position (s. Abschnitte B 1.3 und B 2.6). Das beschränkt die individuelle Freiheit erheblich. Hier hat die Gesellschaft einen unübersehbaren und empfindlichen Schwachpunkt, und zwar sowohl in ökonomischer als auch in juridischer Hinsicht. In ökonomischer Hinsicht besteht Gefahr des Wuchers (s. Abschnitt B 1.3), in juridischer Hinsicht die Gefahr der Willkür (s. Abschnitt B 2.6). Diese Gefahren zeigen sich besonders beim Staatsmonopolismus. Sie können das Naturrecht des freiheitsbegabten Menschen zunichte machen.
Freie Güterbewertung („checking“) und Machtgleichgewicht („balance“) sind die untrüglichen Merkmale eines naturgemäß funktionierenden Wettbewerbs. Das Prinzip „checks and balances“ verlangt, dass es beim Tausch jeweils zwei „Kunden-Könige“ gibt (Ludwig von Mises). Weil jeder Tauschpartner wegen der Bilateralität des Tausches auch Güterabnehmer ist (wobei das Tauschgut Geld eine große Rolle spielt), ist er in dieser Rolle stets König des Geschäfts. Das Herrschaftsverhältnis zwischen den Tauschpartnern ist ausgewogen und die Marktmacht, die jeder von ihnen hat, ist ausgeglichen.

Das Prinzip „checks and balances“ kann innerhalb einer leistungsteiligen Tauschgesellschaft nur dort zum Zuge kommen, wo jeder Güteranbieter gezwungen ist, das Interesse des Güterabnehmers in seine Pläne und Aktivitäten einzubeziehen. So ist der Egoismus bei allen Tauschpartnern an den Altruismus gebunden (Bernard de Mandeville, Adam Smith). Das ist beim Auftreten von Monopolen nicht der Fall. Die Tauschpartner sind daher bestrebt, möglichst überall am Markt Wettbewerb zu haben. Und es liegt nahe, den Monopolismus ganz vom Markt verschwinden lassen zu wollen.
Bevor man Überlegungen in diese Richtung hin anstellt, sollte man sich an folgende Fakten erinnern: 1. an den gesunden Egoismus eines jeden, d. h. den Drang, das eigene Leben möglichst weit auszudehnen; 2. an den natürlichen Freiheitsdrang, d. h. sich nicht ungebührlich fremdbestimmen zu lassen. Diese beiden Gegebenheiten zwingen zu folgenden Überlegungen.
Der Ökonom Walter Eucken erkennt: Bei allen Individuen ist „ein tiefer Trieb zur Beseitigung der Konkurrenz und zur Erwerbung von Monopolstellungen... lebendig“ (1990). Jeder von uns strebt, sofern er sich mit seinem Leistungsangebot im Wettbewerb befindet, wie selbstverständlich nach dem Sieg über die Mitbewerber. Und das soll er auch. Wozu sonst Wettbewerb? Manchmal gehen wir im Wettbewerb als Sieger hervor. Die anderen sind bezwungen. Wir sind Monopolist. Es besteht für die Anderen meistens wenig Hoffnung, uns vom Siegertreppchen wieder herunter zu stoßen. Wenn dies dennoch gelingt, steigt sofort ein Anderer da hinauf. Wenn es gut läuft, gelingt es ihm, seine Monopolstellung zu stabilisieren.
Noch eine weitere Beobachtung in diesem Zusammenhang ist interessant: Oft sind wir Monopogutabnehmer es selbst, die die Monopole machen. Unser Egoismus in Verbindung mit unserem freien Willen treibt uns geradezu, aus dem Wettbewerb heraus Monopole zu erzeugen. Wollen wir z. B. unser Recht durchsetzen, strebt jeder im Hirn einigermaßen übersichtlich Organisierte danach, die effektivste Rechtsdurchsetzungsinstanz (Exekutive) hinter sich zu bringen. Dadurch verschwinden über kurz oder lang alle anderen vom Markt. Die effektivste erlangt eine Monopolstellung. So entsteht aus dem Wettbewerb heraus auf ganz natürliche Weise ein Exekutivmonopol.
Ähnliches spielt sich auch in anderen gesellschaftlichen Leistungsbereichen ab. Das Prinzip Wettbewerb enthält offenbar das Prinzip Monopolismus schon in sich, und zwar unabtrennbar. Der Wettbewerb ist - im Verein mit dem Egoismus des Einzelnen und seinem Freiheitsdrang - aus sich selbst heraus stets darauf aus, Monopole zu erzeugen. Lässt man die beiden Voraussetzungen Egoismus und Freiheit (s. o.) fallen, dann ist eine monopolfreie Gesellschaft zumindest denkbar. - Ich überlasse es meinen Lesern, ob sie sich den Menschen als selbstloses und unterwürfiges Kuscheltier vorstellen wollen oder doch lieber nicht.

Wettbewerb impliziert Monopolismus. Wenn also die in den Abschnitten B 1.3 und B 2.6 aufgewiesenen Gefahren des Monopolismus dadurch beseitigt werden sollen, dass man die Monopole abschafft, müsste folgerichtig zugleich Wettbewerb abgeschafft werden. Weil es unter vernünftigen Menschen niemanden gibt, der das will, muss darüber nachgedacht werden, wie das Gespann Wettbewerb-Monopolis-mus angemessen eingeschirrt werden kann, und zwar im Hinblick auf den Egoismus und die Freiheitsbegabung des Menschen. Die Dichotomie „Wettbewerb oder Monopolismus“ ist jedenfalls unzulässig.
Solange der Wettbewerb am Mark so stark ist, dass er die Sieger immer wieder vom Podest stoßen kann, ist Monopolismus kein Problem. Denn im reinen Wettbewerb bestehen die Gefahren des Monopolismus nicht. Dieser Umstand veranlasst einige Ökonomen, ihren Wunschmarkt ohne Monopole zu denken. Gegen solches Denken spricht das Beobachtbare. Das spricht eher dafür, dass eine Gesellschaft das Prinzip „checks and balances“ (s. o.) erst dann überall realisieren kann, wenn sie auf den Kampf gegen die Gefahren vorbereitet ist, die vom Monopolismus her drohen. Wie auch immer man zum Monopolismus stehen mag, man tut gut daran, mit dessen Auftreten zu rechnen.
Die Vorbereitungen für den Kampf gegen die Gefahren des Monopolismus sind schwierig und umfangreich. In den Abschnitten B 3.2, B 3.3 ff und D 3.4 ff komme ich darauf zurück. Unabhängig davon, ob es überhaupt gelingt, Monopolstellungen überall niederzureißen, stellt sich die Frage: Kann die generelle Beseitigung des Monopolismus zugunsten eines allumfassenden Wettbewerbs die erwünschten Vorteile bringen? Die Antwort auf diese Frage suche ich zuerst auf dem Gebiet der Ökonomie (im Folgenden: Abschnitt B 3.1.1), dann auf dem Gebiet des Rechtsschutzes (im Folgenden: Abschnitt B 3.1.2). Schließlich nehme ich noch eine wichtige Unterscheidung beim Monopolismus hinsichtlich der Dringlichkeit seines Leistungspotentials vor (im Folgenden: Abschnitt B 3.1.3).

B 3.1.1 Monopole bei den Versorgungsnetzen

Auf den ersten Blick erscheint es als unnötig, regionale und überregionale Ver- und Entsorgungsbetriebe aus dem Wettbewerb herauszunehmen. Einrichtungen wie Wasser-, Abwasser- und Energieversorgungsbetriebe ähneln wirtschaftsstrukturell sehr stark den Versorgungsbetrieben für die übrigen alltäglichen Lebensbereiche, die im Wettbewerb stehen. Allerdings fällt auf, dass die Genannten im Vergleich zu letzteren außergewöhnlich boden- bzw. netzgebunden sind, z. B. die Abwasserentsorgung. Man stelle sich vor, man würde drei konkurrierende Wasserentsorgungsnetze auf ein und demselben Terrain nebeneinander haben. Man hätte zwar den Wettbewerb. Aber jedes hätte seinen Preis. Die dreifache Investition und Erhaltung wäre ein finanzieller Kraftakt, der letztlich von den Nutzern erbracht werden müsste, von der höheren Naturbelastung einmal ganz abgesehen.
Allumfassender Wettbewerb würde z. B. auch konkurrierende Straßen- und Stromverteilernetze auf ein und demselben Territorium erfordern. Vor allem bei Netzbetrieben ist leicht zu sehen, dass sie zum Vorteil aller Nutzer Monopole sein müssen. Von der Bestückung bzw. Beschickung der Netze hingegen dürfte eine Rechtfertigung des Monopolismus nicht gelingen. So wäre es aus Kostengründen durchaus marktgerecht, Straßen- und Schienennetzverwaltungen monopolistisch zu betreiben, Bus- und Eisenbahnbetriebe hingegen nicht. Diese könnten eine Domäne des Wettbewerbs sein. Auch müsste etwa die Einspeisung in territorialübergreifende Energieverteilernetze (z. B. beim elektrischen Strom) kein Monopol sein. Für die Verteilernetze selbst lassen sich jedoch gute Gründe für eine Monopolökonomie anführen. Bei Verkehrswegen zu Lande und zu Wasser, bei Kommu-nikationsnetzen wie Telefonleitungen, Medienkabeln, bei Leitungsnetzen der Wasser-, Gas-, Stromversorgung dürfte sich Wettbewerb nicht rechnen. Der hohe Ressourcenaufwand würde letztlich zulasten der Nutzer gehen.
Es ist bereits oft darüber debattiert worden, ob und wieweit der Schutz vor Unwägbarkeiten und Gefahren (z. B. durch Feuerwehren, durch technische und medizinische Hilfsdienste, durch Schutzeinrichtungen gegen Unwetter und Erdbeben usw.) eine wettbewerbswirtschaftliche oder eine monopolwirtschaftliche Dienstleistung sein sollte. Eine Legitimation des Monopolismus in solchen Leistungsbereichen hat allein im Tauschgutabnehmerinteresse zu erfolgen. Überall dort, wo das nicht gelingt, ist dem Wettbewerb der Vorzug zu geben.

Den Ausschlag für eine Entscheidung darüber, ob man Monopolismus dulden muss oder nicht, dürften Optimierungsgesichtspunkte geben, und zwar aus Sicht der Nutzer und Verbraucher. Jedenfalls wäre es unsinnig, sich mit viel Aufwand z. B. konkurrierende Schutzeinrichtungen zu schaffen, die man vielleicht nur einmal oder fünfmal oder gar nie im Leben braucht, die man jedoch ständig bereithalten muss.
In einigen ökonomischen Bereichen kann es also auch für ein radikal freisinniges Individuum durchaus als vorteilhaft erscheinen, wenn die wirtschaftliche Leistung von einer einzigen Einrichtung erbracht wird. Letztlich zählt die Effizienz, und zwar in Bezug und mit Rücksicht auf die Abnehmer des Tauschguts. Abgesehen von Wettbewerbszusammenbrüchen und Bestrebungen der Markteroberung werden früher oder später in jeder Gesellschaft Einrichtungen ent- und bestehen, die der Bedarf als Monopole verlangt. Für die Befriedigung dieses Bedarfs so etwas wie Staat zu fordern, lässt sich mit solcher Argumentation nicht begründen. Denn aufgrund bisheriger Erfahrungen darf erwartet werden, dass hier private Unternehmen durchaus von größerem Nutzen sind als die staatlichen, auch dann, wenn sie eine Monopolstellung innehaben. Nur muss man sich dann Gedanken darüber machen, wie die ökonomische Macht, die sie dadurch erlangen, im Interesse der Nutzer in Schranken zu halten ist (s. dazu Abschnitte B 3.2, B 3.3 ff und B 3.4 ff).

B 3.1.2 Monopole beim Rechtsschutz

Bisher war gezeigt worden, dass es für die Tauschgutabnehmer von Vorteil ist, wenn einige Anbieter von Versorgungsgütern ihre Leistungen monopolwirtschaftlich erbringen. Damit rechtfertigt sich die Existenz einiger Monopole im Versorgungswesen der Gesellschaft. Wie steht es damit beim Rechtsschutzwesen?
Im Abschnitt B 2.4.2 wurde betont, dass alle Rechtsschutzeinrichtungen der Freien Gesellschaft privatwirtschaftlich betrieben werden. Die Frage ist nun, ob man diese Betriebe außerdem noch dem Wettbewerb überlassen kann, oder ob man hier Monopole (wenn auch privatwirtschaftlich betrieben!) dulden muss. Diese Frage stellt sich sowohl in Bezug auf das exekutive Vollzugswesen als auch in Bezug auf das Gerichts- und das Vegeltungswesen.
Schon lange streitet man darüber, ob Rechtsschutzeinrichtungen ihre Leistungen im Wettbewerb oder als Monopole anbieten sollen (Gustave De Molinari, Nachdruck 2012). Die Freie Gesellschaft entscheidet sich aus guten Gründen für den Monopolismus. Zwar nicht die Rechtsschöpfung (s. Abschnitt B 2.3.3), aber bestimmte Bereiche des Rechtsschutzes werden durch Monopole betrieben. Betrachten wir zwecks Rechtfertigung dieses Vorgehens zunächst die Verhältnisse bei der Exekutive (s. Abschnitt B 2.4.2.2).
Durchsetzungsinstanz für mein Recht kann ich natürlich selber sein. Fühle ich mich zu schwach, delegiere ich die Durchsetzung an einen Dienstleister. Kann dieser seine Leistung im Wettbewerb mit anderen anbieten? Diese Frage ist von großer Bedeutung für die Freiheit menschlichen Zusammenlebens.
Herrscht bei der Rechtsdurchsetzung (Exekutive) Wettbewerb, können sowohl ich als auch meine Streitgegner sich irgendeinen Dienstleister auswählen, um mit ihm das zu erkämpfen, was wir jeweils für unser Recht halten. So steht am Ende Gewalt gegen Gewalt.
In dieser vertrackten Situation sagt mir meine Vernunft: Für die Durchsetzung deines Rechts brauchst du eine Gewalt, die signifikant mächtiger ist als die deiner Gegner. Und weil nicht nur meine Vernunft so zu mir spricht, sondern auch die Vernunft meiner Gegner zu ihnen, sind wir alle auf der Suche nach dem „großen Boss“. Der soll uns zu unserem Recht verhelfen. So verschwinden die kleineren (eventuell auch noch für die Rechtssicherung zur Auswahl stehenden) „Bosse“ vom Markt, weil sie im Wettbewerb gegen den von allen gewünschten größten nicht bestehen.

Jeder will, sofern er sich rational verhält, zur Durchsetzung seines Rechts die mächtigste Exekutive an seiner Seite. Und er braucht sie auch - gegen die Macht der Anderen. So erlangt diese auf ganz natürliche und geradezu automatische Weise eine Alleinstellung am Markt. Sie ist von Stund an monopolisiert - weil wir, die wir um unsere Rechte bangen, es aufgrund freier Entscheidung so wollen!! Mag sein, dass die eine oder andere kleinere Exekutive am Markt weiterhin besteht, so wie wir das mancherorts in den USA beobachten. Solche „Ableger“ existieren aber nur von des „großen Bosses“ Gnaden (Erhard Eppler, 2015).
Noch eindeutiger erscheint die Sachlage, wenn das Recht eines Individuums bzw. einer Gruppe von Individuen gegen ein aus der Fremde aggressiv einbrechendes Militär zu verteidigen ist. Auch ein solcher Fall muss bedacht sein.
Beim agressiven Angriff eines Territoriums von außen hilft Konkurrenz von Exekutiven innerhalb einer Gesellschaft absolut nicht weiter. Denn die müsste im Ernstfall mit einem Schlag beseitigt und alle Kräfte zu einer einzigen gebündelt sein. Von Stund an hätten wir ein Monopol.
Immer nur eine Gewalt innerhalb der Gesellschaft kann die für die Rechtsdurchsetzung und Rechtsverteidigung erforderliche Bedingung erfüllen, alle anderen in Schach zu halten. Sonst hätten wir eine Situation, wie wir sie in den südlicheren Regionen Italiens beobachten. Ein Zustand, bei dem miteinander konkurrierende Exekutiven die Szenerie beherrschten, ist von der Warte entwickelter Gesellschaftlichkeit aus höchst unbefriedigend. Es wäre der Rückfall ins Faustrecht.

Der als erster in der Neuzeit diese sicher schon vorher bekannten Zusammenhänge mit aller Klarheit ausgesprochen hat, war und ist als exzellenter Psychologe, Erkenntnistheoretiker und Logiker hoch geschätzt und vielen bekannt. Wohl der schonungslose Zynismus englischen Humors hat Thomas Hobbes dazu veranlasst, die biblische Schreckgestalt „Leviathan“ für seine Aufklärungszwecke zu benutzen. Und so frappiert er die irritierte Öffentlichkeit mit der These: Dass Ihr ein ziviles Gemeinwesen seid (in seinen Worten „civitas“, „Common-Wealth“) und keine Rotte sich gegenseitig zerfleischender Wölfe, verdankt ihr einzig und allein dem Leviathan.
Ein Anti-Hobbes dürfte es schwer haben, Denn er müsste zur Stützung seiner These neue Beobachtungsdaten liefern, und zwar solche, die die Realität besser nachzeichnen als oben beschrieben. Insbesondere müsste er auch zeigen, dass die oft nicht beachtete, aber unerlässliche dritte Partei bei Vertragsabschlüssen, nämlich der Vertragsbürge („Kavent“; s. Abschnitte B 2.3.2 und B 2.4.2.2), der die Einhaltung der Verträge garantiert, seine Aufgabe auch dann erfüllen kann, wenn er kein Leviathan ist.

Jede Rechtsschutzeinrichtung muss, um Recht effektiv durchsetzen zu können, ein derart großes Gewaltpotential vor allen anderen haben, dass sich die anderen widerspruchslos fügen, wenn sie nicht zermalmt werden wollen. Konkurrierende Exekutiven müssten mit harten Bandagen gegeneinander kämpfen, um das durchzusetzen, was von den Rechtsparteien als Recht beansprucht wird bzw. was sie laut Gerichtsbeschluss als Recht beanspruchen dürfen. Deutlich zeigt sich der Widersinn.
Diejenigen, die aus der Notwendigkeit des Hobbes´schen Leviathans folgern, es müsse dafür eine Obrigkeit geben, in Form eines Staatsapparats, unterliegen einem verhängnisvollen Irrtum. Eine Leviathaninstanz in Gestalt einer Obrigkeit (eines Staates) ist nicht zwingend und - aus den oben herausgearbeiteten Gründen - auch nicht wünschenswert. Mag sein, dass Hobbes eine „Majestät“ im Hinterkopf hatte, als er seinen Leviathan schrieb. Das sagt aber nichts über die Subtilität seiner Überlegungen und die Logik seiner Argumentation.
Ein privat geführtes Unternehmen kann die Aufgabe der Rechtsdurchsetzung durchaus zufriedenstellend und gar besser erfüllen als ein staatliches. Aber ohne Leviathan-Position (d. h. ohne Monopol) funktioniert das nicht. Andenfalls würden sich die Individuen recht bald in einer Situation befinden, die noch nachteiliger für sie ist als das ohnehin bedrückende Gewaltmonopol des Staates (Martin van Creveld, 1999).

Wie steht es mit der Frage ‚Monopolimus oder Wettbewerb’ beim Gerichtswesen (s. Abschnitt B 2.4.2.3)?
Herrschte beim Gerichtswesen Wettbewerb, dann gibt es zwei Fälle zu bedenken. Den ersten Fall beobachten wir vorwiegend bei Handelssachen, bei denen sich Streitparteien aus Kosten- oder Zeitgründen einen Mediator (einen Handelsrichter) suchen, auf den sie sich einigen können und dessen Urteil sich beide unterwerfen. Das geschieht oft, vor allem bei internationalen Handelsgeschäften. Meistens erfolgt dabei der Rechtsbeschluss in Form eines Kompromisses. Das ist allerdings ein Kompromiss der unerfreulichen Art, nämlich ein „Vergleich“. Beim Vergleich steht „nicht mehr die Durchsetzung des Rechts im Fokus, sondern der Rechtsfrieden“ (Jens Gnisa, 2017). In der Regel muss der Kläger bluten - um des lieben Friedens willen und aus Furcht vor dem Folgekostenrisiko. Es entsteht bei ihm ein ungerechtfertigter Eigentumsverlust - nicht anders als beim Diebstahl.
Es gibt aber auch den anderen Fall, der - wie man bei den mediativ tätigen Schweizer Friedensgerichten beobachten kann - der weitaus häufigere ist. Die Parteien einigen sich nicht. Sie ziehen ihren Streit weiter und rufen ein höheres Gericht an.
Herrschte im Gerichtswesen durchgehend Wettbewerb, könnte jede Streitpartei ein Gericht nach eigenem Gutdünken auswählen. Sie könnte sich weigern, vor einem von Anderen vorgeschlagenen Gericht zu erscheinen. Beide Parteien könnten dies tun. Denn man kann ihnen nicht verwehren, sich konsequent des Wettbewerbs zu bedienen, d. h. sich ein eigenes Gericht zu suchen und beim Gericht des Gegners nicht zu erscheinen.
Nun gilt aber bei jedem Gericht: die Partei, die den Gerichtstermin versäumt, verliert den Prozess. So haben wir am Ende zwei unterschiedliche Versäumnisurteile von zwei verschiedenen Gerichten. Das hieße aber, beide Parteien haben in gleicher Sache den Prozeß gewonnen und verloren. So stünde wieder Position gegen Position, Partei gegen Partei. Welcher der beiden Parteien soll die Exekutive Recht verschaffen? Soll sie etwa selbst darüber entscheiden?

Für den Fall, wo sich streitende Parteien weder außergerichtlich noch hinsichtlich der Auswahl eines Mediators einigen können, kommt man um ein Gerichtsmonopol nicht herum. Bei dem muss sich dann auch die beklagte Partei einfinden, wenn sie für sich retten will, was zu retten ist.
Im Falle eines Monopols für das richterliche „letzte Wort“ (s. Abschnitt B 2.4.2.3) gewinnt eine Streitpartei den Rechtsstreit eindeutig; die andere verliert ihn genau so eindeutig. Die Exekutive stünde vor einer klaren Situation. Letztinstanzlich geltendes Recht könnte letztinstanzlich durchgesetzt werden.
Bei der Rechtsprechung können Fehler passieren, so dass auch hier eine Partei einen ungerechtfertigten Eigentumsverlust erleidet. Die Fehler sind aber nicht dadurch zu korrigieren bzw. zu minimieren, dass man Wettbewerb schafft. Zur juridischen Fehlerkorrektur bedarf es anderer Einrichtungen und Maßnahmen. Die hat man in der Staatsgesellschaft bisher nicht oder nur rhapsodisch ergriffen (s. Abschnitt B 3.4.2.1).
Bei einem wettbewerblich betriebenen Gerichtswesen würde es nur dann zu durchweg unanfechtbaren Entscheiden kommen, wenn sich die streitenden Parteien auf einen bestimmten Mediator einigen. Das darf nicht für jeden Fall erwartet werden. Denn Wettbewerb ist prinzipiell darauf aus, dass nur immer ein Individuum sich durchsetzt. Bei der Anrufung eines im Wettbewerb stehenden Gerichts müssten aber zwei Individuen unter einen Hut kommen. Wenn sich streitende Parteien ohnehin einig sein müssen, um im Wettbewerb ein für beide genehmes Gericht zu finden, warum beschreiten sie dann nicht den kürzeren und preisgünstigeren Weg und vertragen sich außergerichtlich?

Außerdem: Es ist unumgänglich, Gerichtsinstanzen zu haben, die nur von einer Partei angerufen werden können und vor denen sich die andere Partei einfinden muss, wenn nicht gegen sie entschieden werden soll. Zu einem unabwendbaren Gerichtsurteil (einem „letzten Wort“) sollte es auch dann kommen können, wenn eine Partei sich weigert, überhaupt ein Gericht anzuerkennen oder ein richterliches Urteil zu akzeptieren
Wer das Prinzip des unanfechtbaren „letzten Wortes“ will, muss die Monopolstellung der Instanz wollen, die es spricht. Denn die Unanfechtbarkeit des „letzten Wortes“ impliziert aus sich heraus eine Monopolstellung. Ohne sie fällt es in sich zusammen. Der Wunsch nach einem Recht jenseits des Faustrechts wäre geradezu sinnwidrig, wenn überall Wettbewerb beim Gerichtswesen herrschen soll. Zumindest eine Letztinstanz muss es geben. Sonst wäre das Prinzip des „letzten Wortes“ ad absurdum geführt.
Ein Gerichtswesen wird in jeder entwickelten Gesellschaft letztinstanzlich als Monopol betrieben werden müssen. Anders lässt sich die Unanfechtbarkeit des „letzten Wortes“ nicht realisieren. Das schließt nicht aus, dass sich streitende Parteien auf einen Richter ihrer Wahl (als „Mediator“) einigen. Gelingt eine Einigung nicht, dann muss es eine Instanz geben, die das „letzte Wort“ als einzige spricht.
Die Auffassung, dass sich in jedem Fall streitende Parteien auf einen Mediator einigen, setzt voraus, dass alle Menschen im Tiefsten ihrer Seele gut sind. Dieser Meinung sind offenbar Murray Rothbard (2012) und weitere Theoretiker aus dem libertären Lager.

Die Freie Gesellschaft muss also ein Gerichtsmonopol haben. Daraus zu folgern, es müsse dafür so etwas wie Obrigkeit geben, etwa in Form eines Staatsapparats, ist ein eklatanter Fehlschluss. Ein rechtprechendes Institut kann auch privatwirtschaftlich effektiv betrieben werden. Nur muss es eine Monopolstellung haben, um als „Letzte-Wort“-Instanz fungieren zu können. Damit ist natürlich die Gefahr einer Willkür verbunden. Gegen die Willkür des Gerichtswesens müssen Vorsichtsmaßnahmen ergriffen sein. Solche Maßnahmen werde ich in den Abschnitten B 3.4 ff vorstellen und außerdem die in der Staatsgesellschaft dafür vorgesehenen kritisch beleuchten.
Werfen wir abschließend noch einen Blick auf das Vergeltungswesen (s. Abschnitt B 2.4.2.1). Auch hier wird sich in einer freien Gesellschaft früher oder später eine Monopoleinrichtung durchsetzen, und zwar aus dem gleichen Grunde wie bei der Exekutive: In einem hochkommunikativen Gesellschaftsgefüge spricht sich unter den Geschädigten schnell herum, von welcher Einrichtung sie die sachgerechteste Schadensregelung zu erwarten haben. Die Monopolstellung entsteht auch hier, weil die Nutzer der Leistung es wollen (s. o.).
Es gibt noch einen weiteren Grund, der für den Monopolismus im Vergeltungswesen spricht: Wenn die freien Gesellschafter wollen, dass beim Schadensausgleich nicht mit zweierlei Maß gemessen wird, also eine Art Vergeltungschaos entsteht, dann müssen sie den Schadensausgleich vereinheitlichen. Das kann nur durch Monopolisierung erreicht werden.

Die Frage, ob es beim Vergeltungswesen ein Monopol geben darf (bzw. soll) oder nicht, ist von der Frage, ob es dafür eine Obrigkeit geben darf (bzw. soll) genau so unabhängig wie die Leviathanfrage beim exekutiven Rechtsvollzug oder wie die Frage des „letzten Wortes“ bei Gericht.
Fazit: Es gibt gute Gründe, die für den Monopolismus nicht nur beim Versorgungswesen der Gesellschaft, sondern auch beim Rechtsschutz- und Vergeltungswesen sprechen, die ihn hier sogar unverzichtbar machen.
Beim exekutiven Rechtsvollzug lautet die Begründung: Recht kann sich nur durchsetzen, wenn eine unangreifbare Gewalt an seiner Seite steht, die signifikant mächtiger ist als alle anderen Gewalten innerhalb der Gesellschaft und die jeder anrufen kann, wenn er einen gültigen Rechtstitel hat, den er allein nicht durchsetzen kann.
Schwieriger wird die Begründung des Monopolismus im Falle der Rechtsprechung. Zumindest denkbar ist, dass es hier Wettbewerb gibt. Die streitenden Parteien suchen sich auf dem Markt einen Mediator, dessen Urteil sie sich unterwerfen. Was geschieht aber, wenn sie sich nicht auf einen solchen einigen?
Streitende Parteien müssten schon sehr nett zueinander sein, um sich stets „durch eine einhellige Wahl“ im „Wettbewerb der Schlich-ter“ (am „Schlichtermarkt“; Hans-Herrmann Hoppe, 2004 und 2012) auf ein für beide Parteien genehmes Gericht zu einigen und von diesem ein Urteil (als „letztes Wort“) zu akzeptieren. Dass sie derart nett nicht zueinander sind, ist schon dadurch bewiesen, dass sich der Kläger genötigt sieht, eine schlichtende Instanz anzurufen.

B 3.1.3 Obligate und nichtobligate Monopole

Es kann für eine Reihe von gesellschaftlichen Leistungsbereichen gezeigt werden, dass ein allumfassender Verzicht auf Monopolismus zugunsten des Wettbewerbs in die abstrusesten Widersprüche hineinführt. Bestimmte Dienstleistungseinrichtungen sind nur als Monopole opportun bzw. funktionieren nur als solche.
Wir stehen sowohl in ökonomischer als auch in juridischer Hinsicht vor einer Situation, die Monopolismus innerhalb der Gesellschaft als notwendig erscheinen lässt. Eine Abschaffung der Monopole würde die Gefahren zwar beseitigen, aber dann funktioniert das freie und friedliche Zusammenleben von Menschen nicht mehr. Auch gehen die ökonomischen Vorteile verloren, die der Monopolismus in einigen Lebensbereichen schafft. Somit steht die Frage der Beseitigung der Gefahren, die jeder Monopolismus in sich birgt, weiterhin im Raum.
Man kann diese Gefahren zwar durch möglichst viel Wettbewerb eindämmen: durch Abschaffung von Monopolen in vielen Leistungsbereichen. Den Monopolismus ganz zu beseitigen, wird aus den oben genannten Gründen nicht gelingen. Bei noch so viel Sympathie für den Wettbewerb, eine vernünftig organisierte Wirtschafts- und Rechtsgemeinschaft wird ohne Monopole nicht auskommen. Außerdem: Da das Prinzip Wettbewerb das Prinzip Monopolismus bereits in sich birgt (s. Abschitt B 3.1), haben allein deshalb schon alle Forderungen, die in Richtung Ausmerzung des Monopolismus gehen, etwas Weltfremdes.

Monopolismus zeigt nur dann sein finsteres Gesicht, wenn man keinen Weg sieht, ihn effektiv zu entmachten. Viele kritisch denkende Gesellschaftstheoretiker haben einen solchen Weg bisher nicht gezeigt. Nur so ist ihr befremdliches Ansinnen zu verstehen, Monopolismus generell abzuschaffen.
Die wahre Kunst gesellschaftspolitischen Denkens beginnt erst, wenn die Unausrottbarkeit, ja sogar Unentbehrlichkeit des Monopolismus nüchtern zur Kenntnis genommen wird. Dann kann die Frage: gibt es brauchbare Methoden, als Individuum trotz Monopolismus frei leben zu können? mit gehörigem Abstand und ohne Emotionen beantwortetet werden.
Man kann die Gefahren des Monopolismus zwar durch möglichst viel Wettbewerb eindämmen: durch Abschaffung von Monopolen in möglichst vielen Leistungsbereichen. Den Monopolismus ganz zu beseitigen, wird aus den oben genannten Gründen nicht gelingen, wäre in einigen Leistungsbereichen auch nicht besonders intelligent.
Die Vorstellung einer Gesellschaft als reine Wettbewerbswirtschaft ist nicht nur unrealistisch. Eine solche Gesellschaft ist auch nicht optimal, und zwar in Bezug auf die Maximierung der freien Lebens-entfaltung des Individuums. In einigen Lebensbereichen kann es für das Individuum durchaus sinnvoll sein, wenn kein Wettbewerb besteht und die Leistung von einer einzigen Einrichtung erbracht wird. Manche Dienstleistungs- und Produktionseinrichtungen sind als Monopolbetriebe nicht nur faktisch vorhanden, sondern auch unabdingbar.
Die im Interesse der Tauschpartner unabdingbaren Monopole werden als „natürliche“ Monopole („natural monopolies“) bezeichnet. Ich hatte sie andernorts (2008) „obligate Monopole“ genannt. Obligate Monopole sind solche, deren Güterangebot jeder, der in die Lebenswelt einer bestimmten Menschengruppe eintritt, entweder potentiell oder real nutzt, z. B. die Wasserversorgung oder das Rechtsschutzwesen.

Auch außerhalb des obligaten Monopolismus entstehen Monopole. In einer marktgerecht organisierten Gesellschaft kommt es immer wieder vor, dass Wettbewerb auf ganz natürliche Weise ausfällt (s. Abschnitt B 1.3). So können sich aus einem ursprünglichen Wettbewerb heraus Monopole bilden. Solche Monopole sind oft nicht als Monopole zwingend. Sie sind als solche nicht gewollt und auch nicht notwendig. Höchstens werden sie hingenommen. Sie sollten deshalb nichtobligate Monopole heißen.
Sowohl die obligaten als auch viele nichtobligate Monopole sind nicht aus der Gesellschaft zu verbannen. Deshalb muss eine als frei beabsichtigte Gesellschaft einen anderen Weg suchen, um die Macht des Monopolismus zu brechen.
Murray Rothbard hat seinen interessanten und prinzipiell richtigen Ansatz, bei ökonomischen und juridischen Macht- und Herrschaftsfragen das Prinzip „checks and balances“ in die gesellschaftstheoretische Diskussion einzubringen, nicht genutzt. Deshalb konnte er ein neues hieb- und stichfestes Paradigma politischer Theorie, das nach diesem Ansatz fällig gewesen wäre, nicht entwickeln.
Was Rothbard und seine Anhänger mit der totalen Abschaffung des Monopolismus anstreben, nämlich die Abschaffung des Staates als Hort der Unterdrückung, ist ein ehrenwertes Unterfangen. Aber es ist unrealistisch, dieses Ziel auf dem Wege der Beseitigung des Monopolismus erreichen zu wollen. Ehe der Baum „Staat“ zu Fall kommt, muss kräftiger als bisher (auch als bei Rothbard) an seinen Wurzeln gesägt werden. Nur die Radikalisierung des Freiheitsbegriffs und der damit zusammenhängenden Fragen können diesen Baum endgültig zu Fall bringen. Sonst schießen aus seinem Stumpf immer wieder neue Triebe hervor.
Der Zweck der Ausführungen in den folgenden Abschnitten B 3.2 bis B 3.4 ist, ein gesellschaftliches Organisationsmodell vorzustellen, das dazu geeignet ist, die Freiheitsgefährdung durch den (immer schon vorhandenen und nicht zu verbannenden) Monopolismus zu bekämpfen. Es werden Maßnahmen beschrieben, mit deren Hilfe die Unausgewogenheit zwischenmenschlicher Herrschafts-Knechtschafts-Ver-hälttnisse professionell und effektiv beseitigt werden können.
Im engen Zusammenhang mit diesem Vorhaben steht die kritische Auseinandersetzung mit einschlägigen Bemühungen in den Staatsgesellschaften. Welche Einrichtungen und Maßnahmen haben sie geschaffen, um die Macht der Monopole, insbesondere die Macht der staatlichen Exekutive, zu bändigen? Eine vorbehaltlose Kritik vom Freiheitsstandpunkt aus kann nicht anders, als diese Einrichtungen und Maßnahmen an den Pranger zu stellen.

B 3.2 Entflechtung der Monopolkonzerne

Was treibt die Verfechter einer freien Gesellschaft gegen den Monopolismus, insbesondere gegen den Staatsmonopolismus auf die Barrikaden? Es ist die Angst vor Unterdrückung, vor Fremdherrschaft, vor Einschränkung der freien Lebensentfaltung. Die Angst ist berechtigt, aber sie kann besänftigt werden, nur nicht allein durch die Abschaffung von Monopolen. Einige Monopole müssen - wie wir gesehen haben - im Interesse von deren Tauschgutabnehmern überleben, abgesehen zu den Überlegungen zur Natur des Menschen, die die monopolistische Oberherrschaft über andere Menschen immer wieder anstrebt (s. Abschnitt B 3.1). Bestimmte Dienstleistungseinrichtungen innerhalb der Gesellschaft sind nur als Monopole opportun bzw. funktionieren nur als solche. Vor allem die obligaten Monopole müssen erhalten bleiben. Aber wie kann man deren Selbstherrlichkeit bändigen?
Die Beschränkung monopolistischer Macht wird natürlich zunächst einmal dadurch bewirkt werden können, dass sich die Anzahl der Monopole verringert, dass sich Monopolismus zugunsten des Wettbewerbs auflöst bzw. wegen nachgewiesener Eigentumsschädigung abgeschafft wird. Für eine Reihe von gesellschaftlichen Lebensbereichen konnte jedoch gezeigt werden (s. Abschnitte B 3.1.1 f), dass ein allumfassender Verzicht auf Monopolismus in die abstrusesten Widersprüche hineinführt.
Ist die Abschaffung von Monopolen aus den genannten Gründen nicht ratsam, dann ist nach Wegen zu suchen, die Monopole im Interesse ihrer Tauschpartner zu entmachten. Solche Suche ist nicht aussichtslos. Es gibt neben der Abschaffung, die nicht überall tunlich, in manchen Fällen sogar unsinnig ist, noch andere Strategien, den Monopolismus zu bändigen. Jedenfalls wäre es gut, wenn sich Methoden ausfindig machen ließen, die erlauben, die naturrechtsfeindlichen Erscheinungen beim Monopolismus zu eliminieren.
Monopolismus tritt oft in Gestalt eines bereichsübergeifenden Konzernmonopolismus in Erscheinung. Das kann fatale Folgen für die Monopolgutabnehmer haben (s. Abschnitte B 1.3, B 1.4.3 und B 2.6). Damit solche Folgen in der Freien Gesellschaft nicht eintreten, müssen Vorkehrungen getroffen sein.

Ein ausgeprägtes Konzernwesen finden wir beim Staat. Am Beisspiel des deutschen Staates werden die Auswirkungen sichtbar, die eine Konzernbildung auf die Gesellschaft hat - in Form von Subventionimus und Interventionismus (s. Abschnit B 1.4.3). Deshalb ist im Interesse freiheitlich gesinnter Tauschpartner Konzernmonopolismus grundsätzlich nicht hinnehmbar. Die in ihm zur Geltung kommende Machtkonzentration bedroht die Freiheit des Individuums vehement. ist ein Konzern ein Monopolbetrieb und unterhält zudem noch eine Einheitskasse, öffnet dies den pathologischen Erscheinungen Wucher und Willkür Tür und Tor.
Weil die Tauschpartner eine weitgehende Verteilung der Macht vom Wettbewerb her gewohnt sind und schätzen gelernt haben (Franz Böhm: „Der Wettbewerb ist das großartigste und genialste Entmachtungsinstrument der Geschichte“), werden sie bei ihren Monopolen jeden Betriebszusammenschluss, jede Verklumpung monopolistischer Güteranbieter zu Konzernen unterbinden. Zusammenballungen zu weit ausufernden Machtgebilden, wie sie etwa die heutigen Staatsbetriebe darstellen, haben keine Chance. Die Alternative dazu ist: Separation und Diversifikation duch Fragmentierung der Konzerne in Einzelbetriebe. Machtaufteilung durch Fragmentierung bedeutet, anstelle eines Konzerns wird eine strikte Betriebsaufteilung in einzelne wirtschaftlich voneinander unabhängige und kassenmäßig getrennte Sektionen geduldet. Auch die Anbieter von public utilities agieren als Spezialunternehmen mit getrennten Kassen.
Dies bedingt, dass man sich über eine neue Form der Vergütung monopolistischer Dienstleistungen geeinigt hat: in Form gewöhnlicher Rechnungsstellung und nicht in Form eines leistungsunabhängigen „Abgaben“-Einzugs (s. Abschnitt B 1.4.2). Jeder Betrieb führt seine eigene Kasse und stellt separat Rechnung für sein Güterangebot. Die Nutzerpreise sind individuell zurechenbar und werden je nach Inanspruchnahme individuell vergolten (Roland Baader, 1997). Der Mittelzufluss ist streng zweckgebunden. Eine Verdunkelung von Geldflüssen wäre damit ausgeschlossen. Auf diese Weise wird eine effektive Kontrolle des Preis-Leistungs-Verhältnisses überhaupt erst möglich.

Der Nutzer der public utilities zahlt für genau die Leistungen, die er wirklich in Anspruch nimmt, und zwar in dem Umfang, in dem er sie beansprucht. Auch die Kosten, die für Jeden bei Nutzung eines bestimmten Wohnsitzes entstehen, z. B. für Territorial- und Individualschutz, für die Instandhaltung von Verkehrsnetzen usw. werden mit jedem Nutzer getrennt, vertragsgerecht und frei abgerechnet. Zwang kommt erst ins Spiel, wenn die Verträge nicht eingehalten und Rechnungen nicht bezahlt werden.
Nicht jedes Mitglied einer Tauschgesellschaft benötigt bestimmte Verkehrs- oder Kommunikationsnetze zur eigenen Lebensentfaltung. Die muss es „abwählen“ können, so dass es nicht mit ihren Kosten belastet ist. Schon heute kann es in Staatsgesellschaften den Stromverbrauch abwählen, wenn ihm danach ist. Das vielzitierte Trittbrettfahrerproblem bei der Abrechnung und Bezahlung der „kollektiven Güter“ ist genau so wenig zu befürchten, wie bei der Abrechnung z. B. des Stromverbrauchs. Noch der Freiheitslehrer Friedrich August von Hayek glaubte, dass die Vergeltung der „kollektiven Güter“ wegen des Trittbrettfahrerproblems nur über Steuereinzug bewältigt werden kann (1981a).
Mit einem gesplitteten Rechnungswesen ist die Mittelverwendungsmacht einer Zentralgewalt entzogen und befindet sich, genau wie in den übrigen Bereichen der leistungsteiligen Tauschgesellschaft, auf Seiten der Tauschgutabnehmer. Bei dem heute üblichen staatlichen Inkassosystem ist jeder seinem „öffentlichen“ Budgetanteil gegenüber völlig machtlos und auch blind. Die sog. „Budgethoheit“ liegt in den Händen des Staates, also in der Hand des Tauschgutanbieters.
Erst nach Beseitigung des Konzernmonopolismus und der Einrichtung getrennter Kassen hätte jeder Tauschpartner die Möglichkeit des „opting out“ im Sinne Gordon Tullocks, also die Möglichkeit der freien Aus- und Abwahl von Leistungssequenzen. Beim Monopolkonzern Staat hingegen ist er zur Abnahme und Vergeltung vieler Leistungen auch dann verpflichtet, wenn er sie gar nicht nutzen will oder kann. Die Einführung der vieldiskutierten „Flat Tax“ würde daran nichts ändern.

Allerdings kann von einer Abwahl („opting out“) nur vom Standpunkt einer Staatsgesellschaft und deren Kassenwesen gesprochen werden. Bei einer frei organisierten Gesellschaft handelt es sich gar nicht um eine Abwahl. Es handelt sich um eine gewollte Nichtnutzung von Gütern, die natürlich auch keine Abgeltung zur Folge hat. Ein solches Verfahren, was ja im normalbürgerlichen Leben gang und gäbe ist, entkrampft den Umgang der Abnehmer monopolistisch angebotener Güter mit deren Anbietern erheblich.
Das Bestreben aller fortschrittlich gesinnten Gesellschaftsphilosophen war immer, die monopolistischen Machthaber zu bändigen - um der maximalen Lebensentfaltung der Machterdulder willen. Dieses Bestreben schlug sich in der Forderung nach Machtaufteilung nieder - zunächst nur in den Bereichen Exekutive, Judigative und Lgislative. Das Prinzip der politischen Machtaufteilung, die sogenannte „Gewaltenteilung“, gilt inzwischen als allgemein anerkannte Norm, an der sich politische Organisationsstrukturen messen lassen müssen. Wenn die Staatsgesellschaft die (auch von ihr propagierte) „Gewaltenteilung“ wirklich ernst nähme und nach dem heutigen Kenntnisstand verwirklichen wollte, bedeutete das u. a. auch eine möglichst weit getriebene Entflechtung des Staatskonzerns in voneinander getrennte Einzelbetriebe mit eigenständigem Kassen- und Rechnungswesen.
Die Machtkonzentration beim Monopolkonzern „Staat“ genügt der Norm der „Gewaltenteilung“ nicht - auch nicht in ihrer ursprünglichen Version (s. auch Abschnitt B 3.4.4.1 f). Der Konzernmonopolismus des Staates ist das Gegenteil dessen, was man seit spätestens Charles-Louis de Montesquieu mit der „Gewaltenteilung“ anstrebte (Montesquieu spricht übrigens nicht von „Gewaltenteilung“, sondern viel passender von einer Trennung von „Befugnissen“; s. auch Immanuel Kant).

Schon die Zerschlagung des staatlichen Konzernmonopolismus würde, von weiteren Maßnahmen der Monopolentmachtung einmal abgesehen, eine erhebliche Befreiung des Individuums bewirken. Das war die eigentliche Intention des Montesquieu, der eine fehlende politische Machtaufteilung als „grauenvollen Despotismus“ geißelte.
Bei der Separation des Monopolismus in voneinander getrennte und voneinander unabhängige Leistungsfelder geht es um Entmachtung auf horizontaler Ebene. Die Fragmentierung des Monopolismus hat aber auch vertikal zu erfolgen, und zwar nach dem Subsidiaritätsprinzip. Der Begriff Subsidiarität beschreibt den Umstand, dass Güter in der jeweils kleinstmöglichen Region und zwar dort erzeugt bzw. angeboten werden, wo sie unmittelbar gebraucht werden. Dadurch wird eine Zentralisierung von Entscheidungsstrukturen in Richtung Allmacht vereitelt und die Ressourcenallokation optimiert. Allerdings kann das vielbeschworene und oft gewünschte Subsidiaritätsprinzip nur dann sinnvoll realisiert werden, wenn auf allen Ebenen Kassentrennung herrscht.
Ein weiterer Gesichtspunkt sollte nicht unbeachtet bleiben. Der Konzernmonopolismus hat nicht nur den Nachteil einer eigentumsschädigenden Machtkonzentration, er beeinträchtigt auch die Leistungsfähigkeit der in ihm zusammengeschlossenen Einzelbetriebe. Eine Fragmentierung der Konzerne würde also nicht nur die Machtfrage entschärfen. Automatisch würde sich damit auch eine qualitative Steigerung bei deren Angebot ergeben.
Denn nicht nur vom Standpunkt der Machtkonzentration, sondern auch vom ökonomischen Qualitäts- und Effizienzgesichtspunkt ist eine Konzernstruktur nachteilig für die Kunden. Das ist sie insbesondere bei Monopolkonzernen mit Einheitskasse.

Schon lange ist bekannt, dass erst die Aufteilung in einzelne Leistungsfelder und das „Aussterben der Tausendkünstler“ die „ökonomische Barbarei“ beendet. Dann nämlich ersetzt der „Fachmann den Stümper“ (Immanuel Kant). Dass Kants Auslassungen heute noch aktuell sind, belegen die Untersuchungsergebnisse des Bonner Unternehmensberaters Rüdiger May. Er hat die Anforderungen an einen Bundeskanzler, der den deutschen Staatskonzern leitet, analysiert und überprüft, wie es mit der Erfüllung dieser Anforderungen bestellt ist („Der Manager der Republik“ im SPIEGEL, Nr. 20/ 1994). Das Ergebnis der Studie erahnt selbst der Laie.
Von einem Entscheidungsträger des Straßenbauvorhabens, das die randständige Stadt Konstanz vierspurig mit dem deutschen Landesinneren verbinden sollte, wird mir berichtet, dass das Vorhaben von der Planung bis zur Ausführung bisher deutlich über 6 Jahrzehnte in Anspruch genommen hat. Die Urenkel-Beamtengeneration realisiert also etwas, das die Urgroßväterer-Beamtengeneration in Angriff genommen hatte. Zum Zeitpunkt dieser Niederschrift war das Bauvorhaben immer noch nicht abgeschlossen. Es nicht ausgeschlossen, dass es sich bis ins achte Jahrzehnt hin erstreckt.

B 3.3 Privatisierung der Monopole

Dass der Staatsbetrieb als Monopolkonzern ist, der seine Tücken hat, erkennen inzwischen einige Staatspolitiker selbst. Vor allem die Liberalen sehen hier ein Problem. Sie erkennen die Gefahren, die der Gesellschaft durch den Staatsmonopolismus drohen. Sie suchen nach Wegen, diesen Gefahren zu entrinnen. In diesem Zusammenhang steht das Thema „Privatisierung der Staatsbetriebe“ zur Diskussion.
Die politische Klasse konnte sich der Forderung einiger ihrer überzeugend argumentierenden Mitglieder auf Dauer nicht verschließen und begann, dieser Forderung nachzukommen, zumal das Geld zur Finanzierung der vielgefächerten und zudem noch unprofessionell gemanagten Staatsaktivitäten knapp wurde und Vieles durch Schulden finanziert werden musste.
In der Freien Gesellschaft wird der gesamte Leistungsumfang von privatwirtschaftlich geführten Unternehmen erbracht. Diese Idee wurde, soweit ich das zurückverfolgen konnte, zuerst von Gustave de Molinari in die Diskussion eingebracht, einem der größten Ökonomen des 19. Jahrhunderts. De Molinari vertrat die Auffassung, dass selbst die „Sicherheitsproduktion“ - wie er den Rechtsschutz nennt - von ganz gewöhnlichen Gewerbebetrieben geleistet werden solle, weil sie dies besser könnten als der Staat (Nachdruck 2012). Mit diesem Gedanken war er seinen damaligen Kollegen (1849) ähnlich epochal voraus wie sein Zeitgenosse Max Stirner mit seiner Vision einer wahrhaft freien menschlichen Existenz (1844). Beide Denker sind immer noch nicht in vollen Umfang vom Allgemeinbewusstsein rezipiert. Ihre bahnbrechenden Ideen setzen dem tabuüberfrachteten öffentlichen Konsens und seinem Verstehenshorizont bis heute unüberwindliche Grenzen.
De Molinari gehörte zum Kreis der sog. „Laissez-faire“-Öko-nomen in Frankreich und war der langjährige Herausgeber des legendären Journal des Économistes. Er eröffnete die Diskussion um die angeblich privilegierte Stellung der Staatsbetriebe gegenüber allen anderen Betrieben mit der Frage: Welchen besonderen Grund soll es haben, dass „die Produktion von Sicherheit“ nicht durch gewöhnliche Gewerbebetriebe geleistet werden kann?
Seine Frage stellte er im Anschluss an die These seines Kollegen und Widersachers Charles Dunoyer. Dunoyer behauptete, dass die Produktion von Rechtssicherheit, die die Regierenden leisten, niemals in den Bereich normaler Gewerbeaktivitäten gelangen könne. Dem widerspricht de Molinari. Und er ist wohl auch der erste, der einen solchen Widerspruch explizit formuliert.

Gegen die These Dunoyers argumentiert de Molinari, die Aktivitäten der „Sicherheitsproduktion“ seien im Prinzip von keiner anderen Gewerbeaktivität unterschieden und fragt deshalb: Warum soll hier eine andere Organisation Platz greifen, als in anderen Gewerben? Folglich lehnt er die obrigkeitliche (hoheitliche) „Sicherheitsproduktion“ grundsätzlich ab, sowohl die der Obrigkeit „von Gottes Gnaden“, als auch die der Obrigkeit, welche von Wählergruppen eingesetzt wurde. (Die Herrschaft der zuletzt genannten bezeichnet er übrigens als Kommunismus).
Dennoch tut sich de Molinari schwer, seine Gegenthese substantiell zu begründen, was im Interesse der Freiheit durchaus wünschenswert gewesen wäre. Statt dessen vermischen sich in seiner Argumentation die Gegensatzpaare „private Güter-öffentliche Güter“ und „Monopol-Wettbewerb“.
So zukunftsweisend der Ansatz de Molinaris auch ist - wegen der begrifflichen Ungenauigkeit gerät er in eine argumentative Sackgasse. Das versperrt ihm den ungetrübten Blick auf die Phänomene und verwässert seine Intention. Dass dadurch sein Denkansatz nicht zu Ende geführt werden konnte, nimmt ihm nichts von seiner Bedeutung. De Molinari hat mit seinen Thesen ein festsitzendes Tabu gebrochen, das bis dahin als eines der heiligsten gegolten hatte und dem man auf allen gesellschaftspolitischen Ebenen heute noch frönt. Dass sich libertäre Gesellschaftstheoretiker (insbesondere Murray Rothbard und Hans-Herrmann Hoppe) bewusst in die Nachfolge Molinaris stellen, ist durchaus berechtigt.

Im Grunde genommen versetzt Molininari mit seine Idee, ohne das er das vielleicht gewollt hatte, der Staatsideologie (Staat im Sinne von „lo stato“; s. Abschnitt B Einleitung) den Todesstoß. Das ist von einem der vehementesten Etatisten unserer Zeit auch klar erkannt worden. Er fragt: „Kann ein Staat, ohne Schaden zu nehmen, zusehen, wie Sicherheit zur Ware wird? Beschädigt die Privatisierung der Gewalt, in welcher Form auch immer, wo auch immer, den Staat nicht in seinem Kern?“ (Erhard Eppler, 2015). - Wie auch immer, eine Untersuchung, die die Analyse des Beobachtbaren favorisiert, muss fragen: kann die Privatisierung von Monopolen die an sie gestellten Erwartungen erfüllen?
Natürlich müssen in einer freien Gesellschaft alle Güter auf privatwirtschaftlicher Basis erbracht und angeboten werden. Aber dieser Sachverhalt ist für das von uns speziell zu erörternde Problem nicht von so großer Bedeutung, wie von Manchen angenommen. Denn beim Tausch mit Monopolen, wenn es denn solche in einer Gesellschaft gibt, lautet die Frage: Wie kann ihre Macht gebrochen werden? - Als ob es bei einem Monopol, z. B. der Verwaltung von Schienennetzen, wichtig ist, wer als Betriebseigner oder Kapitalgeber fungiert und dass es die classe politique nun nicht mehr sein soll. Dieses Monopol ist und bleibt auch nach seiner Privatisierung ein Monopol! Und als solches kann es genau so wuchern bzw. Willkür ausüben, wie eh und je.
Ein sprechendes Beispiel für die relative Fruchtlosigkeit der Privatisierungen im Hinblick auf Freiheitsgewinn ist die Deutsche Telekom. Nach ihrer Privatisierung verfügt sie weiterhin allein über das Hardware-Netz für die Telekommunikation. Und sie wuchert nach Einschätzung der Fachleute mit ihrem Pfund über alle Maßen. In vielen Fällen erbringt sie ihre Leistung nicht nur teuer, sondern auch unzuverlässig und unzeitgemäß. Nicht nur ich, wohl jeder Andere hat inzwischen seine Erfahrungen mit diesem Betrieb gemacht. Ein weiteres Beispiel für das Leistungsdefizit eines privatisierten Staatsbetriebs ist die deutsche Bahn. In Japan werden Bahnverspätungen in Sekunden gemessen. In Deutschland reichen manchmal Stunden nicht aus.

Die Einrichtung einer Regulierungsbehörde bzw. einer Netzagentur hat an derlei defizitären Zuständen nichts geändert. Dazu kommt: Die nach der Privatisierung beim Staat noch verbleibenden, nicht privatisierten Monopole sind weiterhin zu einem Konzern vereint - mit den daraus erwachsenden Nachteilen. Dieser Konzern hat nach wie vor eine Einheitskasse ohne ordentliches Rechnungswesen. Ein durch Privatisierung erhoffter entmachteter „Minimalstaat“ mag noch so minim sein, er stellt auch dann noch eine Verklumpung von Macht dar und das in Form eines (immerhin geschrumpften) Monopolkonzerns mit Einheitskasse (s. Anhang Nr. 3).
Die Privatisierungsbemühungen, mit denen sich die Obrigkeit auf liberalen Kurs bringen will, sind zwar notwendig, gehen aber am Kern der Sache vorbei. Letztlich ist es gleich, wer die Betreiber der Monopole sind, ob es die Obrigkeit ist oder einige ihrer Untergebenen. Worauf es ankommt und worauf die Tauschpartner der Monopole größten Wert zu legen haben, ist die direkte Einflusses auf deren Güterangebot. Viel wichtiger als die kapitalmäßige Struktur ist die Beseitigung der Gefahren, die einem Monopol qua Monopol anhaften (s. Abschnitte B 1.3 und B 2.6). Mit einer bloßen Privatisierung ist das Problem „Entmachtung des Monopolismus“ nur randständig zu lösen. Die Privatisierung kann ein erster Schritt sein, mehr nicht.
Die öffentliche Privatisierungspathetik sollte als das bezeichnet werden, was sie in Wahrheit ist: eine Beschwichtigungstaktik, ein Trostpflaster für unglückliche Freiheitsfreunde. Dem kritischen Betrachter erscheint sie als kopflose Flucht aus der Überschuldungsfalle, in die der Staat aufgrund seines bizarren Betriebsmanagements geraten ist (s. der Verf., 2017).

Diese Sichtweise drängt sich auch bei den sog. „Öffentlich-privaten Partnerschaften“ (ÖPPs) auf. Dort wird versucht, durch Beteiligung von Großinvestoren an öffentlichen Infrastrukturen die Staatskasse zu entlasten. (Die ÖPPs sind übrigens oft so konzipiert, dass ihr Eigentum nach einer gewissen Zeit wieder ganz dem Staat zufällt.)
Alle bisher vorgeschlagenen Maßnahmen zur Privatisierung erscheinen zwar als Schritt in die richtige Richtung, sind aber bestenfalls dazu geeignet, den Monopolbetrieb Staat in Form eines Konzerns mit Einheitskasse zu retten und in geschrumpfter Form weiter am Leben zu erhalten.
Die Privatisierung der Monopole ist für eine freie Gesellschaft die einzig vertretbare Option. Aber damit sind die dem Monopolismus genuinen Gefahren noch nicht aus der Welt. Zur Entmachtung des Monopolismus müssen weitere Maßnahmen ergriffen sein, auf die ich in den folgenden Abschnitten zu sprechen komme.

Aber heute ist erst mal Schluss, denn ich habe bereits die Lesezeit überschritten, wenn überhaupt jemand bis hierhin gelangt ist.

Euch allen noch einen schönen Sonntag

Euer Zeitgedanken

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