Ich liebe Deutschland, ich liebe Europa. Hier bin ich aufgewachsen, hier wohne ich mit meiner Familie, hier spricht man unteranderem auch meine Sprache. Hier arbeite ich. Europa ist mein Zuhause.
Was mir ebenfalls gefällt an meinem Land: Es ist, im Verhältnis zu anderen Regionen dieser Erde, klein und trotzdem vielfältig, seine Fläche kaum grösser als Agglomerationen von anderen Erdteilen, und doch gibt es viele Landessprachen, gibt es die typisch städtische neben der typisch ländlichen Bevölkerung, gibt es gläubige neben religionsfernen, katholische neben protestantischen, jüdische neben muslimischen Kreisen. Die Leute hier fühlen sich weniger als Angehörige irgend eines Landes als eher einer Stadt, einer Sprachregion, einer Kirche, einer kulturellen Gemeinschaft, eines Berufsstandes, einer politischen Seilschaft oder eines Fussballclubs. Und soweit sie das Land lieben, tun sie es vor allem deshalb, weil sie in ihm ihre eigenen Zugehörigkeiten leben können.
Nun stimmt aber just dies immer weniger. Eine ausgesprochen arrogante, nicht selten gewalttätige Organisation, eine veritable Räuberbande, spielt sich im ganzen Land, in ganz Europa zunehmend dominant auf, versucht auf alles und jedes Einfluss zu nehmen und ihre eigenen Produkte, Dienste, ja selbst Ideen allen Landesbewohnern aufzunötigen. Immer mehr kommt die schöne Vielfalt unter die Räder.
Im Territorium der First Gang
Die Bande ist nicht einfach darauf aus, Gefolgschaft zu gewinnen, an sich zu binden und zu beherrschen. Das macht ja manch andere Gruppierung ebenso. Sie geht weiter und erklärt mit unverblümter Arroganz alle Menschen, die ihren Fuss auf das Gebiet unseres Landes setzen, hier ihr Haus bauen oder ihr Unternehmen betreiben, zu ihren Unterworfenen. Sie führt sich so auf, wie wenn unser ganzes Land sozusagen ihr „Territorium“ wäre. Ob man je eine Beitrittserklärung unterschrieben hat, interessiert sie nicht. Sie ist nicht einfach eine Gang, sondern die Gang schlechthin, die erste und oberste aller Gangs, oder neudeutsch: die First Gang.
Nun wäre ja anzunehmen, dass sich Widerstand regt. Doch erstaunlicherweise ist dies kaum der Fall. Fast alle spielen mit bei diesem Untertanenspiel. Das geht so weit, dass sie sich nicht nur selbst dieser Herrschaft unterwerfen, sondern dass sie dies auch von allen anderen verlangen. Wenn ich jeweils auf die Arroganz der First Gang hinweise – in Gesprächen, Vorträgen, Kolumnen oder Artikeln – so ziehe ich mir nicht primär den Unmut der Gang, sondern von deren Untertanen zu.
An ihre First Gang lassen sie rein gar nichts kommen, sie sei nicht einfach eine Gang, sondern, wie ja schon der Name sage, der Fürst aller Gangs.
Natürlich haben viele dieser Untertanen – wenig erstaunlich – ein handfestes eigenes Interesse daran, eine Zwangsmitgliedschaft aller zu fordern; etwa weil ihnen die First Gang eine gut entlohnte Stelle verschafft oder ihr Gewerbe vor Konkurrenz schützt oder ihre Transportkosten verbilligt oder ihren Kindern Schulunterricht schenkt oder sie mit Giesskannengeldsegen beglückt. Also liegt es nahe, möglichst viele zum Mitmachen zu zwingen, vor allem solche, die mehr zahlen als sie bekommen, sonst würden die First Gang-Überzeugten ja nicht mehr mehr bekommen als sie zahlen.
Andere sind vielleicht selbst nicht Nettoempfänger, aber unterstützen die First Gang aus anderen Gründen. Nicht selten deshalb, weil sie ihrer Propaganda auf den Leim kriechen und allen Erstes an Güte, Gerechtigkeit und Notwendigkeit der First Gang glauben.
Dann gibt es noch die Feigen, Bequemen, Uninteressierten oder Gedankenlosen, welche die First Gang zwar nicht verteidigen oder loben, ja nicht einmal schätzen, aber jedenfalls nichts gegen sie unternehmen. Zwar jammern sie kräftig, wenn sie ihnen einmal konkret in die Quere kommt, um dann aber schnell wieder zur Tagesordnung überzugehen; gilt der Übergriff anderen, schauen sie zur Seite.
Jedenfalls führt dieser Teufelskreis dazu, dass die First Gang nicht nur vollmundig erklärt, der Fürst unter den Gangs zu sein, sondern dass sie dies de facto auch ist.
Ungehindert geht sie hin und
nimmt jedes Jahr allen Leuten und Unternehmen einen Teil ihres Einkommens und Vermögens weg, denen mit hohem Einkommen und Vermögen ein besonders grosses Stück;
schneidet sich von jedem Kaufpreis und jedem Dienstleistungsentgelt, das hierzulande eingenommen wird, ein paar Prozente ab;
zwingt junge Männer dazu, für sie während Monaten anstrengende Frondienste zu leisten;
giesst ganze Bibliotheken voll von Vorschriften und Verboten, Bewilligungspflichten und Überwachungsprogrammen über das Land aus und sorgt mit administrativer Verbissenheit dafür, dass sie bis in die hinterste Nebenstrasse, das letzte Buchhaltungskonto und den kleinsten Bleistiftverkauf befolgt und durchgesetzt werden.
Und wollte man sich wehren, reagiert die First Gang nicht zimperlich, wenn es sein muss, mit roher Gewalt. Wer es wagt, sich seinerseits mit Gewalt zu wehren, wird erschossen.
Alle? nicht ganz
Nun sind es aber nicht ganz alle, die sich überzeugt oder ängstlich oder feige oder gedankenlos der First Gang unterwerfen, sondern bloss fast alle. Ein paar wenige sehen es anders. Für sie ist die Herrschaft der First Gang eine blanke Zumutung. Sie sehen nicht ein, woher sich diese das Recht nimmt, sie zu bestehlen, zu knechten, zu behindern und zu kontrollieren. Sie wollen zwar niemandem das Recht absprechen, freiwillig Mitglied der First Gang zu sein und sich ihr noch so bedingungslos zu unterwerfen. Doch soll keiner dazu gezwungen werden.
Angesichts des geschilderten Untertanen-Mainstreams ist es natürlich nicht einfach, eine solche Haltung einzunehmen. Kündigen Sie mal einer solchen First Gang die Gefolgschaft auf! Wird sie sich etwa bei Ihnen für die Unannehmlichkeiten entschuldigen und Sie mit bester Empfehlung aus der Zwangsmitgliedschaft entlassen? Nein, sie wird Sie, wenn Sie Glück haben, ignorieren oder auslachen; wenn Sie Pech haben, wird sie Sie züchtigen, ausrauben und einsperren, nicht ohne Sie vorher noch als abartigen und asozialen Spinner einer feige grölenden Menge von Untertanen vorgeführt zu haben. Und wollten Sie noch – verständlicherweise – physischen Widerstand leisten, haben Sie gute Chancen, Ihr Leben zu verlieren.
Theoretisch denkbar wäre auch ein anderer Problemlösungsansatz, nämlich die First Gang nicht von aussen, sondern von innen zu bekämpfen. Man könnte versuchen, sich bei ihr einzuschleichen, bei ihr Karriere zu machen, in die höchsten Chefetagen aufzusteigen, um schliesslich von dort aus das Ende der Zwangsmitgliedschaft auszurufen.
Nur: Theoretisch mag dies ja reizen, praktisch aber fast sicher misslingen. Zu lange und zu unberechenbar ist der Weg, zu gross die Gefahr, von First Gang-Hardlinern enttarnt und beseitigt zu werden. Und sollte es noch gelingen, dort ganz oben anzukommen, wird man selbst zum überzeugten First Gang-Hardliner mutiert sein. Solche Strukturen bestimmen die Denkweise ihrer Bestandteile.
Resignieren?
Aber was denn sonst, wenn nicht resignieren? – Der First Gang den Prozess machen, sie vor Gericht ziehen! Schliesslich ist, was sie sich da herausnimmt, blankes Unrecht, das angeklagt und verurteilt gehört. „Unrecht soll umkehren“, sagt ein altes Rechtssprichwort.
Natürlich wird auch dies nicht einfach sein. Denn die Gerichte hierzulande sind, wenig erstaunlich, direkt oder indirekt in der festen Hand der First Gang. Die Richter sind von ihr gekauft, die anzuwendenden Gesetze hat sie selbst geschrieben. Von diesem „Rechtssystem“ wird keine Hilfe zu erwarten sein. Da wird man weiter ausholen und ein anderes, ein wahres Recht anrufen müssen, das über allem steht, auch über der First Gang.
Unrecht soll umkehren!
In einem allgemein verstandenen Sinn steht die First Gang schon heute unter Anklage. Zwar nicht in einem förmlichen Prozesses vor einem organisierten Gericht (schon gar nicht vor einem der First Gang-Gerichte); aber doch in dem Sinn, dass die First Gang seit jeher und mit riesigem Aufwand daran ist, ihr aggressives Verhalten zu bestreiten, zu beschönigen und zu rechtfertigen. Ganz offensichtlich ist sie in der Defensive. Denn jedermann weiss: Nur wer ertappt wird, bestreitet; nur Unschönes wird beschönigt; nur Unrecht rechtfertigt sich.
Aus ihren Rechtfertigungsversuchen hat die First Gang nun eine regelrechte Ideologie entwickelt; ein Kanon von pompösen Sprüchen, mit denen sie sich als Inbegriff von gut, gerecht und nötig anpreist. Näher besehen sind es aber hilflose Ausreden eines auf frischer Tat Ertappten:
Eine erste Ausrede der First Gang geht so: „Aber dazu habt ihr doch alle zugestimmt. Wir machen nur das, was ihr, das Volk, uns aufgetragen habt.“ Das Volk werde gar nicht beherrscht, vielmehr herrsche es, kurz „Volksherrschaft“ oder feierlich historisierend „Demokratie“ – wie gleich näher zu zeigen, eine ziemlich dumme Ausrede.
Eine weitere Ausrede: „Was wir euch antun, ist rechtens. Wir tun dies nicht aus Willkür oder Macht, sondern in strikter Anwendung von Recht“ oder auch dies mit einer immer wieder hingeleierten Kurzform: „Rule of Law“ oder dann wieder feierlich-offiziell „Rechtsstaatlichkeit“ – wie später auszuführen, eine ausgesprochen zynische Ausrede.
Und schliesslich eine dritte prominente Ausrede: „Wir von der First Gang mögen ja eine gewisse Macht haben, aber das muss so sein, damit ihr nicht in Bürgerkrieg und Chaos versinkt. Deshalb ist es zu eurem Vorteil, dass wir ein Gewaltmonopol haben.“ – eine eher trotzige und, wie noch zu zeigen, ziemlich widersprüchliche Ausrede.

Wer sich in derart hilflosen Ausreden verheddert, dem sind ganz offensichtlich die Argumente ausgegangen, oder er ist derart arrogant, dass es ihm egal ist, ob er valable Argumente hat. Bei unserer First Gang ist wohl beides der Fall. Und doch bringt sie immer und immer wieder diese Ausreden vor. Sie könnte ja gerade so gut ganz damit aufhören und ihre Aggressivität ohne argumentative Begleitung ausleben.
Dass sie aber dies nicht tut, sondern gegenteils keine Kosten scheut, ihre Ausreden mit hochprofessionellem Marketing unter die Leute zu bringen, hat seinen guten Grund. Sie will vermeiden, dass plötzlich ein Prozess in Gang kommt, der eine längst vergessene Empörung der Aggressionsopfer hervorholt und zur koordinierten Artikulation bringt, zur öffentlichen Sammelanklage eben. Einen solchen Prozess, das spürt die First Gang, kann sie angesichts der Untauglichkeit ihrer Ausreden nur verlieren. Also setzt sie alles daran, diese Ausreden als edle Staatsprinzipien daherkommen zu lassen.
Vom Volk gemachte Gesetze?
Umso mehr zelebriert diese seither mit grossem Aufwand die angeblich so lebendige Demokratie, indem sie immer wieder mit üppiger medialer Begleitung (vor allem durch das First Gang-eigene Fernsehen) entsprechende Veranstaltungen organisiert, sogenannte Volkswahlen und manchmal auch Volksabstimmungen. Dahinter steht die Suggestion, die schon dem französischen Revolutionären Maximilien de Robespierre vorschwebte, der in einer Rede vor dem Nationalkonvent am 5. Februar 1794 Demokratie als diejenige Staatsform definiert hatte,
„wo das souveräne Volk, gelenkt wird durch Gesetze, die sein eigenes Werk sind...“
Robespierre war Rechtsanwalt, geübt im Umgang mit Gesetzen, Verordnungen und überhaupt mit ausformulierten Regeln. Und gegen solche hatte er auch gar nichts einzuwenden. Was er aber radikal ändern wollte, war der Geltungsgrund der Gesetze. Dieser sollte nicht mehr dort zu suchen sein, wo sie herkommen, nämlich vom König, sondern wo sie einwirken, nämlich bei den Rechtsunterworfenen, beim Volk. Das sei das legitime Fundament, so Robespierre, aus dem sich eine Gesellschaftsordnung mit dem Namen „Demokratie“ (demos griechsich = Volk; eigentlich Dorf, aber das ist eine andere Geschichte) aufbauen lässt.
Nun wissen wir, dass Robespierre schon bald ins pure Gegenteil verfiel. Er liess nämlich nicht nur den König verhaften und hinrichten (das war zwar nicht die Art des feinen Mannes, aber immerhin nicht unlogisch), sondern auch gleich alle anderen, die nicht seiner Meinung waren. Die von ihm geführte Gang mit dem wohlklingenden Namen „Wohlfahrtsausschuss“ brachte alle um, die sich nicht bedingungslos seinen politischen Vorstellungen unterwarfen. Die kurz zuvor noch feierlich beschworene Grunddevise, den Leuten nichts aufzuzwingen, dem sie nicht zugestimmt hatten, war schon wenige Monate später in ihr brutales Gegenteil gekehrt.
Und das hält an bis heute. Denn genau dasselbe tut auch heute noch die First Gang. Auch sie trägt ähnlich edel klingende Namen: „Wohlfahrtsstaat“, „Sozialstaat“, „Staat“ oder eben „Europäische Union“. Auch sie beschwört den Grundsatz, die geltenden Gesetze seien „das Werk des Volkes“. Und auch sie setzt stattdessen mit brutaler Rücksichtslosigkeit das durch, was sie allein für das Richtige hält. Hinrichtungen finden zwar keine mehr statt, doch nicht weil die Gang kulanter geworden wäre, sondern weil das Volk sich in den mehr als 200 Jahren seit der französischen Revolution derart in seine Untertänigkeit eingeübt hat, dass der obrigkeitliche Terror nicht mehr so plump dreinfahren muss. Er konnte inzwischen zu dezenteren Techniken übergehen, wie etwa flächendeckende Telefon- und Internetüberwachung, bürokratisch perfektionierte Verwirklichung des gläsernen Bürgers, behördlich vorgeschriebene und getreulich befolgte Eintrimmung aller Landesbewohner ab Kindergartenalter in uniforme First Gang-Gläubigkeit. Mit Waffen ausgerüstet ist die First Gang natürlich trotzdem und wenn es sein muss macht sie davon auch Gebrauch (auf ihr Tötungsmonopol kommen wir noch zurück).
Die zynische Ausrede des Rechtsstaats
Kommen wir nun zur Theorie des „Rechtsstaats“ oder der „Rule of Law“. Mit ihr masst sich die First Gang ja nicht nur an, so etwas Hochtrabendes wie „der Staat“ zu sein, sondern erst noch einer, der sich strikt ans Recht halte.
Und wiederum holt ihr Marketing zu historischen Meilensteinen aus wie zur berühm- ten Magna Charta, mit der sich vor 800 Jahren der englische König gewissen Regeln unterstellen musste; oder zur schottischen Aufklärung mit der schönen Losung „Lex – Rex“; oder gerne auch zur amerikanischen Bill of Rights der Revolutionszeit. Und sie, die First Gang, stehe genau in dieser freiheitlichen Tradition; so sei sie zwar obrigkeitlicher Staat, doch stehe sie nicht über, sondern unter dem Recht; vor dem Gesetze seien alle gleich, nicht zuletzt auch sie selbst.
So quasi die Augenbinde der Justitia: Unbesehen des Standes der Streitparteien, ob edle oder einfache, grosse oder kleine, starke oder schwache, sie alle unterstehen dem gleichen Recht. Keine Rechtsungleichheiten, keine Rechtsprivilegien. Das gelte auch und insbesondere für den Staat selbst; auch er unterstehe dem gleichen Recht wie alle anderen und habe sich strikt nach diesem Recht zu richten.
Ungleichheit vor dem Gesetz
Schade nur, dass das genaue Gegenteil der Fall ist. Für die First Gang gilt gerade nicht das gleiche, sondern ein völlig anderes Recht, und dies aus einem simplen Grund: Die First Gang unterstellt sich zwar edel der Herrschaft des Gesetzes, leistet sich aber den Zynismus, den „Gesetzgeber“ gleich selbst zu spielen. Kein Wunder missbraucht sie diese Rolle unverblümt zu ihren eigenen Gunsten und teilt die Rechtsordnung in zwei grundsätzlich verschiedene Kategorien ein:
Zum einen in das Privatrecht, das – wie der Name sagt – für Privatpersonen und private Unternehmen, Vereine, Stiftungen etc. für deren rechtliche Verhältnisse untereinander gilt.
Und zum anderen das sogenannte öffentliche Recht, das die First Gang als Staat und ihr obrigkeitliches Verhältnis gegenüber den Privaten regelt.
Abgesehen von den eklatanten inhaltlichen Unterschieden zwischen diesen beiden Rechtskategorien (auf die wir gleich zurückkommen) ist schon die Unterscheidung als solche empörend, eine plumpe Verletzung der sonst so laut beschworenen Gleichheit aller vor dem Gesetz! Doch in der staatlich organisierten und finanzierten Juristenausbildung gehört die Unterscheidung in Privatrecht und öffentliches Recht zum Pflichtgrundwissen, das mit grossem Ernst vermittelt, brav gelernt und an der Schlussprüfung als richtige Antwort abgeliefert wird. Spätestens bei der Entgegennahme des Diploms hat man aufgehört, über den Skandal dieser Unterscheidung nachzudenken.
Wasser predigen und Wein trinken
Und nun zu den inhaltlichen Unterschieden zwischen dem für Normalsterbliche geltenden Privatrecht und dem der First Gang zudienenden öffentlichen Recht:
Die bereits erwähnten Unarten der First Gang, den Leuten Geld einfach deshalb weg- zunehmen, weil sie es haben, oder sie ungefragt zu persönlichen Frondiensten zu zwingen, oder ihnen jede Menge an Behinderungen und Zwängen aufzuerlegen, werden allesamt vom öffentlichen Recht abgesegnet, gefördert und durchgesetzt. All diese „Pflichten“ werden ausdrücklich und detailliert in öffentlichrechtlichen Gesetzen, Verordnungen, Weisungen, Kreisschreiben festgehalten, auf der offiziellen Website der First Gang aufgeschaltet und damit feierlich „in Kraft gesetzt“:
Das voraussetzungslose Wegnehmen von Geld heisst dann dezent „Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit“;
der Frondienst heisst dann patriotisch „Militärdienst“ oder gemeinsinnig „Zivildienst“;
schikanöse Behinderungen heissen dann „Bewilligungspflichten aus gesundheits-, sozial-, berufs-, gewerbe-, arbeits-, wohnungs-, umwelt-, sicherheits-, oder was auch immer -politischen Gründen“;
und die rohe Gewalt, mit der dies alles im Fall eines Widerstandes durchgesetzt wird, beruft sich dann auf das Gewaltmonopol und das „verfassungsmässige Verhältnismässigkeitsprinzip“.
Ganz anders das Privatrecht: Würde ein Gewöhnlicher anderen Leuten Geld wegnehmen, sie zu physischer Arbeit zwingen, sie bei ihren Aktivitäten behindern oder sie gar mit Gewalt fügsam machen, hätte er das Privatrecht gegen sich. Nach diesem wären solche Aggressionen rechtswidrig, hätten die Opfer das Recht, sich zur Wehr zu setzen. Das dem Privatrecht zur Seite stehende Strafrecht würde den privaten „Steuer“-Eintreiber wegen Diebstahls oder Raubs bestrafen, den privaten „Militär- oder Zivildienst“-Aufbieter der Freiheitsberaubung, den privaten „Gesetzes“-Durchsetzer der Nötigung und den privaten „Gewaltmonopolisten“ der Körperverletzung oder des Mordes; und dies in gewerbsmässiger bandenmässiger Tatbegehung, weshalb die Bestrafung besonders hart ausfallen würde. Hinzu käme die privatrechtliche Sanktion, das Gestohlene und Geraubte zurückzubezahlen und für den angerichteten Schaden Ersatz zu leisten.
Richterin in eigener Sache
Noch etwas unterscheidet das öffentliche Recht vom Privatrecht wesentlich, nämlich das Prozessverfahren: Ist der Gewöhnliche A der Ansicht, der Gewöhnliche B schulde ihm etwas, und ist B der Ansicht, er schulde dies nicht, so verweist das Privatrecht die beiden Streithähne auf den Zivilprozessweg. Das heisst A kann mit seinem Ansinnen nicht einfach auf B losgehen, sondern hat sich an einen unabhängigen Richter zu wenden, dem er sein Anliegen vortragen, dem er die Gründe seines angeblichen Rechts darlegen und Unklares zuerst noch beweisen muss. So errichtet der Zivilpropzess eine sinnvolle Hürde gegen selbstherrliche Eigenmacht.
Ganz anderes nun wieder das öffentliche Recht: Wenn die First Gang von einem anderen etwas will, so fordert sie ihn einfach schriftlich dazu auf und überschreibt den selbst verfassten Wisch mit „Verfügung“, und schon hat sie einen durchsetzbaren Rechtstitel. Zwar enthält diese Verfügung meist eine sogenannte Rechtsmittelbelehrung, wonach der Konflikt einem Richter unterbreitet werden könne. Doch – Gipfel des Zynismus – die Parteirollen bei diesem Gerichtsprozess sind vertauscht. Es muss nicht die First Gang die Hürde des Gerichtsprozesses überwinden, sondern es wird dem Angegriffene diese Hürde in den Weg gestellt wird, um sich gegen die Eigen- macht der First Gang zu wehren.
Und damit nicht genug. Entschliesst sich der Angegriffene trotz all dieser Widerwärtigkeiten zur Anrufung des Richters, so wird dieser Richter – von wem wohl eingesetzt? Sie haben es erraten: Von der First Gang! Der Richter steht auf ihrer Lohnliste. Das hindert ihn aber nicht daran, während der Gerichtsverhandlung ein ernsthaftes, wenn es sein muss auch einmal ein gütiges oder ein verständnisvolles Gesicht zu machen und vorzuspielen, er sei der unabhängige Richter, der seinen angriffigen Brotgeber gleich unvoreingenommen behandle wie dessen angegriffene Opfer.
Im Privatrecht und seinem Zivilprozess wäre dies völlig undenkbar. Stellen Sie sich vor, ein Gewöhnlicher A liege mit einer grossen Privatfirma B im Streit, etwa mit seiner Bank, die ihn schlecht beraten hat und die er nun auf Schadenersatz verklagt; und stellen Sie sich weiter vor, die zuständigen Richter seien Angestellte eben dieser Bank – sähen Sie da irgend einen Grund, diese Richter nicht als befangen zu erklären? Und stellen Sie sich nun vor, man würde Ihnen entgegenhalten, die Bank habe da eigens eine „Gewalten-Trennung“ eingerichtet mit einer strikt separierten Beurteilungsabteilung, die zwar vollständig von der Bank bezahlt und administrativ betreut werde, die aber von ihrer Funktion her strikt darauf getrimmt sei, völlig unabhängig zu urteilen; und dies auch dann, wenn die Bank selbst als Streitpartei vor ihr stehe. – Gäbe es da irgendeinen Grund, nicht laut herauszulachen? Der Zivilprozess jedenfalls würde dieser lachhaften Veranstaltung ein schnelles Ende setzen.
Gewalten-Ballung
Im Ergebnis lässt sich jedenfalls feststellen, dass die First Gang alle Rechtshebel gesellschaftlicher Macht – Gesetzgebung, Gerichtsbarkeit und Durchsetzung – in ihrer Hand hat. Merkwürdig bloss, dass man diese Gewalten-Ballung just „Gewalten-Trennung“ nennt und sich gern auch hier wieder feierlich auf historische Meilensteine beruft. Etwa auf Montesquieu mit seinem „De l’esprit des lois“, der sich in jener vorrevolutionären Zeit sehr grundsätzlich mit dem Phänomen staatlicher Gesetze und überstaatlichen Rechts befasste und zum Schluss kam, es sei gefährlich, wenn der König die Gesetze mache, die ihn ja eigentlich leiten sollten. Es brauche eine Trennung von Gesetzgebung und Regierung.
Dass just die First Gang, die heute König, Gesetzgeber und Richter zugleich spielt, sich auf solche Quellen beruft, zeigt ihren gleichsam institutionalisierten Zynismus: Sie hat keine Hemmung, den rechtsstaatlichen Grundsatz der Gewaltentrennung zu beschwören und sich im gleichen Atemzug für jede der drei Gewalten zuständig zu erklären. Bemerkenswert, was uns da aufgetischt wird!
Die trotzige Ausrede des Gewaltmonopols
Eine weitere Ausrede der First Gang, so haben wir gesehen, ist jene des staatlichen Gewaltmonopols. Wörtlich genommen, ist es eigentlich gar keine Ausrede, sondern ein erstaunlich ehrliches Eingeständnis oder eher eine schamlose Unverblümtheit, mit der sich die First Gang nicht nur Gewaltanwendung erlaubt, sondern sie gleichzeitig allen anderen verbietet. Und dabei erst noch so etwas wie eine Begründung für diese offensichtliche Eigenmacht zum Besten gibt:
Den Teufel an die Wand malen
Diese Begründung beginnt damit, das Bild eines schrecklichen Teufels an die Wand zu malen: den Krieg aller gegen alle, den permanenten Bürgerkrieg. Um diesen Teufel zu verhindern, brauche es dann halt
„eine starke und für alle verbindliche Gewalt, welche die Leute an die Erfüllung der Verträge und an die Beachtung der natürlichen Gesetze zu binden vermag. Denn die natürlichen Gesetze wie Gerechtigkeit, Billigkeit, Bescheidenheit, Dankbarkeit, kurz, das Gesetz, andere so zu behandeln, wie wir selbst behandelt wer- den wollen, sind an sich, ohne die Furcht vor einer obersten Macht, die ihre Befolgung veranlasst, unseren natürlichen Leidenschaften entgegengesetzt, die uns zu Parteilichkeit, Hochmut, Rachsucht und Ähnlichem verleiten. Verträge ohne das Schwert sind blosse Worte und besitzen nicht die Kraft, einem Menschen auch nur die geringste Sicherheit zu bieten».
Bemerkenswert schon diese ziemlich komplizierte Sprache; natürlich auch sie ein Zitat aus historischer Schrift, dem berühmten „Leviathan“ von Thomas Hobbes aus dem 17. Jahrhundert.
Die „eine starke und für alle verbindliche Gewalt“ zur Verhinderung des teuflischen Bürgerkriegs ist natürlich niemand anders als die First Gang. Sie benützt also ein Argument, das vor vierhundert Jahren zur Legitimation des Monarchismus erfunden wurde. Dass die Mär vom permanenten Bürgerkrieg schon damals nicht stimmte, ist das eine (wir kommen darauf ); dass sie aber noch heute angerufen wird, wo die Monarchie als überwunden gilt, ist doch eigentlich erstaunlich. Es zeigt, dass wir im Grunde genommen noch immer im ancien régime leben, wo einem von oben gesagt wird, was zu tun ist.
Und abgesehen davon: Dass es angesichts der Erfahrungen der Geschichte mit dem staatlichen Macht- und Gewaltmonopol, mit dessen Auswüchsen von Massenvernichtungen durch industrialisierte Kriegsführung, Holocaust, Völkermord, Massendeportation, atomare Vernichtungsschläge, Bombenteppiche, Folterkeller, Konzentrationslager – dass es angesichts all dessen noch immer Leute gibt, die allen Ernstes und vor laufender Kamera dem Gewaltmonopol des Staates das Wort reden, ist schwer zu fassen.
Monarchie versus Anarchie
Im Gegenteil hätten doch eigentlich all diese staatlichen Gewaltexzesse zu einem konsequenten „Nie wieder“ führen müssen; zur Erkenntnis, dass – wie immer sich eine Gesellschaft hinsichtlich Recht und Ordnung organisiere – jedenfalls eine Variante für immer tabu sein müsse, nämlich einer einzigen Organisation dafür Exklusivität zu geben. Mag ein solches Mono-Prinzip auch einem gewissen Urbedürfnis nach Stabilität entsprechen, so ist dessen konkrete institutionelle Umsetzung halt einfach zu gefährlich. Jedenfalls zehnmal gefährlicher als jener imaginäre Hobbes’sche Dauerbürgerkrieg aller gegen alle.
Vor allem nach den Erfahrungen der staatlichen Gewaltexzesse des National- und des Sowjetsozialismus hätte man doch erwarten können, dass nun ein grundsätzliches Umdenken einsetze, eine konsequente Abkehr vom Mono-Prinzip des Ancien Régime und eine Entwicklung hin zu einem Nouveau Régime, das ohne monopolistische Herrschaftsinstanz auskommt, ein Regime ohne Herrschaft, oder griechisch: An-Archie ( = griechisch Anfang, zuerst, first; im übertragenen Sinn: Fürst, zuoberst, vor- herrschend, etymologisch verwandt mit dem deutschen Wortstamm erz- wie beispielsweise Erzherzog).
Anarchie bedeutet also nicht Unordnung, schon rein begrifflich nicht, sondern „Ordnung ohne Herrschaft“ („Lanarchie, c'est l'ordre sans le pouvoir », schrieb Pierre Joseph Proudhon). Anarchie ist das Ordnungsprinzip des Dezentralen. Anarchie schreibt nicht vor, wie sich eine Gesellschaft organisieren soll, will dies aber ebenso wenig durch andere vorschreiben lassen, weder durch einen Papst noch einen Guru noch eine Organisation, die sich wichtigtuerisch „Staat“ nennt.
Jedenfalls fand die anarchistische Wende trotz der Erfahrungen mit den erwähnten Staatsexzessen (vorerst) noch nicht statt. Das Mono-Prinzip schaffte es, sich mit heuchlerischen Rechtsstaatlichkeitsbeteuerungen um seine grundsätzliche Infragestellung zu drücken. Ihm zu Hilfe kamen so edle Rechtswissenschaftler wie Gustav Radbruch. Er prägte die später ehrfürchtig nach ihm benannte Formel:
«Der Konflikt zwischen der Gerechtigkeit und der Rechtssicherheit dürfte dahin zu lösen sein, dass das positive, durch Satzung und Macht gesicherte Recht auch dann den Vorrang hat, wenn es inhaltlich ungerecht und unzweckmässig ist, es sei denn, dass der Widerspruch des positiven Gesetzes zur Gerechtigkeit ein so unerträgliches Mass erreicht, dass das Gesetz als ‹unrichtiges Recht› der Gerechtigkeit zu weichen hat.»
Das ist etwa gleich überzeugend, wie den Fuchs zum Ordnungshüter des Hühnerstalls zu machen und den Hühnern erst dann ein Widerstandsrecht einzuräumen, wenn der Fuchs wider Erwarten auf die Idee kommen sollte, sie zu fressen. Diese Logik bestimmt noch heute, mehr denn je, das Denken über die Ordnungsfunktion des Staates.
Ein schönes Wochenende
Euer Zeitgedanken
Na schön dich mal wieder hier zu haben, toller Post (wie immer)
Steem on und weiter viel Erfolg...
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Dachte ich versuch es mal wieder. Bin meistens auf Hive.
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Man hat erzählt Du warst im Knast, stimmt das?
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ich bin dort immer noch, nur als Freigänger
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Ich schätze mal irgendwas mit 130. Das Ding ist ja sehr dehnbar.
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130 sagt mir jetzt nichts. Was verstehst du darunter?
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Na ich meine Volksverhetzung, das kann je ziemlich schnell greifen und wird auch sehr dehnbar ausgelegt, wenn jemand zu kritisch wird.
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nein, hat mit Volksverhetzung nichts zu tun. Ich habe die Steuerzahlungen (direkte Steuern) verweigert.
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