Ist Dividende etwas schlechtes?

in dividende •  5 years ago 

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Wer hier bereits eine Weile bei mir mitliest wird wissen, dass ich zu den langfristig orientierten Anlegern gehöre und somit ein überzeugter Anhänger des Buy & Hold-Lagers bin. Mein primäres Interesse beim Handeln ist nicht die Spekulation, sondern meinen Cashflow langfristig zu erhöhen. Zumeist wird dies über eine Dividendenstrategie bewerkstelligt und es wird daher auch nicht sonderlich überraschen, dass die meisten meiner Titel im Portfolio eben auch immer eine Dividende abwerfen. Ohne wirklich guten Grund oder einer strategischen Überlegung heraus, erwarte ich von jedem Unternehmen am Ende des Jahres im Schnitt 2%.

Im Kern ist eine Dividende ganz einfach erklärt. Als Investor gibt man Geld in ein Unternehmen herein, dieses arbeitet operativ damit und stellt Güter her, die dann wieder verkauft werden. Idealerweise bleibt dann am Ende einer Periode ein ordentlicher Batzen Umsatz übrig. Zieht man davon die Steuern und Kosten ab, bleibt idealerweise noch etwas mehr übrig und das Unternehmen hat einen Gewinn gemacht. Am Ende des Geschäftszyklus greifen die Aktionäre dann ins Unternehmen, um sich den Gewinn untereinander aufzuteilen.

Dies ist sehr leicht nachvollziehbar, da es im Kern genau das ist, was man bei jeder Unternehmung erwarten würde. Auch bei einer Einzelunternehmung würde dies im Kern genauso ablaufen und zu einer Privatentnahme kommen. Ein Aktienunternehmen macht dies eben über die Dividende und auf der Hauptversammlung legt man fest, wieviel man sich herausnehmen muss. Nicht als Einzelperson, sondern eben als Kollektiv.

Somit ist eine Dividende doch grundsätzlich immer etwas positives, oder? Zeit auch einmal ein Auge auf der Schattenseite der Dividende zu werfen und sich die daraus resultierenden Nachteile anzusehen. Und ich meine damit nicht einmal das worüber Trader und Spekulanten regelmäßig jammern, weil die Dividende ihnen den Kurs verzerrt ;)

Man muss die Hierachie genau bedenken. Die Geschäftsführung steht nicht oben. Sie wird vom Aufsichtsrat ernannt um das operative Geschäft durchzuführen. Der Aufsichtsrat wiederum wird von der Hauptversammlung (bzw. Den Aktionären) ernannt, um als ihre Vertretung das Geld zu verwalten und sicherzustellen, dass dies vernünftig genutzt wird. Am Ende des Jahres muss dann eben der Aktionär zufrieden sein, weil ansonsten die Köpfe rollen und man seinen Job los ist.

Somit ist es nicht selten, dass die Geschäftsführung und Aufsichtsrat nach einem schlechten Geschäftsjahr mit dem Rücken zur Wand steht und genau wissen, dass sie mit ihren vorliegenden Zahlen auf wenig Begeisterung stoßen werden. Also kramen sie ein wenig rum um irgendwie Gelder frei zu kriegen. Dies können Entlassungen sein, aber eben auch Investitionsstopps oder manchmal sogar die Aufnahme von Fremdkapital. Das so gewonnen Geld wird an die Aktionäre ausgeschüttet, um diese glücklich zu stimmen.

Ein schlechtes Jahr verdaut sich wesentlich einfacher, wenn man sagen kann, dass der Gewinnrückgang keinen Einfluss auf die Dividende hatte. Gerade als langfristiger Investor möchte ich allerdings nichts von Entlassungen und Investitionsstopps hören. Ich will etwas von Expansion und Fortschritt hören. Wie soll dies möglich sein, wenn möglicherweise gutes Personal entlassen wird und nicht die modernsten Arbeitsinstrumente zur Verfügung gestellt bekommen?

Man sollte als Aktionär also sehr genau hinsehen, ob die Dividende wirklich eine echte Ausschüttung ist oder eigentlich nur eine Kanibaliserung von der Substanz des Unternehmens ist. Klassischerweise steht das Unternehmen momentan unter Druck wie z.B. Volkswagen die letzten Jahre oder eben auch RWE und hat bereits eine ganze Weile Probleme gehabt. Steigt dann plötzlich die Dividende wieder an, könnte es etwas Opium für die Inhaber sein und man sollte einen sehr kritischen Blick darauf werfen. Eine hohe Dividende ist somit immer auch ein Alarmindikator und man sollte sehr genau hinsehen, wie diese zustande kommt.
Ein weiter Grund Nachteil der Dividende ist auch erst auf den zweiten Blick ersichtlich, aber dennoch leicht nachzuvollziehen. Greift der Aktionär in das Unternehmen und zieht den Gewinn heraus, bleibt am Ende in der Kasse eben nichts übrig. Woher sollte das Unternehmen dann neues Wachstum angehen und z.B. neue Anlagen errichten? Es würde mehr oder minder auf seinem aktuellen Level verweilen und nicht richtig wachsen können.

Dies ist auch der Grund, wieso üblichweise vom Unternehmen eine Quote festgesetzt wird, wieviel des Bilianzgewinnes man überhaupt ausschütten will. Die Spanne reicht typischerweise zwischen 40% und 60%. Gerade eben die Gegner der Dividende schütteln regelmäßig den Kopf, weil sie das Geld im Unternehmen belassen wollen. Immerhin kann das Unternehmen scheinbar wesentlich besser dieses Vermehren als wenn dies auf dem Konto des Aktionäres rumliegt.

Hat das Unternehmen also die Möglichkeit zu expandieren, sollte man als Investor durchaus begrüßen, wenn dieses dann auch genutzt wird und man möglicherweise lieber die Dividende im Unternehmen belassen sollte. Es lohnt sich also immer auch ein Blick darauf, ob das Unternehmen mit mehr Geld auch mehr Wachsen könnte und man es durch den Zugriff in die Kasse in seinen Möglichkeiten einschränkt.

Typischweise sind starke Dividendenstitel bereits gut etablierte und eingessene Unternehmen bei denen die Geschäftsführung auf einem Batzen Geld sitzt und gar keine Ideen mehr hat, wie man noch mehr vom Markt abschöpfen kann. Beispielsweise Coca Cola! Nun nachdem auch der chinesische Markt erschlossen ist, gibt es nur noch wenige Möglichkeiten irgendwo hin zu wachsen. Das Kernprodukt wird gut gekauft und lässt sich nicht einfach in irgend einerweise „verbessern“ und man stochert lieblos in angrenzenden Unternehmen rum und kauft diese hier und da einmal ein.

In einem solchen Fall will ich als Akionär das Geld lieber auf dem Konto haben, anstatt das irgendwelche sinnlosen oder gar gefährlichen Zukäufe gemacht werden. Lieber ein funktionierendes Bestandsgeschäft, dass gute Gewinne abwirft als einem möglicherweise retardierten Geschäftsführer den Eindruck zu vermitteln, dass er unbedingt etwas mit dem Geld machen sollte.

Doch was ist, wenn wir ein Unternehmen in einem Wachstumsmarkt haben? Ein Google, Amazon oder Tesla, dass versucht mit neuen Produkten in einem Markt hinein zu kommen oder neue Ideen hat, die noch höhere Gewinne abwerfen. In einem solchen Fall ist es möglicherweise gut, dass man Kapital zur Verfügung stellt. Somit ist es auch nicht verwunderlich, dass gerade solche Aktien oft auch eine wesentlich geringere oder eben gar keine Dividende ausschütten.

Eine Dividende kann somit auch immer ein Indikator dafür sein in was für einem Markt sich das Unternehmen befindet. Ist es ein eher ruhiger und bereits erschlossener oder eben eines in dem noch nicht alle Karten gelegt wird. Beides kann seine Vorzüge haben und ich finde beide Denkweisen valide.

Hier hilt es nur sich das Unternehmen genauer anzusehen und den Markt einzuschätzen. Gerade wenn eine Wachstumsstory plausibel erscheint, bin ich durchaus auch mal bereit ein wenig auf eine Dividende zu verzichten. Liefert ein langfristig etabliertes Unternehmen hingegen keine Dividende und verspricht Wachstum, würde ich eher die Finger davon lassen. Irgend etwas stimmt dann nicht mehr mit dem Geschäftsmodell und der Markt fällt vielleicht bereits in sich zusammen.

Während diese beiden Nachteile von Dividenden noch recht einfach nachvollziehbar sind, ist es eine andere nicht. Dividende sind steuerlich eher ungünstig für den Investor. Dies mag nun ein wenig überraschen, wird aber klar, wenn man sich den Cashflow ansieht. Das Unternehmen zahlt üblicherweise eine niedrige Steuer auf Gewinne (und ich meine damit nicht, die 0%-Akrobaten).

Wird dieser Gewinn nun an die Aktionäre ausgeschüttet, zahlen diese ~26% Kapitalertragssteuer darauf, bevor das Geld nun überhaupt auf ihrem Konto landet. Obwohl man 100€ entnommen hat, bleiben am Ende 75€ nur übrig, die man dann wieder erneut investieren und anlegen kann. Doch was wäre, wenn man die 100€ im Unternehmen behalten würde? Genau! Die Steuer wird darauf nicht fällig und die vollen 100€ können arbeiten.

Betreibt man dies langfristig über mehrere Jahrzehnte und geht davon aus, dass die Geschäftsführung eine gute Arbeit leistet, so hat man am Ende ein wesentlich wertvolleres Unternehmen und über all die Jahre wesentlich mehr Geld für sich arbeiten lassen. Dies ist ein nicht zu unterschätzender Hebel gegenüber einem Modell bei dem man sich die Dividende ausschütten lässt und dann direkt danach wieder irgendwo investieren würde.

Dies als drei Beispiele für die Dividendenfans unter Euch um einmal eine andere Perspektive auf das Thema einzunehmen und seine Titel ein wenig kritischer zu beurteilen. Erklärt man dies den Leuten, sind einige danach immer verunsichert und fragen sich, ob eine Dividende wirklich gut ist und es nicht doch besser wäre auf reine Wachstumstitel zu setzen.

Nun wie Eingangs bereits gesagt, bin ich ein klarer Fan von Dividenden und somit auch jemand, der in all den oben genannten Punkten trotzdem zu dem Schluss kommt, dass dies Nachteile sind, die ich akzeptabel halte. Achtet man nicht blind auf die Dividendenrentabilität und schaut sich den Verlauf der Ausschüttungen an, kann man die echten Perlen leicht von denen Unterscheiden, die versuchen die Aktionär mit in goldgepresstes Opium ruhig zu stellen.

Auch was die Expansionsträume von so mancher Geschäftsführung angeht, bin ich gerne der Spielverderber und stelle meine Erwartungen gleich am Anfang des Jahres klar. Ich will am Ende des Jahres Kohle sehen und zwar durch ein solides und gemäßigtes Wachstum. Sitzt die Geschäftsführung auf einem Goldsack, kommen zu leicht Allmachtsphantasien auf und man beginnt sich Elfenbeintürme zu errichten.

Bei so manchem Zukauft der mit überschüssigen Geld gemacht wurde (Telekom und ihr USA-Abenteuer, Bayer mit Mosanto etc.) kriege ich die nackte Panik. Lieber greife ich dann einmal mehr in die Kasse um so etwas zu beenden, bevor es richtig hässlich wird. Eben auch um das Unternehmen langfristig zu erhalten. Am Ende muss man hier sehr genau hinsehen, wie die Lage im jeweiligen Unternehmen ist.

Droht einem Unternehmen jedoch als Investmentbank eingestuft zu werden, weil diese das Geld über Jahre horten ohne das die Geschäftsführung klar sagen könnte wofür man dies noch einsetzen könnte, dann haben die Aktionäre meiner Meinung nach nicht ihre Hausaufgaben gemacht und einfach zuviel Spielraum gelassen.

Wie fast alles in dieser Welt gibt es nichts, was einfach nur gut und nur schlecht ist. Es sind immer Aspekte, die wir als Investoren beurteilen müssen und danach handeln müssen. Man muss sich stets eben auch vor Augen halten, dass man nicht nur blindlings in die Kasse greift, sondern eben ein langfristigen Erfolg der Unternehmung möchte. Denn in diesem Fall sitzt man mit dem Angestellten im gleichen Boot. Sinkt dieses, leiden beide Seiten darunter und als Inhaber hat man die Verpflichtung dies bestmöglich zu verhindern.

Dies gelingt aber eben nur dann, wenn man der Geschäftsführung genau bei ihrer Arbeit auf die Finger schaut und nicht einfach nur an den regelmäßigen Ausschüttungen erfreut und die Kontoauszüge im Ordner abheftet. Genau dies ist der Grund, wieso man sich als Dividenden-Fanboy auch ganz genau einmal die Argumente der Kritiker ansehen sollte und sich dazu ein paar Gedanken machen sollte. ;)

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Schöner Artikel!

"[...] die meisten meiner Titel im Portfolio eben auch immer eine Dividende abwerfen."

Hast du dein Portfolio in letzter Zeit mal veröffentlicht?

Nein, ich mache da eine Übersicht zumeist ja zum Ende des Jahres als Postmortem oder wenn eine Dividende ausgeschüttet wird, gibt es auch manchmal etwas.

Infineon, RIB Software, Texas Instruments, BB Biotech, Deutsche Börse, Johnson & Johnson, Allianz, Siemens Healthineers, Proctor & Gamble, Coca Cola, Disney, BASF, Unilever sind die aktuellen Einzeltitel.



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