Mich wundert die absolute Einfallslosigkeit bei der doppelten Staatsangehörigkeit, sowohl in Deutschland als auch in vielen anderen Staaten. Dabei könnte die doppelte Staatsangehörigkeit vom Staat clever für sinnvolle Zwecke eingesetzt werden. Dazu müsste die Hysterie erstmal abklingen.
Negativ Beispiel 1:
Schauen wir beispielsweise einen typischen Einwanderer aus einem nicht-EU-Land an. Will sich dieser in Deutschland einbürgern, besteht Deutschland darauf die bisherige Staatsangehörigkeit aufzugeben. In vielen Ländern darf man jedoch, ohne die Staatsangehörigkeit zu besitzen, kein Grundeigentum halten. Ist nun dieser Einwanderer Deutschland eigentlich sehr verbunden, möchte sich aber nicht die Möglichkeit nehmen das Elternhaus eines Tages zu erben, steht er vor einem echten Dilemma.
Genau solchen Leuten wird oft vorgeworfen sich Vorteile rauspicken zu wollen. Ich frage mich nur: Welche sollen das sein? "Tante Trude aus Buxtehude" wird kaum in die Verlegenheit geraten ein Grundstück in Georgien zu erben, bei Jascha aus Tiflis sieht das ganz anders aus.
Für solche Fälle gibt es zwar die "Einbürgerung unter Hinnahme von Mehrstaatigkeit". Wann und wie diese zugestanden wird, unterscheidet sich aber sogar von Bundesland zu Bundesland. Es entstehen Ungerechtigkeiten.
Negativ Beispiel 2:
Aus der Pflicht seine bisherige Staatsangehörigkeit aufzugeben, entstehen teilweise absurde Situationen: Eine mir bekannte Dame wurde in Deutschland geboren und wuchs in einem SOS-Kinderdorf auf.
Von den Eltern ist bekannt, dass sie wohl aus einem Balkanland kamen. Die Behörden des vermuteten Ursprungslandes helfen nicht, weil die (vermutete) Staatsangehörigkeit nicht nachgewiesen werden kann. Sie kann weder die Sprache noch war sie je in dem Land. Im Ergebnis bekommt sie keinen Pass. Gar keinen.
"Findelkinder" gelten zwar als Deutsch, aber die Eltern haben den bürokratischen "Fehler" gemacht das Baby nicht anonym abzugeben. Wäre die Dame als Neugeborene anonym aufgefunden worden, wäre sie jetzt bereits Deutsch.
Einbürgern lassen kann sie sich nicht, weil man dazu seine aktuelle Staatsangehörigkeit nachweisen und aufgeben muss. Staatenlosigkeit kann sie, wiederum weil die Eltern auf dem Papier bekannt sind, nicht geltend machen.
Weil die Eltern bekannt sind und die deutschen Behörden daher davon ausgehen dass sie eine Staatsangehörigkeit besitzt, welche sie aber nicht nachweisen und somit auch nicht abgeben kann, kann sie nicht eingebürgert werden. Ein Teufelskreis - bei dem ich sogar sagen würde, dass sich das ausländische Land in rein innerdeutsche Angelegenheiten einmischt. Freilich tut das Land das nicht aktiv, aber Deutschland lässt sich indirekt einiges vorschreiben, was hier zum extremen Nachteil der Dame wird.
Wenn nun Deutschland wenigstens irgendeinen Vorteil hätte diese Dame so hängen zu lassen, könnte man überhaupt weiterdiskutieren. Aber: Welchen Vorteil soll das sein?
Negativ Beispiel 3:
Manche Länder, z.B: Kuba, Argentinien, Iran, Irak, Libanon, Eritrea (es gibt noch weitere), erlauben die Abgabe der Staatsangehörigkeit nicht. "Einmal Libanese, immer Libanese", ob man das als Bürger will oder nicht spielt keine Rolle. Wenn von Einbürgerungen gesprochen wird, werden diese Länder oft als Beispiele für die bösen, bösen Einbürgerungswilligen genannt, die ihre ursprünglichen Pässe nicht abgeben wollen. Dass dies schlicht unmöglich ist wird nicht kommuniziert; ein absolutes Unding. Trotzdem müssen diese Leute bei Einbürgerung Nachweise darüber bringen, dass sie "versucht haben" ihre Staatsangehörigkeit aufzugeben. Es werden also Briefe an die Botschaften geschickt, in denen um Entlassung gebeten wird. Da die Botschaften diese Briefe nicht beantworten sondern sammeln und/oder in den Aktenvernichter stecken, wer weiss das schon, muss der Brief sinnloserweise per Einschreiben verschickt werden. Damit man nachweisen kann etwas versucht zu haben was nachweislich nicht geht. Schizophren!
Vorschlag 1:
Deutschland sollte, genau wie die USA, die Schweiz, Großbritannien und viele andere Länder, einfach nur intern unterscheiden: Ist die Person Inländer (Deutsch) oder nicht. Bei der Einbürgerung kann man andere Staatsangehörigkeiten einfach ignorieren, diese sind schlicht "Privatvergnügen". Das einzige was nicht geht, das ist allerdings bereits heute so, ist konsularische Hilfe: Wird ein Deutscher (Doppelbürger) in Deutschland festgenommen, gilt ausschließlich deutsches Recht. Einem Doppelbürger steht keine konsularische Hilfe des anderen Staates zu - dies wäre eine Einmischung in interne Angelegenheiten und wird bereits jetzt weltweit so gehandhabt.
Vorschlag 2:
Eine Wehrpflicht oder Dienstpflicht wird aktuell neu diskutiert. Unabhängig davon wie man zu dieser Pflicht selbst steht, kann diese einfach an den Wohnort geknüpft werden. Alle in-Deutschland-Wohnhafte müssen dann zum Dienst. Will der Staat keine Ausländer in der Armee, könnten diese zum Zivildienst verpflichtet werden. Egal wie, praktisch ist die doppelte Staatsangehörigkeit auch hier kein Problem, sondern man müsste es nur vernünftig regeln (wollen).
Vorschlag 3:
Eine Entlassung aus der deutschen Staatsangehörigkeit ist, wie in den meisten Ländern, nicht möglich, wenn man dadurch Staatenlos würde. Dies sollte auch unbedingt so bleiben, weil man sonst den zivilisatorischen Boden unter den Füßen verliert. Was spricht aber dagegen Neubürger nicht nur ihre bisherige Staatsangehörigkeit behalten zu lassen, sondern sie sogar dazu zu verpflichten (sofern der ausländische Staat dies erlaubt)? Man könnte dann eine handvoll schwerster Straftaten definieren, welche nach rechtskräftiger Verurteilung zum Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit führen würde. Die Entlassung wäre möglich gerade weil der Betroffene seine bisherige Staatsangehörigkeit weiterhin hat. Selbstverständlich müsste dies auf den sprichwörtlichen "Mord und Totschlag" bzw. noch schlimmere Straftaten begrenzt sein. Um die Abgabe der ausländischen Staatsangehörigkeit effektiv zu verhindern, könnte man die deutsche Einbürgerung im Falle einer freiwilligen Abgabe der bisherigen Staatsbürgerschaft rückwirkend für ungültig erklären. So würde die Person nicht Staatenlos, oder mindestens nicht durch das Zutun Deutschlands.
Status Quo
Diskutiert wird nur "Doppelpass ja oder nein", allerdings ohne die zugehörigen Aspekte korrekt oder sinnvoll zu berücksichtigen. Es herrscht eine unglaubliche Verzettelung, welche durch die (nicht-)Berücksichtigung von Kleinigkeiten zu unnötigen Zankereien führt.