Handelsblatt print: Nr. 151 vom 08.08.2013 Seite 008 / Wirtschaft & Politik
Hübner und der Dominoeffekt
Ein interner Bericht belegt: Sachsen-Anhalt sah sich bei der Firmengruppe des SPD-Vorzeigeunternehmers in einer Haftungsfalle.
-- Roland Berger erstellte ein Sanierungsgutachten.
-- Banken mussten auf 24,5 Millionen Euro verzichten.
Die Sondersitzung des Wirtschafts- und Finanzausschusses im Landtag von Sachsen-Anhalt an diesem Donnerstag dürfte der SPD und ihrem Vorzeige-Unternehmer Klaas Hübner nicht gefallen. Seine Firmengruppe Schloss Neugattersleben entpuppt sich als Potemkin'sches Dorf. Da ist eben nur die Fassade ansehnlich.
Gleichzeitig muss sich die regierende CDU vorhalten lassen, allzu locker mit dem Geld der Steuerzahler umgegangen zu sein. Und bei Dinnies Johannes von der Osten, der seit 1998 die Geschäfte der landeseigenen Beteiligungsgesellschaft IBG führte, stellt das Finanzministerium erhebliche Pflichtverletzungen fest. Das Land schenkte von der Osten jahrelang sein Vertrauen.
Als Vorbereitung für die Sitzung erstellte das Finanzministerium einen Bericht. Und dieser enthält brisante Details. Danach erhielt das Ministerium am 10. Juli Kenntnis von Recherchen des Handelsblatts, wonach von der Osten schon 1999 am Solarzellenhersteller Q-Cells beteiligt war - genau dem Unternehmen, das ein Jahr später 4,1 Millionen Euro ausgerechnet von der IBG erhielt.
Das Handelsblatt berichtete am 16. Juli darüber, einen Tag später kam Wirtschaftsminister Hartmut Möllring zu dem Schluss, dass "die Pflichtverletzungen des Herrn von der Osten eine hinreichende Grundlage für die Beendigung der vertraglichen Beziehungen aus wichtigem Grund darstellen." Zwar war dem IBG-Chef laut Arbeitsvertrag nicht ausdrücklich verboten, sich privat an Firmen zu beteiligen, die Gelder von der IBG erhielten. Doch es gab eine Geschäftsanweisung von 1995, die von der Ostens doppeltes Spiel ausschloss. "Auch ohne eine Verpflichtung in seinen Anstellungsverträgen hätte Herr von der Osten den Interessenkonflikt offenlegen müssen", heißt es dazu im Bericht.
Mit der Trennung vom IBG-Chef ist die Affäre für das Land jedoch nicht ausgestanden. Ein Großteil der Gelder, die zwischen 2005 und 2013 von der IBG ausgegeben wurden, floss an Unternehmen, die alle zum selben Eigentümer gehörten: der Firmengruppe Schloss Neugattersleben des SPD-Wirtschaftsexperten Klaas Hübner. Und dessen Gruppe stand, entgegen Hübners Darstellung, auf tönernen Füßen.
Schon 2010 war Hübners Firmengruppe vom Aufsichtsrat als "Risikocluster" identifiziert worden, so ist es dem Bericht des Wirtschaftsministeriums zu entnehmen. Mehrere der Firmen, die schon Millionen Euro an Steuergelder erhalten hatten, seien existenzgefährdet gewesen. "Grund hierfür war, dass sich einige Unternehmen der Schlossgruppe Neugattersleben in einem Haftungsverbund befanden", steht im Bericht. "Das heißt, dass die dem Haftungsverbund angehörenden Unternehmen der Schlossgruppe Neugattersleben Banken gegenüber gesamtschuldnerisch hafteten. Die Insolvenz eines Unternehmens des Haftungsvorbunds hätte demzufolge einen negativen Dominoeffekt für andere Unternehmen des Haftungsverbundes auslösen können."
Die Analyse gibt zu denken. Zwar spricht sich das Ministerium selbst von jedem Zweifel frei. Doch warum waren diese Firmen so verschachtelt, dass eine Insolvenz andere auslösen konnte? Und warum merkte das Ministerium dies erst 2010? Immerhin war die IBG an drei Hübner-Unternehmen beteiligt, die sich in dem gefährlichen Haftungsverbund befanden. Lag dies daran, dass Hübner das Land schlecht informierte? Auf Nachfrage sagte der SPD-Unternehmer sogar noch Ende Juli, die Unternehmen seien eigenständig.
Faktisch stand das Land 2010 vor der Wahl: Massive Abschreibungen hinnehmen, oder mehr Geld einsetzen? Es floss noch mehr Geld. "2010 erarbeitete die Unternehmensberatung Roland Berger ein Sanierungskonzept für die Schlossgruppe Neugattersleben", steht im Bericht. Es wurde eine Gesellschaft namens K57 GmbH gegründet. Die kaufte den kreditgebenden Banken ihre Forderungen von 35 Millionen Euro ab - zum Preis von 10,5 Millionen Euro. Die Banken also verzichteten auf 24,5 Millionen Euro.
Das Geld für den Forderungskauf kam laut Bericht zu einer Hälfte vom Land, zur anderen von der Familie Hübner. Und auch das ist eine Lehre aus der IBG-Affäre. Klaas Hübner, der in der Öffentlichkeit stets nur von "seiner" Firmengruppe sprach, spielt im Schloss Neugattersleben offenbar nur eine Nebenrolle. Laut der Gesellschafterverträge halten verschiedene Familienmitglieder Anteile an den Unternehmen. Eine konkrete Funktionsbezeichnung von Klaas Hübner ist gar nicht zu finden.
Dass Klaas Hübner als unternehmerisches Aushängeschild der SPD agierte und sogar SPD-Chef Sigmar Gabriel berät, hat Beteiligte offenbar amüsiert. Geschäftspartner der Schlossgruppe sprechen davon, sie hätten übers Geschäft fast nur mit Hübners Vater Hans gesprochen, einem einstigen Bankdirektor. Er arbeite gut mit ihm zusammen, sagt Klass Hübner, Ein Manager, der heute eine Firma führt, die früher zur Schlossgruppe gehörte, spottet: "Klaas Hübner war für mich nie Vorzeige-Unternehmer. Er ist Möchtegern-Unternehmer."
Kasten: ZITATE FAKTEN MEINUNGEN
Die Insolvenz eines Unternehmens hätte einen Dominoeffekt für andere
Unternehmen des Haftungsverbundes auslösen können.
Bericht des Wirtschaftsministeriums Sachsen-Anhalt.
Iwersen, Sönke
Quelle:
Handelsblatt print: Nr. 151 vom 08.08.2013 Seite 008
Ressort:
Wirtschaft & Politik
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