Feuerlaufen - Wie und warum das funktioniert?

in firewalk •  6 years ago  (edited)

Feuerlaufen gibt es schon sehr lange und hat Tradition in den verschiedensten Regionen der Erde. Dokumentiert ist der Feuerlauf unter anderem in folgenden Ländern bzw. Regionen: Afrika, Amerika, Argentinien, Australien, Brasilien, Bulgarien, China, Deutschland, England, Fidschi, Griechenland, Italien, Indien, Japan, Nepal, Polynesien, Sri Lanka und Tibet.    

Der Feuerlauf hat sich vermutlich an etwa 25 Orten der Welt parallel entwickelt. Und er ist keineswegs als Ost-West-Strömung zu verstehen, der seinen Ursprung im Fernen Osten oder asiatischen Raum hatte.   

Unabhängig davon, wie der Feuerlauf entstanden ist und welche Intention er ursprünglich hatte, wurde er meistens praktiziert, um den eigenen Glauben zu testen oder sich Gott zu nähern. Oft galt der Feuerlauf als Initiationsritual, beispielsweise im Fernen Osten, in Nordasien oder auf den Fidschi-Inseln. Durch Rituale bzw. Zeremonien, die auch den Lauf über das Feuer einschlossen, konnten beispielsweise junge Menschen eine veränderte gesellschaftliche Stellung erlangen. Die vermutlich ältesten Nennungen des Feuerlaufs gehen übrigens auf das Alte Testament zurück (etwa 600 v. Chr.).  

Was ist Feuerlaufen?

Feuerlaufen insgesamt ist als Oberbegriff zu verstehen. Grundsätzlich lassen sich zwei Arten unterscheiden:   

Erstens das Laufen über glühende Kohlen und zweitens das Laufen über heiße Steine. Das Laufen über heiße Steine hat seinen Ursprung vor allem im polynesischen Raum und wird auch heute dort noch praktiziert. Das Laufen über glühende Kohlen wurde vor allem in Indien, China und Japan beschrieben.   

Dazu kommen noch weitere Erscheinungsformen wie „fire-handling“ (glühende Kohlen werden in die Hand genommen) und der Feuertanz. In diesem Artikel ist mit Feuerlaufen das Laufen über glühende Kohlen gemeint.   

Beim Feuerlaufen geht der Akteur barfuß über etwa 700 °C heiße, glühende Kohle. 

In Mitteleuropa ist fast ausschließlich das Laufen über glühende Kohlen verbreitet. Dies hat in der Regel keine weit zurückreichende Tradition und wird zumeist in Form von Seminaren oder Workshops durchgeführt.  

Ein besonders breites Interesse erweckte das Feuerlaufen in den USA, als Journalisten von National Geographic (1931 in Singapur) und der New York Times (1973 in Japan) erstmals von diesen Zeremonien berichteten. Die erste größer angelegte wissenschaftliche Untersuchung zum Thema Feuerlauf wurde dann von der University of London Council for Psychical Investigation durchgeführt. 

Das Feuerlaufen in Deutschland hat seinen direkten Ursprung in den USA. Denn Anfang der 80er-Jahre lernte Tolly Burkan, der spätere „Vater des Feuerlaufens“ und Direktor von FIRE (Firewalk Institute for Research and Education), indirekt von einem tibetanischen Mönch das Feuerlaufen. Burkan verbreitete das Feuerlaufen in den USA und bildete viele Feuerlauf-Lehrer aus. Viele der deutschen bzw. deutschsprachigen Feuerlauf-Lehrer haben ihre Ausbildung in den USA erhalten. Mittlerweile gibt es aber auch Möglichkeiten der Ausbildung in Deutschland. 

Das Rätsel des Feuerlaufens 

Der Feuerlauf gibt uns viele Rätsel auf:    

Erstens ist da die wissenschaftliche Seite des Feuerlaufens. Denn wie ist der menschliche Organismus in der Lage glühende Kohle mit einer Temperatur von 600-800 °C zu überstehen? Beispiele aus dem Alltag zeigen, dass bereits der Kontakt mit einer Kerzenflamme (500-1.000 °C) oder einer heißen Herdplatte zu Verbrennungen führen kann.  Warum kommt es dann beim Feuerlaufen in der Regel weder zu Rötungen (Verbrennungen 1. Grades) noch zu Brandblasen (Verbrennungen 2. Grades)?   

Zweitens ist da die kulturelle Tradition des Feuerlaufs: Woher kommen die für uns fremden Rituale und Zeremonien in den verschiedenen Regionen der Erde, die mit dem Feuerlauf verbunden sind? Warum haben sich solche Rituale unabhängig voneinander in verschiedenen Kulturkreisen entwickelt?    

Die eigene Erfahrung zeigt, dass der Feuerlauf für kurze Zeit eine ungewohnte Qualität von Energie, Motivation und Glück hinterlässt. Vermutlich werden beim Feuerlauf in ähnlicher Weise Endorphine (Glückshormone) freigesetzt wie bei Extremsportarten (z.B. Bungee-Jumping). Ist die Produktion der Endorphine und die damit verbundene psychische Veränderung auch schon in der Frühzeit des Feuerlaufens ausschlaggebend gewesen? Drittens sind da Bekanntheitsgrad und Mystik: Jeder hat vermutlich schon einmal vom Feuerlaufen gehört. Warum aber hat Feuerlaufen etwas Mystisches und Rätselhaftes? Liegt das nicht an der Berichterstattung in den Medien, die meist einen Hauch von Mystik hinterlässt?   

In diesem Artikel wird der wissenschaftliche Aspekt des Feuerlaufens noch einmal aufgegriffen. Zum Schluss dieses Kapitels werden die Erkenntnisse der Forschung geschildert.

Vorbereitung

Für die Vorbereitung des Feuerlaufens bieten sich grob zwei Wege an: Entweder wird zu einem Haufen geschichtetes Holz verbrannt und die entstehende Kohle auseinander geharkt, oder aber Holz wird in großen Fässern verbrannt und die entstehende Kohle anschließend ausgekippt. Vor allem bieten sich Kiefern- und Fichtenholz an. Als Brandbeschleuniger dabei eignen sich Zeitungen und Sonnenblumenöl.     

Der Feuerlauf

Nun ist es so weit. Der Feuerläufer stellt sich an den Startpunkt der Laufstrecke. Die Hose ist etwas hochgekrempelt, Schuhe und Strümpfe sind ausgezogen. Es folgt ein mehrmaliges konzentriertes Atmen und dann kann das Feuer überquert werden. Es gibt verschiedene Möglichkeiten und Tricks, wie die Ehrfurcht und Angst vor der Glut überwunden werden kann. Eine Möglichkeit ist die Fixierung eines imaginären Punktes am Boden jenseits der Laufstrecke. Dieser Punkt wird beim Laufen permanent fixiert; das Voranschreiten führt genau auf diesen Punkt hin. 

Am Anfang erfolgt die Überquerung fast automatisch mit großen ausladenden Schritten, sodass vielleicht vier oder fünf Schritte auf der Glut erfolgen. Mit etwas Übung können die Schritte kleiner gemacht werden. Damit erhöht sich dann die Anzahl der Glutberührungen, was mitunter einen großen Reiz hat. Hierdurch werden nämlich Selbstvertrauen und Rationalität auf die Probe gestellt.  Das Feuerlaufen erfüllt mit Stolz und mit einer unbekannten Art von Energie. Der entstehende Enthusiasmus beflügelt und gibt Kraft. Man kann die Endorphine quasi durch den Körper strömen spüren.

Hinweise

Es muss noch einmal deutlich gemacht werden, dass Feuerlaufen gefährlich ist. Verbrennungen sind nicht auszuschließen. Sogar Verbrennungen dritten Grades sind schon vorgekommen. Bei einer guten Vorbereitung auf den Feuerlauf (Stichworte: Achtsamkeit und Konzentration) sind Brandblasen und andere Verletzungen weitgehend auszuschließen. 

Kommt es trotzdem zu einer Brandblase, sollte diese möglichst positiv bewertet werden. Die Erfahrung zeigt, dass das Akzeptieren der Verbrennung eine positive Seite hat. Brandblasen sind zwar schmerzhaft, doch sie stellen auch den ultimativen Beweis für eine besondere Leistung dar – nämlich erfolgreich über 700 °C heiße Kohlen gelaufen zu sein. Die unmittelbare Behandlung mit einer Brandsalbe oder alternativ mit einem entspannenden Fußbalsam ist unbedingt zu empfehlen.

photo credit: Calamint FireWalk-4195 via photopin (license)

Besonders geeignet als Untergrund für den Feuerlauf ist eine Wiese oder ein Acker. Bei geteerten oder kiesbedeckten Flächen besteht das Risiko, dass sich der Untergrund zu sehr aufheizt und somit eine Gefahr für den Feuerläufer darstellt. Zudem sollte bei der Flächenauswahl beachtet werden, dass diese möglichst groß und wenig bewachsen ist. Ansonsten könnte der Funkenflug des Schichtfeuers Probleme bereiten. Ein Feuerlauf im Hochsommer auf einer vertrockneten Wiese ist aus naheliegenden Gründen nicht zu empfehlen.  

Erklärungsansätze 

In der Literatur zum Thema Feuerlaufen/Firewalking sind verschiedene Erklärungsansätze zu finden. Auch im Internet werden auf Themenseiten, in Diskussionsforen und Blogs unterschiedliche Ansätze diskutiert.  Einen guten und verständlichen Überblick bieten Vilenskaya und Steffy („Fire Walking – A New Look At An Old Enigma“). Sie unterscheiden fünf wesentliche Erklärungsversuche. Im Folgenden werden diese Ansätze in Anlehnung an die beiden Autorinnen sowie an ergänzende Literatur geschildert. Ausnahmsweise werden hier auch nichtphysikalische Ansätze zur Erklärung herangezogen. Ein besonderes Augenmerk gilt dem physikalischen Ansatz, der in der Feuerlauf-Literatur viel diskutiert wird.   

Trick und Täuschung 

Der Feuerlauf ist ein Trick. Die Fußsohlen der Feuerläufer werden mit speziellen Tinkturen oder Asche präpariert. Zudem täuschen die Feuerläufer das Publikum, indem sie beispielsweise über die Erde im Randbereich der Feuerglut laufen oder ihre wahren Verletzungen verschweigen. Diese Möglichkeiten sind von älteren Forschern erwogen wurden, mittlerweile aber durch die Ergebnisse der jüngeren Forschung (Beobachtungen, Fotos und Experimente) widerlegt worden.    

Psychophysiologische Interaktion 

Hypnose und Trance führen zu Bewusstseinsveränderungen. Mithilfe von Hypnose kann Hitze ohne körperliche Reaktionen (Brandblasen, Schmerzen) ertragen werden. Psychische Erfahrungen nehmen also Einfluss auf die Physiologie des menschlichen Körpers. Hinzu kommt eine soziale Verstärkung durch die Gruppenmitglieder. Als physiologische Reaktionen auf die Bewusstseinsveränderungen sind im Gespräch: 

Erstens Änderungen der Blutzirkulation (Hitze wird von der Körperperipherie weggeleitet, das heißt, der Einfluss von Hitze wird reduziert), zweitens Minimierung der neuronalen Sensitivität durch veränderte neurochemische Substanzen und drittens die Fähigkeit des Nervensystems Energie aufzunehmen und zu transformieren (bis heute hypothetisch). Insgesamt handelt es sich um eine Interaktion von Geist und Körper, bei der Beziehungen zwischen psychologischen Vorgängen und elektrochemischen Aktivitäten in bestimmten Hirnregionen (endokrines System, Hypothalamus und Cortex) auftreten.   

Mind over matter (Kraft der Gedanken)

Durch Gedanken können die physikalischen Gesetze der Umwelt verändert werden. Oft wird Telekinese im Zusammenhang mit der Vorstellung von einer veränderbaren physikalischen Realität zitiert. Gegebenenfalls gibt es einen unbekannten elektrostatischen Kühleffekt aufgrund elektrostatischer Felder, der das gefahrlose Feuerlaufen ermöglicht.  

Power of belief (Kraft des Glaubens)

Das Feuerlaufen ist möglich, weil jeder Feuerläufer an etwas glaubt, egal wie unvereinbar die Glaubenssysteme der einzelnen Läufer sind. Der Feuerläufer und jeder Mensch richten ihren Glauben nach außen auf ein bestimmtes Glaubenssystem (Placebo, Gott, Physik und Geister). Dem Menschen ist es scheinbar ohne dieses äußere System nicht möglich seine individuelle Kraft bzw. seine angeborene Energie zu nutzen. Der Glaube schützt und stärkt den Feuerläufer bei seinem Lauf über glühende Kohle.   

Gesetze der Physik   

Zwei Möglichkeiten werden im Rahmen eines physikalischen Erklärungsansatzes immer wieder diskutiert: die Theorie der geringen Leitfähigkeit und der Leidenfrost-Effekt.   

Theorie der geringen Wärmeleitfähigkeit

Bei Wärmeaustauschprozessen (Kontakt von Fußsohle und Feuerglut) ist nicht nur die Temperatur entscheidend, sondern vielmehr die Wärmeleitfähigkeit und der Wärmegehalt eines Stoffes. Holzkohle hat bei hoher Temperatur eine relativ geringe Wärmeleitfähigkeit und einen niedrigen Wärmegehalt. Glühender Stahl, der gleiche Temperaturen aufweist, würde im Falle eines Kontaktes aufgrund der hohen Wärmeleitfähigkeit schwerste Verbrennungen verursachen. Die relativ geringe Wärmeleitfähigkeit von glühender Kohle ermöglicht einen Kontakt, sofern dieser von kurzer Dauer ist und nicht allzu oft wiederholt wird. Bezogen auf den Feuerlauf heißt dies, dass wenige Schritte mit einer Kontaktdauer von weniger als zwei Sekunden physikalisch und physiologisch möglich sind. Diese 2-Sekunden-Marke ist vermutlich eine physiologische Grenze, bis zu der das Körpergewebe den Kontakt unbeschadet überstehen kann. 

Die Theorie der geringen Wärmeleitfähigkeit setzt sich folglich aus drei Faktoren zusammen: erstens schlechte Wärmeleitfähigkeit von Kohle, zweitens kurze Fuß-Kohle-Kontakte und drittens wenig Kontaktwiederholungen (Schritte).   

Leidenfrost-Effekt

Der Leidenfrost-Effekt wurde im 18. Jahrhundert von dem Physiker Johann Leidenfrost entdeckt. Er tritt auf, wenn eine Flüssigkeit einen Gegenstand berührt, dessen Temperatur über dem Siedepunkt der Flüssigkeit liegt. Um die Flüssigkeitströpfchen herum bildet sich eine Dampfschicht (Barriere mit geringer Wärmeleitfähigkeit), die sowohl die direkte Berührung von Körper und Flüssigkeit als auch das weitere Verdampfen der Flüssigkeit verhindert. Dieser Effekt kann veranschaulicht werden, indem man die Unterseite eines heißen Bügeleisens mit feuchten Fingern berührt. Der Leidenfrost-Effekt ermöglicht einen kurzen Kontakt ohne Verbrennungsfolgen. Weiterhin tritt der Effekt auf, wenn Wassertropfen auf eine heiße Herdplatte gelangen. Die Tropfen verdampfen nicht sofort, sondern „tanzen“ auf der Herdplatte. Dies ist ebenfalls auf die Dampfschicht zurückzuführen, die aufgrund der hohen Temperatur der Herdplatte entsteht. Bezogen auf den Feuerlauf führt der Leidenfrost-Effekt dazu, dass sich Fußschweißtröpfchen mit einer Dampfschicht umgeben und den kurzzeitigen Fuß-Kohle-Kontakt ermöglichen.    


Es fällt auf, dass die beiden Ansätze sich etwas überschneiden bzw. aufeinander aufbauen. Denn das Phänomen der geringen Wärmeleitfähigkeit spielt auch beim Leidenfrost-Effekt eine große Rolle. Vermutlich tritt in der Praxis eine Kombination aus beiden Erklärungsansätzen auf. Doch auch dazu gehen die Meinungen der Forscher auseinander. Hypothesen über weitere Einflussgrößen wie gefühllose Schwielen an den Fußsohlen oder das Gewicht des Feuerläufers konnten mittlerweile durch experimentelle Untersuchungen entkräftet werden.
  

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Lest gerne auch meinen Artikel übers Glaslaufen. Da gehts auch um Physik. 😂