Rebellion des Gewissens - Auflösung

in gedankenverbrechen •  5 years ago 

Für den Fall, dass Du erst jetzt diesen Artikel findest, er ist ein Folgebeitrag von https://steemit.com/gedankenverbrechen/@gammastern/rebellion-des-gewissens

Nun wenn man Menschen ein wenig kennt und einschätzen kann, dann weiß man im Vorfelde immer schon ein wenig, ob sie die Rede erkennen können oder nicht. Dies ist hier im Netz mit einem eher offenen Publikum schon ein wenig schwieriger. Es haben ja doch einige scheinbar recht schnell erkannt und mich damit zumindest positiv überrascht. Schade, dass nur so wenige mitgemacht haben ;)

Falls Du eine der stillen Mitleser warst oder es nicht erkannt hast, wirst Du vielleicht ein wenig irritiert gewesen sein. Zweifelsfrei wird eben zu einem Kampf aufgerufen und viele Leute verbinden damit zunächst einmal einen eher linkes politisches Spektrum. Immerhin wird ja gerade auch gegen Authorität aufgerufen. Gleichzeitig sind aber eben auch Begrifflichkeiten drin, die man vermutlich eher mit authoritären Strukturen in Verbindung bringen würde. Wer genau zuhört, wird dann verwundert sein, dass man am Ende zur Demokratie aufruft.

Ja, was will der Redner einem eigentlich genau sagen? Aus welcher Zeit stammt er überhaupt. Wenn es um die seelenlosen Maschinen geht, die uns versklaven wollen, würde man an etwas Neuzeitliches denken. Gleichzeitig klingt die Rede aber eben auch ein wenig älter und verstaubter. Vielleicht ja aus der Anfangszeit des kalten Krieges und man kann es nur nicht richtig einordnen, weil man eben die Politiker aus dem jeweils anderen Block nicht so genau kannte. Vielleicht wurde ja eben eine solche Rede auch eher zensiert, weil sie nicht von dem jeweilig Herrschenden toleriert wurde?

Vielleicht wird es dem einen oder anderen nun doch überraschen, dass dies keine echte politische Rede ist, sondern schlichtweg aus einem sehr berühmten Film stammt, den viele Leute heutzutage vielleicht gar nicht mehr auf dem Schirm haben und trotzdem vermutlich dabei geholfen hat die Geschichte zu verändern. Der Redner ist niemand anderes als „Charlie Chaplin“ aus seinem Film „Der große Diktator“.

Dieser Film stammt aus dem Jahr 1940 und somit aus einer Zeit in der der zweite Weltkrieg erst im Entstehen gewesen ist und ein Großteil von Europa noch gar nicht ahnte, was da in den nächsten Jahren über sie hereingebrochen kommt. Ja, an vielen Abschnitten der Fronten, hat man noch lachend beisamen gesessen und wieder gedacht, dass man zu Weihnachten daheim ist.

Der Film ist ein Seitenhieb in Richtung des Nationalsozialismus. Ein jüdischer Friseur rettet im ersten Weltkrieg einem Piloten das Leben und verliert sein Gedächtnis und ist für 20 Jahre lang im Krankenhaus. Als er wieder raus kommt, hat der Diktator „Hynkel“ die Macht im Land an sich gerissen und verfolgt Juden und Andersdenkende. Zu der berühmten Rede am Ende kommt es durch eine folgenschwere Verwechslung. Der Friseur hat nämlich eine enorme Ähnlichkeit mit dem Diktator. Und während dieser verhaftet wird, schlüpft der Friseur in die Rolle des Diktators. Dieser ist nun umringt von den Gefolgsleuten des Diktators und wird genötigt eine Rede zu halten. Dabei nimmt er allen Mut zusammen und spricht einfach frei von der Seele.

Hier ist das Original:

Statt nun also mit Hass und Hetze zu reagieren, hält er eine flammende Rede über Freiheit, Demokratrie und Menschlichkeit.

Das Besondere daran ist vermutlich, dass die meisten Menschen unabhängig von ihrer politischen Gesinnung eine hohe Zustimmung zu dem gesagt haben werden. Gibt es wirklich jemanden, der dem gesagt nicht zustimmen kann? Je nachdem wie man es betrachtet, kann es ein Aufruf dazu sein gegen Autorität zu widersetzen. Ja, ich denke sogar, dass so mancher Nazi (zumindest Passagen) zustimmen würde.

Der Film gilt im Allgemeinen als wichtiger Film, der in den USA eine Debatte über den Kriegseintritt auslöste. Während einige Leute sagten, dass der Film eine Kriegshetze sei und die USA mit in den Konflikt gezogen haben, sagten andere, dass er vermutlich einer der wichtigsten Filme sei, die je hevorgebracht wurden. Zweifelsfrei wird er einen Beitrag geleistet haben, da er eben eine öffentliche Diskussion ausgelöst hat.

Im Hinterkopf muss man immer behalten, dass der Film 1940 entstanden ist und entsprechend eben noch vieles vor einem lag. Zu diesem Zeitpunkt war das Ausmaß des Holocaust bei den Allierten noch keineswegs in den Köpfen des Öffentlichkeit. So wird im Film eine KZ-Szene gezeigt in der die Gefangenen albern marschieren. Natürlich wollte man ein wenig Humor reinbringen. Chaplin entschuldigte sich später für die Szene und bedauerte sie zutiefst, nachdem er (bzw. die Öffentlichkeit) von den wahren Greultaten in den KZs erfahren hat. Er meinte, dass er sich in seinem Film niemals hätte so über die Nazis lustig machen können, wenn er von den wahren Schrecken gewusst hätte.

Und natürlich ist der Film somit auch eine Art Propagdandafilm, wie er in den Tagen eben von allen Seiten erzeugt worden ist, um die eigene Sache zu pushen. Somit verwundert es gar nicht so sehr, dass der Redner eben „Im Namen der Demokratie“ für die Freiheit kämpfen möchte. Dazu aufruft, dass der Bürger und Soldat sich gegen die Unterdrücker der Welt auflehnen solle. Natürlich passte dies perfekt in die Erzählweise der demokratischen Staaten der damaligen Zeit.

Dies aber nur als kleine Anordnung zum Film und der Rede.

Viel faszinierender finde ich allerdings immer wieder, dass es nun bald 80 Jahre her ist, dass dieser entstanden ist und man trotzdem immer noch den Eindruck bekommen kann, dass es genauso gut aus der heutigen Zeit stammen könnte. Wenn eine „Welt der Sauberkeit“ gefordert wird in der „Alt und Jung“ einen Platz haben. Redet man hier vom Klimawandel oder demographischen Probleme? Sind diese Themen nicht eigentlich heutzutage aktueller als damals als sie eigentlich gar nicht existent gewesen zu sein schienen?

Klagen nicht heutzutage immer mehr Menschen darüber, dass wir auf Grund der Technik unsere Menschlichkeit verlieren. In Bussen und U-Bahnen nur noch Zombies sitzen, die auf ihre Geräte...äh... Maschinen starren. Obwohl Flugzeuge und Radio uns näher zusammen bringen, entfernen wir uns immer weiter. Was hätte Chaplin wohl zum Internet gesagt mit dem man wirklich mit jedem Flecken der Welt in Rekordzeit mit jemanden kommunzieren könnte.

Ich erinnere mich immer noch sehr genau in den 90er als ich über das Internet mit einem Bekannten aus Jugoslawien über Computer unterhielt. Er war Serbe und sagt plötzlich nur, dass da irgend etwas gekracht hätte. Dann war die Verbindung weg. Ich erfuhr erst Wochen später, dass ein nahes Umspannwerk von den USA bombardiert wurde. Mir wurde da erstmals bewusst, wie nah der Konflikt war und wie surreal es eigentlich war, dass ich quasi mit jemanden in einem Kriegsgebiet über ein Computerspiel („Kriegsspiel“ ;)) direkt unterhalten konnte. Zumindest bis zu einem bestimmten Punkt. Wir sind wahrlich näher zusammen als wir es je waren.

Trotzdem klagen immer mehr Menschen darüber, dass diese Welt immer kälter und distanzierter wird. Überall kann man Aspekte finden bei denen man den Kopf schütteln kann und Belege dafür findet, dass die Menschlichkeit auf der Strecke geblieben sei.

Besonders bizarr finde ich dabei eben auch das Zerrbild, dass sich bei der „Demokratie“ aufzeigt. Zumindest ich fühle mich durchaus von der Rede angesprochen und würde einem Politiker mit einer solchen Nachricht durchaus gerne zuhören. Jemanden der einen Mut zuspricht und dazu aufruft diese Welt zu etwas besserem zu wandeln. Nagelt einem nun nicht an einzelnen Worten der Rede an, die manchmal sicherlich ein wenig aus der Zeit gefallen sind.

Aber sieht man vielleicht einmal von Obamas erste Amtszeit an... wann hat man in unserer Gesellschaft noch Politiker zu denen man aufschauen könnte und die dem Menschen Mut machen. Die dem Geknechteten der Welt zurufen, dass man wieder Hoffnung haben solle und danach streben eine bessere Welt zu erschaffen.

Natürlich sind wir eben nun eine Demokratie. Wir sind Staaten, die eben auf genau jene Ideale aufbauen, die dort gefordert werden und man früher eben in der Realität gekämpft hat. Und natürlich setzen wir uns ja auch für Freiheit und Demokratie ein - auf der ganzen Welt. Gerne auch mit Waffen und Gewalt. Aber sind unsere Gesellschaften wirklich von einem solchen Freiheitsgeist noch durchzogen? Haben wir begriffen, dass man neben Kanonen auch etwas anderes bauen könnte um die Welt zu einen?

Wir führen keine Kriege mehr, sondern verteidigen unsere Freiheit nur noch beim humanitären Hilfsmissionen in denen wir anderen Menschen Drohnen über die Köpfe kreisen lassen. Die Wenigsten werden dieser Art von Neusprech nicht zumindest subtil erkennen. Aus Mangel an Feinden, haben wir uns unsere Eigenen geschaffen. Denn der moderne Staat kann nicht ohne ein Feindbild existieren. Orwell würde sich die Augen wund heulen.

Ist nicht gerade unsere Politik mehr und mehr nicht mehr von Hoffnung getrieben, sondern vielmehr durch Hass, Abgrenzung und Angst. In der jeder die große Moralkeule schwinkt und auf den Anderen zeigt. Es nur noch darum geht, wer an etwas die Schuld hat und diese übernimmt. Egal, wie groß es ist, was er verbockt hat. Er nimmt nur noch seinen Hut und geht und das gleiche Spiel geht wieder von vorne los. Mal die eine Seite, mal eine Andere. Im Kern aber stets die gleiche Verblendung.

In dem wir nicht mehr Freiheit wollen, sondern zunehmend immer mehr Überwachung in unseren Gesellschaften dulden und fordern, damit wir zunehmend mehr Sicherheit erhalten. Wir uns in eine neue Knechtschaft begeben aus Angst davor, dass jene die anders denken und unsere Gesellschaft bekämpfen wollen, uns besiegen können. Handelt es sich dabei wirklich noch um einen Freiheitsgeist?

Ist in den Köpfen der meisten Menschen Demokratie nicht nur noch ein Sinnbild des Kapitals geworden. In dem wir nicht mehr darüber reden, was wir tun können um die Gesellschaft zu verbessern, sondern nur noch alternativelose Fakten sklavisch leben. Jede Abweichung von der bestehenden Ordnung uns angeblich in einen Abgrund führt? Sich Menschen in Ihrer Freiheit dadurch eingeschränkt fühlen, dass andere so leben wollen, wie sie wollen?

Mich zumindest stimmt dies immer sehr traurig. Insbesondere wenn man mit ansehen muss, dass unsere liberalen Demokratien weltweit auf dem Rückzug befinden. Weil die Versklavten dieser Welt erkannt haben, dass wir von Freiheit reden und dabei am Ende eben doch nur von unseren Vorteilen zu ihren Lasten reden. Und gerade autokratische Systeme uns nun beweisen, dass man auch mit einer gelenkten Demokratie durchaus in der Lage ist Wohlstand zu generieren und die Leute satt zu machen.

Das passiert eben, wenn man hohe Ideale gegen etwas eintauscht, dass leicht von anderen substituiert werden können und man sich nur noch auf belanglosen Nebenkriegsschauplätzen tummelt. Und solange wir unsere Freiheit freiwillig aufgeben und nicht als wertvolles Gut begreifen, wird sich auch niemand in der Welt finden, der diese für uns verteidigen wird. Im Gegenteil wie konstruieren bereits jetzt fleißig ein Gefängnis aus Angst und Sorge, was den Autokraten irgendwann in die Hände spielen wird. Auf die eine oder andere Art und Weise.

Anstatt in der Gesellschaft stets nach den Dingen zu suchen, die uns voneinander trennen, sollte man vielmehr versuchen sich darauf zu konzentrieren jene Aspekte wiederzuentdecken, die uns verbinden. Denn egal wofür wir einstehen, wenn man nur lang genug sucht, findet man in jedem von uns Dinge, die ein jeder von uns anstrebt und sich danach sehnt.

Schade, dass wir heutzutage keinen großen Diktator haben, der den Mut zusammen nimmt, seine Macht aufgibt und eine echte Freiheitsproklamation verkündet in der sich jeder irgendwo wiederfinden kann. Als jung und alt. Schwarz oder weiß. Arm oder reich. Höre ich Chaplin aus seiner Vergangenheit reden, dann beschleicht mich der Eindruck, dass wir als Gesellschaft (aus welchen Gründen auch immer), dass wesentliche Ziel aus den Augen verloren haben. In einer Zeit in der es vielleicht wichtiger den je ist, dass wir einen wichtigen Grundstein für jene legen, die in 80 Jahren auf uns zurückblicken werden.

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Statt einem großen Diktator braucht es einen kleinen Jungen:

Großartig! Ich wundere mich, dass ich das noch nicht kannte. 👍🏼

Posted using Partiko Android

Würde sicherlich auch gehen. ;)

Muss tatsächlich eingestehen, dass ich den Film auch noch nicht kannte. Wird auf jeden Fall mal eingeplant. Danke für den Tipp!