Rot – (Palau)

in gedicht •  6 years ago 

RED


»Rot ist der Abend auf der Insel von Palau
und die Schatten sinken –«
Singe, auch aus den Kelchen der Frau
Läßt es sich trinken,
Totenvögel schrein
Und die Totenuhren
Pochen, bald wird es sein
Nacht und Lemuren.

Heiße Riffe. Aus Eukalypten geht
Tropik und Palmung,
Was sich noch hält und steht,
Will auch Zermalmung
Bis in das Gliederlos
Bis in die Leere
Tief in den Schöpfungsschoß
Dämmernder Meere.

Rot ist der Abend auf der Insel von Palau
Und im Schattenschimmer
Hebt sich steigend aus Dämmer und Tau:
»Niemals und Immer«,
Alle Tode der Welt
Sind Fähren und Furten
Und von Fremdem umstellt
Auch deine Geburten –

Einmal mit Opferfett
Auf dem Piniengerüste
Trägt sich dein Flammenbett
Wie Wein zur Küste,
Megalithen zuhauf
Und die Gräber und Hallen,
Hammer des Tor im Lauf
Zu den Asen zerfallen –

Wie die Götter vergehn
Und die großen Cäsaren,
Von der Wange des Zeus
Emporgefahren –
Singe, wandert die Welt
Schon in fremdestem Schwunge,
Schmeckt uns das Charonsgeld
Längst unter der Zunge –

Paarung. Dein Meer belebt
Sepien, Korallen
Was sich noch hält und schwebt
Will auch zerfallen,
Rot ist der Abend auf der Insel von Palau,
Eukalyptenschimmer
Hebt in Runen aus Dämmer und Tau:
Niemals und Immer.


Gottfried Benn (1922)


Bildquelle
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Wieder einmal sehr inspirierend povoq.....